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Samstag, 23. Juni 2018

Strandgut der Woche

Dienstag, 19. Juni 2018

City Under the Sea

Als der wunderbare Mr. Jim Moon im zweiten Teil seiner neuesten Podcast-Miniserie Spawn of the Gill-man, welche den ärmlicheren Verwandten von Jack Arnolds ikonischem Monster gewidmet ist, die fernab der Schwarzen Lagune die wilden Weiten des B-Movies der 50er und 60er Jahre bevölkerten, unter anderem auch auf Jacques Tourneurs War-Gods of the Deep aka City Under the Sea (1967) zu sprechen kam, fühlte ich mich animiert, dem Streifen gleichfalls wieder einmal einen Besuch abzustatten. Zumal mich seit einigen Wochen ohnehin das Verlangen gepackt hat, meinem filmeschauenden Dasein eine ordentliche und lang vermisste Dosis Vincent Price zuzuführen.



Als im Januar 1965 Tomb of Ligeia in Amerika anlief, war dies das Ende von Roger Cormans berühmtem achtteiligen Edgar Allan Poe - Zyklus. Der eher mäßige Erfolg an den Kinokassen schien Cormans Eindruck zu bestätigen, dass "the series was just running out of steam". Er wandte sich anderen Gefilden zu. 
Doch in der Chefetage von American International Pictures (AIP) vergaß man nicht, dass der Name Poe für beinah ein Jahrfünft ein vorzüglicher Kassenmagnet gewesen war. Und so dauerte es nicht lange, bis Jim Nicholson und Sam Arkoff in Kooperation mit der britischen Firma Bruton Film ein weiteres Projekt ins Auge fassten, das sich in das Gewand des Meisters des Makabren hüllen sollte. Produzent würde Daniel Haller sein, der als Produktionsdesigner und Art Director viel zur opulent-dekadenten Atmosphäre von Cormans Filmen beigetragen hatte. Anders als bei einigen Vertretern von AIPs sogenanntem "zweiten Poe-Zyklus", wie Witchfinder General aka The Conqueror Worm (1969) und Cry of the Banshee (1970), war man noch nicht so weit, Streifen, die auch nicht das Geringste mit dem Werk des großen Dichters zu tun hatten, mit dessen Namen zu versehen. {Obwohl Corman selbst mit The Haunted Palace [1963] den Präzedenzfall dafür geliefert hatte.} Etwas kurios war der Plan trotzdem:
Man wandte sich an den bekannten Drehbuchschreiber Charles Bennett, dessen beeindruckendes Oeuvre sowohl eine Reihe von Hitchcock-Filmen der 20er/30er Jahre (Blackmail [1929],The Man Who Knew Too Much [1934], The 39 Steps [1935], Secret Agent [1936], Sabotage [1936], Young and Innocent [1937]) als auch einige phantastische Abenteuerstreifen der frühen 60er Jahre (The Lost World [1960], Voyage to the Bottom of the Sea [1961], Five Weeks in a Balloon [1962]) umfasste. Was ihn als besonders geeignet für den Job erscheinen ließ, war jedoch vor allem seine Zusammenarbeit mit Jacques Tourneur bei der Adaption von M.R. James' Casting the Runes, die 1957 als Night of the Demon in die Kinos gelangt war. Diesem ehrwürdigen Veteranen wurde nun Edgar Allan Poes Gedicht The City in the Sea mit den Worten in die Hand gedrückt: "Can you take this and make it into a story?"
Bennett nahm die Herausforderung an und war mit dem Ergebnis sogar ziemlich zufrieden. Doch dann erhielt er die Nachricht, dass AIP einige Überarbeitungen an dem Script wünschte und ihn dafür nach Großbritannien "einlud", wo der Film gedreht wurde. Die Reise bezahlen wollten Arkoff & Nicholson allerdings nicht. Bennett lehnte entrüstet ab: "Their idea of money was abolutely so trivial that it would have cost me money to go!" Also reichte man das Drehbuch an Louis M. Heyward weiter.
Die Karriere des guten Mannes hatte im TV-Comedy-Bereich begonnen, und auch nachdem er bei AIP eingestiegen war, zeichneten sich seine Arbeiten als Drehbuchschreiber oder Produzent häufig durch ein humorvolles Elelement aus. Von grotesken Farcen wie Dr. Goldfoot and the Bikini Machine (1965) und The Ghost in the Invisible Bikini (1966) bis zu den subtileren Tönen von The Abominable Dr. Phibes (1971) und Dr. Phibes Rises Again (1972). Lange nachdem er sich von AIP getrennt hatte, würde er außerdem an der Produktion des berüchtigten Hanna-Barbera-Flicks KISS Meets the Phantom of the Park (1978) mitwirken. Es verwundert deshalb nicht, dass Heyward dem Script von War-Gods of the Deep vor allem etwas Humor hinzufügte, insbesondere in Gestalt des exzentrischen Malers Harold Tufnell-Jones mit seinem über alles geliebten Huhn Herbert.
Bennett hasste, was man mit seinem Drehbuch angestellt hatte und erklärte später: "I should never have had anything to do with War-Gods of the Deep. It was simply horrid, the worst thing I was ever involved in, I think."* AIPs britische Partner waren gleichfalls nicht angetan. Es kam zu einer wütenden Auseinandersetzung zwischen Daniel Haller und dem englischen Produzenten George Willoughby, der sich schließlich ganz von dem Projekt zurückzog.

Nachdem man von dieser etwas verkorksten Produktionsgeschichte gehört hat, wird man vielleicht nicht mit den allergrößten Erwartungen an den Film herantreten. Doch immerhin saß während des Drehs mit Jacques Tourneur ein echter Meister des phantastischen Kinos auf dem Regiestuhl, der Genrefans vor allem aufgrund seiner Arbeiten mit Val Lewton aus den 40er Jahren (Cat People [1942], I Walked With a Zombie [1943], The Leopard Man [1943]), sowie des schon erwähnten Night of the Demon bekannt sein dürfte. Fällen wir also keine vorschnellen Urteile, sondern schauen uns den Film selbst einmal etwas genauer an.

War-Gods of the Deep beginnt mit wundervoll atmosphärischen Bildern des Meeres, während Vincent Price die ersten Zeilen von Poes The City in the Sea vorträgt. Ein grandioser Auftakt, vor allem da ich keinen perfekteren Rezitator von Poes Lyrik kenne als den unsterblichen Vincent.
Dann setzt der Plot ein: Gegen Ende des 19. Jahrhunderts finden. Fischer eine an die Steilküste von Cornwall angeschwemmte Leiche. Der zufällig vorbeikommende Ben Harris (Tab Hunter), ein Bergwerksingenieur aus Amerika, identifiziert den Toten als einen örtlichen Rechtsanwalt, der für Jill Tregillis (Susan Hart) gearbeitet hat. Da es sich bei der jungen Frau um eine Landsmännin handelt {und der gute Ben ganz offensichtlich schwer verliebt in sie ist}, macht er sich auf, um sie persönlich über das verfrühte Ableben ihres Rechtsberaters zu informieren. In dem alten Hotel auf der Klippe angekommen, muss er feststellen, dass Jill bereits Gesellschaft bekommen hat: Den ziemlich wunderlichen, anfangs in einem Kilt herumlaufenden Maler Harold Tufnell-Jones (David Tomlinson) und sein Huhn Herbert.
Doch jede Irritation über diese neue Bekanntschaft {und jeder Gedanke an den toten Rechtsanwalt} sind schon bald vergessen, als Jill von einer unheimlichen Kreatur entführt wird. Etwas nasser Seetang ist die einzige Spur, doch mit der Hilfe von Herbert dem Huhn entdecken die beiden schließlich eine Geheimtür, die sie zuerst zu einem geheimnisvollen Mahlstrom, und -- nachdem sie in diesen gefallen sind -- in eine uralte Stadt unter dem Meer führt. Wenig später sind sie allerdings dann auch schon Gefangene des finsteren Captains (Vincent Price) und seiner Schmugglerbande, die seit bald hundert Jahren hier unten hausen und nicht altern, allerdings auch nicht mehr ans Sonnenlicht zurückkehren können, wenn sie nicht sterben wollen.
Der Captain sieht sich selbst als König der versunkenen Stadt und der zu Fischmenschen degenerierten Nachfahren ihrer Erbauer. Doch unglücklicherweise droht der benachbarte Vulkan, der bislang die geheimnisvollen Maschinen betrieben hat, die das Leben hier unten überhaupt erst ermöglichen, in Bälde auszubrechen und das ganze Reich unter der See zu zerstören.
Der meist recht tolpatschig und etwas lächerlich wirkende Tufnell-Jones beweist nicht zum letzten Mal, dass er ein helleres Köpfchen als unser "männlicher" Held hat und überzeugt den Captain, Ben sei ein weltberühmter Geologe und vermutlich der Einzige, der eine Lösung für das Vulkanproblem finde könnte. Das verschafft den beiden etwas Zeit, um erst Jill zu finden, die der Captain scheinbar für die Wiedergeburt seiner lange verstorbenen Gemahlin hält, und mit Hilfe des greisen Reverend Ives (John le Mesurier) einen Fluchtplan auszuhecken.

War-Gods of the Deep ist ein wirklich wunderliches Genre-Mischmasch.
Da er als eine Art Fortsetzung des Corman'schen Poe-Zyklus gedacht war, ist der Film verzweifelt bemüht, irgendwelche Verbindungen zu The City in the Sea herzustellen. An einem Punkt entdecken unsere Helden sogar eine Erstausgabe der Poe'schen Gedichte, die genau an der richtigen Stelle aufgeschlagen ist, was Anlass zur Rezitation einiger weiterer Verse gibt. Und wenn der Captain von sich selbst sagt, dass er für die Fischmenschen "der Tod" sei, der von seinem Turm auf sie herabschaue, dann ist das eine deutliche Anspielung auf die Zeilen: "While from a proud tower in the town / Death looks gigantically down". Das bedrohlich-rote Glühen des Vulkans wiederum wird zu den Schlussversen des Gedichts in Beziehung gesetzt:
The waves have now a redder glow
The hours are breathing faint and low -
And when, amid no earthly moans,
Down, down that town shall settle hence,
Hell, rising from a thousand thrones,
Shall do it reverence.
Mit Geist und Inhalt des Gedichtes hat all das natürlich nichts zu tun. Eher schon poe'esk wirkt die Wahnidee des Captains, dass seine verstorbene Gattin zu ihm zurückgekehrt sei. Und der Film geht mit diesem Motiv auf erstaunlich zurückhaltende Weise um. Nie wird offen ausgesprochen, dass dies der Grund für Jills Entführung war. Wir als Zuschauer müssen uns das aus einer Reihe von Indizien, Andeutungen und dem ausdrucksvollen Spiel von Vincent Price zusammenreimen.
So gesehen haftet dem Streifen tatsächlich noch etwas von dem Gothic Horror der Corman'schen Filme an. Und mit Daniel Haller als Produzenten verwundert es nicht, dass auch die Sets noch einiges von der entsprechenden Atmosphäre besitzen. Das gilt sowohl für das alte viktorianische Hotel als auch für die leicht mesopotamisch angehauchte versunkene Stadt.

Doch andererseits ist es recht vielsagend, dass AIP den Streifen in Amerika nicht unter dem ursprünglichen Titel City Under the Sea herausbrachte, der ja zumindest noch an Poes Gedicht angeklungen hätte. In der Tat nämlich steht War-Gods of the Deep zugleich noch in einer ganz anderen Tradition. Der der auf Romanen von Jules Vernes fußenden phantastischen Abenteuerfilme wie Disneys 20.000 Leagues Under the Sea (1954), Cy Enfields & Ray Harryhausens The Mysterious Island (1961) und AIPs eigenem Master of the World (1961). Vincent Price'es Captain mit seinen wahnhaften Herrscherallüren haftet ein Bisschen was von Nemo oder Robur an, während unser "square-jawed hero" Ben zugleich -- wie Mr. Jim Moon ganz richtig bemerkt -- auf die Doug McClure - Helden der von AIP und Amicus coproduzierten Edgar Rice Burroughs - Adaptionen der 70er Jahre vorausweist.** Auch hatte Charles Bennett wohl nicht ganz Unrecht, wenn er Herbert das Huhn als einen offensichtlichen Nachkommen von Gertrud der Gans aus Henry Levins Journey to the Center of the Earth (1959) identifizierte.

Zwar kann ich Bennetts Wut und Frustration über die Behandlung, die ihm und seinem Drehbuch widerfuhr, nachvollziehen, und würde recht gerne einmal das ursprüngliche Script lesen, seinem Verdammungsurteil über den letztendlich gedrehten Film kann ich mich jedoch nicht anschließen.
Ohne Zweifel macht die Story so gut wie keinen Sinn, und die Handlung in der versunkenen Stadt besteht aus nicht viel mehr als dem zweimaligen Durchlaufen der Plot-Punkte "Gefangennahme" & "Fluchtversuch". Viele Elemente der Geschichte bleiben unterentwickelt. Das gilt nicht nur für die Beziehung zwischen dem Captain und Jill, sondern auch für die zwischen ersterem und den Fischmenschen. Auch erfahren wir nie, wie Reverend Ives in die Gesellschaft der Schmuggler geraten ist. Und warum noch gleich hat die Bande den armen Rechtsanwalt ermordet?
Dennoch finde ich, dass der Film durchaus Charme besitzt, gerade durch die eigenartige Verschmelzung von Elementen aus Gothic Horror und phantastischem Abenteuerfilm. Er ist sicher kein Meisterwerk, aber als farbenfroher Fantasy-Nonsense mit einer ordentlichen Prise Gothic - Atmosphäre ist er nicht ohne seinen ganz eigenen Reiz.

Die Löchrigkeit des Plots hat mich nur einer Stelle wirklich gestört. Und diese bildet ganz allgemein den größten Schwachpunkt von War-Gods of the Deep. Dass es sich dabei ausgerechnet um das große Finale handelt, ist freilich ziemlich bedauernswert.
Ben, Harold und Jill sind in wunderbar steampunkige Taucheranzüge geschlüpft und haben sich auf den Weg zum Goldenen Schrein gemacht, in dem es einen Ausgang zur Oberwelt geben soll. Natürlich nehmen der Captain und seine Mannen die Verfolgung auf, und auch die Fischmenschen schwimmen eiligst herbei, um das Entkommen unserer Helden zu verhindern. Es folgt eine Unterwasser-Jagd. Das bereitet in filmischer Hinsicht gewisse Probleme. Von den Fischmenschen einmal abgesehen {die an Land als bloß schemenhaft auszumachende Gestalten mit schwarzem Seetang-Haar ohnehin sehr viel eindrucksvoller waren}, sind alle Beteiligten zu äußerst schwerfälligen Bewegungen verdammt. Das allein schon raubt der Szene viel an ihrer eigentlich nötigen Dynamik. Und es hilft auch nicht gerade, dass sich das an sich dramatische Geschehen in völliger Stille abspielt. So realistisch das auch sein mag. Der Versuch, dem entgegenzuwirken, indem uns immer mal wieder die Gesichter unserer Helden in ihren Taucherhelmen gezeigt werden, wirkt eher kontraproduktiv, da allein schon die merklich andere Beleuchtung keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass sich die betreffenden Personen nicht unter Wasser, sondern in einem Studio befinden. {Sehr nett allerdings ist es, wenn wir zu sehen bekommen, dass Harold seinen Helm mit Herbert dem Huhn teilt!} Unglücklicherweise dachte man bei AIP offenbar, die Unterwasseraufnahmen seien so beeindruckend {und für sich genommen sind sie ja auch recht cool}, dass man die Sequenz möglichst in die Länge strecken sollte, was natürlich ganz und gar nicht die erwünschte Wirkung hat.
Der löchrige Plot kommt ins Spiel, nachdem es im Goldenen Schrein zum an sich ziemlich gelungenen letzten Aufeinandertreffen zwischen unseren Helden und dem Captain gekommen ist. Statt nämlich den versprochenen "trockenen" Ausgang zu finden, legen die drei noch einmal Taucheranzüge an und marschieren unter Wasser zum Strand. Hätten sie das nicht ebensogut ohne den Umweg über den Schrein machen können? Dieses unglückliche Plotdetail verstärkt nur einmal mehr den Eindruck, dass die finale Sequenz einfach zu lang {und damit etwas langweilig}geraten ist

Einmal an Land darf das Trio dann allerdings einen hübsch dramatischen unterseeischen Vulkanausbruch beobachten, derweil Vincent Price die Schlussverse von The City in the Sea vorträgt. Und allein das schon hat mich sofort wieder mit allen unleugbaren Schwächen dieses kleinen, aber charmanten Films versöhnt. 

 

Tom Weaver: Double Feature Creature Attack: A Monster Merger of Two More Volumes of Classic Interviews. S. 25.
** Vgl. meine Besprechung von At the Earth's Core.(1976).

Samstag, 16. Juni 2018

Strandgut der Woche

Samstag, 9. Juni 2018

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Freitag, 8. Juni 2018

Willkommen an Bord der "Liberator" – S02/E09: "Countdown"

Ein Blake's 7 - Rewatch

Blake mag für viele in der Föderation inzwischen ein legendärer Volksheld sein, und vermutlich gibt es mehr als eine Ballade, die über seine heroischen Taten gesungen wird, aber wenn's darum geht, einen echten Aufstand gegen das totalitäre Regime zu organisieren, sind ihm Cauder (James Kerry), Ralli (Lindy Alexander) und Vetnor (Sidney Kean) auf dem Planeten Albion um Meilen voraus.
Unser fanatischer Freiheitskämpfer hat in der Vergangenheit zwar immer mal wieder kurzzeitige Bündnisse mit Revolutionärinnen wie Avalon (Project Avalon) und Kasabi (Pressure Point) geschlossen, aber seine Vorstellung revolutionärer Aktion bestand eigentlich immer in spektakulären Alleingängen. Kein Wunder also, dass er nichts von der Rebellion auf Albion mitgekriegt hat. Es ist bloßer Zufall, dass die Liberator den Planeten erreicht, kurz nachdem die Aufständischen das Hauptquartier der Besatzer gestürmt haben.
Blake befindet sich auf der Suche nach dem Föderationsoffizier Provine (Paul Shelley), von dem er Informationen über den wahren Standort von "Control" zu erlangen hofft. Auch die niederschmetternden Erlebnisse von Pressure Point haben ihn nicht von seiner Obsession für das Computer-Nervenzentrum der Föderation geheilt, mit dessen Zerstörung er den Sturz des Regimes herbeizuführen gedenkt.
Die siegreichen Revolutionäre von Albion freilich haben ganz andere Probleme. Kurz bevor ihre Kommandozentrale eingenommen wurde, haben die Föderationsoffiziere den Countdown eines nuklearen Sprengkopfs gestartet, dessen Detonation alles Leben auf dem Planeten auslöschen würde, ohne die Infrastruktur zu zerstören oder eine langfristige Verstrahlung der Oberfläche zu verursachen.
Natürlich ist die Liberator - Crew sofort bereit, bei der Entschärfung der Bombe zu helfen. Ein Job, wie geschaffen für Avon. Doch dann entpuppt sich der Söldner Del Grant (Tom Chadbon), den die Rebellen zur militärischen Koordinierung ihres Aufstands angeheuert hatten, als ein alter Bekannter unseres Tech-Genies, der einen mörderischen Hass auf diesen hegt.
Dennoch lassen sich die beiden schließlich gemeinsam in eine verlassene Station auf dem Südpol des Planeten teleportieren, wo sich nach Oracs Berechnungen der Sprengkopf befinden muss. Zuvor schärft Blake dem Söldner allerdings ein: "One more thing: if anything happens to Avon, I will come looking for you."
Nachdem dies erledigt wäre, macht er sich in den Korridoren des Kommadokomplexes auf die Jagd nach Major Provine, der inzwischen seine Uniform losgeworden ist und sich mit einem extra für diesen Zweck bereitgestellten Raumgleiter in den Orbit schießen lassen will, um dort in aller Ruhe die atomare Detonation abzuwarten und danach auf den "gesäuberten" Planeten zurückzukehren.

Nach den eher mittelmäßigen Episoden Killer und Hostage bildet diese von Terry Nation geschriebene Folge den Auftakt für den alles in allem sehr gelungenen finalen Teil der zweiten Staffel.
Die Handlung ist straff erzählt und lässt keine Längen inmitten der ständig steigenden Bedrohlichkeit der Situation aufkommen. Es gibt keine unnötigen Abschweifungen, alles bleibt konzentriert auf die beiden Hauptelemente: Major Provine und die Konfrontation zwischen Avon und Grant, derweil unaufhörlich die Bombe am ticken ist.

Für den abschließenden Handlungsbogen der Staffel bildet Provine zwar den wichtigeren Part, erhält Blake von ihm doch am Ende den Namen des Cyber-Chirurgen Docholli, der als einziger wissen soll, wo sich "Control", oder "Star One" wie das Kontrollzentrum inzwischen genannt wird, befindet. Dennoch sind Avon und Grant die eigentlichen Stars von Countdown.
Der Söldner macht Avon für den Tod seiner Schwester Anna verantwortlich. Offenbar waren die beiden in der Zeit von Avons krimineller Karriere miteinander liiert. Die Polizei war ihnen dicht auf den Fersen, und während Avon unterwegs war, um einen seiner Kontakte in der Unterwelt aufzusuchen und die für ihre Flucht nötigen Visa zu organisieren, wurde Anna verhaftet und starb später unter der Folter.
Wir haben Avon nie als einen Menschen kennengelernt, der es für nötig empfinden würde, seine Handlungen gegenüber anderen zu rechtfertigen. Wenn er dennoch bemüht ist, Grant seine Sicht der Ereignisse darzulegen, während die beiden in der vereisten Südpolstation gemeinsam die Bombe zu entschärfen versuchen, dann macht das deutlich, wie wichtig ihm diese Episode aus seinem Leben ist: Er hatte keine Chance, Anna zu retten. Eine Reihe unglücklicher Umstände verhinderten, dass er rechtzeitig zu ihr zurückkehren konnte. Dabei bleibt er dennoch ganz der alte Avon, nach außen hin stets kühl, beherrscht und leidenschaftslos. Aber wir spüren, dass es unter der Oberfläche in ihm brodelt. Und wenn er die mit Blake getroffene Vereinbarung bricht und sich nicht zum abgemachten Zeitpunkt in Sicherheit bringt, sondern bis zum buchstäblich letzten Moment an der Deaktivierung des Sprengkopfs weiterarbeitet, dann könnte man meinen, er tue dies, um dem Bruder der Frau, die er über alles geliebt hat, zu beweisen, dass er eben nicht der zynische Egoist ist, als der er sich anderen gegenüber so gerne präsentiert. Paul Darrows schauspielerische Leistung in diesen Szenen ist wirklich beeindruckend.

Und wieder einmal schließt die Episode mit einem kurzen und pointierten Wortwechsel zwischen Blake und Avon.
Blake: Are you going to tell me about Anna?
Avon: You wouldn't understand.
Blake: Wouldn't I?
Avon: I doubt it.
Avons Reaktion verrät eine Menge darüber, wie er Blake sieht. Trotz dessen immer wieder aggressiv verkündetem Freiheitsfanatismus hält er ihn für unfähig, die wirklich menschlichen Gefühle individueller Liebe und Verbundenheit nachempfinden zu können. Und diese Einschätzung mag mehr als nur ein Körnchen Wahrheit enthalten.

Interessanterweise wird Blake's 7 die Geschichte von Anna und Avon später noch einmal aufgreifen. Dies wird allerdings erst in der dritten Staffel geschehen. 

Sonntag, 3. Juni 2018

Geheimnisvolles Chronopolis

Es fällt nicht unbedingt leicht, unmittelbar Zugang zu Piotr Kamlers über einen Zeitraum von fünf Jahren zwischen 1977 und 1982 entstandenen phantastischen Animationsfilm Chronopolis zu finden. Aber wenn man sich einmal auf ihn eingelassen hat, belohnt einen der Streifen, der von Luc Ferrari, einem der Pioniere der musique concrète, mit einem faszinierenden Soundtrack versehen wurde, mit einem Erlebnis, das man nicht so schnell vergessen wird.

In seiner heute am weitesten verbreiteteten Form, die 1988 angefertigt wurde und als die offizielle Version gilt, verfügt das Werk des polnischen Künstlers über keinen erzählerischen Kommentar, und auch wenn der Film durchaus Elemente einer linearen Handlungsstruktur aufweist, bleibt vieles doch abstrakt, mysteriös und ambivalent.

In einer zyklopischen Stadt über den Wolken lebt eine Gruppe von Göttern, deren unsterbliche Existenz schon seit langem nur noch aus Ödnis und Monotonie besteht. 
Das wiederholt heraufbeschworene Bild einer sich öffnenden Tür, hinter der sich eine öffnende Tür verbirgt, die den Blick auf eine weitere sich öffnende Tür freigibt, veranschaulicht sehr schön die Sinnlosigkeit dieses Daseins, verrät aber auch etwas von der nach wie vor vorhandenen Sehnsucht der Götter, vielleicht doch noch etwas entdecken zu können, was ihrer Existenz neues Leben einhauchen könnte. 
Wir sehen die riesigen, statuesken Gestalten. deren Erscheinung ein wenig an das pharaonische Ägypten oder alte mesoamerikanische Kulturen denken lässt, eine Reihe von Kreaturen erschaffen: Durch die Lüfte fliegende Scheiben, insektenschwarmartige Gruppen schwarzer Punkte, umherhüpfende Bälle. Doch sie alle bleiben entweder unmittelbare Gefangene der Willkür ihrer Schöpfer oder werden Teil eines sinnentleerten, industriellen Prozesses, der offenbar auf kein wirkliches Ziel hinausläuft. Über dem Ganzen liegt eine extrem bedrückende Atmosphäre, auch wenn die Götter nichts bewusst bösartiges oder grausames an sich haben..
Daneben bekommen wir immer wieder eine Gruppe menschlicher Bergsteiger zu sehen, die eine scheinbar endlose Felsklippe hinaufklettern. Ihre Bemühungen haben etwas sisyphusartiges.
Schließlich ensteht inmitten der ewigen Monotonie der göttlichen Schöpfungsakte etwas, das der Silhouette eines Vogels ähnelt. Anders als alle vorherigen Kreationen scheint diese keine Gefangene der Welt von Chronopolis zu sein. Sie fliegt zu der Klippe der Bergsteiger und macht sich an deren Seil zu schaffen. Wenig später verliert eine der menschlichen Gestalten den sicheren Halt an der Felswand. Sie kann ihren Gefährten nicht länger folgen. Ihre Hilferufe bleiben unbeantwortet. Zuguterletzt stürzt sie in die Tiefe, wobei es nicht eindeutig ist, ob wir das als einen Unfall oder ein gewolltes Loslassen interpretieren sollen.
Doch der Bergsteiger zerschellt nicht etwa am Fuße der Klippe, sondern beginnt durch die Lüfte zu gleiten und landet schließlich auf der gigantischen Architektur von Chronopolis. Zu dem offenbar ohnmächtig gewordenen gesellt sich einer der hüpfenden Bälle. Nachdem er wieder erwacht ist, kommt es zu einer spielerischen Interaktion zwischen dem Menschen und dem Ball. Er tätschelt ihn liebevoll. Die beiden tanzen zusammen. Der Bergsteiger befreit ein von der Maschinerie der Götter zuvor dort eingesperrtes Etwas aus dem Ball. Die Seele der Kreatur?
Als die beiden schließlich vor die riesenhaften Beherrscher der Stadt gebracht werden, beginnen deren Gestalten sich aufzulösen wie Statuen, die in Sekundenschnelle zu Staub zerfallen. Eine tintenschwarze Finsternis ergießt sich über die Metropole.
In der abschließenden Szene sehen wir den Bergsteiger und den Ball auf einer scheinbar endlosen Linie in eine weiße Leere hineinwandern.

Chronopolis ist offen für die unterschiedlichsten Interpetationen. 
Ich denke, es ist ziemlich klar, dass der Film etwas über die Seelenlosigkeit der modernen Gesellschaft und den Wert menschlicher Individualität sagen will. Doch worin genau seine Botschaft besteht? Und ob wir das Ende als optimistisch oder hoffnungslos auffassen sollen? Auf diese Fragen gibt es keine eindeutigen Antworten. Jeder wird da seine ganz eigene Interpretation finden müssen. Was nur für diesen wirklich faszinierenden Film spricht. 



PS: Eine frei zugängliche Version von Chronopolis findet sich im Internet Archive.
 
 
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Strandgut der Woche