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Sonntag, 26. Februar 2017

Back in the U.S.S.R. (VI)

Nach zweieinhalb Monaten setze ich nun endlich meinen hier begonnenen Aufsatz über die burjatische Nationalbewegung fort, der uns am Ende zu einer kurzen Betrachtung der faszinierenden Theaterarbeit führen soll, die der Dichter und Dramatiker Pjotr Dambinow in den 20er Jahren in Sowjetburjatien organisierte. Ich hoffe, bis zur Veröffentlichung des nächsten Teiles wird es nicht noch einmal so lange dauern. Schließlich warten noch eine ganze Reihe anderer Beiträge für meine Reihe "Back in the U.S.S.R." darauf, geschrieben und gepostet zu werden. 

Anfang 1904 brach der Krieg zwischen Russland und Japan aus. Der dumpfe Hurrapatriotismus der ersten Kriegsmonate hielt nicht lange vor. Eine Reihe von demütigenden Niederlagen der russischen Armee in der Mandschurai versetzten dem Prestige des Zarismus einen schweren Schlag und in der zweiten Jahreshälfte begannen die bürgerlichen Liberalen halblegale Konferenzen und politische Bankette zu organisieren, auf denen sie die Einführung der bürgerlichen Freiheiten und die Einberufung einer Volksvertretung forderten, die an der Gesetzgebung mitwirken solle. Die breite Masse der Bevölkerung in den Kampf hineinzuziehen, kam den Professoren, Journalisten und Notaren, fortschrittlichen Fabrikanten und Gutsbesitzern selbstverständlich nicht in den Sinn. Sie hofften auf ein Entgegenkommen der geschwächten Regierung. Doch die Autokratie zeigte sich keineswegs verhandlungswillig und die Bankettkampagne drohte im Sande zu verlaufen, als im Dezember ein Generalstreik in Baku ausbrach. Im selben Monat musste Russland die als uneinnehmbar geltende Festung Port Arthur an die Japaner übergeben. Von nun an überschlugen sich die Ereignisse. Am 3. (16.) Januar traten die 12.000 Arbeiter der Petersburger Putilow-Werke in den Ausstand. Der unmittelbare Anlass war eher unbedeutend, doch bereits wenige Tage später streikten in der Hauptstadt 140.000 Arbeiter. Am 9. (22.) Januar 1905 marschierte eine gewaltiger Demonstrationszug unter der Führung des Popen Gapon, Kirchenlieder singend und Ikonen mit sich führend, zum Winterpalais, um dem Zaren die Forderungen der Petersburger Arbeiterschaft zu übergeben: Einführung der demokratischen Freiheiten, des Achtstundentages und eines Minimallohns, Trennung von Kirche und Staat, Befreiung der politischen Gefangenen, Wahl einer gesetzgebenden Volksversammlung nach allgemeinem und gleichem Stimmrecht. Das Manifest endete mit den pathetischen Sätzen:
Dies, o Herr, sind unsere hauptsächlichsten Wünsche. Befiehl und schwöre, dass Du sie erfüllst, und Du wirst Russland glücklich und glorreich machen, wirst Deinen Namen unseren Herzen und den Herzen der Nachkommen einprägen für ewige Zeiten. Lässt Du es nicht zu, kehrst Du Dich nicht um unser Flehen, so werden wir sterben auf diesem Platz, vor Deinem Palast. (1) 
Die rhetorische Wendung sollte zur blutigen Wirklichkeit werden. Nikolaus II. hatte die Stadt verlassen und den Oberbefehl seinem Onkel Großfürst Wladimir Romanow übergeben. Dieser ließ das Feuer auf die unbewaffnete Menge eröffnen. Hunderte Frauen und Männer starben im Kugelhagel und unter den Säbelhieben der Kosaken. Erste Berichte sprachen sogar von zweitausend Opfern. Der "Blutsonntag" zerstörte für immer die Legende vom gütigen "Väterchen Zar" und war zugleich der Beginn der ersten Russischen Revolution.
Im März erste Truppenmeutereien in Tiflis; im April Demonstrationen in Petersburg und Bauernunruhen in den Ostseeprovinzen; im Mai Kämpfe mit dem Militär in Warschau und Kalisch; im Juni Generalstreik und Straßenkämpfe in Warschau, Aufstand auf dem Panzerkreuzer Potemkin im Schwarzen Meer, Truppenmeutereien in Riga und Libau; im Juli Bauernunruhen im Baltikum, Meuterei in Cherson, Eisenbahnerstreik; im Oktober schließlich die Gründung des Petersburger Sowjets der Arbeiterdeputierten und der landesweite Generalstreik, der in Moskau begann, dann jedoch Abermillionen erfasste, das wirtschaftliche Leben und den Staatsapparat wochenlang lahmlegte und zur Proklamation des Zarenmanifestes vom 17. (30.) Oktober führte, in dem Nikolaus II. dem Land die bürgerlichen Freiheiten und die Einberufung einer Duma – eines Parlamentes – versprach; im November der revolutionäre Kampf der Petersburger Arbeiter und Arbeiterinnen um den Achtstundentag; im Dezember schließlich der erfolglose bewaffnete Aufstand in Moskau.

Die Chronik der zentralen Ereignisse des "tollen Jahres" erweckt den Eindruck, als habe die revolutionäre Sturmflut den Ural nie überschritten, und naturgemäß konzentrierten sich die Hauptkämpfe tatsächlich auf die wirtschaftlich fortgeschrittensten Teile des Landes. Doch Sibirien war keineswegs das ruhige Hinterland der Revolution. Im Herbst fanden auch in Irkutsk Massenstreiks statt und am 30. November (13. Dezember) marschierte ein gewaltiger Zug bewaffneter Demonstranten – Arbeiter und Soldaten der örtlichen Garnison – durch die Straßen der Gouvernementshauptstadt. Die Region um den Baikalsee war außerdem Schauplatz einer zwar wenig bekannten, aber nichtsdestoweniger außergewöhnlich interessanten Episode der ersten Revolution, als Tschita zur Hauptstadt einer kurzlebigen unabhängigen Republik Transbaikalien wurde, an deren Spitze ein Sowjet der Arbeiter-, Soldaten- und Kosakendeputierten unter dem Vorsitz des aus Tiflis in die Verbannung geschickten Ingenieurs Kurnatowski stand. Ähnliche regionale Sowjetrepubliken entstanden in Lettland und in Novorossiisk. Zwölf Jahre vor der Oktoberrevolution zeigte sich hier erstmals das gewaltige Potential der spontan entstandenen Organisationsform der Arbeiterräte.
In Tschita versammelten sich 1905 aber auch die Vertreter der burjatischen Nationalbewegung zu einer Konferenz, auf der sie die Selbstverwaltung für ihre Heimat forderten. Allerdings wurde die Versammlung allem Anschein nach von den Vertretern des konservativen Flügels um Tsyben Jamtsarano dominiert.
Dabei führte die Revolution logischerweise auch unter den Burjaten zu einer Radikalisierung. Jamtsarano selbst berichtet in seinen Putevye dnevniki (Reisetagebüchern) von einem Gespräch, das er in diesem Jahr mit einem Bekannten in Irkutsk führte. Dieser erzählte ihm, er habe soeben seinen alten Beruf aufgegeben und wolle Gefängniswärter werden. Doch nicht etwa, um dem zaristischen Regime zu dienen: „You see, brother, I’ve gone red. I’ve realized that this is no time to live simply for one’s own pleasure. We have to fight for freedom and take an active part in the battle for self-government!“ Voller Zorn und Begeisterung legte ihm der Mann seine Pläne dar: „I want to help the political prisoners, those martyrs for our freedom, for the freedom and benefit of all! ... I’ll get them newspapers to read, I’ll send their letters, who knows what could happen? I will always come in handy!“ Solche Reden werden dem konservativen Jamtsarano kaum behagt haben. Wie bereits erwähnt, führte er 1905 einen wütenden Kampf gegen die "antionationalen" Sozialisten.

Kaum saß die zaristische Regierung 1906 wieder einigermaßen fest im Sattel, da ließ Kriegsminister Alexei N. Kuropatkin, ein altgedienter Veteran des russischen Kolonialismus in Turkestan, die Burjaten in deutlichen Worten wissen, was man in St. Petersburg von ihrem Verlangen nach Selbstverwaltung hielt: Sie hätten nichts zu fordern. Ihr einziges Recht bestehe darin, die Gunst des Zaren zu erbitten. Sollten sie es jedoch wagen, die Befehle des Herrschers zu missachten, so werde man sie erbarmungslos ausradieren.

Für die weitere Entwicklung der burjatischen Nationalbewegung waren das Revolutionsjahr 1905 und seine Folgen vor allem aus zwei Gründen von Bedeutung.

Angesichts des drohenden Untergangs ihrer Herrschaft mobilisierten die Vertreter der alten Ordnung die rückständigsten Teile der Bevölkerung unter dem Banner von Monarchie und Vaterland, um sie als Stoßbrigaden der revolutionären Flutwelle entgegenzuwerfen. Dies nahm die Form der protofaschistischen Bewegung der "Schwarzhunderter" an, die mit mehr oder minder offener Unterstützung des Staates und der Orthodoxen Kirche reihenweise blutige Pogrome veranstalteten. Wir werden uns in einem späteren Artikel etwas genauer mit diesen widerwärtigen Verteidigern von Gott, Zar und Vaterland beschäftigen, in denen man zurecht die direkten Vorläufer von Mussolinis Schwarzhemden und Hitlers SA sehen kann. Für den Moment soll es genügen, darauf hinzuweisen, dass ihre bevorzugten Opfer zwar in gut russischer Tradition die Juden waren, doch dass auch andere nationale Minderheiten des Reiches unter dem Anheizen von Rassenhass und nationalen Konflikten zu leiden hatten, mit dem die.zaristischen Machthaber auf die revolutionäre Bedrohung reagierten. So kam es z.B. in der Ölmetropole Baku zu einem Massaker an der armenischen Bevölkerung, für das man allgemein Gouverneur Nakadschidze verantwortlich machte. Zezilija Bobrowskaja, die zu dieser Zeit als bolschewistische Parteiarbeiterin in Baku tätig war und das blutige Gemetzel miterlebte, schreibt in ihren Memoiren:
To disperse the clouds of revolution that hung threateningly in the air, [the governor] resorted to the favourite method used so widely by the authorities in tsarist Russia – the stirring up of race hatred. As an instrument for this murderous task, Nakashidze chose representatives of the most backward nationality in the Caucasus – the Tartars. Gangs of these men were provided by the police with guns and knives, and a special day was fixed for a massacre of the Armenians. I shall never forget those horrible days. All day long I tried every way to get to the districts. But all roads were completely cut off. We could not reach the districts in which the forces with which we could fight the hideous pogrom incited by the governor were concentrated. Our disarmed workers seethed with indignation, but they were powerless. No one had the least doubt, not even the inhabitants of the city, that the pogrom had been organized by the governor (Nakashidze was later assassinated by a bomb thrown at him by an Armenian revolutionary). I personally saw Nakashidze riding about giving orders to the police. [...] For three days Nakashidze's Tartar gangs pillaged and plundered the city. On the fourth day, having had his fill of blood and fearing the growing indignation of the workers in the districts, Nakashidze gave the signal for the pogrom to cease. To crown it all he arranged a peace farce – a procession of the united Tartar and Armenian clergy. After this the Tartar gangs were disbanded and order was once again restored. (2)
Für das letzte Dezennium seiner Existenz versuchte der Zarismus seine zerbröckelnde Herrlichkeit vor allem mit dem Kitt des großrussischen Nationalismus zusammenzuhalten. Dies galt verstärkt seit dem Staatsstreich vom 3. (15.) Juni 1907, als die Zweite Duma durch ein kaiserliches Ukas aufgelöst wurde, und die Regierung die vierundfünfzig sozialdemokratischen Abgeordneten mit dem georgischen Menschewiken Irakles Tseretelli an der Spitze verhaften ließ und in die Verbannung schickte.
Das Wahlrecht wurde massiv zugunsten der besitzenden Klassen verändert und die Zahl der Vertreter der sog. "Fremdstämmigen" (inorodtsy) drastisch verringert. Ganze Bevölkerungsteile, wie die muslimischen Einwohner Turkestans, verloren ihr Stimmrecht. Die Diskriminierung der Nichtrussen bei den Parlamentswahlen begründete die Regierung so:
[T]he Duma must be Russian in spirit, since it was created to safeguard the Russian Empire. Those foreign peoples who have come into our dominions must have representatives in the Duma for their needs, but they should never appear in such numbers which permit them to decide purely Russian questions. In those border regions where the population has not attained a sufficient level of civil education, the Duma elections must be suspended for the time being. (3)
Die auf dieser Grundlage gebildete Dritte Duma war nur noch demokratisches Beiwerk für das autoritäre Regime des Ministerpräsidenten Pjotr Stolypin, der bereits zuvor die gewaltsame Niederwerfung der revolutionären Bewegung durch militärische Strafexpeditionen und Sondergerichte geleitet hatte und damit für den Tod Tausender auf dem Schafott, im Gefängnis und in der sibirischen Verbannung verantwortlich war.
Hatte die Regierung den nichtrussischen Völkern unmittelbar nach der Revolution zumindest in kulturellen Belangen einige Zugeständnisse machen müssen, so initiierte man nach dem Staatsstreich von 1907 erneut eine aggressive Russifizierungspolitik, vor allem in besonders "gefährdeten" Regionen wie Polen und der Ukraine. Die große Rolle, die dabei der orthodoxen Kirche zukam, spiegelte die allgemeine Rückständigkeit der russischen Gesellschaft wider. Wie der Historiker Heinz-Dietrich Löwe schreibt:
A great irony lay behind the fact that national differences in many regions were still so weak and underdeveloped that for all practical purposes a Russian could still not be defined by the language spoken or by the nationality of parents. The defining criterion for being Russian in most legislation was the membership of the Russian Orthodox Church. (4)
Nicht nationale Bourgeoisie und kleinbürgerliche Intelligenzija, sondern Staatsbürokratie und Klerus waren die wichtigsten Träger des sich nur langsam entwickelnden russischen Nationalbewusstseins. Dabei ist es wichtig, sich über die Position der orthodoxen Kirche im Gefüge des zaristischen Gesellschaftssystems im Klaren zu sein. Anders als die katholische Kirche, die im Mittelalter jahrhundertelang mit dem Kaiser um die Vormachtstellung in Europa gerungen und offen ihren Anspruch auf Weltherrschaft proklamiert hatte, war die orthodoxe Hierarchie nie ein ernstzunehmender Rivale für die weltlichen Machthaber gewesen. Nicht dass es an Ambitionen gefehlt hätte, der feindlichen Schwester in Rom nachzueifern. So hatte der letzte Moskauer Patriarch Adrian noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts verkündet: „Das Zarenreich hat die Macht allein auf Erden, unter den Menschen ..., die Geistlichkeit jedoch hat die Macht auf Erden wie im Himmel.“ (5) Doch Peter der Große hatte allen Gelüsten des Klerus auf eine unabhängige Machtstellung 1721 ein Ende gesetzt, als er das Patriarchenamt abschaffte und die Leitung der Kirche dem Heiligen Synod übertrug, an dessen Spitze ein laikaler Oberprokuror stand. Seitdem war die Orthodoxie nur noch der religiöse Arm der Staatsbürokratie und das willige Werkzeug des Selbstherrschertums. Der Pope war das Sprachrohr des Zaren in der bäuerlichen Dorfgemeinde und die Regierung machte kein Hehl aus seiner politischen Funktion. Immer wieder erteilte sie den Priestern die offizielle Ordre, für eine loyale und nationale Gesinnung unter ihren Schäfchen zu sorgen.  
The church was supposed to embrace all aspects of life for all Russians, expressly not only as a spiritual but also as a national institution. The local parish was seen as the organisational centre around which everything else should be grouped, from the school to the care for the poor and to economic mutual assistance. The role of the church was seen as absolutely fundamental: only Orthodoxy made a Russian ... . Whether to mobilise the population, for demonstrations and celebrations or for elections, the priest was called in as the longest arm of state administration, or rather as a substitute for it. At least since his pilgrimage on the occasion of the canonization of Seraphim of Sarov as a new saint of the church [1903], the Tsar sought in the religious union between the ruler and the ruled a new means to anchor the monarchy more deeply in the consciousness of the people. (6)
In seiner Gesamtheit näherte sich der Heilige Synod nach 1905 mehr und mehr der radikalen Rechten an und ließ die düsteren Tage des allmächtigen Oberprokurors Pobjedonoszew wiederaufleben, der als böser Geist des reaktionären Regimes von Alexander III. in den 80er und 90er Jahren die Rolle eines russischen Torquemada gespielt hatte, wenn auch ohne Scheiterhaufen. Bei all dem vermischte sich die mittelalterliche Mentalität des orthodoxen Christentums mit der sprichwörtlichen Kulturlosigkeit der Popen (7) und der traditionellen Kriecherei des Klerus vor der Macht des Zaren. Wie Russlands großer Aufklärer Wissarion Belinski schon 1847 in seinem berühmten Brief an Nikolai Gogol über die Kirche geschrieben hatte: „Sie war immer eine Stütze der Knute und eine Dienerin des Despotismus.“ (8)
Die zentrale Bedeutung, die dem orthodoxen Christentum in der nationalen Ideologie Russlands zukam, schlug sich logischerweise auch in der Beziehung zu den nichtorthodoxen Bevölkerungsteilen des Imperiums nieder. Nach 1905 wurden vielerortens orthodoxe Bruderschaften als Kerntruppen eines aggressiven russischen Nationalismus gegründet, vor allem in Regionen, wo es eine andersgläubige Bevölkerungsmehrheit gab, wie im katholischen Polen oder unter den muslimischen Tataren. Zwar hatte der Zar am 17. April 1905 angesichts der revolutionären Bedrohung ein Religiöses Toleranzedikt erlassen, das erstmals den Übertritt eines orthodoxen Christen zu einer anderen Glaubensgemeinschaft gestattete. Doch spätestens seit dem coup d’etat vom Juni 1907 gehörte die erneute Festigung der privilegierten Stellung der Staatskirche zum offiziellen Regierungsprogramm. Die Forderung nach Religionsfreiheit wurde als unmittelbare Bedrohung für die Einheit und Autorität des russischen Staates empfunden. Dies galt für die Versuche der Altgläubigen (raskolniki), sich von jahrhundertelanger Diskriminierung zu befreien, ebenso wie für das Verlangen der Georgischen Kirche nach Autokephalie (Unabhängigkeit). Der konservative katholische Bischof von Vilnius (Wilna) Eduard von Ropp wurde sogar seines Amtes enthoben, da die Regierung in der von ihm gegründeten Katholisch-Konstitutionellen Partei ein Werkzeug polnischer Seperatisten zu erblicken glaubte. Als sich aufgrund des Toleranzediktes viele getaufte Tataren wieder ihrer traditionellen Religion zuwandten, malten orthodoxe Würdenträger das Schreckgespenst einer drohenden "Islamisierung" an die Wand und der Kasaner Erzbischof Nikanor beklagte sich, die Erlaubnis zum Bau neuer Moscheen gebe den Tataren das unerwünschte Gefühl, der Staat "schütze die Muslime" (9). Ministerpräsident Stolypin teilte die Ängste der geistlichen Herren und förderte nach Kräften die Gründung neuer orthodoxer Pfarreien in den mehrheitlich muslimischen Gebieten. 
Den Buddhisten Burjatiens erging es etwas besser als den Jüngern Mohammeds, obwohl auch sie sich mit christlichen Missionaren herumschlagen mussten, vor allem in den Regionen westlich des Baikalsees. Doch die Lehre des Erhabenen genoss in den Kreisen des Hofadels eine gewisse Sympathie und außerdem erschien sie politisch weniger gefährlich als der Islam. Dennoch startete die Kirche eine großangelegte antibuddhistische Kampagne, als in Petersburg ein buddhistischer Tempel (datsan) errichtet werden sollte, und organisierte in vielen Städten – u.a. auch in Irkutsk – "Protestgottesdienste" gegen die "Götzendiener", die es wagten, in der Hauptstadt des "Heiligen Russland" eine heidnische Kultstätte zu erbauen. (10)

Es verwundert nicht, dass dieser aggressive Nationalismus "von oben" auf der anderen Seite zu einem Erstarken des Nationalismus der unterdrückten Völkerschaften führte. Erst recht, da der von den sozialistischen Parteien vertretene Universalismus und Internationalismus aufgrund des Triumphs der Konterrevolution für den Moment stark an Anziehungskraft eingebüßt hatte.
Dabei darf man nicht vergessen, dass die institutionellen Rahmenbedingungen, unter denen sich dieses Erstarken der Nationalbewegungen vollzog, durch die Revolution in vielerlei Hinsicht stark verändert worden waren. Das Zarenreich war nach 1905 nicht mehr dasselbe wie vor dem "tollen Jahr". Nikolaus II. hatte sich gezwungen gesehen, eine Reihe von Reformen durchzuführen, die Russland einen halbkonstitutionalistischen Charakter verliehen. Die Tage des ungezügelten Despotismus waren endgültig vorbei. Es existierte die Duma, die der Zar zwar mehrfach auflöste, da ihm ihre Zusammensetzung nicht behagte, die aber dennoch ein für russische Verhältnisse ganz neues Feld der politischen Betätigung eröffnete. Es entstanden legale politische Parteien, zahlreiche Bildungs- und Kulturvereine, Volkstheater, Genossenschaften usw. Die Presse war zwar nicht frei, doch der kaiserliche Zensor sah sich gezwungen, den Knebel zumindest ein wenig zu lockern. Der Coup d'Etat von 1907 zerstörte nicht auf einen Schlag alle diese Errungenschaften, auch wenn er das Parlament zu einem machtlosen Schattendasein verdammte.
In diesem veränderten politischen Umfeld boten sich den bürgerlich-intellektuellen Führern der Nationalbewegungen völlig neue Entfaltungsmöglichkeiten. Eine ganze Reihe von ihnen saßen in der Ersten und Zweiten Duma. So auch Andrei Michailow, ein enger Vertrauter Tsyben Jamtsaranos, der 1905 den Vorsitz des Ersten Burjatischen Kongresses im Gouvernement Irkutsk inneghabt hatte. Am 13. März 1906 wurde ihm als Mitglied einer westburjatischen Delegation sogar die "Ehre" einer Audienz bei Nikolaus II. in Tsarskoje Selo zuteil. Jamtsarano selbst begab sich 1911 zusammen mit dem russischen Gesandten Korostowjets in die Äußere Mongolei, die zu dieser Zeit eine Art russisches Protektorat wurde, und arbeitete dort als Herausgeber der ersten mongolischen Zeitung und als Direktor einer von den russischen Behörden gegründeten Schule.
Sowohl Michailows Arbeit in der Duma als auch Jamtsaranos faktische Kollaboration mit dem russischen Kolonialismus in der Mongolei sind deutliche Zeichen dafür, dass die Stärkung der Nationalbewegung nach 1905 keineswegs notwendigerweise eine Verschärfung ihrer Opposition zum Zarenregime nach sich zog. Der Scheinkonstitutionalismus führte vielmehr zur verstärkten Integration ihrer bürgerlichen Führung in die politische Struktur des Reiches. In seinem Buch über die Dschaddiden in Turkestan fasst Abeed Khalid die Ziele der muslimischen Reformer so zusammen: „Jadid political strategies aimed at the creation of a Muslim voice in Turkestan and of Muslim participation in the imperial mainstream.“ (11) Ähnliches ließe sich über die meisten Nationalbewegungen im Russischen Reich sagen. Entgegen der unter zaristischen Bürokraten weit verbreiteten Furcht vor Seperatismus ging es den meist aus der Mittelklasse stammenden Nationalisten nicht um die Lostrennung von Russland oder den Sturz des Zarismus. Sie wollten sich lediglich eine soziale und politische Nische im bestehenden Staatsgebäude eroben. In der Duma standen die nationalen Gruppierungen in ihrer Mehrheit deshalb entweder den bürgerlich-liberalen "Kadetten" ("Konstitutionelle Demokraten") oder den konservativen Oktobristen nahe. Die armenische nationalrevolutionäre Partei Daschnakzutjun ("Föderation"), deren Programm sich am Vorbild der Sozialrevolutionäre (SR) orientierte, bildeten eine seltene Ausnahme. Allerdings sollte ihr radikaler Demokratismus die Daschnaken nicht davon abhalten, während des Weltkriegs Seite an Seite mit dem Zarismus gegen das Osmanische Reich zu kämpfen.
Das Verhalten der Nationalisten in der Ära des Halbkonstitutionalismus zeigt einmal mehr, dass Klasseninteressen noch immer über "nationale" Interessen gesiegt haben. Wenn das russische Bürgertum in Reaktion auf die Revolution auch die letzten Überbleibsel seiner ohnehin nie besonders starken republikanischen Ambitionen über Bord warf, so galt ähnliches für die wohlhabenden Schichten der "Fremdvölker". Die Angst vor einer neuen Revolution wog schwerer als alle demokratischen oder patriotischen Ideale. Aus Burjatien wird berichtet, dass nicht wenige Großbauern und Adelige ernsthaft mit dem Gedanken spielten, in die Mongolei auszuwandern, um einer drohenden Wiederholung der Unruhen von 1905 zuvorzukommen. Kein Wunder also, dass die besser gestellten Kreise der "fremdstämmigen" Intelligenz, die die "offizielle" Führung der Nationalbewegung bildeten, gleichfalls immer konservativer wurden.
Freilich blieben der Integration der nichtrussischen Eliten in die zaristische Gesellschaft während der von Autoritarismus und nationalem Chauvinismus geprägten Stolypin-Ära enge Grenzen gesetzt. Der von der Revolution in Furcht und Schrecken versetzte Zarismus beäugte alle noch so harmlosenn politischen Regungen seiner Untertanen mit tiefem Misstrauen. Erst recht, wenn es sich bei ihnen um Nichtrussen handelte. So witterten die tumben Polizeibürokraten z.B. hinter den Bemühungen der Dschaddiden, ein Netz moderner Schulen für Muslime aufzubauen, eine panislamische Verschwörung und die Hand Istanbuls. Als Mufti Muhammad’yar Sultanow zusammen mit anderen islamischen Rechtsgelehrten 1913 erklärte, an geistlichen Schulen könnten in Zukunft neben religiösen auch weltliche Fächer unterrichtet werden, stand für die Regierung fest, dass der zarentreue Mufti unter den Einfluss von „Tatar narodniks“ geraten war. (12) Ein derart "subversives" Ansinnen konnte schließlich nur einem von revolutionärer Propaganda verseuchten Gehirn entsprungen sein! Auf ausdrückliche Anordnung der Regierung durften in den maktabs und medresen nur der Koran und die theolgische Überlieferung studiert werden. Selbst die russische Sprache, deren Studium man vor 1905 von den islamischen Geistlichen verlangt hatte, sollte jetzt aus den religiösen Lehranstalten der Muslime verschwinden! Nicht viel besser als den Dschaddiden erging es den burjatischen Nationalisten, deren Kulturbarbeit nicht wenige zaristische Bürokraten als Teil einer von Japan gesteuerten panmongolischen Konspiration betrachteten.
Als ernstzunehmende politische Massenbewegungen existierten Panislamismus, Panturkismus und Panmongolismus freilich nur in den Köpfen der Petersburger Poilzeioberen. Zwar mochten Teile der jungtürkischen Elite von der Vereinigung aller Turkvölker unter der Führung Istanbuls träumen und dabei auch eine Handvoll Anhänger unter den muslimischen Intellektuellen des russisch beherrschten Zentralasien gewonnen haben, doch deren politischer Einfluss war minimal. Ähnliches gilt für die Bemühungen Tokios, die panmongolischen und panbuddhistischen Neigungen burjatischer Intellektueller den imperialistischen Ambitionen Japans im Fernen Osten dienstbar zu machen. Führende Vertreter des russischen Panmongolismus wie Agvan Dorschiew, Tsyben Jamtsarano oder Fürst Esper Uchtomski erblicketn im Zaren und nicht im Tenno ihren ersehnten Schutzherrn.
Die paranoide Furcht der Petersburer Führung vor all diesen pannationalistischen Schreckgespenstern war letztenendes Ausdruck eines geschichtlichen Widerspruchs, der im Rahmen des zaristischen Systems nicht aufgelöst werden konnte. Einerseits machte die Entwicklung des Kapitalismus, die unter Stolypin noch weiter forciert wurde, die Modernisierung der nichtrussischen Regionen des Reiches zu einer absoluten Notwendigkeit und stärkte damit die Position der nationalen Reformer. Andererseits bedeutete jedes Anzeichen einer nationalen Emanzipation unter den "Fremdstämmigen", jedes noch so bescheidene organisierte Auftreten der nationalen Intelligenzija automatisch eine Provokation für das Zarenregime und wurde von diesem als Bedrohung wahrgenommen.

Wenn das neu entstandene Netzwerk der Bildungs- und Kulturvereine, der politischen Parteien und der Presse der alten Führung der Nationalbewegung erlaubte, sich zumindest partiell mit dem autokratischen Regime zu arrangieren, begünstigte es andererseits das Heranwachsen einer neuen Generation burjatischer Intellektueller, die nicht länger bereit waren, sich mit der friedlichen Kulturarbeit ihrer Väter zu begnügen. 
Als der zukünftige Dichter und Dramatiker Pjotr Dambinow 1907 sein Studium an der vierzig Werst von Irkutsk entfernt gelegenen Landwirtschaftlichen Dscherdowski-Akademie antrat, wurde er Teil eines studentischen Milieus, in dem die Nachwirkungen des "tollen Jahres" noch deutlich zu spüren waren. Nicht, dass die Akademie die Heimstatt politischer Verschwörer gewesen wäre, aber offensichtlich huldigte man hier doch radikaleren Ansichten als in den Kreisen Jamtsaranos und Andrei Michailows. In einem Brief an die Pravda aus dem Jahr 1923 bezeichnete der Schriftsteller später den linken Nationalisten Michail Bogdanow als seinen ersten "revolutionären Lehrmeister". Allerdings stammte Dambinow auch nicht wie die meisten der älteren Intellektuellen aus einer wohlhabenden großbäuerlichen Familie. Wenn er an seine Kindheit zurückdachte, so erinnerte er sich vor allem an den ständigen Mangel an Essen, „leading the entire family to a half-starved existence…” Sicher kein unwichtiger Faktor für die politische Entwicklung des jungen Mannes. Und Dambinow war nicht allein auf der Akademie. Er fand vielmehr eine ganze Schar Gleichgesinnter. Die Studenten organisierten "Kulturabende", auf denen Lieder gesungen und Tänze oder kleine Theaterstücke aufgeführt wurden, die meist einen propagandistischen Inhalt hatten und den Zarismus oder die rückständigen Traditionen Burjatiens attackierten. Gemeinsam mit zwei Freunden gründete Dambinow einen Studienzirkel, in dem man sich mit Fragen der Philosophie, Geschichte, Soziologie und Psychologie auseinandersetzte. Die jungen Leute nannten ihre Gruppe Solbon (Venus; Morgenstern), wovon Dambinow später sein Pseudonym Solbone Tuya (Strahl der Venus) ableiten sollte. Hier las der zukünftige Dichter zum ersten Mal Pjotr Kropotkins Memoiren eines Revolutionärs. Die Lektüre der Autobiographie des bekannten Anarchisten führte fast zu seiner Relegation von der Akademie.
Aus diesen Kreisen gingen jene Männer und Frauen hervor, die 1917 auf der äußersten Linken in Burjatien stehen sollten. Einige von ihnen würden zu den Begründern des burjatischen Bolschewismus werden. Zu ihnen gehörte auch Maria Michailowna Sachjanowa, die erste burjatische Frau, die sich der bolschewistischen Partei anschloss. Die junge Bauerstochter aus dem heute unter einem Stausee begrabenen Shabartai Ulus kam 1915 nach Petrograd (13), um die Höheren Bildungskurse P.S. Lesgafts zu besuchen. Wie viele junge Burjaten war auch Maria von einem leidenschaftlichen Verlangen nach Bildung, Wissen und Kultur erfüllt. Kurz nach ihrer Ankunft in der Hauptstadt schrieb sie in einem Brief an ihren ehemaligen Lehrer und Förderer Chagalow: „Here I am, in classes in the lecture hall, right at the center of light and knowledge that called to me so powerfully! Every day, every hour I spend is filled with gratitude to all of you who gave me moral and financial support.“ In Petrograd fand sie schon bald Zugang zu sozialdemokratischen Studentenzirkeln: 
In late 1915 in Petrograd, in the socialdemocratic club at Lesgaft’s courses, fiery debates raged between Bolsheviks and Mensheviks about the question of peace and revolution. I felt closer to the Bolshevik’s position and understood it better. I somehow quickly took the side of the defeat of tsarism in the imperialist war which would transform into civil war. In february 1916 I became a member of the Petrograd Organization of the Russian Social Democratic Revolutionary Party (Bolshevik). (14)
Neben der Kriegsfrage war es sicher die kompromisslose Verteidigung des Selbstbestimmungsrechts der Nationen durch die Bolschewiki und ihr unermüdlicher Kampf gegen den großrussischen Chauvinismus der die Entscheidung der jungen Burjatin beeinflusste. Eigenen Aussagen zufolge beeindruckten sie von Lenins Schriften neben der Abhandlung Der Krieg und die russische Sozialdemokratie vor allem Die Sozialistische Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen sowie Über den Nationalstolz der Großrussen.
Lenin hatte den großrussischen Chauvinismus bereits während seiner Kindheit und Jugend im Gouvernement Simbirsk kennen und hassen gelernt:
[I]ch brauche mir nur meine Wolgazeit ins Gedächtnis zurückzurufen und mich daran zu erinnern, wie man bei uns die Nichtrussen behandelt, wie man einen Polen nicht anders denn "Polacken" nennt, jeden Tataren als "Fürsten" verspottet, den Ukrainer nur beim Spitznamen "Chochol" ruft, alle Georgier und die Angehörigen anderer kaukaischer Stämme als "Kapkaser" verhöhnt. (15)
Er betrachtete es als die unbedingte Pflicht eines großrussischen Sozialisten, jede Form der nationalen Unterdrückung und Benachteiligung aufs entschiedenste zu bekämpfen. Das nationale Programm der Bolschewiki umriss er 1913 wie folgt:
[K]eine Privilegien für irgendeine Nation, für irgendeine Sprache; Lösung der Frage der politischen Selbstbestimmung der Nationen, d.h. ihrer staatlichen Lostrennung, auf völlig freiem, demokratischem Wege; Erlass eines für den ganzen Staat geltenden Gesetzes, kraft dessen jede beliebige Maßnahme [...], die in irgendwelcher Hinsicht einer der Nationen ein Privileg gewährt und die Gleichberechtigung der Nationen oder die Rechte einer nationalen Minderheit verletzt, für ungesetzlich und ungültig erklärt wird – und jeder beliebige Staatsbürger berechtigt ist zu verlangen, dass eine solche Maßnahme als verfassungswidrig aufgehoben wird und diejenigen, die sie durchsetzen wollen, strafrechtlich belangt werden. (16)
Jede Form des nationalen Chauvinismus müsse aufs schärfste bekämpft und das Recht der "kleinen Völker" auf Bildung eigener Staaten kompromisslos verteidigt werden. Immer wieder zitierte Lenin in seinen entsprechenden Schriften den engels’schen Ausspruch: „Ein Volk, das andre unterdrückt, kann sich nicht selbst emanzipieren.“ (17) Das bedeutet allerdings nicht, dass die Bolschewiki für eine Aufteilung Russlands in unzählige kleine Nationalstaaten eingetreten wären. Ein Recht zu verteidigen ist schließlich nicht gleichbedeutend damit, die Ausübung dieses Rechtes auch zu fordern. Ihnen schwebte vielmehr ein freiwilliges Bündnis aller Nationen des russischen Reiches auf demokratischer und gleichberechtigter Grundlage vor. Die Verteidigung des Rechts auf Selbstbestimmung müsse einhergehen mit der Erziehung der „Arbeiter zur ‘Gleichgültigkeit’ den nationalen Unterschieden gegenüber". Eine Aufsplitterung der Arbeiterbewegung nach nationalen Gesichtspunkten, wie sie der jüdische Bund praktizierte, lehnten die Bolschewiki kategorisch ab. Die Sozialisten in den unterdrückten Nationen müssten vielmehr gegen den bürgerlichen Nationalismus und Separatismus ankämpfen und stattdessen für ein enges Bündnis mit der großrussischen Arbeiterklasse eintreten:
D]er Sozialdemokrat einer kleinen Nation [muss] den Schwerpunkt seiner Agitation auf das zweite Wort unserer allgemeinen Formel legen: "freiwillige Vereinigung" der Nationen. [...] In allen Fällen [...] muss er gegen die kleinnationale Beschränktheit, Abgeschlossenheit und Isolation kämpfen, für die Berücksichtigung des Ganzen und Allgemeinen, für die Unterordnung der Interessen des Teils unter die Interessen der Gesamtheit. (18)
Das Endziel des Sozialismus aber bestehe in der zukünftigen Verschmelzung aller Nationen: „The aim of socialism is not only to abolish the present division of mankind into small states and all national isolation; not only to bring the nations closer to each other, but also to merge them.“ (19)
Wie in allen kriegsführenden Nationen führte der Weltkrieg auch in Russland zu einem nie gekannten Ausbruch des nationalen Chauvinismus, der das ganze Land in einer übelriechenden Schlammflut zu ertränken drohte. Lenin verfasste daraufhin sein wütendes Pamphlet Über den Nationalstolz der Großrussen:
Wieviel wird jetzt über Nationalität und Vaterland geredet, gedeutelt, geschrien! Liberale und radikale Minister Englands, eine Unmenge "fortschrittlicher" Publizisten Frankreichs (die mit den reaktionären Publizisten ganz einer Meinung sind), eine Unmasse amtlicher, kadettischer [liberaler] und progressiver Federfuchser Russlands (manche Volkstümler und "Marxisten" eingeschlossen) – sie alle lobpreisen auf tausenderlei Art die Freiheit und Unabhängigkeit der "Heimat", die Erhabenheit des Prinzips nationaler Selbstständigkeit. Man weiß nicht, wo man den Grenzstrich ziehen soll zwischen dem käuflichen Barden des Henkers Nikolaus Romanow oder der Schinder von Negern und Indern und dem Durchschnittsspießer, der aus Stumpfsinn und Charakterlosigkeit "mit dem Strom" schwimmt. Es hat auch keinen Sinn, hier Unterschiede zu machen. [...] Niemand ist schuld daran, dass er als Sklave geboren wurde; aber ein Sklave, dem nicht nur alle Freiheitsbestrebungen fremd sind, sondern der seine Sklaverei noch rechtfertigt und beschönigt (der beispielsweise die Erdrosselung Polens, der Ukraine usw. als "Vaterlandsverteidigung" der Großrussen bezeichnet) ein solcher Sklave ist ein Lump und ein Schuft, der ein berechtigtes Gefühl der Empörung, der Verachtung und des Ekels hervorruft. (20)
Maria Sachjanowa konnte ihr Studium in Petrograd nur mit Unterbrechungen fortzsetzen, da ihre finanzielle Lage sie immer wieder zur Annahme zeitraubender Gelegenheitsarbeiten zwang. Daneben leitete sie einen marxistischen Zirkel unter den Studenten und Studentinnen der Lesgaft’schen Kurse. Politische Literatur und Propagandamaterial erhielt die Gruppe vom Petrograder Parteikomitee: 
The [...] Committee systematically gave the Lesgaft Bolshevik Student Organization copies of the newspaper The Social Democrat and collections of articles by the same name, which Lenin published abroad illegally. Lenin's articles and works printed in these publications gave us underground political activists valuable and rich guidance in our actions. We found comprehensive answers to all questions related to our struggle.
Gegen Ende 1916 wurde die junge Revolutionärin verhaftet und im Petrograder Frauengefängnis inhaftiert. Doch schon nach wenigen Monaten sollte der Februarumsturz sie wieder aus dem zaristischen Kerker befreien.


Fortsetzung folgt ...




(1) Zit. nach: Frederik Hetmann: Rosa L.–  Die Geschichte der Rosa Luxemburg und ihrer Zeit. S. 132.
(2) Cecilia Bobrovskaya: Twenty Years in Underground Russia: Memoirs of a Rank-and-File Bolshevik. Kap. 7.
(3) In: A. Izgoev: P. A. Stolypin. Ocherk zhizni i deiatel'nosti. S. 88f. Zit. nach: Heinz-Dietrich Löwe: Russian Nationalism and Tsarist Nationalities Policies in Semi-Constiutional Russia, 1905-1914.
(4) Heinz-Dietrich Löwe: Russian Nationalism and Tsarist Nationalities Policies in Semi-Constiutional Russia, 1905-1914.
(5) Zit. nach: Victor Buganow: Peter der Große: Persönlichkeit und Epoche. S. 325.
(6) Heinz-Dietrich Löwe: Russian Nationalism and Tsarist Nationalities Policies in Semi-Constiutional Russia, 1905-1914.
(7) Und nicht nur der einfachen Dorfpopen. Als Bischof Aleksej von Saratow einen antisemitischen Aufsatz Über die Moral des Talmud veröffentlichte, erschien kurz darauf ein Leserbrief I.G. Neusichins in der liberalen Zeitung Rech’. Neusichin hatte den Bischof während seiner Recherchen in einer Bibliothek getroffen und war von ihm um Hilfe angegangen worden. Der Kirchenmann hatte ihn u.a. um eine Erklärung der „geheimnisvollen Zeichen ‘3f. a’, ‘47f. b’“ gebeten! Ergebnis der "profunden Studien" Aleksejs war ein mit grammatikalischen Schnitzern gespicktes Sammelsurium altbekannter judenfeindlicher Lügengeschichten. (Vgl.: Raimund Elfering: Die „Bejlis-Affäre“ im Spiegel der liberalen russischen Tageszeitung „Rech’“. S. 115.)
(8)  Wissarion Beliniski: Brief an N.W. Gogol. In: Meister der Kritik. Belinski - Dobroljubow - Tscheryschewski. S. 141.
(9) Vgl.: Naganawa Norihiro: Molding the Muslim Community through the Tsarist Administration: Mahalla under the Jurisdiction of the Orenburg Mohammedan Spiritual Assembly after 1905. S. 113.
(10) Vgl.: Elena A. Ostrovskaya: Buddhism in Saint Petersburg. In: Journal of Global Buddhism. Nr. 5. S. 38f.
(11) Abeed Khalid: The Politics of Muslim Cultural Reform. Jadidism in Central Asia. S. 243.
(12) Vgl.: Naganawa Norihiro: Molding the Muslim Community through the Tsarist Administration: Mahalla under the Jurisdiction of the Orenburg Mohammedan Spiritual Assembly after 1905. S. 110/111. "Narodnik"="Volkstümler"; Anhänger der vormarxistischen revolutionären Bewegung Russlands, deren Erbe die Partei der Sozialrevolutionäre (SR) angetreten hatte.
(13) Seit dem Beginn des Weltkriegs hieß St. Petersburg offiziell Petrograd.
(14) Maria M. Sakhyanova: S Lenym v serdse. In: Sibirskie stranitsy o Il'iche. S. 170. 
(15) Wladimir Iljitsch Lenin: Brief an den Parteitag. In: Ders.: Ausgewählte Werke. Bd. VI. S. 655.
(16) W. I. Lenin: Kritische Bemerkungen zur nationalen Frage. In: Ders: Ausgewählte Werke. Bd. II. S. 358/59.
(17) Friedrich Engels: Flüchtlingsliteratur. I: Eine polnische Proklamation. In: K. Marx/ F. Engels: Werke. Bd. 18. S. 527.
(18) W. I. Lenin: Die Ergebnisse der Diskussion über die Selbstbestimmung. In: Ders.: Werke. Bd. 22. S. 354.
(19) Wladimir I. Lenin: The Socialist Revolution and the Right of Nations to Self-Determination.
(20) Wladimir I. Lenin: Über den Nationalstolz der Großrussen. In: Ders.: Ausgewählte Werke. Bd. II. S. 533/35.
(21) Maria M. Sakhyanova: S Lenym v serdse. In: Sibirskie stranitsy o Il'iche. S. 170.

Samstag, 25. Februar 2017

Willkommen an Bord der "Liberator" – S01/E04: "Time Squad"

Ein Blake's 7 - Rewatch
 
Ursprünglich sollten einige der Sträflinge, die in Episode 3 von Vargas' Kultisten getötet werden, feste Mitglieder des Blake's 7 - Ensembles werden. Doch  kam man schließlich zu der Überzeugung, dass eine zu große Stammcrew die Serie unnötig verkomplizieren würde. Also ließ man die unglücklichen Kameraden frühzeitig über die Klinge springen. Um die Sieben vollzukriegen wurden ihr ganz einfach Blake selbst sowie Schiffscomputer Zen zugerechnet. Blieb noch ein freier Posten, der nunmehr von einer Frau besetzt werden sollte. Das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern erschien selbst britischen Fernsehmachern der späten 70er Jahre offenbar etwas gar zu krass.

Zu Beginn von Time Squad ist es unseren Helden endgültig gelungen, ein Geschwader von Raumjägern der Föderation, das hinter ihnen hergeschickt wurde, abzuhängen. Die "Liberator" ist so viel schneller als alle terranischen Schiffe, dass im Grunde keine Gefahr besteht, jemals aufgespürt und gestellt zu werden, ganz gleich wie viele Geschwader man noch nach ihnen aussenden wird. Denn wie Vila ganz richtig bemerkt: "We have the whole univsere to hide in." Woraufhin sich folgender Dialog entspinnt, der einen ganz guten Eindruck vom Ton der Serie vermittelt.
Blake: Except that we're not going to hide. Very soon now the Federation ships will know exactly where we are. Or at least where we've been. 
Vila: I don't follow you.
Avon: Oh, but you do, And that's the problem.
Blake: Up until now we've only been a minor irritation for the Federation. I think it's about time we hurt them.
Jenna: I don't like the sound of that.
Avon: Neither do I. I thought it was agreed we wouldn't do anything without discussing it thoroughly.
Blake: True. It was also agreed that anybody could opt out at any time. Just tell me when you want to leave.
Avon: Oh, I will. But in the meantime I think we have a right to know what it is you're planning.
Blake: Zen, set a course for Saurian Major, speed standard by two.
Zen: Speed and course confirmed.
Avon: That falls a little short of my idea of a thorough discussion.
Blake: We can talk and travel. We're safer on the move.
Zu einer wirklichen Diskussion oder gar einer Abstimmung über das weitere Vorgehen kommt es auch später nicht, aber immerhin legt Blake den anderen seinen Plan dar: Nach einem Aufstandsversuch gegen die Föderation wurde ein Großteil der Bevölkerung von Saurian Major entweder abgeschlachtet oder auf irgendwelche Grenzplaneten deportiert. Doch einigen wenigen gelang die Flucht und sie begannen einen Guerillakampf gegen ihre Unterdrücker. Zu diesen Widerstandskämpfern hofft Blake Kontakt aufnehmen zu können, um mir ihrer Hilfe den riesigen Sendeempfänger - Komplex zu zerstören, den die Föderation auf dem Planeten errichtet hat. "All Federation signals and navigation controls are beamed into Saurian Major, boosted and redirected. It's a vital nerve center in the Federation space control system. Destroy that, and you blind, deafen and silence them. That's what we're going to do."

Doch bevor die "Liberator" ihr Ziel erreicht, stößt sie auf eine kleine Raumkapsel, die einen permanenten Notruf aussendet und dabei antriebslos durchs All trudelt. Nach einer kniffligen Bergungsaktion, in deren Verlauf Blake und Jenna beinah ums Leben kommen und sich Avon nicht nur als äußérst kaltblütig, sondern auch als erstaunlich vertrauenswürdig erweist, entdecken unsere Freunde mehrere Personen an Bord der Kapsel, die sich in kryogenischem Schlaf befinden. Herkunft, Ziel oder Mission des offenbar sehr alten Schiffchens bleiben ein Rätsel, dennoch aktivieren sie den Aufweckmechanischmus.

Nachdem sich die "Liberator" im Orbit von Saurian Major befindet, begeben sich Blake, Avon und Vila auf die Oberfläche, während Jenna und Gan die Stellung an Bord halten und zugleich auf das Erwachen der Fremden warten. Von diesem Punkt an teilt sich die Story von Time Squad in zwei Handlungsstränge, die völlig unabhängig voneinander verlaufen und auch inhaltlich oder thematisch nichts miteinander zu tun haben.

Betrachten wir uns zunächst die Erlebnisse von Jenna und Gan.
Wenn uns Star Trek eines gelehrt hat, dann, dass man in kryogenischen Schlaf versetzte Fremde, die man in den Weiten des Weltalls aufliest, lieber nicht wecken sollte. Bestenfalls entpuppen sie sich als äußerst nervige 80er Jahre - Karrikaturen (TNG: The Neutral Zone), schlimmstenfalls als eugenisch "perfektionierte", größenwahnsinnige Übermenschen (TOS: Space Seed). Die Besatzung der mysteriösen Raumkapsel bildet keine Ausnahme von dieser Regel. Kaum erwacht, versuchen die Kerle nicht nur ihre Gastgeber zu töten, sondern beginnen auch damit, die Energiereserven der "Liberator" anzuzapfen.
Der Handlungsstrang besitzt ohne Frage seine interessanten Seiten. Diese bestehen vor allem in weiterer Charakterentwicklung. So bekommen wir gleich mehrmals gezeigt, dass Jenna sich ohne Probleme in einer physischen Auseinandersetzung zu behaupten versteht und keinen Moment zögert, einen Angreifer in Notwehr zu erschießen. Es freut mich, berichten zu können, dass die Pilotin und Ex-Schmugglerin auch weiterhin keinerlei "Damsel" - Anwandlungen verrät. Sehr viel spannender allerdings ist, was wir über den bislang etwas blassen Gan erfahren. Die beiden unterhalten sich darüber, ob sie auf längere Sicht an Bord der "Liberator" bleiben wollen. Jenna ist sich nicht ganz sicher, doch Gan erklärt, dass er im Grunde keine Wahl habe, er brauche Menschen um sich herum, auf die er sich verlassen könne und die "auf ihn achtgeben". Was genau er damit meint, bleibt anfangs unklar, allerdings spüren wir auf einmal eine gewisse Traurigkeit und Hilflosigkeit auf Seiten des bärenstarken Kerls. In der Folge bekommen wir eine Reihe weiterer kurzer Einblicke in Gans zerrissene Persönlichkeit. Im Umgang mit der verletzten Jenna zeigt er sich ganz als der "sanfte Riese", zugleich jedoch erfahren wir, dass er einen Polizisten mit bloßen Händen umgebracht hat, nachdem diese seine Gefährtin erschossen hatte. Und schließlich wird enthüllt, dass Gan von der Regierung ein Hirnimplantat eingesetzt wurde, dass es ihm unmöglich macht, zu töten, und dass ihn immer wieder mit schweren Kopfschmerzen quält. Ein Umstand, der für den Riesen mit Gefühlen von Schuld und Scham verbunden zu sein scheint.
All das ist ganz wunderbar, doch leider ist der Subplot selbst ziemlich banal und uninteressant. Zu keinem Zeitpunkt bekommen wir ein gutes Gefühl für die Motivation der kryogenischen Killer. Offenbar ist es ihre Aufgabe, das Erbgut ihrer Spezies, das sich gleichfalls in der Kapsel befindet, zu beschützen, doch reicht das kaum aus, um ihr Verhalten zu erklären. Mit dem größeren Weltentwurf von Blake's 7 hat das Ganze jedenfalls nichts zu tun, und man bekommt den Eindruck, als habe Terry Nation diese Story bloß hinzugefügt, weil die Ereignisse auf Saurian Major nicht genug Stoff für eine volle Episode geboten hätten.

Wie dem auch sei, wenden wir uns nun also dem zweiten Handlungsstrang zu.
Die erste Phase von Blakes Plan erweist sich als denkbar simpel: Schauen wir uns ein Bisschen in der rötlich eingetönten Landschaft des Planeten um, machen wir ein Lagerfeuer und warten wir darauf, dass der Widerstand von sich aus Kontakt mit uns aufnimmt.
Was dann auch wirklich geschieht. Allerdings zeigt sich dabei, dass von der Guerillabewegung nur noch die {verständlicherweise} äußerst misstrauische und ziemlich verbissene Cally (Jan Chappell) übrig geblieben ist. Die Telepathin vom Planeten Auron, die von ihrem Volk hierher geschickt wurde, um den Kampf gegen die Föderation zu unterstützen, braucht einige Zeit, bis sie Blakes Behauptung, er und seine Gefährten seien hierher gekommen, um die Sendeempfänger - Station zu zerstören, Glauben schenken kann. Dann jedoch ist sie vorbehaltslos bereit, an dem Unternehmen teilzunehmen, hatte sie etwas ähnliches doch schon auf eigene Faust geplant -- wenn auch als letzte glorreiche Selbstmordmission.
In der Folge bekommen wir zum ersten Mal zu sehen, wie Blake's 7 zur Kostenersparnis irgendwelche englischen Industrieanlagen als Sets verwendet. Ich kann mir vorstellen, dass manch einer darauf heute mit ironisch-herablassendem Gekicher reagieren wird. Und natürlich kann auch mir ein amüsiertes Grinsen nicht verkneifen. Gleichzeitig jedoch machen gerade solche "primitiven" Elemente für mich den besonderen Charme einer Low Budget - Produktion aus. Und mal ehrlich: Besitzen moderne Fabrikgelände nicht oft in der Tat  etwas unwirklich-dystopisches? Zumindest für die von uns, die nicht tagtäglich in diesem Umfeld arbeiten müssen?
Nebenbei zeigt Vila hier übrigens erstmals, dass er mehr zu bieten hat, als den liebenswerten Feigling und Comic Relief - Charakter zu geben. Nicht unerwähnt bleiben soll außerdem, dass zwischen Cally und Avon von Anfang an ein Verhältnis gegenseitigen Respektes zu herrschen scheint.

Damit ist das Ende des eröffnenden Handlungsbogens von Blake's 7 erreicht. Das nächste Mal werden wir uns mit neckisch kostümierten genmanipulierten Gnomen, riesigen Spinnennetzen und silbrigen Zwillingen beschäftigen.

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Strandgut der Woche

Sonntag, 19. Februar 2017

Strandgut der Woche

Donnerstag, 16. Februar 2017

Willkommen an Bord der "Liberator" – S01/E03: "Cygnus Alpha"

Ein Blake's 7 - Rewatch
 
Wenn die zweite Episode von Blake's 7 vor allem dadurch zu beeindrucken versuchte, dass man praktisch das ganze für die erste Staffel vorgesehene Budget auf einen Schlag verbriet, fährt Episode 3 eine Art Geheimwaffe in Gestalt des unvergleichlichen Brian Blessed auf. Ohne Frage habe ich ihn schon sehr viel nuancierter und subtiler agieren sehen als hier, doch andererseits gibt es wenige Schauspieler, bei denen es mir soviel Spaß macht, sie im absoluten Overdrive zu erleben, wie den großen Brian.

Freilich taucht der gute Mann erst nach gut zwanzig Minuten auf.

Zuerst einmal bekommen wir zu sehen, wie Blake (Gareth Thomas), Jenna (Sally Knyvette) und Avon (Paul Darrow) ihr Raumschiff erkunden. Die Technologie scheint sehr viel fortgeschrittener als die der Terranischen Föderation. Als Jenna nach Zufallsprinzip einige der Steuerungstasten ausprobiert -- denn was bleibt unseren Helden schon anderes übrig, wenn sie deren Funktionsweise erlernen wollen? -- wird eine telepathische Verbindung zwischen ihr und dem Schiff hergestellt, was auf sie zuerest beängstigend, dann jedoch friedvoll und beglückend wirkt. Alsbald meldet sich der Schiffscomputer Zen (mit der Stimme von Peter Tuddenham) zu Worte, der sich bereit erklärt, den Befehlen der neuen Mannschaft zu gehorchen. Dabei erfahren wir auch, dass der neue Name des Schiffs, der aus der Gedankenverschmelzung von Jenna und Zen geboren wurde, "Liberator" lautet. Blake zögert nicht lange, sondern befiehlt Kurs auf Cygnus Alpha zu nehmen, wo er die übrigen Gefangenen zu befreien und als Crew zu rekrutieren gedenkt. Als hilfreich könnte sich dabei erweisen, dass die "Liberator" u.a. über eine Teleportationsvorrichtung verfügt, die in Aktion zwar nicht so hübsch ausschaut wie Star Trek's klassischer Transporter, aber dem gleichen Zweck dient -- der Notwendigkeit aus dem Weg zu gehen, aufwendige Landeszenen mit teuren Modellen und Spezialeffekten drehen zu müssen.
Zur selben Zeit müssen Vila (Michael Keating), Gan (David Jackson) und die übrigen Sträflinge, nachdem sie von der London auf Cygnus Alpha abgesetzt wurden, feststellen, dass der Planet in der Tat so unerfreulich zu sein scheint, wie man das von einer Sträflingskolonie erwarten würde. Etwas überraschend, wenn auch kaum aufmunternd, wirkt da höchstens, dass sie in der nebligen Einöde schon bald auf einen gekreuzigten Leichnam stoßen, dem ein Schild mit der ominösen, wenn auch informativen Aufschrift "So sterben Ungläubige" beigefügt wurde. Dazu passt ganz gut, dass die Neuankömmlinge wenig später einem Trupp in Mönchskutten begegnet, dessen Anführerin Kara (Pamela Salem) sie im Namen ihres "neuen Gottes" Willkommen heißt und in ein hübsch "gotisch"-gruseliges Klostergebäude führt.
Nachdem  auch die "Liberator" Cygnus Alpha erreicht hat, lässt sich Blake auf die Oberfläche teleportieren, obwohl Avon zu bedenken gibt, dass sie nicht wirklich wüssten, wie (und ob) der Transporter funktioniert. In der Folge gelangt auch unser Held zu dem wenig einladenden Tempelbau, von dem aus der offensichtlich größenwahnsinnige Vargas (Brian Blessed) als Hohepriester über einen bizarren Kult herrscht, der die einzige Form einer "geordneten Gesellschaft" auf dem Gefängnisplaneten darstellt. Als er von der Existzenz der "Liberator" erfährt, setzt er alles daran, in den Besitz des Schiffes zu gelangen, um seine {nicht wirklich} "frohe Botschaft" zu den Sternen zu tragen. Seine bevorzugten Mittel sind dabei Folter und Menschenopfer.

Das größte Highlight dieser Folge ist, wie schon gesagt, Brian Blessed als irrer Sektenführer. Doch daneben hat sie noch einiges anderes zu bieten.

Stellt man das minmale Budget in Rechnung, so ist Cygnus Alpha einer der atmosphärisch gelungeneren Planeten der ersten Staffel. Blake's 7 wird immer mal wieder Abstecher in leicht psychedelisch anmutende Gefilde unternehmen, und dies ist das erste Beispiel dafür. Dabei standen den Machern ganz offensichtlich nur einige primtive Sets, einige sehr hübsche Matte-Paintings und sehr viel Trockeneis zur Verfügung. Nicht zu vergessen das wirklich recht eindrucksvolle, mumifizierte Gesicht der gekreuzigten Leiche.

Für den weiteren Verlauf der Serie am wichtigsten sind natürlich die Charakterentwicklungen. Blake übernimmt wie selbstverständlich die Führungsrolle und macht deutlich, dass er abweichende Meinungen nur schwer akzeptieren kann. Entweder man schließt sich ihm an oder man ist in seinen Augen ein rückgratloser Feigling.
Gan erweist sich sowohl gegenüber Vila als auch gegenüber Blake als extrem loyal. Zudem zeigt er einmal mehr die Neigung, anderen mit physischer Gewalt zu drohen.
Avon hingegen macht keinen Hehl daraus, dass er Blake für einen gefährlichen Fanatiker hält. Er versucht Jenna dazu zu überreden, mit der "Liberator" das Weite zu suchen, während dieser sich auf dem Planeten befindet. Blake sei ein "crusader", der  in seinem hoffnungslosen Verlangen, das Föderationsregime zu stürzen, alle, die ihm folgen, mit ins Verderben reißen werde. Jenna ihrerseits lehnt es zwar ab, Blake und die anderen einfach im Stich zu lassen, weiß jedoch nicht wirklich etwas auf diese Charakterisierung ihres "Anführers" zu erwidern.

Besonders interessant fand ich jedoch die Idee der Kultgemeinde. Nicht dass die Episode sehr viel mit ihr anfangen würde, doch der kurze Abriss ihrer Geschichte, den Vargas in einem wilden Monolog zum Besten gibt, ist recht faszinierend. Den ersten Verbannten, die die Föderation nach Cygnus Alpha schickte, gelang es unter großen Opfern und Mühen eine halbwegs funktionierende Gemeinschaft aufzubauen. Doch als später immer mehr Sträflinge auf den Planeten deportiert wurden, drohte diese auseinanderzubrechen. Schließlich kam einer von Vargas' Vorfahren auf die Idee, eine religiöse Lehre zu kreieren, mit deren Hilfe es gelang, die immer heftigeren Konflikte unter den Verbannten zu unterdrücken und eine feste Disziplin einzuführen. Diese Ordnung basiert zwar auf Lügen, Furcht und Terror, doch immerhin erlaubt sie es den Deportierten unter den harschen Bedingungen von Cygnus Alpha zu überleben. Ein wenig hat mich das an die eigenartige "Mönchsgemeinschaft" von Fiorina "Fury" 161 aus Alien 3 erinnert, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob das ein gutes Zeichen ist, habe ich doch nur sehr wenig für diesen Flick übrig ...

Ich glaube, das war's für heute. Am Ende von Cygnus Alpha haben mit Blake, Jenna, Avon, Vila, Gan und Zen sechs der eponymischen Sieben ihren Platz auf der "Liberator" eingenommen. Das nächste Mal werden wir Nummer Sieben kennenlernen, und nebenbei demonstriert bekommen, dass eine verwässerte Version der berühmten Star Trek - Episode Space Seed keine gute Idee für einen B-Plot ist.

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Samstag, 11. Februar 2017

Strandgut der Woche

Mittwoch, 8. Februar 2017

Die Wunderbare Welt des Karel Zeman

Dem tschechischen Regisseur Karel Zeman gebührt ohne Zweifel ein ganz besonderer Platz in den Annalen des phantastischen Films. Ich kann allen Freundinnen & Freunden des Genres nur wärmstens ans Herz legen, sich unbedingt einmal einige seiner Werke wie Cesta do pravěku / Reise in die Urzeit (1955) oder seine grandiose Otfried Preußler - Adaption Krabat (1977) anzuschauen, falls sie noch nicht mit ihm und seinem Oeuvre vertraut sein sollten. 
Da wir heute den 189. Geburtstag Jules Verne feiern können, dachte ich mir allerdings, es sei angemessen, die Aufmerksamkeit meiner Leserschaft insbesondere auf Zemans Vynález zkázy / Die Erfindung des Verderbens aus dem Jahre 1958 zu lenken. Im Laufe seiner Karriere wandte sich der Filmemacher zwar immer wieder einmal dem Werk des großen Franzosen zu, den er tief verehrte, doch dieser Streifen gilt wohl zurecht als seine bedeutendste Verne - Adaption.

Für eine ausführlichere Besprechung fehlt mir die Zeit. Über den Inhalt des Films sei deshalb nur soviel gesagt, dass er eine Art Potpourri verne'scher Motive darstellt -- neben dem namengebenden Roman werden u.a. Robur der Eroberer, 20.000 Meilen unter dem Meer, In 80 Tagen um die Welt und Die 500 Millionen der Begum anzitiert --, wobei zugleich die humanistische Begeisterung für den Fortschritt der Technik mit einer Warnung vor deren möglichem Missbrauch verbunden wird. Die Entwicklung und der erste Einsatz der Atombombe sind als zeitgeschichtlicher Hintergrund stets präsent, ohne dass der Streifen dabei je zu einer plumpen politischen Parabel degenerieren würde. Vielmehr atmet er ganz den Geist verne'scher Romantik, und dabei spielt sein eigenwilliger filmerischer Stil eine zentrale Rolle.
Eines der großen Probleme, die ich mit dem heutigen Einsatz von Tricktechnik im Film habe, ist die ihm zugrundeliegende pseudo-naturalistische Ästhetik. Die Möglichkeiten, die sich durch die Entwicklung von CGI eröffnet haben, werden in erster Linie dazu genutzt, die möglichst perfekte Illusion einer vermeintlichen Realität zu erschaffen. Tricktechnik gilt dann am besten, wenn man sie nicht mehr als solche erkennen kann. Eine solche Herangehensweise kann selbstverständlich zu interessanten Ergebnissen führen, aber wenn sie zum alles beherrschenden Dogma wird, geht die Möglichkeit verloren, die Kunst der SFX-Magier als ein bewusstes Stilmittel einzusetzen -- als Stimulans für die Fantasie der Zuschauer oder als Mittel der Verfremdung. Vynález zkázy ist ein großartiges Beispiel für das, was uns dabei verloren zu gehen droht.
Karel Zemans Werk ist eine höchst eigenwillige Mixtur aus Real- und Animationsfilm. Ein Großteil der Welt, in welcher sich seine Figuren bewegen, besteht nicht aus materiellen Sets, sondern ist dem Zeichenstift entsprungen. Und der Grund dafür ist nicht allein in den beschränkten tricktechnischen Ressorcen zu suchen, die den tschechischen Künstlern & Künstlerinnen zur Verfügung standen. Diese waren ohne Frage gegeben, doch wenn sie überhaupt eine Rolle bei der Entwicklung des Films gespielt haben sollten, macht Zeman aus der Not eine Tugend. Mehr noch, er kreiert eine ganz eigene Ästhetik, die ihre Inspiration aus den klassischen Jules Verne - Illustrationen von Édouard Riou und Léon Benett bezieht. Der Film erweckt den Eindruck, als sei er ein zum Leben erwachter Kupferstich. Sehr oft werden selbst "Requisiten" oder Teile der "Kulisse", welche man ohne Schwierigkeiten materiell hätte reproduzieren können, durch Zeichnungen ersetzt. Einzelne Szenen gehen dabei mitunter ins Surrealistische über (Fische verwandeln sich in Schmetterlinge) oder erinnern an die grotesken Animationen, die Terry Gilliam später für Monty Python's Flying Circus kreieren würde (die Wochenschau, die sich der böse Graf Artigas anschaut).

Ich fürchte, dass viele, deren Sehgewohnheiten durch den Pseudo-Naturalismus des zeitgenössischen phantastischen Films geprägt wurden, ein Werk wie Vynález zkázy als primitiv, vielleicht sogar als ein bisschen peinlich ansehen würden. Und das stimmt mich traurig. Denn während sie sich darüber amüsieren werden, wie offensichtlich "unecht" vieles in diesem Film ausschaut, geht ihnen der Genuss einer ganz eigenen Form der cineastischen Schönheit verloren -- träumerisch, idiosynkratisch und fantasievoll.   

Montag, 6. Februar 2017

Willkommen an Bord der "Liberator" – S01/E02: "Space Fall"

Ein Blake's 7 - Rewatch
 
Die Verantwortlichen bei der BBC waren sich bewusst, dass die ersten Folgen von Blake's 7 kurz nach dem Kinostart von Star Wars ausgestrahlt werden würden, und so entschied man sich dazu, den Großteil des Budgets, das für die erste Staffel zur Verfügung stand, bereits in der zweiten Episode zu verfeuern. Ob Produzent David Maloney und sein Team tatsächlich glaubten, etwas auf die Beine stellen zu können, was auch nur im Entferntesten ähnlich visuell beeindruckend sein würde wie George Lucas' Blockbuster? Schwer vorstellbar. ITV hatte einige Jahre zuvor mit Space 1999 die bis dahin teuerste Serie der britischen Fernsehgeschichte kreiert. Bei der BBC war niemand bereit, vergleichbare Summen für eine SciFi - Show bereitzustellen. Und so besitzt selbst Space Fall ein denkbar primtives Aussehen, auch wenn die Sets etwas aufwendiger sind als in späteren Episoden und wir immerhin ganze zwei Raumschiffmodelle zu sehen bekommen. So verständlich es ist, dass man an den durch den Überraschungserfolg von Star Wars* ausgelösten Hype anknüpfen wollte, so klar ist doch auch, dass den Machern von Blake's 7 die materiellen Ressourcen fehlten, um eine visuell beeindruckende Space Opera zu kreieren. Die Serie musste ihre Stärken an anderer Stelle entwickeln. Inwieweit ihr das gelungen ist, werden wir im Laufe unseres Rewatchs sehen.

Space Fall schließt unmittelbar an die Handlung von The Way Back an. Blake (Gareth Thomas), Jenna (Sally Knyvette) und Vila (Michael Keating) befinden sich zusammen mit einer Reihe weiterer Sträflinge auf dem Gefangenentransporter London mit Kurs auf Cygnus Alpha. Unser Held zögert nicht lange und beginnt mit den Vorbereitungen für eine Meuterei. 
Leider gelingt es der Folge nur schlecht, dem Zuschauer zu vermitteln, wieviel Zeit zwischen den einzelnen Szenen verstreicht, aber anscheinend sollen wir glauben, dass mehrere Monate vergangen sind, bis Blake seinen Plan zur Übernahme des Schiffs in die Tat umsetzt. Zum engsten Kreis der Verschwörer gehören neben Jenna und Vila nun auch der bärenstarke Olag Gan (David Jackson) und der enthusiastische Nova (Tom Kelly). Das Gelingen des Unternehmens ist jedoch von der Mithilfe des brillanten Computerspezialisten Kerr Avon (Paul Darrow) abhängig, dessen Intelligenz und technisches Geschick nur noch von seiner Arroganz und Egozentrik übertroffen werden. Das Schicksal seiner Leidensgenossen ist ihm herzlich gleichgültig. Eine Zeit lang spielt er sogar mit dem Gedanken, einen Deal mit der Crew zu schließen, der allen übrigen Gefangenen das Leben kosten würde. Doch letztlich gelangt er zu der Überzeugung, dass Blakes Plan auch für ihn die beste Chance auf ein Entkommen darstellt, und ist bereit, seinen Beitrag zu leisten. 
Als die London in eine Reihe von Raumturbulenzen gerät, deren Ursache ein in der Nähe tobender Kampf zwischen irgendwelchen mysteriösen Raumschiffen zu sein scheint, ist der Zeitpunkt zum Handeln gekommen. Blakes Plan scheint zuerst aufzugehen, nachdem Avon die Kontrolle über den Schiffscomputer übernommen hat. Doch als der skrupellose Sub-Commander Raiker (Leslie Schofield) mit der wahllosen Exekution von Gefangenen beginnt, sehen sich die Meuterer gezwungen, zu kapitulieren. Gegen Avons Protest ...
Nachdem die Ordnung wiederhergestellt ist, entdeckt die Crew der London ein in der Nähe treibendes Raumschiff unbekannter Herkunft. Das gewaltige Gefährt scheint verlassen, und so entschließt man sich dazu, einen Erkundungstrupp hinüberzuschicken. Als die Männer nicht zurückkehren, werden auf Drängen Raikers Blake, Jenna und Avon als "Freiwillige" rekrutiert. Nicht unbedingt die allerklügste Idee, denn nachdem die drei die telepathischen Attacken des Sicherheitssystems überstanden haben, gelingt es ihnen sehr schnell, das Schiff flottzukriegen. Der sadistische Sub-Commander hat ihnen nicht nur ein Fluchtfahrzeug, sondern zugleich eine mächtige Waffe in die Hände gespielt. Nun denn, er hat nicht mehr viel Zeit, um seinen Fehler zu bereuen ...

Einer der interessantesten Aspekte von Space Fall ist die Charakterisierung der Mannschaft der London. Raiker ist ohne Frage ein skrupelloses, brutales Arschloch, zu dessen Lieblingsbeschäftigungen es außerdem gehört, sexuelle Gefälligkeiten von weiblichen Gefangenen zu erpressen. Alle übrigen Crewmitglieder jedoch erscheinen in einem gar nicht so unsympathischen Licht.
Der ältliche Commander Leylan (Glyn Owen) macht einen im Grunde gutmütigen Eindruck, doch er ist müde und desillusioniert. Alles, was er sich wünscht, ist, seinen Job ohne gar zu viele Komplikationen zu erledigen. Ganz offensichtlich verabscheut er Raikers Verhalten, besitzt jedoch nicht länger die Kraft, seinem Ersten Offizier Einhalt zu gebieten. Ein kurzer Wortwechsel zu Beginn der Episode bringt das Verhältnis zwischen den beiden sehr gut auf den Punkt. Leylan lässt eine Bemerkung darüber fallen, dass sich unter den Sträflingen eine Frau (Jenna) befindet. Raiker erklärt, dass er darüber Bescheid wisse, worauf der Kommandant erwiedert: "Be discrete". Leylan weiß, dass sein Erster Offizier regelmäßíg weibliche Gefangene sexuell missbraucht, und es gefällt ihm wohl nicht. Aber er ist zu schwach, um das zu verhindern. Und so will er es bloß selbst nicht offen miterleben müssen.
Navigator Artix (Norman Tipton) ist ein junger, ehrgeiziger Offizier, der jede freie Minute damit verbringt, für seine "Kommandoprüfung" zu büffeln, da er nicht den Rest seines Lebens auf einem altersschwachen Kahn wie der London verbringen will. Er wirkt naiv, aber keineswegs rücksichtslos oder bösartig.
Selbst die Wachen machen keinen sonderlich brutalen Eindruck, was es beinah etwas verstörend wirken lässt, wenn Gan während der Meuterei einem von ihnen damit droht, ihm die Hand abzuschlagen. Auch im Kampf um Freiheit bleibt Gewalt Gewalt, und sie ist nicht schön.

Ziemlich beeindruckend ist auch der völlig sinnlose Tod Novas, der zudem eine zumindest implizit sehr unangenehme Form besitzt, auch wenn dies aufgrund der technischen Limits nicht wirklich rüberkommt. Erstaunlicherweise kommt keiner unserer Helden später noch einmal auf das traurige Schicksal des jungen Enthusiasten zu sprechen. Zum ersten Mal erleben wir hier, dass Blake ein Talent dafür besitzt, Menschen zu begeistern, was jedoch für einige von ihnen keine besonders erfreulichen Folgen hat.

Sehr schön ist es zu sehen, wie kühl und selbstbewusst Jenna auf Raikers sexuellen Erpressungsversuch reagiert. Zwar hören wir nicht, was sie ihm zuflüstert, doch in Anbetracht seiner Reaktion dürfte es nicht viel netter als "Fuck yourself, you pathetic pervert" gewesen sein. Auch ist es ihre Expertise als Pilotin, die den drei am Ende das Entkommen sichert.

Doch am wichtigsten für die Zukunft der Serie ist ganz ohne Frage die Einführung von Avon. Schon bei seinem ersten Auftritt beglückt uns das arrogante Computergenie mit den schneidend sarkastischen Bemerkungen, die in der Folge zu seinem Markenzeichen werden sollen. Schlau und extrem kompetent, doch zugleich zynisch, kaltblütig, eingebildet und egoistisch stellt er augenblicklich den Gegenpol zu Blake mit seinem leidenschaftlichen Idealismus dar. Und es kann kein Zweifel daran bestehen, dass er sich niemals ganz der Autorität des Freiheitskämpfers unterordnen wird. Wenn er ihm für den Moment folgt, so nur, weil dies seinen eigenen Interessen dient. . 

Das wär's für heute. Das nächste Mal werden wir in den Genuss von Brian Blessed in Hochform gelangen, und zugleich ein paar Worte über Alien 3 verlieren müssen.

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* Bereits im November 1977 hatte Star Wars Steven Spielbergs Jaws vom Thron gestoßen und war zum finanziell erfolgreichsten Film aller Zeiten avanciert.