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Mittwoch, 18. Februar 2015

Expeditionen ins Reich der Eighties-Barbaren (XI): "Il trono di fuoco / The Throne of Fire"

Nachdem wir uns nun wohl lange genug im Königreich von Corman herumgetrieben haben, scheint es mir an der Zeit, eine andere Provinz von Filmfantasyland aufzusuchen. Zwar ist es ziemlich wahrscheinlich, dass wir Rogers Domäne nicht das letzte Mal gesehen haben, doch soll uns unsere abenteuerliche Queste für den Moment erst einmal über die Weiten des Ozeans und in jenes Land führen, wo nach dem alten Dichterwort nicht nur "die Zitronen blüh'n", sondern angeblich auch "der Drachen alte Brut" in "Höhlen haust".

Italiens B-Movie-Industrie hat die Methode, erfolgreiche amerikanische Formate aufzuschnappen, um mit ebenso schnell wie billig produzierten Flicks nachzulegen, über die Jahrzehnte beinah zu einer eigenen Kunstform entwickelt. Und fast immer finden sich – in Kim Newmans Worten neben den hastig hingeschluderten Kopien auch "surprisingly sophisticated mixes of imitation, pastiche, parody, deconstruction, reinterpretationen and operatic inflation".* Ob dies auch auf den Sword & Sorcery - Film zutrifft? Wir werden sehen.

Weniger als einen Monat nachdem John Milius' Conan the Barbarian im September 1982 in italienischen Kinos angelaufen war, befand sich Joe D'Amato bereits in der Lage, seinen Landsleuten mit Ator l'Invincibile einen hauseigenen Barbarenflick vorsetzen zu können. Wie die allermeisten Kreationen des berühmt-berüchtigten Schlockmeisters nicht eben ein glanzvoller Vertreter seines Genres, aber doch ein weiterer Beleg für die feine Nase und den untrüglichen Geschäftssinn des alten Joe. Der gute Mann mag kein großer Filmemacher gewesen sein, aber er wusste stets, was sein Publikum zu sehen wünschte.

Beim ollen Ator und seinen drei Nachfolgern vorbeizuschauen, darauf möchte ich vorerst verzichten. Stattdessen wollen wir unser Augenmerk auf drei Filme lenken, die neben D'Amatos muskelbepacktem Krieger mit der grauslichen Frisur zum zeitlich ersten Aufgebot der Pasta-Variante des Sword & Sorcery - Kinos gehörten: Gunan il guerriero (1982), Il trono di fuoco (1983) und Sangraal (1982).
Unter Freunden & Freundinnen des europäischen Exploitationfilms genießt der letzte vermutlich das größte Ansehen, dennoch wollen wir unseren italienischen Abstecher mit den zwei Filmen beginnen, die Franco Prosperis Eintrag in die Annalen des Fantasyfilms darstellen..
 
Francesco "Franco" Prosperi den man nicht mit dem Mondo-Macher gleichen Namens verwechseln darf hatte seine Karriere an der Seite von Mario Bava begonnen – u.a. während des Drehs von Gli invasori / Erik the Conqueror (1961), Ercole al centro della Terra / Hercules in the Haunted World (1961) und La ragazza che sapeva troppo / The Girl Who Knew Too Much (1963), dem Film, der allgemein als der erste Giallo gilt. In der Folge führte er bei einer Reihe von Kriegsfilmen, Komödien, Action-, Kriminal- und Horrorstreifen Regie, ohne je zu größerer Bekanntheit zu gelangen. Erwähnt seien bloß Qualcuno ha tradito / Every Man is my Enemy (1967) mit einem Drehbuch von Dario Argento; die Abenteuerkomödie Una matta, matta, matta corsa in Russia / Unbelievable Adventures of Italians in Russia (1974), deren italienischer Titel wohl Assoziationen zu Stanley Kramers It's a Mad, Mad Mad, Mad World (1963) wecken sollte; sowie La settima donna / The Last House on the Beach (1978), einer der zahlreichen Cash-ins zu Wes Cravens Last House on the Left, das der üblichen Vergewaltigungs- & Rachestory einen Schuss Nunsploitation hinzufügte. Außerdem zeichnete er mitverantwortlich für Jess Francos Mondo Cannibale (1980) – einen schröcklich miserablen Flick, wenn ich Chris & Tom von der {im Gegensatz dazu sehr empfehlenswerten} Strange and Deadly Show glauben darf.
 
Seine beiden Sword & Sorcery - Streifen bildeten den Schlusspunkt unter Prosperis Laufbahn als Filmemacher. Das lässt wenig gutes erwarten, aber wahrhaft heroische Questen ähneln halt eher selten einem vergnüglichen Urlaubstrip, selbst wenn sie einen ins sonnige Italien führen. In der Hoffnung, damit das Schlimmste gleich zu Beginn hinter uns zu bringen, wollen wir zu allererst auf dem "Feuerthron" Platz nehmen. Hört sich gar nicht nett an? Ist es auch nicht ...   



Sich Il trono di fuoco anzuschauen ist ohne Zweifel eine im Großen und Ganzen eher langweilige, zugleich aber auch ziemlich eigenartige Erfahrung.

Die Story klingt denkbar unoriginell: Der finstere Belio {eine Art Sendbote Satans} zeugt gemeinsam mit einer Hexe den nicht weniger finsteren Morak {eine Art Antichrist}. An der Spitze einiger pelzbemützter Barbaren und mit Unterstützung eines verräterischen und kahlköpfigen Schnauzbartträgers ermordet der üble Bursche den guten König des Landes. Doch dummerweise kann er nur dann den magischen "Feuerthron" besteigen, wenn er seine Herrschaft durch eine Hochzeit mit Prinzessin Valkari legitim gemacht hat. Und nicht nur hat die ebenso holde wie kampferprobte Maid keine Lust, einen Ehebund mit dem Mörder ihres Vaters zu schließen, in Gestalt des Recken Siegfried {kein Witz} steht dem bösen Morak außerdem ein muskulös-heroischer Widersacher gegenüber, der nichts unversucht lässt, um dessen teuflische Weltherrschaftspläne zu durchkreuzen.

Der olle Nietzsche war bekanntlich der Meinung, wir sollten im Geiste des "amor fati" die Ewige Wiederkehr des Gleichen freudig begrüßen. Wenn es noch irgendwelcher Argumente bedarf, um seine Philosophie ad absurdum zu führen, so scheint mir Il trono di fuoco dafür ein besonders überzeugendes zu sein. Nach einer Art kurzem Prolog nämlich besteht der Plot des Films aus der wiederholten Abfolge der Sequenzen "Kampf - Gefangennahme - Flucht", was schon sehr bald eher an die Qualen des Sisyphos erinnert als dass es irgendeine "Liebe zum Schicksal" in uns hervorrufen würde. Erst recht, weil am Ende klar wird, dass wir diesen eigenartigen Zyklus einzig der Dummheit unseres Bösewichtes zu verdanken haben: Statt die edle Blondine im Leder-BH mit der angedrohten Ermordung ihrer Freunde/Untertanen zur Ehe zu zwingen, hätte der gute Morak sie gleich zu Beginn einer schwarzmagischen Gehirnwäsche unterziehen und den lästigen Siegfried kurzerhand enthaupten lassen sollen. Aber nein, dann wäre der Film ja bereits nach zwanzig Minuten zu Ende gewesen. Also muss sich unser Möchtegern-Antichrist wie der letzte Idiot aufführen. Dass der von Harrison Muller Jr. verkörperte Morak dennoch der interessanteste Charakter in Il trono di fuoco ist, sagt eine Menge aus ...

Und doch ich kann mir nicht helfen – Prosperis nach allen einigermaßen objektiven Maßstäben wirklich unterirdisches Machwerk hat trotzdem etwas auf widersinnige Weise faszinierendes an sich. 
Zuerst war mir nicht ganz klar, worin sich dieser Streifen von den billigen Corman-Produktionen unterscheidet, die die letzten Anlaufpunkte auf unser abenteuerlichen Reise dargestellt haben. Da war bloß das starke, aber unbestimmte Gefühl, es mit etwas auf schwer zu beschreibende Weie "Unwirklichem" zu tun zu haben. 
Nicht dass Il trono di fuoco irgendwelche Ähnlichkeiten zu den phantasmagorischen Visionen von Lucio Fulcis Sword & Sorcery - Flick Conquest aufweisen würde, den ich hier schon einmal kurz besprochen habe. Die beiden sind so weit voneinander entfernt wie Tol Eressea und Barad-dûr! Ebensowenig ist der Grund für das eigenartige Flair des Films in dem Umstand zu suchen, dass Pietro Torrisi (Siegfried) und Sabrina Siani (Valkari) alle beide sowas wie Heroen des italienischen Fantasy - B-Movies – in ihrer Bararenunterwäsche nicht so recht in die eher mitteleuropäisch anmutende Landschaft des Ganzen zu passen scheinen. Nein! des Rätsels Lösung liegt anderswo: In der verwirrenden Art, in der Prosperi seinen Film in Szene gesetzt hat. {Dass zumindest in der ersten Hälfte die Musik immer dann verstummt, wenn es zu einer Kampfszene kommt, trägt freilich ebenfalls zu dem verwirrenden Eindruck bei, den der Film hinterlässt.}

Immer wieder begegnen wir extrem langen Einstellungen, in denen eine Person schreitend oder reitend einen weiten Raum – sei es einen Saal, einen Hof oder eine Ebene – durchquert. Hin und wieder wird versucht, diesen Sequenzen durch ein gemächliches Heran-Zoomen der Figuren etwas mehr Lebendigkeit zu verleihen, doch selbst dann noch wirken sie wie willkürliche Verzögerungen im Ablauf der Handlung. An wenigstens zwei Stellen wird dies noch durch den Einsatz von Zeitlupen verstärkt. Beim ersten Mal ließe sich das vielleicht noch dadurch entschuldigen, dass wir es mit einer Art "Flashback" zu tun haben, was eine leichte "Verfremdung" nachvollziehbar erscheinen lassen würde. Doch beim "großen Endkampf" wirkt dieser "Kunstgriff" bloß noch nirritierend und bizarr ....

Sobald ich erkannt zu haben glaubte, warum Il trono di fuoco so eigenartig auf mich gewirkt hatte, begann ich mich zu fragen, ob wir es mit einem bewusst {wenn auch tölpelhaft} eingesetzten Stilmittel zu tun haben. Hatte Prosperi vielleicht geglaubt, seinem Film mit diesen Sequenzen so etwas wie einen epischen Charakter verleihen zu können? Oder sollte man sie angesichts des lächerlich geringen Budgets vielleicht eher als verzweifelten Versuch interpretieren, den ohnehin weitgehend plotlosen Film künstlich in die Länge zu ziehen? Oder war das Ganze einfach bloß Ausdruck von Prosperis absoluter Unfähigkeit?

Ich habe keine Antwort auf diese Fragen, doch bin ich zufällig über eine Rezension von Last House on the Beach gestolpert, in der zu lesen ist: "Franco Prosperi has a weird penchant for unmotivated slow motion." Das würde wohl eher darauf hindeuten, dass wir es bei dem Ganzen mit einem individuellen Spleen des Regisseurs zu tun haben, dem dieser in seinen Filmen auf gedankenlose Weise frönt. Ob das besser oder schlimmer als die anderen Erklärungsmöglichkeiten ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht ... Mal seh'n, ob wir diesem "Stil" in Gunan il guerriero wiederbegegnen werden ...


* Kim Newman: Nightmare Movies. A Critical History of the Horror Film, 1968-88. S. 188.

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