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Mittwoch, 7. März 2012

Der Kindergarten der Diktatoren (II)

Palpatines wirrer Weg zur Macht
 

Bevor wir uns dem finalen Desaster zuwenden, eine kurze Randbemerkung: Gehe ich recht in der Annahme, dass George Lucas den Prequel-Filmen ganz bewusst eine ironische Note verleihen wollte, indem er seine Helden diesmal auf Seiten des Staates gegen eine Rebellenbewegung kämpfen lässt? Man denke etwa an die Szene, in der Yoda mit den Klonsoldaten, die ja wie frühe Stormtroopers aussehen, auf Geonosis landet. Und in Revenge of the Sith fragt Padmé Annakin sogar ganz direkt: „Have you ever considered that we’re maybe on the wrong side?" An sich keine schlechte Idee. Wir könnten uns dann z.B. fragen, ob die Jedi den Untergang der Demokratie nicht mitverschuldet haben, weil sie zu rasch bereit sind, eine Opposition mit Waffengewalt niederzuschlagen. Doch diese Ironie hätte nur dann funktionieren können, wenn es auf Seiten der Seperatisten wenigstens eine Figur geben würde, die uns zwar nicht unbedingt sympathisch sein müsste, doch mit der wir mitfühlen könnten. Eine solche Identifikationsfigur würde uns spüren lassen, dass die Bewegung vielleicht einige berechtigte Anliegen vertritt. Dazu müssten wir gar nichts konkreteres über ihr politisches Programm erfahren (auch wenn das natürlich hilfreich wäre), schließlich wird uns auch in der alten Trilogie nie wirklich gesagt, welche Ziele die Rebellen eigentlich verfolgen (von dem Schlagwort ‘Freiheit’ einmal abgesehen). Doch stattdessen präsentiert uns Lucas alle Seperatisten als feige, machtgierige Fieslinge.
Freilich gelingt es ihm nicht einmal auf Seiten der Helden eine Figur zu schaffen, zu der wir eine emotionale Beziehung aufbauen könnten. Insofern sind solche Überlegungen ohnehin überflüssig. Es ist in der Tat erstaunlich, wie ein Regisseur das Talent von Schauspielern wie Ewan McGregor, Christopher Lee, Natalie Portman, Hayden Christensen und Samuel L. Jackson so gänzlich zu verschwenden vermochte.

Episode 3: The Revenge of the Sith


Die meisten Kritiker halten die dritte Episode für den gelungensten der Prequel-Filme. Mich hat er noch ärgerlicher zurückgelassen als seine Vorläufer, und dass nicht nur wegen der berüchtigten Nooo!-Szene, mit der Lucas in 30 Sekunden die ikonische Figur Darth Vader demontiert.


Der Mann wollte eine Tragödie drehen, und herausgekommen ist eine Farce! Ich kann diese Szene nie sehen, ohne dabei nicht wenigstens kichern zu müssen.
Was mich jedoch wirklich geärgert hat ist, dass in diesem wirren Etwas von Film die rudimenären Bestandteile einer Geschichte begraben liegen, die man auf interessante Weise hätte erzählen können, während der ‘Plot’ der ersten beiden Filme so abstrus und substanzlos ist, dass jeder Rettungsversuch vergeblich gewesen wäre. Hayden Christensen ist von Kritikern wie Fans oft recht ungnädig behandelt worden, aber er trägt keine Schuld an dem Sith-Fiasko. Vielmehr kann man sehen, dass er sich redlich bemüht hat, das Beste aus dem Material zu machen, mit dem er zu arbeiten gezwungen war. Wenn es einige wenige Szenen gibt, in denen zumindest ein klitzekleiner Hauch echter menschlicher Tragik zu verspüren ist, dann ist das in erster Linie sein Verdienst. Er kann wirklich nichts dafür, dass George Lucas ein so miserabler Drehbuchschreiber und Regisseur ist.

Aber kehren wir zu unserem eigentlichen Thema zurück. Zu Beginn des Filmes wüten die Klonkriege bereits seit drei Jahren und ein Ende ist nicht abzusehen. Was mich sofort zu der Frage führt, warum Palpatine das Schlachten derart in die Länge gezogen hat. Schließlich hätte er seinen Staatsstreich jederzeit starten können. Hat er auf diese Weise seine Stellung als Kanzler mit diktatorischen Vollmachten weiter festigen oder die Position seiner Gegner schwächen können? Nichts spricht dafür. Auch wenn uns das gesagt wird, vermittelt der Film nicht den Eindruck, als sei der Kanzler inzwischen bereits ein halber Autokrat. Was wir zu sehen bekommen, spricht eher dafür, dass die Jedi ihre Macht durch den Krieg ganz immens ausgebaut haben. Auf ihren Ratssitzungen werden Fragen der Strategie diskutiert, sie entscheiden an welcher Front welche Streitkräfte eingesetzt werden (ohne Rücksprache mit dem Kanzler oder dem Senat zu halten!) und sämtliche Generäle der Republikanischen Armee scheinen Mitglieder ihres Ordens zu sein. Die angeblich so friedliche Mönchsgemeinschaft hat sich in eine Oberste Heeresleitung verwandelt! Als Palpatine Anakin zu seinem Vertreter im Rat erklärt, empfinden die Meister dies als einen unzumutbaren Übergriff. Und diese Leute, die niemand gewählt hat, die jede Art von 'Kontrolle' durch das demokratisch legitimierte Staatsoberhaupt ablehnen und dennoch Entscheidungen fällen, die das Wohl und Wehe ganzer Planetenbevölkerungen betreffen, sollen wir als die Verteidiger der Demokratie betrachten?! Hier wird besonders deutlich, dass sich Lucas’ hierarchisches und elitäres Ideal der Jedi-Ritter nicht mit der oberflächlich demokratischen Botschaft der Prequels verträgt. Unverständlich bleibt jedenfalls, warum Palpatine nicht schon viel früher ‘Order 66’ erteilt und mit den Kriegermönchen aufgeräumt hat. Der Krieg bedeutet doch nur eine ungeheure Verschwendung von Ressourcen, die er zur Absicherung seines künftigen Imperiums benötigen wird.

Aber das ist nichts im Vergleich zu der Verwirrung, die die Entführung Palpatines, mit der der Film beginnt, im Zuschauer auslösen muss. Weiß Grievous, dass der Kanzler und Lord Sidious ein und dieselbe Person sind, und ist das Ganze demnach bloß vorgetäuscht? Dafür würde sprechen, dass der General die Befreiung Palpatines in seiner späteren Unterhaltung mit dem Kapuzen-männchen nicht erwähnt. Hat Sidious ihm demnach befohlen, ihn zum Schein zu entführen? Wenn ja, welche Begründung hat er ihm für diese Aktion gegeben? Immerhin hat sich Grievous' Flottenverband dafür bis nach Coruscant durchschlagen müssen – ein gefährliches Unternehmen, sollte man meinen. Wie konnte Sidious dem General glaubhaft machen, dass dies den Zielen der Seperatisten dienen würde?

Doch wenn man versuchen wollte, eine Antwort auf diese Frage zu finden, müsste man zuerst einmal wissen, was Palpatine mit der ganzen Farce eigentlich bezweckt. Der Film liefert dafür keine Erklärung, jedenfalls keine direkte und keine befriedigende.
Lucas wollte an dieser Stelle offenbar eine Parallele zum Finale von Return of the Jedi konstruieren. Der Raum, in dem Obiwan und Anakin den Kanzler finden, ist als eine deutliche Reminiszenz an den Thronsaal des Imperators gedacht.(Warum man einen Gefangenen auf einem Thron festbinden sollte, statt ihn in eine Zelle zu stecken, wollen wir uns lieber gar nicht erst fragen):



Der Plan des Imperators in Jedi ist es, Luke zu einem Kampf gegen Darth Vader zu provozieren. Würde er seinen Vater töten, wäre damit seine Bekehrung zur Dunklen Seite vollzogen und er würde zum neuen Schüler des Dark Lords. Mit diesem Vorwissen ausgestattet sollen wir die Szene in Sith vermutlich so interpretieren, dass Palpatine einen Kampf Anakins gegen Dooku wünscht, bei dem Skywalker siegen und den Count töten soll – ganz so, wie es sich dann ja auch abspielt.
Künstlerisch würde eine solche Parallele eigentlich nur am Wendepunkt der Geschichte, wenn Anakin tatsächlich zur Dunklen Seite übertritt, Sinn machen. Aber allem Anschein nach haben wir die Szene dennoch so zu verstehen. Demnach hätte Palpatine seine Entführung also vorgetäuscht, um eine Konfrontation zwischen Anakin und Dooku herbeizuführen. Wie absurd ist das denn?! Man denke nur einmal an die unzähligen Eventualitäten, von denen das Gelingen dieses Planes abhängig wäre. Wie kann sich Palpatine sicher sein, dass ausgerechnet Obiwan und Anakin ihn ‘befreien’ würden? Was würde er machen, wenn niemand ihn ‘befreit’? Wie kann er sicherstellen, dass Obiwan im entscheidenden Moment außer Gefecht gesetzt ist und Anakin nicht davon abhalten kann, den Count zu töten? Welche Geschichte hat er Dooku erzählt, um seine Scheinentführung zu erklären? Weiß Dooku, dass Sidious in Skywalker einen potentiellen Schüler sieht? Wenn ja, dann muss er auch wissen, dass der Dark Lord seinen Tod eingeplant hat, denn es kann immer nur zwei Sith geben. Warum spielt er dann mit? Hätte er nicht zumindest in dem Augenblick, als Palpatine befiehlt, ihn zu töten, laut losbrüllen müssen: ‘Der Kanzler ist Darth Sidious!’? Zeit genug wäre ihm geblieben, denn Anakin zögert ja. Was hätte Palpatine getan, wenn Anakin ihm nicht gehorcht hätte? Warum drängt er Anakin auf so verdächtige Weise, den nur leicht verletzten Obiwan zurückzulassen? Und immer noch ist das Problem Grievous nicht gelöst. An der Rekrutierung neuer Sith kann der General nicht interessiert sein, warum also hat er in die ganze Entführungsfarce eingewilligt? Weiß er am Ende doch nicht, dass der Kanzler Sidious ist? Das würde erklären, warum er die Flucht der drei zu verhindern versucht, was er andernfalls doch kaum getan hätte, und wir in den ‘Genuss’ der extrem bizarren Konfrontation zwischen dem General und den Jedi auf der Brücke kommen. Doch wenn dem so ist, warum betrachtet er die Flucht Palpatines dann nicht als eine Niederlage und beklagt sich in seinem Gespräch mit Sidious lediglich über den Verlust von Count Dooku?

Jede Hoffnung, mit Revenge of the Sith vielleicht doch noch einen etwas erträglicheren Prequel-Film geboten zu bekommen, zerschlägt sich sehr schnell. Um noch einmal Stoklasa zu zitieren: "In the first five minutes we’ve already gotten into territory, where every single line and action makes no sense again".* Die ‘Plinkett-Reviews’ demonstrieren sehr schön, dass die Eröffnungssequenz aus jeder nur erdenklichen Perspektive ein filmisches Fiasko darstellt.

Und es wird nicht besser. Auf die ganze Padmé-Geschichte, Anakins unglaubwürdige Verwandlung in einen eiskalten Killer und die ebenso öde wie belanglose Jagd auf General Grievous möchte ich gar nicht erst eingehen. Aber was ist mit Palpatines Coup d’État, auf den wir die ganze Zeit gewartet haben? Bisher war die Geschichte so angelegt gewesen, dass wir denken mussten, der Kanzler benutze den Krieg als Vorwand, um immer mehr Macht in seinen Händen zu konzentrieren. Doch mit einem Mal ändert sich seine Strategie offenbar von Grund auf. Gleich mehrfach bekommen wir gesagt, dass der Tod von Grievous das Ende des Krieges bedeuten würde. Warum verrät Palpatine den Jedi dann den Aufenthaltsort des Generals? (Dumme Frage! Damit Lucas noch ein paar sinnlose Actionszenen in seinen Film stopfen kann!) Benötigt er die permanente Bedrohung durch die Seperatisten demnach nicht mehr als Begründung für seine Sondervollmachten? Es sieht ganz so aus, denn schon zuvor erfahren wir, dass der Krieg für die Republik positiv verlaufe und der Senat dem Kanzler dennoch neue außergewöhnliche Machtbefugnisse erteilen wolle. Die Jedi diskutieren ja sogar bereits die Notwendigkeit eines Putsches, um Palpatine nach dem Sieg über die Seperatisten abzusetzen, da der Senat auch dann nicht gewillt sein werde, seine Macht zu beschneiden.** Warum sind die Senatoren auf einmal so wild darauf, Palpatine zum Diktator zu machen? Weil er sie mit Hilfe seiner Sith-Kräfte kontrolliert? Wenn dem so ist, was sollen dann die ganzen politischen Intrigen und warum funktionieren diese Kräfte nicht bei Padmé und Senator Organa?

Man kann förmlich sehen, wie Lucas der Plot zwischen den Fingern zerfällt. Ihren bizarren Höhepunkt erreicht diese Schmierenkomödie mit der Senatssitzung, in der das Imperium ausgerufen wird. Vom Krieg ist nicht mehr die Rede. Stattdessen dreht sich alles um den angeblichen Putschversuch der Jedi, der für die Senatoren wie ein Blitz aus heiterem Himmel kommen muss. Nichts spricht dafür, dass sie dem Orden bereits zuvor Misstrauten entgegengebracht hätten, andernfalls hätten sie kaum zugelassen, dass dessen Mitglieder alle Kommandoränge der Armee besetzen und den Krieg nach ihrem Gutdünken führen. Aber kaum verkündet Palpatine, die Mönche hätten den Senat stürzen wollen, da bejubeln die Senatoren auch schon die Eleminierung sämtlicher Jedi-Ritter und erklären sich bereit, den Kanzler zum Imperator zu erklären. Wie glaubwürdig ist das denn? Und Padmés pathetischer Kommentar – "So this is how liberty dies – with thunderous applause" – legt nahe, dass Lucas diese groteske Szene als eine ernstzunehmende politische Botschaft verstanden wissen wollte.

Ich glaube, ich beende das jetzt lieber. Der Spaß ist mir vergangen, meine Kopfschmerzen werden immer stärker und es gibt so viel interessantere Themen als George Lucas’ Demontage seines eigenen Mythos.


* Teil I. Ab 26:00.
** Mace Windu: I sense a plot to destroy the Jedi. The dark side of the Force surrounds the chancellor. Ki-Adi-Mundi (alias Conehead): If he does not give up his emergency powers after the destruction of Grievous than he should be removed from office. Mace Windu: The Jedi Council would have to take control of the Senate in order to secure a peaceful transition.

Stellt sich Lucas so die Verteidigung der Demokratie vor? Eine von einer Gruppe aristokratischer ‘Ritter’ mit reinem Herzen durchgeführte Palastrevolution?!

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