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Sonntag, 13. April 2014

Vampire in Amerika (V): "The Velvet Vampire"

Erst beim dritten Anlauf ist es mir gelungen, Stephanie Rothmans The Velvet Vampire aus dem Jahre 1971 von Anfang bis Ende anzuschauen. Das klingt jetzt vermutlich eher abschreckend, aber auch wenn ich nicht ganz verstehe, warum der Film zu einem Kultklassiker geworden ist, lohnt er in seiner Mischung aus Exploitation, Counterculture-Psychedelik und {angeblich} feministischen Untertönen doch auf jedenfall einen Besuch. Und dass Rothman eine talentierte Filmemacherin gewesen ist, darf außer Zweifel stehen.
Was mich bei meinen ersten beiden Versuchen schon nach zehn-fünfzehn Minuten wieder abschalten ließ, war zweierlei: Zuerst einmal beginnt der Streifen mit einer versuchten Vergewaltigung. Zwar habe ich kein grundsätzliches Problem mit der Darstellung von sexueller Gewalt, aber leider hatte ich das sehr deutliche Gefühl, dass diese Szene für die ganze weitere Handlung keine Bedeutung haben würde. {Ein Verdacht., der sich mehr oder weniger bestätigen sollte}. Und auf diese Art "Exploitation" hatte ich gerade so überhaupt keine Lust.
Der zweite Punkt: Unser Protagonistenpärchen Lee und Susan wird von Darstellern verkörpert, deren schauspielerisches Talent man bestenfalls als mittelmäßig bezeichnen kann. Michael Blodgett ist dank seiner Rolle als Gigolo Lance Rocke in Russ Meyers Beyond the Valley of the Dolls (1970) für Schlock-Freunde zwar kein Unbekannter (1), aber gerade in den frühen Szenen von The Velvet Vampire ist die Leistung, die er und Sherry Miles abliefern, wirklich unterirdisch mies. So richtig besser wird es zwar auch später nicht, aber sobald der Film seine echten Stärken zu entfalten beginnt, fällt das hölzerne Spiel der beiden nicht mehr ganz so schwer ins Gewicht.

Stephanie Rothman ist eine faszinierende Figur des amerikanischen Exploitation-Kinos der 60er/70er Jahre. Sie studierte Film an der University of Southern California (USC) und erhielt als erste Frau überhaupt das Stipendium der Directors Guild of America. 1964 wurde Roger Corman auf sie aufmerksam:
He hired me as his assistant and put me to work immediately on low-budget independent films that he was personally financing, or that he had bought completed but that still needed further improvement. I did everything: write new scenes, scout locations, cast actors, direct new sequences and edit final cuts. It was a busy, exhilarating time. - See more at: http://henryjenkins.org/2007/10/stephanie_rothman.html#sthash.6R69evN4.dpuf
He hired me as his assistant and put me to work immediately on low-budget independent films that he was personally financing, or that he had bought completed but that still needed further improvement. I did everything: write new scenes, scout locations, cast actors, direct new sequences and edit final cuts. It was a busy, exhilarating time. (2)
He hired me as his assistant and put me to work immediately on low-budget independent films that he was personally financing, or that he had bought completed but that still needed further improvement. I did everything: write new scenes, scout locations, cast actors, direct new sequences and edit final cuts. It was a busy, exhilarating time. - See more at: http://henryjenkins.org/2007/10/stephanie_rothman.html#sthash.6R69evN4.dpuf
Wie für so viele andere talentierte Filmemacher wurde Corman auch für Stephanie Rothman zu einem wichtigen Mentor und Förderer, dem sie sich auch Jahrzehnte später immer noch in Dankbarkeit verbunden fühlt. Wie sie 2008 anlässlich einer Vorführung von The Velvet Vampire am UCLA Center for the Study of Women erklärt hat:
Working for Roger was really wonderful. He just threw me into the swimming pool and I had to swim. He was very encouraging. I know that some people came away from their experience with him a little bitter, but I personally found him to be very encouraging. Really, he gave me the self-confidence to do what I needed to do. He was thoroughly behind me. He was, as I’ve said before, the only mentor I ever had, and until my last breath I will be very grateful to him for that.
Nachdem sie bei einer ganzen Reihe der nachträglich produzierten Szenen für Blood Bath (3) die Regie geführt hatte, übertrug ihr Corman mit It's a Bikini World ihren ersten vollständig eigenen Regieauftrag, bei dem sie außerdem Co-Autorin des Drehbuchs war. Als einer der letzten sog. "Beach Party" - Filme war der 1965 gedrehte, aber erst zwei Jahre später in die Autokinos gelangte Streifen allerdings kein großer Erfolg, und für die angehende Filmemacherin war die Arbeit an ihm offenbar eine eher frustrierende Erfahrung:
I became very depressed after making It's a Bikini World. I had very ambivalent feelings about continuing to be a director if that was all I was going to be able to do. So I literally went into a kind of retirement for several years until more than anything in the world, I wanted to make films.
Wie in allen ihren späteren Werke versuchte Rothman bereits in ihrem ersten Film, einen typischen B-Movie - Stoff mit einer persönlichen stilistischen Note zu versehen und dabei zugleich die gängigen Klischees und Stereotypen des Genres kritisch zu unterlaufen. In ihren eigenen Worten:
Girls in beach pictures were usually very passive. The idea that she would assume her athletic prowess could be as good as his was very alien. We wanted a story in which the two characters each had a very strong sense of self-esteem: the boy not wanting to admit that the girl could be as worthy as he, the girl not willing to let him believe that he was better than her.
Wie gut ihr die Umsetzung dieser für einen B-Movie der Zeit radikal anmutenden Idee tatsächlich gelungen ist, kann ich nicht beurteilen, da ich den Film nicht gesehen habe.
Als Roger Corman American International Pictures verließ und zusammen mit seinem Bruder Gene 1970 New World Pictures gründete, begleitete ihn Stephanie Rothman und drehte für die neue Firma ihren zweiten Film The Student Nurses, in dem sie erneut einen typischen Exploitation-Stoff mit eigenen, sozialkritischen Ideen zu verknüpfen versuchte. So thematisiert der Film neben den erwartungsgemäß im Zentrum stehenden Beziehungsgeschichten der vier Protagonistinnen u.a. die prekäre Lage mexikanischer Einwanderer und das Recht auf Abtreibung. Student Nurses wurde ein kleiner Hit, doch die Filmemacherin war nicht daran interessiert, auch bei einem der alsbald produzierten Sequels die Regie zu übernehmen.

Angeblich war es der große Erfolg von Harry Kümels Daughters of Darkness (Les lèvres rouges), der im Mai 1971 in New York angelaufen war, welcher Cormans Geschäftspartner Larry Woolner auf die Idee brachte, dass New World Pictures gleichfalls einen "erotischen" Vampirfilm produzieren sollte. Und so setzten sich Stephanie Rothman und ihr Ehemann Charles S. Swartz hin, und entwickelten ein entsprechendes Script, wobei sie ganz bewusst darauf verzichteten, den europäischen Typus des Vampirfilms nachzuahmen, und die Handlung stattdessen im Hippie-Kalifornien ihrer Zeit ansiedelten. Im Oktober desselben Jahres hatte The Velvet Vampire seine US-Premiere:



Der Plot ist denkbar simpel: Auf einer Vernissage in L.A. {bei der Blues-Musiker Johnny Shines seinen Song Evil Hearted Woman vorträgt!} lernt das junge Ehepaar Lee (Michael Blodgett) und Susan (Sherry Miles) Ritter die mysteriöse Diane LeFanu (Celeste Yarnall) kennen. (4) Ihrer Einladung folgend besuchen sie die bleiche, divenhafte Schönheit auf ihrem mitten in der Mojave-Wüste gelegenen Landsitz. Es dauert nicht lange, und alle beide sind drauf und dran, der verführerischen Vampirin zu verfallen, derweil sich um sie herum die Todesfälle zu häufen beginnen. Denn Dianes Hunger nach Blut scheint außer Kontrolle geraten zu sein ...

Das klingt jetzt vermutlich nicht fürchterlich originell, und ehrlich gesagt, ist es das auch nicht. Dennoch besitzt der Film ohne Zweifel seine starken Seiten.
Da wäre zuerst einmal das ungewöhnliche Setting. Eine sonnendurchflutete Wüstenlandschaft mit verfallenen Geisterstädten, aufgegebenen Bergwerken und halb unter dem Sand begrabenen Grabsteinen bildet einen deutlichen Gegensatz zu den mondbeschienen oder nebelverhangenen Schauplätzen des klassisch-"gotischen" Vampirfilms. Zusammen mit Roger Dollarhides psychedelischen Gitarrenklängen schafft dies eine ganz eigene, faszinierende Atmosphäre.  Und in den erotischen Träumen, die unser Protagonistenpärchen Nacht für Nacht durchlebt,  verwandelt sich die Mojave dann endgültig in die bizarre Welt eines LSD-Trips.
In gewisser Hinsicht ist The Velvet Vampire sehr deutlich das Produkt einer spezifischen historischen Epoche. Die Musik; das Kostümdesign (5); die Mischung aus Vernissage und Happening am Anfang des Films; der Dune Buggy, mit dem Diane durch die Wüste braust; das zumindest angedeutete Ethos der "freien Liebe" ... all das atmet unverkennbar den Geist der 60er und frühen 70er Jahre. Und es trägt sehr viel zum Charme des Streifens bei. Dennoch ist The Velvet Vampire mehr als bloß ein kurioses Kulturrelikt aus der Zeit von Hippies und Counterculture.   
Wie stets versuchte Stephanie Rothman auch bei ihrem Ausflug in die Gefilde des Horrors, im Rahmen eines oberflächlich betrachtet konventionellen B-Movies einige der Konventionen des Genres auszuhebeln. Dabei ging es ihr vor allem darum, der passiven Opferrolle, die Frauen im klassischen Vampirfilm für gewöhnlich zu spielen hatten, eine aktivere Alternative entgegenzustellen. Wie sie selbst es beschrieben hat:
[W]hile in the Dracula films, both men and women were the victims of vampires, it was the women who always seemed to endure the ecstasy of having their blood sucked while lying passively in their beds. If men were assaulted by vampires, it was usually while battling them, and they either destroyed the vampire, or met a violent death themselves. So I decided to reverse this convention, and have the man enjoy a masochistic orgasmic death by vampire while the woman battled back.
Der Versuch, die überkommenen Geschlechterrollen umzukehren und die Frau vom hilflosen Opfer zur aktiven Kämpferin zu machen, erscheint zuerst einmal recht sympathisch. Unglücklicherweise jedoch geht dieses subversive Konzept in The Velvet Vampire nicht so recht auf. Am Ende ist es zwar tatsächlich Susan, die sich zur Wehr setzt und für Dianes Vernichtung sorgt, aber der Eindruck, der dabei entsteht, stimmt nicht mit der hier von Rothman beschriebenen Zielsetzung überein.  
Ein Grund dafür ist, dass Sherry Miles, wie bereits gesagt, eine ziemlich miserable Schauspielerin ist. Weder gelingt es ihr, irgendeine tiefergehende Sympathie für Susan in uns zu wecken, noch besitzt sie genügend Ausstrahlung, um auf überzeugende und mitreißende Weise eine Frau zu verkörpern, die gegen die gängigen Genderklischees rebelliert. Ihr Charakter bleibt einfach viel zu blass, um die Botschaft zu transportieren, die Rothman ihr offenbar zugedacht hatte.
Sehr viel schwerwiegender ist jedoch der Umstand, dass die von der Filmemacherin intendierte Umkehrung sexistischer Klischees nur dann hätte wirklich funktionieren können, wenn das Szenario, ganz im Geiste der klassischen Vampirgeschichten, einen eindeutigen Kampf zwischen Gut und Böse darstellen würde. Mit anderen Worten: Diane hätte zweifelsfrei als eine Person dargestellt werden müssen, deren Tod wir als Zuschauer begrüßen. Doch genau das ist nicht der Fall. Die Vampirin hinterlässt vielmehr einen äußerst ambivalenten Eindruck. Der Film wird dadurch sehr viel interessanter, doch untergräbt diese Charakterisierung das von Rothman oben formulierte Anliegen, denn zumindest meine Sympathien lagen am Ende eher bei Diane als bei Susan.

Auf den ersten Blick mag das merkwürdig klingen, scheint diese doch in der Tat nichts anderes als eine amoralische, kaltblütige Killerin zu sein, die unsere beiden naiven "Helden" erst sexuell verführt, um ihnen anschließend die Kehlen aufzureißen. Doch eine so oberflächliche Betrachtungsweise wird der Figur einfach nicht gerecht. Zuerst einmal gelingt es Celeste Yarnall der von ihr verkörperten Figur ein sehr viel größeres Charisma zu verleihen, als es ihre "Opfer" besitzen. Grund hierfür mag ganz einfach der Umstand gewesen sein, dass sie offensichtlich über ein größeres schauspielerisches Talent verfügte, als Blodgett und Miles. Doch hinzukommt die Art und Weise, in der Stephanie Rothman ihre "böse" Protagonistin in Szene setzt. Diane soll ganz offensichtlich faszinierend wirken.
Für sich genommen wäre dies freilich nicht ausreichend, um Sympathie für sie zu empfinden. Auch Dracula, verkörpert von Bela Lugosi oder Christopher Lee, besitzt eine geradezu hypnotische Ausstrahlung, ohne dass wir deshalb Mitleid für den untoten Grafen empfinden würden, wenn Van Helsing den Holzpflock ansetzt. Auch ließe sich argumentieren, Diane solle den Typus der bösen Verführerin und Femme Fatale verkörpern, die ihre Opfer moralisch korrumpiert, um schließlich ihren Untergang herbeizuführen. Als solche müsse sie natürlich faszinierend wirken, doch bedeute dies noch lange nicht, dass wir ihr Mitleid oder Sympathie entgegenbringen sollten. Eher das Gegenteil.
Vor allem letzteres Argument entbehrt nicht einer gewissen Berechtigung. Die bleiche Vampirschönheit ist eine Verführerin. Aber bedeutet das automatisch, dass wir Lee und Susan deshalb als Vertreter moralischer "Unschuld" betrachten müssten, die von ihr korrumpiert werden? Gegen eine solche Interpretation spricht für mich vor allem die Art, in der der Film mit Dianes Bisexualität umgeht. Traditionellerweise würde der Umstand, dass sie nicht nur Männer, sondern auch Frauen sexuell begehrt, als Beweis für ihren "verdorbenen" Charakter dargestellt werden. Doch in The Velvet Vampire ist dies nicht der Fall. Nicht nur, dass sich in Rothmans Präsentation dieses Motivs nichts entsprechendes finden lässt, auch ihre Charaktere gehen völlig entspannt mit dem Thema um. Wenn Susan entdeckt, dass ihr Mann mit Diane geschlafen hat, "rächt" sie sich, indem sie ihm deutlich zu verstehen gibt, dass auch sie einer Liebesnacht mit ihrer beider Gastgeberin nicht abgeneigt wäre. Lee ist davon nicht eben begeistert, doch der Grund hierfür ist ausschließlich Eifersucht, nicht, dass Susan Interesse daran zeigt, Sex mit einer Frau zu haben.
Von Kritikerseite her ist Dianes Sexualität recht unterschiedlich aufgefasst worden. Thomas M. Sipos zitiert in seiner Besprechung des Films Robert Marreros Vampire Movies, in dem dieser schreibe, die Vampirlady habe "no quarrels about drinking male blood", aber es sei "quite obvious that she prefers women for sex." Interessanterweise paraphrasiert das 1994 erschienene Buch damit im Grunde bloß eine Passage aus Kim Newmans Nightmare Movies, in der der britische Autor die untoten Heldinnen von Daughters of Darkness und The Velvet Vampire als "chic lady vampires" beschreibt, "who have no objection to drinking male blood but prefer women as sex partners and companions for eternity." (6) Ob Marrero da einfach abgeschrieben hat? Wie dem auch sei, Sipos sieht das Ganze jedenfalls etwas anders: "Well, it's not obvious to me. Diane has a male housemate, and her initial flirtations are directed toward Lee, not Susan. Whatever pillow talk she may impart to Susan, Diane's actions speak louder than her words." Ich würde Sipos insoweit recht geben, als auch ich keinerlei Anzeichen dafür entdecken kann, dass Diane Sex  mit Männern nicht ebenso genießen würde wie mit Frauen. Dennoch würde ich mich Newman in dem Punkt anschließen, dass für die Vampirin nur eine Vertreterin des weiblichen Geschlechtes in Frage kommt, wenn es darum geht, eine wirkliche "Gefährtin für die Ewigkeit" zu suchen. Diesen Eindruck zumindest hat vor allem die letzte Viertel Stunde des Films bei mir hinterlassen.
Oberflächlich betrachtet wiederholt Diane zwar erst einmal bloß die Verführungsroutine, die sie zuvor bereits bei Lee angewandt hat, doch als es Susan gelingt, ihr zu entkommen, verfolgt sie sie bis nach Los Angeles. Das allein wirkt bereits merkwürdig. Wir wissen zwar, dass Diane von einem immer mächtigeren Verlangen nach Blut beherrscht wird, aber ist es wirklich nur dieser animalische Trieb, der sie dazu bringt, der jungen Frau bis nach L.A. zu folgen? Sie kann sich schließlich nicht mitten im Menschengewühl der Großstadt auf sie stürzen und ihr die Kehle zerfetzen. Und dann kommt es zu einer der für mich eindringlichsten Szenen des ganzen Filmes. Susan hat sich im Busbahnhof von L.A. in eine Telefonzelle geflüchtet, um den Galleristen Carl Stoker anzurufen. Als sie ihr Gespräch beendet hat, steht Diane vor der Zelle. Erneut gelingt es Susan, der Vampirin zu entkommen, wobei deren Arm in der Tür der Zelle eingeklemmt wird. Und für einen winzigen Augenblick bekommen wir Dianes Gesicht zu sehen, auf dem ein Ausdruck tiefster Sehnsucht und Verzweifelung liegt. Es ist dieser, bloß Sekunden andauernde Moment, der mich endgültig davon überzeugt hat, dass die Vampirin Susan nicht primär aus Blutgier jagt, sondern dass es sie nach etwas ganz anderem verlangt. Wenig später folgt die fantastische und verstörende Schlussszene (7), in der Susan zusammen mit einer Gruppe von Jesusfreaks Diane mit Hilfe von Kruzifixen im wahrsten Sinne des Wortes "in die Knie" zwingt und ihr den Mantel vom Körper reißt, um sie den quälenden Strahlen der Sonne auszusetzen, die sie schließlich töten. Nichts an dieser Szene hat in mir das Gefühl aufkommen lassen, dem Triumph des Guten über eine Kreatur der Finsternis beizuwohnen. Ich musste dabei eher an eine Hexenverbrennung denken.

Es dürfte unmöglich sein, den Charakter Dianes eindeutig aufzuschlüsseln. The Velvet Vampire steckt voller Widersprüche. Zum Teil ist das ganz sicher dem Umstand geschuldet, dass Stephanie Rothman gezwungen war, in vielen Punkten den Konventionen des Exploitation-Films zu folgen. Die Verhältnisse, unter denen sie arbeitete, erlaubten es ihr nicht, ihre eigenen Ideen hundertprozentig umzusetzen. Bestenfalls konnte sie hier und da ein paar eigene Motive und Schattierungen hinzufügen.
Dies ist vermutlich nicht der einzige Grund für den etwas wirr und unausgegoren wirkenden Charakter des Filmes. Doch wie dem auch sei, wenn er tatsächlich ein subversives und irgendwie "feministisches" Element enthalten sollte, dann muss man dieses meiner Meinung nach nicht in Susan, sondern in Diane suchen. Wenn sie in ihrem Buggy über die Dünen herangebraust kommt, vermittelt sie den Eindruck, eine selbstbewusste und unabhängige Frau zu sein, die tut, was sie will, und sich nimmt, was ihr gefällt. Zugleich jedoch ist sie eindeutig eine Außenseiterin. Auch wenn sie ab und an nach L.A. fährt, um irgendwelche Vernissagen zu besuchen, ist es ihr doch unmöglich, auf Dauer ihr Wüstenrefugium zu verlassen. Der Grund, den der Film dafür angibt, erscheint reichlich unsinnig, aber das ist nicht der Punkt. Entscheidend ist, dass sie damit als jemand charakterisiert wird, der kein Teil der existierenden Gesellschaft werden kann. Und so hat die Schlusssequenz auf mich denn auch in erster Linie wie die Vernichtung der "Anderen" durch die Vertreter der offiziellen Moral gewirkt. Jesusfreaks mögen als Verkörperungen des "Establishments" zwar eher ungeeignet erscheinen, doch dominiert in dieser Szene vor allem das Symbol des Kreuzes. Und wofür dieses zumindest in der amerikanischen Gesellschaft hauptsächlich steht, braucht wohl keine weitere Ausführung. Und wenn man sich dann noch in Erinnerung ruft, dass der Film mit der versuchten Vergewaltigung Dianes begonnen hat, stellt sich mit einemmal ein äußerst verstörendes Gefühl ein ...       
          

(1) Russ Meyers Oeuvre bildet für mich noch weitgehend unbekanntes Territorium. Ich kann darum nicht sagen, ob Blodgetts Leistung in Beyond the Valley of the Dolls merklich besser gewesen ist.
(2) Henry Jenkins: Exploiting Feminism: An Interview with Stephanie Rothman (Part One)  
(3) Nicht Mario Bavas besser unter den Titeln Bay of Blood oder Twitch of the Death Nerve bekannter Proto-Slasher von 1971, sondern dieser Flick. 
(4) Subtilität in der Namensgebung gehört nicht zu den Stärken dieses Films. Der Besitzer der Gallerie heißt Carl Stoker!
(5) Thomas M. Sipos' Besprechung des Films enthält einige sehr interessante Beobachtungen zu den Kostümen.
(6) Kim Newman: Nightmare Movies. A Critical History of the Horror Film 1968-88. S. 28.
(7) Genaugenommen ist es nicht die Schlussszene, aber der sich anschließende finale Twist ist so dumm, dass ich beschlossen habe, ihn für mich aus dem Film zu streichen. 

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