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Freitag, 6. März 2015

Expeditionen ins Reich der Eighties-Barbaren (XIII): "Ironmaster"

In der Welt des italienischen Grindhouse - Kinos ist Regisseur und Drehbuchautor Umberto Lenzi eine feste Größe.

Obwohl seine Abschlussarbeit für das Centro sperimentale di cinematografia ein neorealistischer Kurzfilm mit dem Titel I ragazzi di Trastevere gewesen war, vollzog sich seine Karriere von Anfang an in den Gefilden des Genrefilms. Im populären Sandalen- und Abenteuerfilm der frühen 60er Jahre beginnend sattelte er Mitte des Jahrzehnts auf den Agentenfilm um, unternahm Abstecher in die Regionen des Spaghetti-Westerns und des Kriegsfilms, um schließlich mit Werken wie Orgasmo (1969), Paranoia (1970),  Sette orchidee macchiate di rosso / Seven Blood-Stained Orchids (1972)* und Spasmo (1974) neben Mario Bava, Dario Argento, Sergio Martino und Lucio Fulci zu einem der führenden Vertreter des Giallo zu werden. 1972 schuf er mit Il paese del sesso selvaggio / The Man From Deep River den ersten "offiziellen" Kannibalenfilm, auch wenn das Genre erst fünf Jahre später mit Ruggero Deodatos Ultimo mondo cannibale so richtig in die Gänge kommen sollte. In den 70er Jahren konzentrierte sich Lenzi hauptsächlich auf das Genre der Poliziotteschi (eine italienische Abart des "tough cop" - Films à la Dirty Harry, Serpico oder French Connection). Zu Beginn der 80er wandte er sich dann mit Incubo sulla cittá contaminata / Nightmare City (1980)**, Mangiati vivi / Eaten Alive! (1980) und Cannibal Ferox (1981) verstärkt dem Horror zu, dem Genre, das zusammen mit einer neuen Reihe von Kriegsfilmen die letzten zehn Jahre seiner Regisseurs-Laufbahn dominieren sollte.

Dass Umberto Lenzi auch von der kurzlebigen Barbarenmode der frühen 80er Jahre zu profitieren versuchte, ist nicht weiter verwunderlich. Zwar wäre es verfehlt, ihn als einen bloßen Hack-Meister im Stile eines Joe D'Amato oder Bruno Mattei zu betrachten, doch wie jeder, der im Explotitation-Geschäft überleben wollte, war auch er gezwungen, jede sich bietende Gelegenheit zu ergreifen, um etwas Geld zu verdienen. Sich dem Auf und Ab der zyklischen Modewellen zu verweigern, konnte sich kaum einer dieser Filmemacher leisten. Und so schuf Lenzi 1983 seinen Beitrag zum Barbaren-Kino: La guerra del ferro – Ironmaster.


{Eine englischsprachige Version dieses Trailers findet sich hier}

Und doch verlieh er dem Ganzen eine etwas eigene Note. Wie man diesem Trailer bereits entnehmen kann, ist Ironmaster zwar ein Barbaren-, aber eigentlich kein Sword & Sorcery - Film, auch wenn das französische Plakat anderes zu suggerieren versuchte. Eher schon ließe sich Lenzis Werk als Urzeit-Flick bezeichnen, wobei man allerdings nicht an die britischen "Dinos & Cavegirls" - Filme à la One Million Years B.C. (1966) oder When Dinosaurs Ruled The World (1970) denken sollte.

Angesiedelt in einer pseudosteinzeitlichen Epoche sieht der Plot von Ironmaster ungefähr so aus: Nachdem er den alten Häuptling Iksay ermordet hat, wird der brutale, skrupellose und machthungrige Vood (George Eastman) von seinem Stamm verstoßen. Als der nahegelegene Vulkan ausbricht, entdeckt der Krieger inmitten der erkaltenden Lava und Asche ein klingenförmiges Stück Eisen. Mit dieser neuen Waffe reißt Vood die Herrschaft über seinen alten Stamm an sich und schickt seinerseits seinen Rivalen Ela (Sam Pasco) in die Verbannung. Ausgerüstete mit dem Wissen um Eisengewinnung und Schmiedekunst beginnt Vood, angestachelt von der geheimnisvollen Lith (Pamela Prati), einen Eroberungsfeldzug gegen alle umliegenden Stämme. Ela derweil hat bei dem gastfreundlichen Volk der hübschen Häuptlingstochter Isa (Elvire Audray) Zuflucht gefunden. Doch es dauert nicht lange, da fallen Voods Krieger auch über das kleine Dorf am Seeufer her. Gegen den Willen von Isas kompromisslos pazifistischem Vater Mogo (William Berger), beginnt Ela den bewaffneten Widerstand gegen die neu entstandene Tyrannei zu organisieren.

Der größte Schwachpunkt des Films ist ganz sicher sein Hauptdarsteller – ein muskelbepackter Riese mit schlecht sitzender Perücke und ohne einen Funken von Charisma oder schauspielerischer Ausdruckskraft.
Miese Darsteller sind in italienischen B-Movies dieser Ära zwar nicht eben eine Seltenheit, aber dennoch frage ich mich, wie er zu dieser Rolle gelangte. War es Umberto Lenzis Entscheidung oder die von Produzent Luciano Martino {dem Bruder von Regisseur Sergio Martino}, der in den 70er Jahren bereits sehr oft mit Lenzi zusammengearbeitet hatte? 
IMDB führt Ironmaster als den einzigen Film auf, in dem Sam Pasco mitgewirkt habe, doch bei Ninja Dixon kann man nachlesen, dass dem mitnichten der Fall gewesen ist. Vielmehr war der gute Sam in den 70er Jahren als "Big Max" ein vielbeschäftigter Darsteller für die kalifornische Colt Studio Group:
They produced glossy magazines, movie loops and various erotica with well-endowed muscular men. One of them was Sam Pasco, but he early took the name Big Max for his new movie career. As a gay man [...] and also a bodybuilder it seemed to be the perfect place to earn some money and fame. Sam also did covers for Colt Men, Mandate, Honcho and also for bodybuilding magazines like The Physical Man.
Es ist wohl eher nicht anzunehmen, dass ihm dieser Hintergrund im Schwulen-Porno dazu verhalf, für Ironmaster gecastet zu werden, aber er fügt dem Mysterium um Mr. Pascos Protagonistenrolle doch eine weitere, farbenfrohe Facette hinzu.

Der echte Star des Films hingegen ist ganz ohne Frage Luigi Montefiori alias George Eastman, ein echter Veteran des italienischen Grindhouse - Films.
In den 60er Jahren hatte er in einer ganzen Reihe von Spaghetti-Western vor der Kamera gestanden, in den 70ern wurde er zu einem festen Mitglied von Joe D'Amatos Stammcrew und trat u.a. in solch illustren Werken wie Emanuelle e Francoise / Foltergarten der Sinnlichkeit (1973), Emanuelle - Perché violenza alle donne? / Emanuela: Alle Lüste dieser Welt (1975), Le notti erotiche dei morti viventi / Erotic Nights of the Living Dead (1980) und Porno Holocaust (1981) auf. Horrorfans werden ihn vermutlich am ehesten als den kannibalistischen Killer aus D'Amatos wohl bekanntestem Werk Anthropophagus (1980) und dessen Pseudo-Sequel Absurd (1981) kennen. Seit Beginn der 70er betätigte sich Montefiori auch als Drehbuchschreiber. Neben den Scripts für eine ganze Reihe von D'Amato - Flicks stammte u.a. auch der ursprüngliche Storyentwurf für  Enzo Castellaris semiklassischen Italo-Western Keoma (1976) aus seiner Feder. Später machte er diese Betätigung zu seinem Hauptberuf.
Sein dunkles, aber gutaussehendes Erscheinungsbild kombiniert mit seiner beeindruckenden Körpergröße machten ihn zu einem idealen Filmbösewicht. Was auch immer man über die Streifen, in denen er mitgewirkt hat, denken mag, George Eastman brachte stets Energie und Charisma auf die Leinwand, und die Rolle des Vood bildet da keine Ausnahme.

Soviel zur schauspielerischen Seite. {Und dass ich über die beiden Hauptdarstellerinnen nichts rechtes zu sagen weiß, ist echt nicht meine Schuld. Sie bleiben einfach zu blass}. Was die Cinematographie betrifft, so würde ich sie alles in allem als kompetent, aber nicht sonderlich spektakulär bezeichnen. Die Bisonherde als Hintergrund wird vielleicht etwas zu häufig verwendet, aber immerhin bekommen wir etwas von der landschaftlichen Schönheit des Custer State Park in South Dakota, einen neckischen Modellvulkan und einige recht hübsche Matte Paintings (die Pfahlbauten!) zu sehen. Die Kampfszenen sind allesamt ordentlich choreographiert und gefilmt, und auch wenn Sam Pasco ein erbärmlich mieser Schauspieler gewesen zu sein scheint, wenn's an die Action geht, wirkt er recht überzeugend.
Das einzige, was in diesem Zusammenhang wirklich auffällt, sind zwei oder drei Szenen, die sich in stilistischer Hinsicht sehr deutlich vom Rest des Filmes abheben. Optisch betrachtet ist der Großteil von Ironmaster in einem konventionellen, quasi-realistischen Ton gehalten, doch ihnen ist ein Element der Stilisierung eigen, was zu einem merklichen ästhetischen Bruch führt. Auf diese Weise suggerieren besagte Szenen das Vorhandensein einer symbolischen Ebene und weisen uns damit auf den vielleicht interessantesten Charakterzug des Streifens hin.

Ironmaster ist ein merkwürdiger Film. {Ich verwende dieses Adjektiv sicher viel zu häufig , aber mir fällt einfach kein besseres ein, um diesen Flick zu beschreiben.} 
Die allermeisten Barbaren- und Sword & Sorcery - Filme versuchen durch Action und Abenteuer angereichert mit ein paar phantastischen Elementen und meist in das klassische Schema "Gut gegen Böse" gegossen zu unterhalten. Fast nie besitzen sie einen ernstzunehmenderen Subtext. Als mögliche Ausnahmen würden mir da eigentlich nur Conan the Barbarian und Hundra einfallen. {Womit ich nicht gesagt haben will, dass mir der Subtext von Conan zusagen würde, aber er ist meiner Meinung nach ganz ohne Zweifel vorhanden.} Hin und wieder tauchen zwar irgendwelche offen ausgesprochenen "Botschaften" auf. {So z.B. belehrt der weise Magier Rudak den Titelhelden in Sangraal darüber, dass er nicht Rache, sondern Gerechtigkeit und Frieden suchen sollte.} Doch bei diesen handelt es sich praktisch immer um offensichtlich oberflächliche Zutaten. Die eigentliche Handlung ist nicht darauf ausgelegt, diese "Botschaften" anschaulich zu machen oder ihre Richtigkeit zu demonstrieren.
Ironmaster ist in dieser Hinsicht anders. Natürlich spart auch er nicht mit blutigen Kämpfen und wild durch die Luft geschwungenen (Proto) - Schwertern. Von den völlig grundlos in die Handlung eingeschleusten haarigen Affenmenschen mal ganz zu schweigen. Doch wie unschwer zu erkennen, besitzt er darüberhinaus eine klar symbolische Dimension.
Einfach gesagt, erzählt der Film von einem Sündenfall, vom Ende eines Goldenen Zeitalters. Vood zerstört mit Hilfe des Eisens die alten Traditionen und errichtet eine tyrannische Herrschaft. Er bringt den Krieg und mit ihm auch die Sklaverei in die Welt. Denn die Überlebenden der unterworfenen Stämme sollen in Zukunft für Voods Gefolgschaft arbeiten, weiteres Eisenerz für sie gewinnen und darüberhinaus die neu entstandene Kriegerkaste mit Lebensmitteln versorgen. Dass diese Geschichte nicht historisch-realistisch, sondern mythisch-symbolisch verstanden werden will, verdeutlicht insbesondere die Figur der Lith. Wie aus dem Nichts aufgetaucht ist sie die archetypische Verführerin. {Und ich vermute, ihr Name soll Assoziationen zu Lilith wecken}. Sie fördert nicht nur nach Kräften Voods unstillbaren Machthunger und wachsenden Größenwahn, sie schafft ihm zudem eine "ideologische" Rechtfertigung für sein Handeln: Er sei der Auserwählte des Vulkangottes, der dazu berufen sei, in Seinem Namen die ganze Welt zu erobern. Daneben ist sie federführend in der Organisation der neuen Gesellschaft. So erklärt sie es z.B. zur künftig wichtigsten Pflicht aller Frauen in Voods Stamm, weitere Krieger zu gebären, weshalb sie sich allen Mitgliedern der Führungskaste ohne Widerrede hingeben müssten.
Ich will nicht behaupten, dieses Szenario sei besonders tiefgründig, aber es verleiht Ironmaster doch einen ganz eigenen Charakter. Es sollte niemanden überraschen, zu erfahren, dass Umberto Lenzi und seine Drehbuchschreiber die von ihnen angeschnittenen Themen – Macht, Gewalt, Sklaverei, Autoritarismus, religiöses Sendungsbewusstsein, Rebellion – nicht konsequent durchgearbeitet und filmisch umgesetzt haben. Doch die Themen sind da, und das allein ist schon recht bemerkenswert.
Was die Frage der Gewalt angeht, kommt der Film übrigens zu keinem schlüssigen Ergebnis. Mogos Pazifismus scheint durch die Versklavung seines Volkes wiederlegt zu sein, aber wenn Ela den bewaffneten Aufstand gegen Vood organisiert, nimmt er dabei selbst die Züge eines autoritären Führers an, der keinen Widerspruch duldet. Am Ende schlägt er den Tyrannen, indem er selbst eine noch fürchterlichere Waffe als das Schwert kreiert: Er kombiniert den bereits bekannten Bogen mit eisernen Pfeilen. Der große Schlusskampf trägt die Züge eines nicht weniger grausigen Gemetzels als Voods Feldzüge, wenn Elas Verbündete die hilf- und schutzlosen Gefolgsleute des Tyrannen aus sicherer Entfernung mit tödlichen Geschossen überschütten. Das Massaker wird bezeichnenderweise mit der Ermordung der waffenlosen Lith eingeleitet.
Am Ende versenken Ela und die siegreichen Dorfbewohner zwar die eisernen Waffen im See, dennoch bleibt ein widersprüchlicher Nachgeschmack.

Natürlich weiß ich nicht, wie ernst wir all das wirklich nehmen sollen. Letztenendes bleibt Ironmaster eben doch ein billiger Barbarenflick, der gedreht wurde, um eine kurzlebige Modewelle finanziell auszunutzen. Dennoch kann ich dem Streifen eine eigentümliche Faszinationskraft nicht absprechen.  



* Ganz wie Argentos Regiedebüt L'Uccello dalle piume di cristallo / The Bird With The Crystal Plumage / Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe (1970) wurde auch dieser Film hierzulande unter dem Titel Das Rätsel des silbernen Halbmonds als später Eintrag in die populäre Reihe der Edgar Wallace - Krimis vermarktet. Das mag auf den ersten Blick grotesk wirken {und in gewisser Weise ist es das natürlich auch}, doch in der Tat hatte das Vorbild der Edgar Wallace - Streifen eine nicht unwichtige Rolle bei der Entstehung des Giallo gespielt.
** Gemeinsam mit Make Up - und Special Effects - Legende Tom Savini versucht Lenzi gerade ein Remake seines Klassikers via Indiegogo auf die Beine zu stellen.

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