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Samstag, 10. März 2012

Muss ich’s jetzt mit der Angst zu tun bekommen?

Unter ‘Military Fantasy’ hatte ich mir bisher immer so etwas wie Glen Cooks Black Company vorgestellt. Aber seit einiger Zeit geistert der Name Myke Cole durch die US-amerikanischen Regionen des phantastischen Netzes, und dessen gerade erschienener Debütroman Shadow Ops: Control Point gibt dem in Anlehnung an das Subgenre der Military SF geprägten Begriff offenbar eine ganz neue Bedeutung. Und je mehr ich darüber lese, desto unheimlicher wird mir zumute.

Cole war auf drei Einsätzen im Irakkrieg, erst als Söldner, später als Offizier der US-Armee. Nach eigenen Aussagen fiel seine Entscheidung, es als professioneller Schriftsteller zu versuchen, eben dort: "[T]he truth is that something clicked in the winter of 2008. I sat in Camp Liberty, Baghdad, watching my beloved Coast Guards march past Obama’s inaugural podium on the big screen, and felt it click." Aktuell dient er in der Küstenwache der Vereinigten Staaten. Das disqualifiziert ihn natürlich nicht als Schriftsteller, aber da sein Roman von einigen Rezensenten als die lang ersehnte Antwort der phantastischen Literatur auf den ‘Krieg gegen den Terror’ gepriesen wird, verdient die enge Beziehung des Autors zum Militär sehr wohl besondere Beachtung. Zumal Cole diesen Aspekt selbst immer wieder betont.

Manchmal könnte man beinahe den Eindruck bekommen, er stehe den neokolonialen Abenteuern, an denen er teilgenommen hat, kritisch gegenüber. So schreibt er über seine Erlebnisse im Irak: "That conflict ate me alive [...] I wanted to know the Iraqis, I wanted them to understand that I agreed with them, that I knew we shouldn’t be there, that I was sorry for all we had done". Doch darf man sich von solchen Aussagen nicht in die Irre führen lassen. Cole gehört keineswegs zu jenen Veteranen, denen ihre Erfahrungen im Irak oder Afghanistan die Augen geöffnet haben für den verbrecherischen Charakter der Kriege, in die sie geschickt wurden. Die US-Armee ist für ihn nach wie vor die ruhmreiche 'Verteidigerin der Freiheit', der er sich mit Herz und Seele verschrieben hat: "I absolutely love the military." Offiziell mag er nicht für die PR-Abteilung des Pentagon arbeiten, doch verhält er sich wie ein unbezahlter Werbeoffizier. Ein kürzlich veröffentlichtes Interview, das Cat Rambo für die Science Fiction & Fantasy Writers of America mit ihm geführt hat, endet so: "[C.R.]: What question should I have asked you that I didn't? [M.C.]: You should have asked me what folks can do who want to join the military but don't want to give up their full time jobs. What about folks who want to serve their country, but not in a service that is dedicated exclusively to warfighting?" Es folgen entsprechende Webadressen.

Was mich wirklich erscheckt hat, ist jedoch nicht Coles patriotischer Eifer, sondern seine ungebremste Begeisterung für das Ideal des ‘Kriegers’, das den Rekruten in der US-Armee eingebläut wird. Besonders deutlich wird dies, wenn man seinem im Januar auf dem Tor-Blog erschienenen zweiteiligen Artikel Why Every Writer Should Join the US Military liest. Die Gesellschaft ist für Cole ein Schlachtfeld, und nur der hat Aussicht auf Erfolg, der hart ist und zu kämpfen versteht. Nietzsches Aphorismus 'Was mich nicht umbringt, macht mich stärker' paraphrasierend, sieht er in Militär und Krieg die beste Schule fürs Leben: "The fire that’s burning you is the crucible where the iron is forged." Der Artikel besteht hauptsächlich aus liebevollen Schilderungen der Torturen, mit deren Hilfe das Militär aus Männern und Frauen ‘Kämpfer’ macht:
There are dazzling moments, to be sure, as clear and glorious as when the battalion CO pins the commendation on your chest in front of your whole family. But it’s as brief and fleeting as that, and before you know it, it’s back to the mud and the screaming and the hard calls with no time to think it through. You have to love that mud. It has to define you. You have to be proud to be covered in it. You have to want it bad enough that you can override your desire to seek comfort. [...] Because if it ain’t rainin’, you ain’t trainin’, and you love that mud. Because you’re a damned marine. [...] [L]ittle cold rage goes a long way. It’s adolescent, sure, but with the misery seeking goes the pride of being the nastiest, toughest, hard as nails bastard in the whole company. Your shipmate does 50 pushups? You do 55. She pulls an 18 hour watch? You do 24. Why? Because. Screw you. You can’t stop me. No matter what you, oh cruel and unfeeling universe throw at me, I will knock it out of the park. I am a member of the United States military. I have slogged through the worst humanity has to offer and emerged tempered by the experience. Is that all you’ve got? You’ve got to be kidding me. It’s the Kobayashi Maru. It’s Ender’s final test against the Buggers. It’s the thrill of facing and beating impossible odds. Even more, it’s the rush and adrenaline addiction that makes you seek such impossible challenges."
Bin ich der einzige, dem bei der Lektüre dieser 'Lebenshilfe' etwas mulmig wird? Ist der testosteronbefeuerte Kampfgeist eines US-Marines ein wirklich so nachahmenswertes Vorbild? Auch verwundern mich die SF-Beispiele ein bisschen. Im Kobayashi Maru - Test aus Star Trek II – The Wrath of Khan geht es keineswegs um die Bewältigung unüberwindlich erscheinender Hindernisse, sondern um den Umgang mit einer wirklich aussichtslosen Situation, um die Konfrontation mit Niederlage und Tod. Und die ‘Lösung’ von Enders ‘letztem Test’ (in Orson Scott Cards Ender’s Game) besteht immerhin in Völkermord!
Eins sollte jedenfalls klar sein: Ein Mann mit Coles Liebesbeziehung zum Militär kann unmöglich einen Roman schreiben, der sich auf angemessene Weise mit den Kriegen der letzten Jahre auseinandersetzt – auch nicht im Gewand der Phantastik.

Oscar, der Held von Shadow Ops: Control Point, ist (wie nicht anders zu erwarten) ein Soldat der US-Armee. Ein Soldat allerdings, der aufgrund seiner magischen Fähigkeiten zuerst von der eigenen Regierung gejagt und dann in eine Spezialeinheit von ähnlich Talentierten gesteckt wird. Der Trupp wird in eine magische Parallelwelt geschickt, deren Bewohner den Neuankömmlingen, die sich dort offenbar als Besatzer aufspielen, nicht unbedingt freundlich gesonnen sind. Der Roman ist – nach allem, was man so hört – keine kritiklose Verherrlichung des US-Militärs. Um ehrlich zu sein, hätte mich das auch sehr gewundert. Immerhin leben wir in der Ära des grim & gritty, und Cole zählt Joe Abercrombie zu seinen Vorbildern. Auch ist platte Kriegspropaganda nach dem Motto ‘dulce et decorum est pro patria mori’ (‘Süß und ehrenvoll ist es, für’s Vaterland zu sterben’) einfach nicht mehr zeitgemäß. Längst gibt es da sehr viel diffizilere Methoden. Man denke z.B. an Filme wie Black Hawk Down oder We Were Soldiers (aber auch The Hurt Locker), die keineswegs ein keimfreies Bild des Krieges zeichnen (und darum von manchen sogar als Antikriegsfilme eingestuft werden), letztenendes aber dennoch der Verherrlichung des US-Militarismus dienen. Und wie wird uns Shadow Ops doch gleich auf dem Cover angepriesen? Richtig: "Black Hawk Down Meets the X-Men"! Und wer preist da? Coles alter Kumpel und Mentor Peter V. Brett! Ja, der Brett, seines Zeichens Autor von The Painted Man & The Desert Spear. Es wird immer gruseliger ...

Droht Myke Cole gar eine Art Trendsetter zu werden? Werden wir in Zukunft häufiger Fantasyromane zu sehen bekommen, in denen US-Marines die Hauptrolle spielen? Ich weiß nicht, würde jedoch eher auf ‘nein’ tippen. Etwas beunruhigend finde ich allerdings, dass Shadow Ops eine weitgehend positive Aufnahme in der amerikanischen Fantasygemeinde gefunden zu haben scheint. Dabei gibt man sich mehrheitlich dort inzwischen recht gerne als progressiv. Die entsprechenden Rezensionen entlarven so bloß einmal mehr, dass sich die fälschlicherweise als ‘links’ oder ‘radikal’ bezeichnete ‘Identitätspolitik’ problemlos mit den denkbar reaktionärsten politischen Positionen verträgt. In einem Interview mit SFSignal wird Cole z.B. dafür gelobt, dass sein Protagonist ein Afroamerikaner ist, und Carrie Cuinn von Functional Nerds hat in ihrer weitgehend positiven Besprechung des Buches lediglich auszusetzen, "that each and every woman in it is a flat stereotype". Nirgends hingegen findet sich ein kritisches Wort über das US-Militär als Institution, was bei einem solchen Buch doch wohl angebracht gewesen wäre. Militarismus ist in Ordnung, solange bloß Schwarze und Frauen dabei die gleichen Chancen erhalten ...

2 Kommentare:

  1. Nach dem Motto »Marines mit Schwertern« funktionierte bereits Steven Pressfields 1998er Roman Gates of Fire. Darin findet man auch diese detaillierten Demütigungs- und Zurichtungsszenen, ein besonders unappetitliches Beispiel präsentiert Pressfield als Leseprobe auf seiner Website. Das Buch steht auf einer Liste mit Lektüreempfehlungen des USMC und ist angeblich sogar Unterrichtsmaterial an Militärakademien. Solche Beispiele zeigen m.E., dass Military SFF oft schwer bis gar nicht von militaristischer Propaganda zu unterscheiden ist und das eine jedenfalls im Zusammenhang mit dem anderen gesehen werden muss.

    Dass in diesem Subgenre Militarismus mit Chancengerechtigkeit für Frauen und Minderheiten verbunden und als progressiv verkauft wird, ist übrigens nicht ungewöhnlich: Elizabeth Moon z.B. gilt wegen ihrer GI-Jane-im-Weltraum-Geschichten bei einigen Leuten immer noch als feministische Autorin.

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    1. Hi, Anubis!

      Schön, einen Kommentar von Dir hier zu finden. Von Pressfields Machwerk hatte ich bisher noch nichts gehört, aber ich bin im Genre auch nicht wirklich bewandert. Eklig, eklig ... Und schon wieder die Thermopylen, als hätte "300" noch nicht gereicht ... Über Elizabeth Moon und ihre islamophoben Ergüsse brauchen wir gar nicht erst zu reden. Und dass ein Gutteil der Military SFF schon immer Hand in Hand mit militaristischer Propaganda ging, ist auch klar.
      Was mich an dem (kleinen) Wirbel um Cole halt besonders erschreckt hat, war, dass sein Buch von einigen als ein ernstzunehmender Kommentar zum sog. 'Krieg gegen den Terror' verkauft wird.

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