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Sonntag, 2. Juli 2017

“Are you awake, Count Magnus? Are you asleep, Count Magnus?”

If any man desires to obtain a long life, 
if he would obtain a faithful messenger 
and see the blood of his enemies, 
it is necessary that he should first go 
into the city of Chorazin, and there 
salute the prince of the air.

Liber nigrae peregrinationis

Im Sommer 1901 unternahm Montague Rhodes James – zu dieser Zeit Dean von King's College, Cambridge – einen ausgedehnten Urlaub in Schweden. Es ist anzunehmen, dass das Erlebnis dieser Reise zu den Inspirationen für seine Kurzgeschichte Count Magnus gehörte, die er vermutlich wenige Monate später niederschrieb, auch wenn sie einer breiteren Öffentlichkeit erst 1904 im Rahmen von Ghost Stories of an Antiquary zugänglich gemacht wurde.

Count Magnus gehört ohne Frage zu den bekanntesten Spukgeschichten von M.R. James. In seinem berühmten Essay Supernatural Horror in Literature beschreibt H.P. Lovecraft sie als "a veritable Golconda of suspense and suggestion" und widmet ihr eine sehr viel ausführlichere Zusammenfassung als irgendeinem anderen Werk des alten Monty.

Zum meinen persönlichen absoluten Favoriten zählt die Geschichte zwar immer noch nicht, aber eine erneute Lektüre hat mich doch einige ihrer Nuancen besser zu schätzen gelehrt. 
Als Mr. Wraxall auf einer Reise durch Schweden, bei der er Material für eine Art gelehrten Reiseführer sammelt, den alten Herrensitz von Råbäck in Västergötland besucht, wird ihm seine "over-inquisitiveness" schließlich zum Verhängnis. Er entwickelt eine übergroße Faszination für die Gestalt des Herzogs Magnus de la Gardie, der das Anwesen im 17. Jahrhundert errichten ließ. Der einstige Feudalherr der Region steht in keinem sonderlich guten Ruf. Ein Tyrann von ungezügelter Brutalität war er u.a. an der Niederwerfung eines örtlichen Bauernaufstands beteiligt. Darüberhinaus heißt es, er sein ein Adept der Schwarzen Künste gewesen, der sich nicht nur mit Alchimie beschäftigte, sondern auch auf "die Schwarze Pilgerfahrt nach Chorazin" gegangen sei – "and [he] had brought something or someone back with him." Wraxall scheint diese Geschichten nicht sonderlich ernst zu nehmen, selbst als ihm sein Wirt von dem grausigen Schicksal erzählt, das zwei Wilderer viele Jahre nach dem Tod des Herzogs in dessen Waldungen ereilt haben soll. Zugleich jedoch scheint er auf eigenartige Weise wie besessen von dem Gedanken an Magnus. Mehrfach besucht er dessen Mausoleum – wobei ihn seine Schritte zweimal zu dessen Schwelle führen, ohne dass er sich dessen recht bewusst gewesen wäre.
Tonight, for the second time, I had entirely failed to notice where I was going (I had planned a private visit to the tomb-house to copy the epitaphs), when I suddenly, as it were, awoke to consciousness, and found myself (as before) turning in at the churchyard gate, and, I believe, singing or chanting some such words as, “Are you awake, Count Magnus? Are you asleep, Count Magnus?”
Am Sarkophag des Grafen stehend überkommt ihn das morbide Verlangen, diesen zu öffnen, doch ist er mit drei schweren Vorhängeschlössern gesichert. Aber nach jedem seiner Besuche ist ein weiteres dieser Schlösser aufgebrochen, und als Wraxall bei seiner Abschiedsvisite im Mausoleum vor sich hin murmelt: "You may have been a bit of a rascal in your time, Magnus, but for all that I should like to see you, or, rather ", fällt auch das letzte Schloss zu Boden. Während seiner Rückfahrt nach England fühlt sich Wraxall mehr und mehr verfolgt von zwei unheimlichen Gestalten "a man in a long black cloak and broad hat, and another a ‘short figure in dark cloak and hood’"

Wie Rosemary Pardoe und Jane Nicholls in einem Artikel für Ghosts & Scholars detailliert ausführen, scheint es unmöglich zu sein, eine historische Quelle für die "Schwarze Pilgerfahrt" auszumachen. Der Name der alten Stadt Chorazin in Palästina verknüpft sie auf jedenfall mit den Legenden um den Antichristen, der hier zur Welt kommen soll. Der Titel von Magnus' Manuskriptfragment Liber nigrae peregrinationis, das Wraxall in der Bibliothek von Råbäck findet, könnte wiederum durch John Dees Liber Peregrinationis Primae inspiriert worden sein. Einen mehr nordischen Zug erhält die Geschichte durch die Beschreibung eines der Ornamente auf dem Sarkophag:
In a third, among trees, was a man running at full speed, with flying hair and outstretched hands. After him followed a strange form; it would be hard to say whether the artist had intended it for a man, and was unable to give the requisite similitude, or whether it was intentionally made as monstrous as it looked. In view of the skill with which the rest of the drawing was done, Mr Wraxall felt inclined to adopt the latter idea. The figure was unduly short, and was for the most part muffled in a hooded garment which swept the ground. The only part of the form which projected from that shelter was not shaped like any hand or arm. Mr Wraxall compares it to the tentacle of a devil-fish, and continues: ‘On seeing this, I said to myself, “This, then, which is evidently an allegorical representation of some kind a fiend pursuing a hunted soul may be the origin of the story of Count Magnus and his mysterious companion. Let us see how the huntsman is pictured: doubtless it will be a demon blowing his horn.’” But, as it turned out, there was no such sensational figure, only the semblance of a cloaked man on a hillock, who stood leaning on a stick, and watching the hunt with an interest which the engraver had tried to express in his attitude.
Hier nimmt Magnus auf einmal die Gestalt des "Wilden Jägers" an. Bei diesem handelte es sich ursprünglich ja um Wotan oder Odin und tatsächlich erinnert der Herzog mit seinem breitkrempigen Hut und seinem Stab wohl nicht zufällig an Darstellungen des altgermanischen Gottes.
Die Gestalt seines dämonischen Dieners bringt Ron Weighell in einem gleichfalls in Ghosts & Scholars veröffentlichten Artikel mit den keltischen Genii Cucullati oder "Kapuzendämonen" in Verbindung. Seine tentakelartigen Gliedmaßen lassen freilich eher an lovecraftianische Monstrositäten denken.

Erstaunlicherweise hat es bis vor etwa einem Jahr keine filmische Adaption von Count Magnus gegeben. Doch dann machten sich die britischen Indie-Filmemacher Daniel und Richard Mansfield daran, der Geschichte von Mr. Wraxalls unglücklichem Besuch in Råbäck die Gestalt eines ihrer faszinierenden und atmosphärischen Scherenschnittfilme zu verleihen. Wie bei der Übertragung in ein visuelles Medium nicht anders zu erwarten, wirkt manches hier sehr viel expliziter als in Montys Text, dafür besitzt der Streifen seine ganz eigene, phantasmagorische Qualität.


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