Seiten

Sonntag, 5. August 2012

Noch mehr Jackson, noch weniger Tolkien – Brauchen wir das?

Jetzt ist es also raus. Peter Jackson wird sich nicht mit zwei Hobbit-Filmen zufrieden geben, sondern noch einen dritten dranhängen. Als Erklärung dafür hat der Regisseur auf Facebook angegeben: "We know how much of the story of Bilbo Baggins, the Wizard Gandalf, the Dwarves of Erebor, the rise of the Necromancer, and the Battle of Dol Guldur will remain untold if we do not take this chance.  The richness of the story of The Hobbit, as well as some of the related material in the appendices of The Lord of the Rings, allows us to tell the full story of the adventures of Bilbo Baggins and the part he played in the sometimes dangerous, but at all times exciting, history of Middle-earth."

Nun war ja schon seit langem klar, dass dieser Hobbit weniger eine Verfilmung von Tolkiens Buch als vielmehr ein Prequel zu Jacksons eigenem Lord of the Rings werden und zusätzlich zu Bilbos abenteuerlicher Reise die Geschichte vom Kampf zwischen dem Weißen Rat und dem Nekromanten von Dol Guldur behandeln würde. So gesehen ist die Entscheidung, noch einen dritten Teil zu drehen, vielleicht nicht ganz unverständlich, auch unabhängig von zweifellos vorhandenen monetären Interessen.* Doch muss man sich deshalb darüber freuen? Die Meinungen sind auch in der Netzgemeinde geteilt. Während z.B. Kelsey Ann Barrett bei Tor voller Vorfreude zu spekulieren beginnt, was wohl jetzt noch alles in den Hobbit-Dreiteiler reingepackt werden wird, gibt sich Brian Murphy von Black Gate sehr viel weniger begeistert und hält Jacksons Ankündigung für keine wirklich freudige Botschaft.
Ich stehe da eher auf Murphys Seite. Wie dieser erklärt, ist es Jackson aufgrund der Verträge mit dem Tolkien Estate unmöglich, Material aus dem Silmarillion, den Unfinished Tales (Nachrichten aus Mittelerde) oder der History of Middle-Earth zu verwenden. Als Vorlage stehen ihm nur der Lord of the Rings und seine Anhänge zur Verfügung. Schon allein deshalb wird der gestreckte Hobbit im Vergleich zu den LotR-Filmen sehr viel mehr enthalten, was den Köpfen von Jackson und Fran Walsh entsprungen ist, und nicht dem des 'Professors'. Und wie auch Murphy ganz richtig bemerkt, waren schon im Lord of the Rings all jene Szenen am schwächsten, in denen man am deutlichsten die Handschrift des Paares erkennen konnte.

Um meine ursprüngliche Einschätzung von Peter Jackson einer  erneuten Prüfung zu unterziehen und wenn nötig zu modifizieren, habe ich mir noch einmal Fellowship of the Ring angeschaut, den ich als den mit Abstand besten Teil in Erinnerung hatte. Mein Eindruck ist jedoch auch danach im Großen und Ganzen der gleiche geblieben.
Jacksons offensichtlichste Schwäche ist, dass  er keinerlei Gespür für die poetischen Qualitäten des tolkienschen Textes besitzt. Ihm fehlt der Sinn für das Magische, Geheimnisvolle, Märchenhafte. Seine grobschlächtige Herangehensweise an den Stoff lässt keinen Raum für irgendwelche Feinheiten oder Nuancen. Nichts darf nur angedeutet, alles muss auf die denkbar platteste Weise dargestellt werden. Dabei wäre Zurückhaltung eine der wichtigsten Eigenschaften für einen Regisseur, der Tolkien verfilmen will.
Man nehme z.B. folgende Szene: Bilbo hat sich soeben auf recht dramatische Weise von seinen Verwandten und Landsleuten verabschiedet und macht sich nun auf, Beutelsend für immer zu verlassen. Gandalf drängt ihn, den Ring für Frodo zurückzulassen. Doch plötzlich packt den alten Hobbit die Gier. Er glaubt, der Zauberer wolle ihm seinen ‘Schatz’ wegnehmen. Im Buch heißt es hier: "’Wenn du meinen Ring selbst haben willst, dann sage es doch!’ rief Bilbo. ‘Aber du bekommst ihn nicht. Ich will meinen Schatz nicht hergeben. Das sage ich dir.’ Seine Hand verirrte sich zum Heft seines kleinen Schwerts. Gandalfs Augen funkelten. ‘Jetzt bin bald ich an der Reihe, zornig zu werden’, sagte er. ‘Wenn du das noch einmal sagst, ist es soweit. Dann wirst du Gandalf den Grauen unverhüllt sehen.’ Er machte einen Schritt auf den Hobbit zu und schien groß und bedrohlich zu werden, sein Schatten erfüllte den kleinen Raum. Bilbo wich zurück und stellte sich mit dem Rücken an die Wand; er atmete schwer, und seine Hand umklammerte die Tasche. Sie standen sich eine Weile gegenüber, die Luft im Raum prickelte. Gandalf ließ den Hobbit nicht aus den Augen. Langsam entspannten sich Bilbos Hände, und er begann zu zittern." Für einen kurzen Moment wird hinter der Gestalt des netten, ein wenig onkelhaften Zauberers eine gewaltige Macht und Autorität spürbar, die Bilbo verwirrt und verängstigt. Ein Schauspieler vom Formate Ian McKellens hätte diese Verwandlung ohne Zweifel äußerst eindrucksvoll allein durch Sprache, Mimik und Körperhaltung zum Ausdruck bringen können. Doch für so etwas fehlt Peter Jackson ganz einfach das nötige Feingefühl. Also muss es bei Gandalfs Worten schlagartig dunkel im Raum werden, und die Stimme des Zauberers wird zusätzlich auch noch künstlich verzerrt.
Noch ein Beispiel: Wenn es bei Tolkien von den Elben, denen die Hobbits im nächtlichen Auenland begegnen, heisst: "Sie trugen kein Licht, und doch war es, während sie gingen, als ob ein Schimmer wie der Schein des Mondes, ehe er sich über den Kamm der Berge erhebt, auf ihre Füße fiele"**, so ist das ein poetisches Bild. Wenn bei Jackson Gestalten in langen fließenden Gewändern unter Sphärenmusik durch den Wald ziehen und dabei im Dunkeln tatsächlich leuchten, dann ist das einfach übler Fantasykitsch.
Und in diesem Stil sind alle drei Filme gehalten. Was mich in Bezug auf den Hobbit am meisten beunruhigt, ist jedoch die Darstellung Saurons.
Tolkien verzichtete im Lord of the Rings aus guten Gründen darauf, den Dunklen Herrscher körperlich auftreten zu lassen. Er ist eine mythische Gestalt, ein gefallener Engel. Ihn den Hobbits und ihren Freunden leibhaftig gegenüberzustellen, würde ihn eines Großteils seiner unheimlichen, übernatürlichen Aura berauben.
Doch für Jackson ist die Vorstellung, dass man im Film eine Person nicht unbedingt sehen muss und ihre unheilvolle Präsenz dennoch spüren kann, bloß absurd: "The Sauron of the books is sketchy at best, which makes it hard to turn him into a screen villain to carry three movies. Imagine not really seeing Darth Vader for all three Star Wars films. You just can’t do it." Wessen Idee von Kino offenbar nicht über George Lucas hinausreicht, der wird freilich zu solchen Schlussfolgerungen gelangen müssen. Und so macht er im Prolog von Fellowship aus dem Herrn von Mordor einen ordinären 08/15-Fantasybösewicht mit gehörnter Maske, der einen riesigen Streitkolben schwingend durch die Gegend marschiert.

In den Hobbit-Filmen werden wir – so fürchte ich – von genau dieser Art Peinlichkeiten noch sehr viel mehr zu sehen bekommen. Tolkien hat meines Wissens nach nie beschrieben, wie wir uns den Angriff des Weißen Rates auf Dol Guldur und die Vertreibung des Nekromanten eigentlich genau vorstellen sollen. Als einen Feldzug, bei dem Saruman, Gandalf und Galadriel an der Spitze einer Elbenarmee den Anduin überschreiten, in den Düsterwald einmarschieren und Abertausende Orks abschlachten? Oder als ein Ringen der Geister, bei dem die Führer des Rates kraft ihrer Willensstärke den Dunklen Herrn zum Rückzug zwingen? Genau diese Ambiguität macht die Qualität von Tolkiens Erzählung aus. Sie verleiht ihr etwas mythisches und geheimnisvolles. Peter Jackson jedoch liebt computergenerierte Massenmetzeleien, und so dürfen wir wohl davon ausgehen, dass er uns neben einer vermutlich breit ausgewalzten Schlacht der Fünf Heere auch noch eine ebenso langwierige wie langweilige Schlacht um Dol Guldur präsentieren wird. Und an deren Höhepunkt werden wir uns dann auch noch einen Zweikampf zwischen Gandalf und dem Nekromanten anschauen müssen. Und wieder wird Sauron dabei wie eine Gestalt aus den Büchern von Terry Brooks oder Tracy Hickman einherkommen.
Es gibt allerdings Leute, die genau so etwas sehen wollen. So schreibt Kelsey Ann Barrett: "We’ve seen clips in the trailer of Gandalf wandering carefully through some creepy gray stone ruins, and one has to assume that there will be a big confrontation between him and the Necromancer. (Possibly in the tradition of that epic Gandalf v. Saruman smackdown in Fellowship? Or something even more terrifying?)" Die Szene, in der sich Gandalf und Saruman mithilfe ihrer magischen Kräfte gegenseitig durch das Turmzimmer des Orthanc schleudern, war in meinen Augen der vielleicht mieseste Teil von Fellowship. Sie wirkte wie ein Ausschnitt aus einem trashigen Superheldenflick oder einer Fantasyversion der StarWars - Prequels. Mächtige Personen in Tolkiens Kosmos – gleich ob gut oder böse – besitzen eine gewisse Würde. Man sollte sie nicht zu Comichelden machen.

Aber vielleicht bin ich ja auch bloß ein verstauber Kultursnob. Worauf ich mich beim Hobbit jedenfalls wirklich freue, ist es, noch einmal den wunderbaren Ian McKellen als Gandalf erleben zu dürfen. Mit seinem ebenso nuancierten wie humanen Spiel war er schon in Lord of the Rings der größte Lichtblick.


* 'Colophonius' hat dazu einen hübschen kleinen Cartoon bei Forumos gepostet.
** J.R.R. Tolkien: Der Herr der Ringe. Bd. I. S. 50f.; 106.

8 Kommentare:

  1. Das ist irgendwie interessant. Als jemand, der dem Tolkienschen Werk sehr reserviert gegenübersteht, stören mich all diese Dinge überhaupt nicht, weil ich an einer originalgetreuen Umsetzung des Stoffs wenig Interesse habe. Mir reicht es - wenn ich mir den Film mal an einem öden Nachmittag anschaue - ein paar gelungene Inszenierungen von Ian McKellen zu sehen und mich seicht unterhalten zu fühlen.

    Völlig Recht hast du aber natürlich dennoch mit dem was du sagst. Meisterwerke sind von Peter Jackson einfach nicht zu erwarten, denn seine monumentalen Fantasy-Blockbuster sind als cineastisches Massenspektakel konzipiert, das mit einer kruden Mischung aus albernem Kitsch, pompösem Action-Zirkus und einer leicht zu folgenden Storyline zum Kinobesuch verlocken soll. Die dieser Art des Films angemessene Rezeptionsweise sind leuchtende Augen, die sich mitreißen lassen und undistanziert in das Geschehen eintauchen wollen. Ambivalente Nuancen oder ein Sinn für das Feine und Poetische einer Erzählung können darin einfach keinen Platz haben. Leider spricht das weniger gegen Jackson als einzelnen Regisseur, sondern gegen die gegenwärtige Filmproduktion (und -rezeption) überhaupt.

    AntwortenLöschen
  2. Dass meine Beziehung zu Tolkien eine etwas andere ist, dürfte klar sein, lassen wir das also.
    Mir ist nicht ganz klar, worauf genau Du eigentlich hinaus willst. Bist Du der Meinung, ich sollte meine Erwartungen herunterschrauben, da heute ohnehin nur oberflächliche und auf Effekt ausgerichtete Filme gemacht würden? Wenn dies Deine Ansicht sein sollte, so kann ich sie nicht teilen. Zum einen sieht die aktuelle Kinolandschaft nicht GANZ so trostlos aus. Es werden nicht nur Blockbuster nach Schema F produziert. Und selbst wenn dies der Fall wäre, gäbe es keinen Grund, sich diesem Niveau anzupassen. Auch halte ich 'Lord of the Rings' selbst als reinen Unterhaltungsstreifen für wenig gelungen.
    Und warum sollte ich Jackson nicht für seinen Film verantwortlich machen? Was auch immer man gegen ihn vorbringen mag (und ich hätte da noch eine ganze Menge anderer Argumente), ich bezweifle nicht, dass sein 'Lord of the Rings' für ihn nicht bloß ein Geschäft, sondern tatsächlich eine Herzensangelegenheit war. Doch davon einmal abgesehen, sind Filme in meinen Augen immer noch die Produkte individueller Menschen und nicht eines anonymen Systems.

    AntwortenLöschen
  3. Ich glaube, du hast meinen kleinen Kommentar gerade in einer offensiven oder konfrontativen Weise aufgefasst, in welcher er aber gar nicht gedacht war. Mein erster kleiner Einwurf sollte gar keine Provokation oder ähnliches sein, sondern nur sagen, dass obwohl du völlig recht hast(!), mein persönliches Rezeptionserlebnis von der Stiefmütterlichkeit mit der Tolkiens "Vorlage" von Jackson behandelt wird, gar nicht weiter beeinträchtigt ist, da mein Bezug zu seinem Werk viel distanzierter ist als deiner. Als die Offerte zu dem traditionellen Pro-Anti-Tolkien-Grabenkampf, bei dem die einen am Ende als Protofaschisten und die andere bornierte Kultursnobs dastehen, als die er dir womöglich erschienen ist, war er ganz sicher nicht gemeint. Als Seitenhieb gegen Tolkien übrigens auch nicht.

    Ich wollte danach eigentlich nur positiv an dein Gesagtes anknüpfen und kurz anreißen, wo ich das von dir geschilderte Problem verorten würde. Die "Belehrung" über zu hohe Erwartungen oder dergleichen, die du dabei herausgelesen hast, war weder intendiert noch implizit mitgedacht. Soweit zur Vorrede... ;)

    Worin ich aber tatsächlich mit dir nicht ganz übereinstimme, und darauf bezieht sich auch der letzte Satz meines Kommentars, ist die Stoßrichtung deiner Kritik. Nur um es vorwegzunehmen, selbstverständlich hänge ich NICHT(!) der äußerst unsinnigen Vorstellung an, alles was heute noch produziert würde, wäre unsinniger "Hollywood-Schund" (um eine Stammtisch-Floskel aufzugreifen) und man solle sich am besten einfach damit abfinden.

    Allerdings finde ich es problematisch, dass du versuchst einen Film stets lediglich als individuelles Kunstwerk einer individuellen Künstler_in zu fassen um im selben Zuge das von dir am Film völlig zu Recht kritisierte, einfach als künstlerisches Unvermögen Jacksons zu erklären. (Ihm fehle eben einfach der Sinn für das Feine und Poetische) Diese Auffassung ist der postfordistischen Kulturproduktion für meine Begriffe unangemessen und zwar aus mehreren Gründen. Der offensichtlichste davon ist schlicht und ergreifend, dass ein großer Kinofilm eben nicht einfach das individuelle Machwerk eines einzelnen Regisseurs ist, sondern nur industriell produziert werden kann. Mal ganz von der ungeheuren Masse an einzelnen Beteiligten abgesehen, ist jeder Kinofilm auch als eine ungeheure Investition von Kapital zu verstehen, das industriell aufgebracht werden und somit auch von ihm wieder eingespielt werden muss. Es ist schwer sich ein Kulturerzeugnis vorzustellen, für dessen Herstellung Kapitalinteressen oder das generelle Markttreiben weniger entscheidend wären (auch wenn die Warenform für alle Kunst und Kultur in der gegenwärtigen Gesellschaft konstitutiv ist). Mit dieser Feststellung ist selbstverständlich NICHT (und dieses Wort möchte ich mit Nachdruck betonen) gesagt, es gäbe gar keine künstlerischen Entfaltungsmöglichkeiten in diesem Medium oder Kulturzweig mehr oder die Verwertungsdynamik würde das Kino bis in das letzte Detail determinieren. Das wäre selbstverständlich Unsinn. Den konstitutiven Charakter dieser Dinge für die Kulturproduktion unserer Epoche aus dem Blick zu verlieren, scheint mir aber sehr problematisch zu sein.

    AntwortenLöschen
  4. Die Unterwerfung der Kunst und Kultur unter die Verwertungslogik des Marktes, die Peter Bürger einmal richtigerweise als reale, aber als falsche Aufhebung der Kunstautonomie bezeichnete (nämlich Aufhebung nicht im avantgardistischen Sinne als Befreiung, sondern als Unterwerfung) muss für meine Begriffe auch hier zentral mitgedacht werden. Dann wird nämlich auch deutlich, dass die Kulturproduktion durchaus nach ästhetischen Regeln und Prinzipien organisiert wird, die sich dem Zutun des einzelnen Künstlers (sei er Regisseur, Schauspieler oder Pop-Musiker) entziehen und auf den kalkulierbaren Absatz der entsprechenden Ware gerichtet sind. Genau dieser Prozess steht für die industrielle Normierung von Kunst und Kultur, der auch eine entsprechende Rezeptionsweise angeschlossen ist, auf die ich in meinem Eingangsbeitrag kurz zu sprechen kam. Und genau deshalb bin ich auch der Auffassung, dass die von die formulierte Kritik an den hier besprochenen Filmen nur als Kritik der Kulturindustrie, als Kritik der kulturellen Produktionslogik des Spätkapitalismus vorgebracht werden kann, wenn man sich nicht in einer idealistischen Ästhetik verlaufen will. Für einen kritischen Begriff von Kunstproduktion kann nicht das Genie des Künstlers die ausschlaggebende Kategorie sein, sondern die der gesellschaftlichen Arbeit.


    Um einen wichtigen Einwand gleich vorweg aufzugreifen. Die von mir hier getroffenen Feststellungen sind nur Ausgangspunkt, nicht etwa letztes Wort einer kritischen Kulturtheorie, der es gerade darum gehen muss die Widersprüche und die Risse im Putz der kapitalistischen Normalität aufzuzeigen und zu ergründen, wie emanzipatorisches Handeln ausgehend von Kunst und Kultur noch gedacht und praktiziert werden kann. Aber dieser Anspruch setzt erstmal eine materialistische Kritik der Verhältnisse voraus, unter denen Kunst und Kultur heute produziert und reproduziert werden.

    Ich kann aber zum Schluss nur nochmal deutlich betonen, dass ich in meinem Kommentar lediglich 1-2 Gedanken formulieren wollte, die mir beim Lesen deines Beitrages kamen, ich hatte nicht im Geringsten vor, einen Streit zu provozieren…

    AntwortenLöschen
  5. Hallo sad!

    Es tut mir leid, wenn meine Antwort etwas aggressiv rübergekommen ist. Auch mir ging es keinesfalls darum, einen Streit vom Zaun zu brechen. Auch stimme ich Dir zu, dass man Filme (insbesondere wenn sie in Hollywood oder ähnlichen Fabriken gemacht werden) nicht getrennt von den Mechanismen des Marktes etc. betrachten kann. Das war schon immer so und hat sich in den letzten Jahrzehnten noch ganz ordentlich verschärft. Dennoch ist mir nicht ganz klar, was genau Du meinst, wenn Du schreibst, "dass die von dir formulierte Kritik an den hier besprochenen Filmen nur als Kritik der Kulturindustrie, als Kritik der kulturellen Produktionslogik des Spätkapitalismus vorgebracht werden kann, wenn man sich nicht in einer idealistischen Ästhetik verlaufen will." Wie würde eine solche, in Deinen Augen korrekte & materialistische Kritik denn de facto aussehen? Wo würde sie ästhetisch ansetzen? Wo genau spiegelt sich im konkreten Beispiel LotR die "kulturelle Produktionslogik des Spätkapitalismus" wider?

    Es ist spät, der Rest muss bis morgen warten ...

    Liebe Grüße! :)

    AntwortenLöschen
  6. Was die Rolle des Künstlers bzw. der Künstlerin betrifft, so stehen wir, wie es aussieht, tatsächlich auf sehr unterschiedlichen Standpunkten. Ich halte sie nach wie vor für zentral und bin nicht der Ansicht, dass dies zu einer idealistischen Ästhetik führen muss. Das wäre mMn nur der Fall, wenn ich in dieser Persönlichkeit ein völlig autonomes Etwas sehen würde, das vom Finger Gottes oder einem eingeborenen Genie berührt ihre Werke erschafft. Doch wie jeder andere Mensch ist natürlich auch der Künstler ein Produkt der gesellschaftlichen Umwelt und kann abgelöst von ihr nicht richtig verstanden werden. Das aber bedeutet nicht, dass er eine simple Marionette gesellschaftlicher Kräfte wäre. Er besitzt seine individuellen Talente und seine individuelle Art, mit der Wirklichkeit umzugehen. Wäre dies nicht der Fall, dann gäbe es keine Kunst.

    Du verweist auf den kollektiven Charakter der Filmproduktion und sagst, sie sei eine Industrie, die wie jedes kapitalistische Unternehmen dem Profitprinzip untergeordnet ist. Beides völlig richtig! Aber das war schon immer so. Es zur Erklärung des aktuellen Zustands der Filmkunst heranzuziehen, erscheint mir deshalb wenig hilfreich zu sein. Erst recht kann es kein Argument gegen die Bedeutung der künstlerischen Persönlichkeit sein. Beschränken wir uns auf Hollywood, so lässt sich doch wohl kaum leugnen, dass dort so markante Künstlerpersönlichkeiten wie Chaplin, John Ford, Howard Hawks, Hichtcock, Fritz Lang, Orson Welles, George Cukor, Josef v. Sternberg, Anthony Mann, Vincente Minnelli, Douglas Sirk, John Huston usw. usf. gewirkt haben, deren Filme einen deutlichen persönlichen Stil aufweisen.

    Die objektiven Rahmenbedingungen, unter denen Künstler und Künstlerinnen im Kapitalismus zu arbeiten gezwungen sind, üben zweifellos einen beengenden, wenn nicht erstickenden Einfluss auf ihre schöpferischen Fähigkeiten aus. Doch auf der anderen Seite ist der Kapitalismus gezwungen, seinen Kunstproduzenten einen gewissen Entfaltungsspielraum zu belassen, wenn er will, dass diese ‘Waren’ produzieren, die ansprechend genug sind, um Massenabsatz zu finden. Es sei denn, man geht davon aus, die Konsumenten seien so perfekt konditioniert worden, dass sie wirklich jeden Scheissdreck kaufen. Manchmal könnte man das angesichts des Blockbusterkinos vielleicht glauben, doch halte ich eine solche Sicht letztenendes für fürchterlich demoralisiert und extrem elitär. Zumal es ja auch unter den Blockbustern gewaltige Qualitätsunterschiede gibt.

    Später mehr ...

    AntwortenLöschen
  7. Ich habe nach langem Hin und Her beschlossen, hier nicht mehr weiterzuschreiben, denn mir ist klargeworden, dass eine eingehendere Auseinandersetzung mit den von Dir aufgeworfenen Fragen automatisch zu einer Diskussion führen würde, die eine Reihe von Punkten ansprechen müsste, die mit dem unmittelbaren Thema gar nichts mehr zu tun hätten. Ich wäre zu einer solchen Debatte gerne bereit (soweit Zeit & Kraft das erlauben), nur ist hier vielleicht nicht ganz der richtige Ort dafür.
    Nicht übelnehmen!

    AntwortenLöschen
  8. Ja, das ist vernünftig, vor allem weil es wirklich eine Grundsatzdebatte ist. Ich hatte auch schon zu einem längeren Post angesetzt, zumindest um noch einige Missverständnisse auszuräumen, ihn dann aber fallen lassen, weil ich zu faul war, ihn zu Ende zu schreiben. :D
    lg, sad

    AntwortenLöschen