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Sonntag, 27. April 2014

Vampire in Amerika (VII): Count Yorga

Unser kleiner Spaziergang durch die Welt des amerikanischen Vampirfilms der 70er Jahre nähert sich seinem Ende. Wie zu Beginn bereits von mir angekündigt, hat er uns nicht zu allen Vertretern des Genres geführt, und unglücklicherweise musste ich ausgerechnet George A. Romeros Martin außen vor lassen, obwohl es sich bei diesem sicher um eine der interessantesten filmischen Auseinandersetzungen mit dem Vampirstoff handelt, die dieses Jahrzehnt hervorgebracht hat. 
Auch muss ich mich in einem wichtigen Punkt korrigieren. In der Einleitung zu dieser kleinen Serie habe ich geschrieben, Martin und Nightmare in Blood bildeten 1978 den Schlusspunkt der durch Count Yorga ausgelösten, kurzlebigen Vampirmode der 70er Jahre. Das ist nicht ganz richtig. Noch ein Jahr später wurde Zoltan - Hound of Dracula auf das Kinopublikum losgelassen. Sicher kein Klassiker des Genres, aber doch ein legitimes Mitglied der Yorga-Familie und auf jedenfall ein engerer Verwandter des Grafen als The Velvet Vampire, Lemora oder Martin.* Im November desselben Jahres strahlte CBS außerdem die unter der Regie von Tobe Hooper gedrehte Miniserie Salem's Lot aus. Doch obwohl es in dieser gleichfalls um untote Blutsauger geht, gehört sie meiner Meinung nach in einen etwas anderen Zusammenhang, den des kometenhaften Aufstiegs von Stephen King. Der phänomenale Erfolg des Autors musste beinah zwangsläufig Verfilmungen seiner Werke nach sich ziehen. Schon drei Jahre zuvor hatte Brian De Palma seine Adaption von Carrie vorgelegt, und ein Jahr später würde Stanley Kubrick mit The Shining folgen. 
Nachdem das richtiggestellt wäre, nun also zum Abschluss unserer Vampirtour. Und was anderes könnte an ihrem Ende stehen als Count Yorga, der Film, mit dem alles begonnen hatte. Oder genauer gesagt: Count Yorga, Vampire (1970), The Return of Count Yorga (1971) und Deathmaster (1972) – die drei AIP-Filme, in denen Robert Quarry einen Vampir verkörperte.

Genaugenommen handelte es sich bei allen dreien um Independent-Produktionen, bei denen American International Pictures lediglich als Filmverleih fungierte. Dennoch macht es Sinn, sie im Rahmen der Entwicklung zu betrachten, die das altehrwürdige B-Movie-Studio zu dieser Zeit durchmachte. Auch wenn ich mich wiederhole: Zu Beginn der 70er Jahre lag im Horrorgenre Veränderung in der Luft. Die Ära des "gotischen" Horrorfilms neigte sich ihrem Ende entgegen, und Männer wie Samuel Z. Arkoff und James H. Nicholson hatten eine Nase für solche Entwicklungen, andernfalls wäre AIP nie zu einer so erfolgreichen Schlockschmiede geworden. Doch noch war den Bossen nicht ganz klar, wie das Studio auf das allmähliche Wegbrechen seines alten Marktes reagieren sollte. Hinzu kam, dass sich das Verhältnis zwischen AIP und ihrem hauseigenen Horrorstar Vincent Price merklich verschlechtert hatte. Auf Studioseite war man der Ansicht, dass der Schauspieler nicht länger der große Publikumsmagnet war, dessentwegen man ihn ursprünglich durch einen Exklusivvertrag an sich gebunden hatte. Auf jedenfall schien es nicht länger gerechtfertigt, sich einen Star zu "halten", der so hohe Gagen verlangen konnte wie Mr. Price. Andererseits hatte man den "gotischen" Horror noch nicht vollständig aufgegeben, und der Todesstoß sollte dem Subgenre ja in der Tat erst 1973 durch William Friedkins The Exorcist versetzt werden. Also produzierte AIP 1971 mit The Abominable Dr. Phibes noch einmal einen der echten Vincent Price - Klassiker des Horrors alter Schule, der sich als erfolgreich genug erwies, um ein Sequel zu rechtfertigen. Daneben startete man mit einer Adaption von Emily Brontës Wuthering Heights (1970) den kurzlebigen Versuch, der Schattenwelt des B-Movies zu entfliehen und in die sonnigen Gefilde "echter" Filmkunst aufzusteigen. Interessanterweise engagierte AIP dafür in beiden Fällen den selben Regisseur – den ausgesprochen talentierten Robert Fuest, der bis dahin hauptsächlich im TV-Bereich {vor allem bei The Avengers} gearbeitet hatte. Doch die zu diesem Zeitpunkt vermutlich wichtigste Entscheidung war, dass man den Versuch startete, dem kränkelnden Horror, mit dem man lange Zeit das meiste Geld verdient hatte, eine Art Frischzellenkur zu verabreichen. Nicht dass man dabei der von George A. Romeros Night of the Living Dead (1968) eingeschlagenen Richtung zu folgen beabsichtigte. Arkoff und Nicholson hatten zwar ein Gespür für die Entwicklungen auf dem B-Movie-Markt, aber sie waren nicht die Männer, die ihre Firma in den Dienst eines avantgardistischen Projektes gestellt hätten. Was ihnen vorschwebte ist eher vergleichbar mit Hammers etwas später unternommenem Versuch, Christopher Lees Dracula ins Swinging London der frühen 70er zu versetzen (Dracula A.D. 1972 [1972] & The Satanic Rites of Dracula [1973]). Daneben war es das Ziel von AIP, eine Art Nachfolger für Vincent Price aufzubauen, einen Horrorstar, der das Publikum ebenso unwiderstehlich in die Kinos locken sollte, dem Studio aber sehr viel weniger Geld kosten würde.

Der von Michael Macready und Autor-Regisseur Bob Kelljan mit einem lächerlich kleinen Budget von nicht ganz $100.000 produzierte Count Yorga, Vampire schien die ideale Antwort auf diese Situation zu sein. Als sie die Rechte an dem Flick erwarben, dürfte Nicholson und Arkoff dies freilich noch gar nicht bewusst gewesen sein. Doch als er zu einem echten "Sleeper Hit" in den Autokinos wurde, öffnete ihnen das vermutlich die Augen. Nicht nur sicherten sie sich sofort die Rechte an dem ein Jahr später produzierten Sequel, sie begannen auch mit dem Gedanken zu spielen, aus Robert Quarry ihren neuen Horrorstar zu machen.
In der Tat verdankte Count Yorga seinen Erfolg in mehrfacher Hinsicht seinem Hauptdarsteller. Ursprünglich war der Film nämlich als ein Horror-Softporno-Mix geplant gewesen. Eine Masche, die zu dieser Zeit allmählich in Mode zu kommen begann, wie u.a. der unterirdisch grottige Dracula, The Dirty Old Man aus dem Jahr 1969 zeigt. Dieser Plan wurde schließlich verworfen, als Macready und Kelljan Robert Quarry für das Projekt zu gewinnen versuchten:   
They asked me to read the script. I said why don’t you just make a regular horror film out of it? They said will you do it? Of course I said yes, if it’s going to be a straight horror film. So you notice several places in the movie — in case it didn’t sell as a horror film — they left places where they could add whatever was necessary — two more breasts, or whatever.
So zumindest hat Quarry selbst es erzählt. Ob es sich tatsächlich so abgespielt hat, scheint nicht ganz unumstritten zu sein. Auf jedenfall enthält Count Yorga immer noch einige Szenen, denen man die Sexploitation-Herkunft des Filmes ansehen kann. Nichts wildes, aber doch deutlich genug, vor allem, wenn man die Hintergrundsgeschichte kennt.
Wie die meisten Horrorstars der alten Schule à la Bela Lugosi, Christopher Lee, Peter Cushing oder Vincent Price war auch Robert Quarry ein gebildeter Mann mit einem weiten kulturellen Horizont. Der 1925 in Santa Rosa/Kalifornien geborene Quarry war von seiner Großmutter, die selbst Schauspielerin gewesen war, in die Welt des Theaters eingeführt worden. Mit vierzehn Jahren brach er die Schule ab und begann als Sprecher für jugendliche Rollen im Radio zu arbeiten. Er gewann ein Stipendium für das Pasadena Playhouse, wo er von Alfred Hitchcock entdeckt wurde, der ihn für Shadow of Doubt (1943) engagierte. Während seiner Zeit in der Armee gründete Quarry eine Schauspieltruppe und landete nach dem Ende des Krieges erst bei RKO und dann bei MGM. Eine wirkliche Hollywoodkarriere blieb ihm allerdings versagt. Wie wir in dem Nachruf des Telegraph auf den Schauspieler lesen können:
Little came of Quarry's time at MGM. He appeared in Soldier of Fortune (1955) and House of Bamboo (1955), then played Dwight Powell opposite Robert Wagner, Joanne Woodward and Mary Astor in A Kiss Before Dying (1956). His other films included Crime of Passion (1957), Winning (1969) and WUSA (1970), the last two starring Paul Newman. 
Dafür schloss er u.a. Freundschaft mit Katharine Hepburn und Paul Newman. 1950 war er zusammen mit Hepburn in einer Broadway-Inszenierung von As You Like It aufgetreten.
Wie groß Quarrys Einfluss auf die Gestalt, die Count Yorga schließlich erhalten sollte, wirklich gewesen ist, muss ungewiss bleiben. Offenbar wollte er am ersten Drehtag alles hinschmeißen, ließ sich dann aber doch dazu überreden, weiterzumachen. Und schließlich wurde der Dreh zu einem wenn auch anstrengenden, so doch positiven  Erlebnis für ihn:
Once I got off my high horse, we got to working together. But it was hard work. We had just four crewmembers — that’s it. They were all happy on plum wine and grass! There was one make-up man and a few guys with little arc lights. You say the film was ‘dark and mysterious’ — the film was dark and mysterious because we didn’t have enough lights!
Zwar ärgerte er sich in späteren Jahren oft darüber, dass man ihn nur in dieser Rolle in Erinnerung behalten hatte, dennoch bereitete ihm die Figur des Count Yorga offenbar großen Spaß: 
Actors always wanted to play the good guys first. I was different, and, boy, I did have a lot of fun drinking the blood of the lovely DJ Anderson. I always tried to play villains like the heroes. Vincent Price always over-egged the pudding. I played Count Yorga straight.**
Auf die sehr spezielle Beziehung zwischen Quarry und Price werde ich weiter unten noch etwas genauer eingehen. Was für den Moment sehr viel wichtiger ist: In der Tat trägt Quarrys ernsthaftes, elegantes und eher zurückhaltend wirkendes Spiel sehr viel zum Charme von Count Yorga bei.



Das erstaunlichste an diesem Film ist, dass sein Grundkonzept – wir schicken einen Dracula-Klon ins Kalifornien der 70er Jahre – sehr viel besser funktioniert, als es eigentlich sollte. Von einer solchen Geschichte würde man erwarten, dass sie beinah zwangsläufig ins Lächerliche abrutschen müsste, wobei sie bestenfalls in ein prachtvoll groteskes Schlockfest übergehen könnte. Doch das trifft auf Count Yorga nicht zu. Der Film besitzt zwar einen leicht ironischen Unterton, aber gerade dieser hilft zu verhindern, dass der Effekt des unfreiwillig Komischen eintritt. Wir wissen, dass wir die Geschichte nicht hundertprozentig ernst nehmen sollen, und sind deshalb eher geneigt, über ihre unausweichlichen Absurditäten hinwegzusehen. Vor allem da uns mit Robert Quarrys Yorga ein wirklich interessanter Vertreter der Gattung Vampir entgegentritt.
Die Figur ist eine gelungene Mischung aus traditionellen und neuartigen Elementen. Einerseits ist der gute Graf ganz der untote osteuropäische Aristokrat mit finsterem Charme und schwarzem Cape, wie wir ihn aus den Dracula-Filmen mit Bela Lugosi oder Christopher Lee gewohnt sind. Zugleich jedoch bereitet es ihm keinerlei Schwierigkeiten, sich in den Kreisen der kalifornischen Mittelklasse zu bewegen. Dort betrachtet man ihn entweder als interessanten Exzentriker oder bringt ihm als vermeintlichem "bulgarischen Mystiker" offene Bewunderung entgegen. Dies war schließlich die Zeit und das Milieu, in denen das Verlangen nach esoterischer Selbstfindung schwer in Mode war. Yorga seinerseits scheint sich aufs Köstlichste über all diese Ärzte, Ehefrauen und Halbhippies zu amüsieren. In seinen Augen sind sie bloß Spielzeug und Beute. Sein sarkastischer Humor und seine herablassende Attitüde machen ihn zu einem echten Original unter den Erben Draculas, und Robert Quarry verleiht ihm dabei ein Charisma, das an das der ganz Großen unter den untoten Fürsten der Finsternis heranreicht.
Dass Count Yorga den Untiefen des Exploitation-Films entstiegen war, hat hie und da recht deutliche Spuren hinterlassen. Neben den bereits erwähnten "erotischen" Sequenzen, die nicht groß stören, gibt es da vor allem eine recht unappetitliche, weil völlig unnötige Vergewaltigungsszene. Und außerdem dürfen wir miterleben, wie die halb vampirifizierte Erica, ihre eigene Katze auffrisst. Diese Szene wurde seinerzeit von AIP radikal gekürzt, um einer Einstufung des Films als R oder X zu entgehen. Inzwischen bekommt man sie in ihrer ursprünglichen Länge zu sehen, und ich muss sagen, dass sie für mich einen nicht unwichtigen Beitrag zur Gesamtatmosphäre des Filmes geleistet hat. Ein kleines bisschen Gore passt sehr gut zu dem sarkastisch-zynischen Tonfall von Count Yorga.              

Das ein Jahr später gedrehte Sequel The Return of Count Yorga war seinerzeit zwar ähnlich erfolgreich, reicht für mich jedoch nicht an den Charme des Originals heran.



Rein handwerklich wirkt der Streifen sehr viel professioneller gemacht, und offenbar stand dem Team ein größeres {wenn auch sicher immer noch nicht besonders üppiges} Budget zur Verfügung. Die ersten zwanzig Minuten sind denn auch in der Tat recht gelungen.
Mit irgendwelchen mehr oder minder logischen Erklärungen für Yorgas Wiedererwachen gibt sich der Film gar nicht erst ab, dafür setzt er selbiges ziemlich atmosphärisch in Szene. Während der Abend hereinbricht und die ominösen "Winde von Santa Ana" durch die Büsche und Bäume streifen, spielt der kleine Tommy auf einem verfallenen Friedhof in der Nähe des Waisenhauses, zu dessen Schützlingen er gehört. Plötzlich vernimmt er eine körperlose Stimme, die wispert, es sei "Zeit, zu erwachen". Wenig später beginnen sich die zombiehaften "Bräute" Yorgas, die wir bereits aus dem ersten Teil kennen, an die Oberfläche zu graben. Und während sie in ihren zerlumpten Gewändern durch die Dämmerung auf den verängstigten Jungen zuwanken, taucht auch der Graf persönlich auf, makellos gekleidet wie stets ...
Derweil findet in erwähntem Waisenhaus eine Wohltätigkeitsveranstaltung statt. Den kostümierten Gästen nach zu urteilen, offenbar eine Halloweenfeier. Kein Wunder, dass man Count Yorga in seinem schwarzen Cape hier zuerst für einen weiteren Gast hält, der sich als Dracula verkleidet hat. Was es dem guten Grafen erlaubt, einige seiner wunderbar trockenen Bemerkungen zu machen: "Where are your fangs?" fragt ihn einer der leicht angetrunkenen Gäste. "Where are your manners?" erwiedert Yorga. Überhaupt darf der zurückgekehrte Untote in dieser Sequenz noch einmal so richtig mit seiner charmanten, sarkastischen, herablassend-amüsierten Attitüde glänzen, wegen derer wir ihn im ersten Teil so liebgewonnen haben.
Leider jedoch dauert es nicht lange, und es wird gar zu deutlich, dass Bob Kelljan und sein Team zwei entscheidende Veränderungen an ihrem alten Konzept vorgenommen haben. Zum einen wollten sie Yorga offenbar etwas menschlicher machen, also muss sich der Graf in Cynthia (Mariette Hartley), eine der Lehrerinnen des Waisenhauses, verlieben. Zum anderen hielten sie es scheinbar für eine gute Idee, der Geschichte einen stärker humoristischen Charakter zu verleihen. Zeichnete sich Count Yorga, Vampire durch einen leisen ironischen Unterton aus, so nimmt das Sequel streckenweise offen komödienhafte Züge an.
Keines von beiden zeitigt sonderlich positive Ergebnisse. Die Liebesgeschichte bildet zwar den Kern des Plots, wirkt jedoch zu keiner Zeit besonders packend oder überzeugend. Und der Humor reicht in den meisten Fällen höchstens für ein müdes Lächeln aus. Wer eine wirklich gute Vampirkomödie sehen will, sollte lieber in Erwägung ziehen, sich wieder einmal Roman Polanskis Fearless Vampire Killers / Tanz der Vampire anzuschauen. Wenigstens zwei gute Szenen gibt es in dieser Hinsicht allerdings schon. So ist es in der Tat recht amüsant, wenn wir zu sehen bekommen, wie sich Count Yorga eine spanische (?) Version der Vampire Lovers im Fernsehen anschaut. {Erst recht, wenn man dabei an eine der "erotischen" Szenen aus dem Original zurückdenkt, in der angedeutet wurde, dass es dem Grafen offenbar Spaß macht, seinen "Bräuten" beim Sex zuzuschauen.} Auch konnte ich mir ein Kichern nicht verkneifen, als der Reverend langsam im Treibsand versinkt, sein Kruzifix in die Höhe haltend und Yorga verfluchend, derweil der Vampir stumm und ohne die Miene zu verziehen, daneben steht. Ich weiß, das klingt nicht witzig, wenn man es erzählt. Man muss die Szene gesehen haben.
Alles in allem ist The Return of Count Yorga immer noch ein unterhaltsamer kleiner Flick, aber eine Ausnahme von der alten Regel, dass kaum ein Sequel an die Qualität des Originals heranreicht, stellt er nicht dar.

Der Doppelerfolg des untoten Grafen überzeugte Arkoff und Nicholson endgültig davon, dass sie ihren Price-Nachfolger gefunden hatten. Wie Quarry in einem Interview mit Cinefantastique einmal erzählt hat:
Vincent didn’t care to work any more at AIP. His contract was up; they were not going to re-option it. They wanted to get rid of him because his salary was going up and up and up, and his last two pictures had not done that well. They didn’t know where the horror thing was going, and I was being brought in. They had somebody new they thought they could build into the horror thing. I was told that I was going to be set up to take Vincent’s place at AIP ... 
Er erhielt einen ähnlichen Exklusivvertrag wie ihn Vincent Price besessen hatte, wenn auch mit einer weit geringeren Gage.

Für kurze Zeit spielte man bei AIP mit dem Gedanken, im Sequel zu The Abominable Dr. Phibes Count Yorga zum Gegenspieler des von Price verkörperten Doktors zu machen. Diese Idee wurde zwar schon bald wieder fallengelassen, dennoch besetzte man den Part des Antagonisten Darrus Biederbeck mit Quarry.
Es gibt zahllose Geschichten über die heftige Rivalität zwischen den beiden, die die Atmosphäre hinter den Kulissen von Dr. Phibes Rises Again (1972) vergiftet habe. Die vielleicht bekannteste Anekdote lautet folgendermaßen: Quarry habe in der Garderobe gesungen und zu Price gesagt: "You didn't know I could sing did you?" Worauf dieser erwiedert habe: "Well I knew you couldn't act". Viele Jahre später würde Quarry zu all dem erklären: "We were put at odds by the bastard Sam Arkoff and his slimy errand boy Deke Hayward". Eine im Großen und Ganzen wohl ziemlich korrekte Einschätzung. Offenbar hatte man Price sehr deutlich zu verstehen gegeben, Quarry solle sein Nachfolger werden, was das Verhältnis zwischen den beiden beinah zwangsläufig vergiften musste. Um noch einmal Quarry zu zitieren:   
An English publicist came up to him and asked, ‘How do you feel about Mr. Quarry coming in as your replacement?’ Vincent told me what had happened; he wasn’t happy about it. It was as if I was a ‘threat’ to his career – to this man with this long, distinguished career that nobody could repalce. After that happened, Vincent was never the same. That made a rift between us.
Quarry würde in den folgenden Jahren und Jahrzehnten mehr als einmal abfällige Bemerkungen über Price von sich geben und dessen Stil als überzogen und "campy" verspotten. Tatsächlich jedoch wusste er den großen Vincent sehr wohl zu schätzen. Wie David Del Valle, der mit beiden Künstlern befreundet war, geschrieben hat: "Bob admired Price both as a movie star as well as a erudite, cultured man in private life." Price empfand ähnlich:
After I explained that Bob was still around, Price shook his head and reflected, “This town can be a Paradise or a Hell, and I have seen it both ways in my career. He should have had a bigger career than he did. Robert was a good character man; he just couldn’t carry a tune.”
Für Madhouse (1974) sollten die beiden noch einmal gemeinsam vor der Kamera stehen, und scheinbar gelang es ihnen diesmal, auf eher kollegiale Weise zusammenarbeiten, auch wenn sich dabei ganz sicher kein ähnlich freundschaftliches Verhältnis entwickelte wie zwischen Quarry und Peter Cushing, der gleichfalls in dem Streifen mitwirkte. Es heißt, Price habe seinen Kollegen darum gebeten, seine Dialoge für ihn zu überarbeiten, nachdem dieser dasselbe für die eigenen getan hatte. Eine Bitte, die Quarry geschmeichelt haben soll, die aber auch darauf hindeutet, dass es sich um eine – milde ausgedrückt – problematische Produktion handelte. Auf die Details will ich jetzt nicht näher eingehen, möchte aber doch betonen, dass Madhouse bei all seinen offensichtlichen Schwächen meiner Ansicht nach besser ist als sein Ruf.



Der Flick leidet ganz offensichtlich unter einem hastig zusammengestoppelten Drehbuch, aber wenn man sich den genrehistorischen Hintergrund vergegenwärtigt, vor dem er entstanden ist, wirkt er ausgesprochen faszinierend. Dann nämlich kann man ihn als eine Art metafiktionalen Kommentar zum damaligen Umbruch im Horrorkino und dem Ende der Karriere von Vincent Price verstehen. Dieser spielt Paul Toombes, einen in die Jahre gekommenen Horrordarsteller der alten Schule, der seinen Ruhm vor allem der Figur des "Dr. Death" verdankt, den er in fünf Filmen verkörperte. Die kurzen Ausschnitte aus diesen Streifen, die wir im Verlaufe von Madhouse immer wieder zu sehen bekommen, stammen aus alten Roger Corman/Vincent Price - Klassikern wie House of Usher (1960), Pit and the Pendulum (1961) und The Haunted Palace (1963). Toombes hatte sich nach der Ermordung seiner Verlobten jahrelang aus dem Filmgeschäft zurückgezogen, doch sein Freund Herbert Flay (Peter Cushing) überredet ihn schließlich zu einem Comeback. Und während sich der Schauspieler mit den Dämonen aus seiner Vergangenheit und dem schleimigen Produzenten Oliver Quayle (Robert Quarry) herumschlagen muss, beginnt eine mysteriöse Gestalt im Kostüm von "Dr. Death" reihenweise Leute in Toombes Umfeld zu ermorden.
Einige Szenen enthalten mehr oder weniger deutliche Bezüge zu den realen Karrieren von Price und Quarry. So etwa soll "Doctor Death" auf Quayles Drängen hin eine Assistentin zur Seite gestellt werden, was Toombes zwar überhaupt nicht gefällt, aber wie eine Anspielung auf Dr. Phibes und Vulnavia wirkt. Oder wir sehen Quayle auf einer Party ein Count Yorga - Kostüm tragen. Aber es sind nicht diese oberflächlichen Winke, die den besonderen Reiz von Madhouse ausmachen. Vielmehr wirkt die Geschichte als Ganzes wie eine Illustration der Akzentverschiebung vom stilvoll-dekadenten Horror der 60er, verkörpert in Toombes und seinen "Dr. Death" - Filmen, hin zum brutaleren und dreckigeren Horror der 70er, verkörpert in den Mordtaten des "realen" "Dr. Death". Zugegebenermaßen lässt sich das bizarre Finale nur schwer mit dieser Interpretation in Einklang bringen. Aber zum einen wäre es wohl verfehlt, von einem offensichtlich hastig und streckenweise inkompetent zusammengeschusterten Film wie Madhouse innere Geschlossenheit zu erwarten. Und zum anderen hat Mr. Jim Moon in in der 34. Episode seines exzellenten Podcasts Hypnobobs sogar für die groteskeren Elemente des Streifens eine Interpretation gefunden, die in das Gesamtschema passen würde: "This kind of strangeness we normally associate with the Italian school. And so in a strange way we can see Madhouse as the missing link between Giallo and the later Slasher genre." (01.14.00)
Jeder, der sich für die Geschichte des Horrorfilms oder für die Karrieren von Vincent Price und Robert Quarry interessiert, sollte sich diesen Film auf jedenfall einmal anschauen.

Die Arbeit für AIP war eine alles andere als angenehme Erfahrung für Robert Quarry. Noch Jahrzehnte später blickte er mit großer Verbitterung auf diese Zeit zurück, die in seinen Augen für das Ende seiner Karriere in Hollywood verantwortlich gewesen war. Mit besonders großem Hass bedachte er dabei Samuel Z. Arkoff, der nach dem Weggang von Nicholson seit 1972 der alleinige Boss des Studios war:
Arkoff, with little regard for building my chances of a real movie career, chose to put it firmly in the toilet with shitty films that exploited my name and little else, which is basically what he did to Vincent as well. 
Nicht viel besser schnitt in seinen Augen Louis M Heyward ab, der Leiter von AIPs europäischer Niederlassung in London. Die Gründe für Quarrys Hass waren in diesem Fall allerdings eher persönlicher Natur, wie David Del Valle in einem Artikel für Films in Review beschrieben hat:
According to Bob it was “Deke“ Hayward who stabbed him in the back by going to some of Bob’s posh English friends during filming and “outing” him to them as well as trying to take them away from Quarry by slandering him in any way possible. When this gossip was related back to Quarry he rightly or not never stopped feeling betrayed by all this bad blood, which probably led to his contract being terminated ...
Bevor es zur Trennung von AIP kam war Quarry allerdings noch gezwungen, Gangsterboss Morgan in dem Blaxploitation-Zombieflick Sugar Hill (1974) zu spielen. Eine Rolle, die eigentlich für einen schwarzen Darsteller geschrieben worden war, und in der er Sprüche wie "Listen Fabulous, I may make an honest nigger out of you yet" von sich geben musste ... Quarrys Kommentar zu dem Flick:
If Sam went out and had his cleaning lady write a movie, it couldn’t have been any worse than this piece of junk they dumped on me. And everything was judged by Mrs. Arkoff, who sat home and ate chocoaltes and read paperbacks all her life.
Doch so sehr man Quarrys Unmut auch nachvollziehen kann, letztlich war es nicht Sam Arkoff, der für das Ende seiner kurzen Horrorkarriere verantwortlich war, auch wenn selbiges durch ihn möglicherweise eine besonders unrühmliche Gestalt erhielt. Im Horror der 60er Jahre hätte Quarry möglicherweise zu einem Star werden können, wenn auch vielleicht nicht zu einem der ganz Großen vom Rang eines Vincent Price, Peter Cushing oder Christopher Lee. Was seiner werdenden Karriere den Boden entzog, war der Wandel im Genre. Eine Entwicklung, auf die Produzenten wie Arkoff keinen Einfluss hatten. Die Filme, in denen er mitwirkte, waren Produkte einer Übergangszeit. Und so bedauernswert es auch ist, dass Quarry nie die Gelegenheit erhielt, sein ohne Zweifel vorhandenes Talent weiter zu entfalten, so folgerichtig wirkt es irgendwie doch auch, dass der Star dieser Filme bloß für die kurze Zeit des Wandels – als das Alte noch nicht ganz gestorben, das Neue noch nicht zu voller Größe herangewachsen war – ein Star sein durfte.


PS: Dem bizarren Count Yorga - Charles Manson - Mix Deathmaster werde ich einen eigenen kurzen Post widmen, mit dem diese Serie dann endgültig abgeschlossen werden soll.

* Jim Moon hat dem oft verspotteten Flick in der zwanzigsten Episode von Hypnobobs eine herzerwärmende Liebeserklärung gemacht.
** Ob das "over-egged" eine Anspielung auf Bösewicht "Egghead" sein sollte, den Vincent Price in der Batman - TV - Serie mit Adam West gespielt hatte? DJ Anderson jedenfalls war das Pseudonym der Schauspielerin Donna Anders, die die weibliche Hauptrolle in Count Yorga spielte.

Samstag, 26. April 2014

Strandgut der Woche

Samstag, 19. April 2014

Strandgut der Woche

Donnerstag, 17. April 2014

Vampire in Amerika (VI): "Scream, Blacula, Scream"

1971 leiteten Melvin Van Peebles Indie-Streifen Sweet Sweetback's Baadasssss Song und Gordon Parks' von MGM produzierter Actionflick Shaft die Blaxploitation-Welle ein, die bis zum Ende des Jahrzehnts anhalten sollte. American International Pictures witterten sogleich die gewinnträchtigen Möglichkeiten, die das neue Genre eröffnete, und produzierten in den nächsten fünf Jahren knapp zwanzig derartiger Streifen, wobei sie mit Filmen wie Coffy (1973), Foxy Brown (1974), 'Sheba, Baby' (1975) und Friday Foster (1975) entscheidend dazu beitrugen, Pam Grier neben Tamara Dobson (Cleopatra Jones) zu einer der Königinnen des Blaxploitation-Kinos zu machen. Zu AIPs allerersten Einträgen in das Genre hatte allerdings der 1972 in die Kinos gelangte Blacula gehört. Die Idee, einen Mix aus Blaxploitation und Post-Yorga-Vampirflick zu drehen, mag erst einmal reichlich absurd wirken {und bei Lichte betrachtet ist sie das natürlich auch}, aber der Streifen spielte über eine Millionen Dollar ein, und wer wollte angesichts einer solchen Summe das Konzept noch groß in Frage stellen? Kein Wunder also, dass das Publikum im Jahr darauf nicht nur in den Genuss einer solchen Kuriosität wie Blackenstein kam, sondern auch mit einem Sequel zu Blacula beglückt wurde: Scream, Blacula, Scream.



Das Blaxploitation-Kino hat mich ehrlich gesagt nie besonders stark angesprochen. Zugegebenrmaßen ist meine Kenntnis des Genres eher beschränkt. Außer der Shaft - Trilogie und ein paar der bekannteren B-Movies wie Cleopatra Jones und Foxy Brown habe ich keinen der Filme gesehen. Aber es hat mich auch zu keiner Zeit gereizt, mein Wissen in dieser Hinsicht groß weiter auszubauen. Ja, die paar Flicks, die ich gesehen habe, waren funky, recht bunt und lebendig, vielleicht sogar ein bisschen rebellisch, aber trotzdem haben sie mir nicht viel gegeben. Auch habe ich mich nie Leuten wie Mark Rahner anschließen können, die glauben, Blaxploitation sei "the most empowering film genre in black history" gewesen. Ich habe eher das Gefühl, dass das Genre zahlreiche alte Stereotypen und Klischees über Schwarze unverändert übernommen und bloß "positiv" umgedeutet hat.. Mein Eindruck des Ganzen ließe sich am besten vielleicht so zusammen fassen: Das Ghetto ist immer noch da, aber das Ghetto ist jetzt plötzlich cool.

Doch lassen wir diese allgemeinen Überlegungen {für die ich – wie gesagt – ohnehin nicht wirklich qualifiziert bin} einmal beiseite. Wie steht es konkret um das zweite Abenteuer des untoten afrikanischen Fürsten Mamuwalde im Los Angeles der 70er Jahre?
Nun ja ... es gibt zwei Gründe, warum Scream, Blacula, Scream ein Film ist, den man zwar nicht unbedingt gesehen haben muss, der aber doch für einen leidlich unterhaltsamen Abend sorgen kann. Und diese beiden heißen William Marshall und Pam Grier.

Trek-Fans wie ich werden Marshall vermutlich zum ersten Mal in seiner Rolle als Dr. Richard Daystrom aus der TOS-Episode The Ultimate Computer kennengelernt haben, doch der 1924 in Gary/Indiana geborene Schauspieler war ein wirklich bemerkenswerter Künstler und alles andere als ein typischer Exploitation-Darsteller oder bloßer TV-Mime. Nach seiner Ausbildung am Actors Studio, dem American Theatre Wing und Sanford Meisners Neighbourhood Playhouse, hatte er 1944 sein Broadway-Debüt in Carmen Jones, Oscar Hammersteins Verpflanzung der Bizet-Oper in das afroamerikanische Milieu der Weltkriegszeit. gegeben 1951 übernahm er als "De Lawd" in einer Inszenierung von Marc Connellys The Green Pastures erstmals eine Hauptrolle. Zwei Jahre später stand er zum ersten Mal als Othello auf der Bühne, eine Rolle, die er im Laufe seiner Karriere mindestens sechsmal spielen sollte, und die ihm die Bewunderung zahlreicher Theaterliebhaber einbrachte. Der bekannte britische Kritiker Harold Hobson erklärte ihn zu "the best Othello of our time" und schrieb in der Sunday Times über seine Verkörperung des Mohren von Venedig:
...nobler than [Godfrey] Tearle, more martial than [John] Gielgud, more poetic than [Frederick] Valk. From his first entry, slender and magnificently tall, framed in a high Byzantine arch, clad in white samite, mystic, wonderful, a figure of Arabian romance and grace, to his last plunging of the knife into his stomach, Mr Marshall rode without faltering the play's enormous rhetoric, and at the end the house rose to him
William Marshalls künstlerischer Werdegang war aufs engste verknüpft mit den sozialen Kämpfen der Bürgerrechtsbewegung und dem damit verbundenen Ringen um ein neues schwarzes Selbstbewusstsein. Wie seine langjährige Freundin Anita Rutzky erzählt hat, zeichnete er sich vor allem durch "his devotion and interest in the presentation of great black leaders of the past" aus: "He wanted the world to hear them because they weren't in the textbooks." Marshalls vielleicht bedeutendster Beitrag in dieser Hinsicht war seine Verkörperung des großen Abolitionisten Frederick Douglass in dem 1983 ausgestrahlten Fernsehfilm  Frederick Douglass: Slave and Statesman, den er selbst koproduziert hatte. Anschließend kreierte er eine Bühnenfassung, mit der er über ein Jahrzehnt lang in zahlreichen Theatern der USA auftrat. "That was the theme of his work", wie seine Lebensgefährtin Sylvia Jarrico, die Exfrau von Drehbuchschreiber Paul Jarrico (einem der Opfer der Schwarzen Listen), erklärt hat.
Hollywood gab William Marshall nie so recht die Möglichkeit, sein Talent auch auf der Leinwand voll zu entfalten. Rollen wie die eines Rebellen im revolutionären Haiti in Jean Negulescos Lydia Bailey (1952) oder eines "Mau-Mau" - Anführers* in Richard Brooks' Something of Value (1957) mögen seinen eigenen Anliegen zumindest ein wenig entgegengekommen sein, doch eine echte Kinokarriere blieb ihm stets verwehrt. Tatsächlich dürfte Blacula/Mamuwalde seine mit Abstand bekannteste Filmrolle gewesen sein.
Interessanterweise berichtet Simone M. Sebastian in ihrem Nachruf auf den Schauspieler, Marshall sei ein erklärter Gegner des Blaxploitation-Films gewesen. Unwahrscheinlich ist das nicht, vertraten viele schwarze Bürgerrechtsorganisationen wie die NAACP und die Southern Christian Leadership Conference doch ganz dieselbe Ansicht und gründeten sogar eine offizielle "Coalition Against Blaxploitation". Kein Wunder also, dass Marshall das Angebot von AIP, einen "schwarzen Dracula" zu spielen, Sylvia Jarrico zufolge erst einmal als Witz auffasste. Erst nachdem das Drehbuch seinen Vorstellungen gemäß umgearbeitet worden war, zeigte er sich bereit, die Rolle zu übernehmen. Es war Marshalls Idee, aus dem Vampir einen ehemaligen afrikanischen Fürsten zu machen, der in seinem Kampf gegen den Sklavenhandel die Hilfe Draculas erbittet, von dem transsylvanischen Rassisten stattdessen jedoch gedemütigt und in einen Untoten verwandelt wird.

Diese Hintergrundsgeschichte spielt im Sequel Scream, Blacula, Scream zwar keine so große Rolle mehr, doch erneut verleiht William Marshall seinem Vampir eine Würde und Ernsthaftigtkeit, wie man sie in einem Flick dieser Art eigentlich nicht erwarten würde. Beinahe bekommt das Gefühl, die Verachtung, die Blacula-Mamuwalde all den mehr oder weniger lächerlichen Gestalten, mit denen er sich im Verlaufe der Handlung herumschlagen muss, entgegenbringt, sei eine Widerspiegelung der Verachtung, die Marshall für die klischeehaft gezeichneten Figuren empfunden haben muss, die diesen in vielem halt doch typischen Blaxploitation-Film bevölkern.
Dass ihm anders als im ersten Blacula-Streifen dabei Pam Grier zur Seite gestellt wurde, reicht allein schon aus, um Kim Newmans Urteil, dies sei der bessere der beiden, zu rechtfertigen. Zwar darf Grier hier keine ihrer kultigen Kickass-Heldinnen à la "Coffy" Coffin oder Foxy Brown spielen, doch ihr starkes Charisma und ihre lebendige Ausstrahlung bleiben ihr auch in der Rolle der Voodoo-Priesterin Lisa Fortier erhalten.
Aber selbst die besten Schauspieler und Schauspielerinnen können aus einem mittelmäßigen Drehbuch kein cineastisches Meisterwerk machen. Und das Material, mit dem Marshall und Grier hier arbeiten mussten, war wirklich alles andere als großartig. Dabei ist die Grundidee von Scream, Blacula, Scream gar nicht einmal so uniteressant. Der wiedererweckte Blacula sehnt sich danach, vom Fluch des Vampirismus befreit zu werden, und sucht deshalb die Hilfe von Lisa Fortier. Leider jedoch erlaubt das Drehbuch Marshall nicht, die innere Zerrissenheit des Untoten auf glaubhafte Weise darzustellen. Wenn Mamuwalde Lisa sein Herz ausschüttet,  bekommen wir zwar zu hören, dass es ihn quäle, regelmäßig zu einer blutgierigen Bestie zu werden, doch wir haben diesen seelischen Konflikt im Verlaufe des Filmes nicht zu sehen bekommen. Im Grunde präsentiert uns dieser zwei völlig unterschiedliche Charaktere. Den brutalen Blacula, der reihenweise Leute tötet und in Vampire verwandelt, und den leidenden Mamuwalde, der sich nach Erlösung sehnt und in seine afrikanische Heimat zurückkehren will. Zwischen den beiden besteht keine wirkliche Verbindung. Zu keinem Zeitpunkt wird uns anschaulich das Gefühl vermittelt, dass der Vampir seine Bluttaten tatsächlich bereuen würde. Und damit verliert auch das große Finale, in dem Mamuwalde offenbar endgültig zu einer tragischen Figur gemacht werden sollte, seine dramatische Wirkung. Der Zuschauer wird den untoten Fürsten nicht wirklich bemitleiden können, wenn ihm dieser nicht durch die vorangehende Handlung sympathisch gemacht worden ist.
Von dieser zentralen Problematik einmal abgesehen, gibt es nur wenig über Scream, Blacula, Scream zu berichten. Der Film enthält einige neckische Szenen, so etwa, wenn der eitle Willis, der Mamuwalde wiedererweckt hat, entsetzt darüber ist, dass er sich als Vampir nicht mehr im Spiegel sehen und kontrollieren kann, ob seine coolen Klamotten auch richtig sitzen. Der für Blaxploitation-Filme übliche "sozialkritische" Kommentar am Rande fällt hingegen eher peinlich aus. Auf L.A.s nächtlichen Straßen begegnet Blacula einer schwarzen Prostituierten, deren Annäherungsversuche er brüsk zurückweist. Kurz darauf tauchen die beiden gleichfalls schwarzen Zuhälter des Mädels auf, und unser Vampir killt sie, nachdem er ihnen erklärt hat, sie seien immer noch "Sklavennaturen", die sogar ihre eigenen "Schwestern" ausbeuten würden. Sorry, aber in meinen Augen wirkt das nicht wie eine ernstzunehmende Kritik an sozialen Missständen, sondern wie das schamlose Anbiedern an die rebellische Geisteshaltung der schwarzen Jugend jener Zeit, mit dem Ziel, dieser ein paar ihrer nicht gerade im Überfluss vorhandenen Dollars aus der Tasche zu locken.

Alles in allem ist Scream, Blacula, Scream in meinen Augen zwar ein leidlich unterhaltsamer Streifen. Dennoch frage ich mich, warum ein Mann wie William Marshall bereit war, in diesem Sequel mitzuwirken. Na ja, ich nehme mal an, auch er musste sich irgendwie seine Brötchen verdienen ..


*Als "Mau-Mau" bezeichnete die britische Regierung alle, die sich an dem antikolonialen Aufstand der Kikuyu im Kenia der 50er Jahre beteiligten, um auf diese Weise das Bild einer Horde primtiver Wilder in der westlichen Öffentlichkeit zu evozieren. Die Mitglieder von LFA (Land Freedom Army) und KCA (Kikuyu Central Association) nannten sich selbst nie so.

Sonntag, 13. April 2014

Vampire in Amerika (V): "The Velvet Vampire"

Erst beim dritten Anlauf ist es mir gelungen, Stephanie Rothmans The Velvet Vampire aus dem Jahre 1971 von Anfang bis Ende anzuschauen. Das klingt jetzt vermutlich eher abschreckend, aber auch wenn ich nicht ganz verstehe, warum der Film zu einem Kultklassiker geworden ist, lohnt er in seiner Mischung aus Exploitation, Counterculture-Psychedelik und {angeblich} feministischen Untertönen doch auf jedenfall einen Besuch. Und dass Rothman eine talentierte Filmemacherin gewesen ist, darf außer Zweifel stehen.
Was mich bei meinen ersten beiden Versuchen schon nach zehn-fünfzehn Minuten wieder abschalten ließ, war zweierlei: Zuerst einmal beginnt der Streifen mit einer versuchten Vergewaltigung. Zwar habe ich kein grundsätzliches Problem mit der Darstellung von sexueller Gewalt, aber leider hatte ich das sehr deutliche Gefühl, dass diese Szene für die ganze weitere Handlung keine Bedeutung haben würde. {Ein Verdacht., der sich mehr oder weniger bestätigen sollte}. Und auf diese Art "Exploitation" hatte ich gerade so überhaupt keine Lust.
Der zweite Punkt: Unser Protagonistenpärchen Lee und Susan wird von Darstellern verkörpert, deren schauspielerisches Talent man bestenfalls als mittelmäßig bezeichnen kann. Michael Blodgett ist dank seiner Rolle als Gigolo Lance Rocke in Russ Meyers Beyond the Valley of the Dolls (1970) für Schlock-Freunde zwar kein Unbekannter (1), aber gerade in den frühen Szenen von The Velvet Vampire ist die Leistung, die er und Sherry Miles abliefern, wirklich unterirdisch mies. So richtig besser wird es zwar auch später nicht, aber sobald der Film seine echten Stärken zu entfalten beginnt, fällt das hölzerne Spiel der beiden nicht mehr ganz so schwer ins Gewicht.

Stephanie Rothman ist eine faszinierende Figur des amerikanischen Exploitation-Kinos der 60er/70er Jahre. Sie studierte Film an der University of Southern California (USC) und erhielt als erste Frau überhaupt das Stipendium der Directors Guild of America. 1964 wurde Roger Corman auf sie aufmerksam:
He hired me as his assistant and put me to work immediately on low-budget independent films that he was personally financing, or that he had bought completed but that still needed further improvement. I did everything: write new scenes, scout locations, cast actors, direct new sequences and edit final cuts. It was a busy, exhilarating time. - See more at: http://henryjenkins.org/2007/10/stephanie_rothman.html#sthash.6R69evN4.dpuf
He hired me as his assistant and put me to work immediately on low-budget independent films that he was personally financing, or that he had bought completed but that still needed further improvement. I did everything: write new scenes, scout locations, cast actors, direct new sequences and edit final cuts. It was a busy, exhilarating time. (2)
He hired me as his assistant and put me to work immediately on low-budget independent films that he was personally financing, or that he had bought completed but that still needed further improvement. I did everything: write new scenes, scout locations, cast actors, direct new sequences and edit final cuts. It was a busy, exhilarating time. - See more at: http://henryjenkins.org/2007/10/stephanie_rothman.html#sthash.6R69evN4.dpuf
Wie für so viele andere talentierte Filmemacher wurde Corman auch für Stephanie Rothman zu einem wichtigen Mentor und Förderer, dem sie sich auch Jahrzehnte später immer noch in Dankbarkeit verbunden fühlt. Wie sie 2008 anlässlich einer Vorführung von The Velvet Vampire am UCLA Center for the Study of Women erklärt hat:
Working for Roger was really wonderful. He just threw me into the swimming pool and I had to swim. He was very encouraging. I know that some people came away from their experience with him a little bitter, but I personally found him to be very encouraging. Really, he gave me the self-confidence to do what I needed to do. He was thoroughly behind me. He was, as I’ve said before, the only mentor I ever had, and until my last breath I will be very grateful to him for that.
Nachdem sie bei einer ganzen Reihe der nachträglich produzierten Szenen für Blood Bath (3) die Regie geführt hatte, übertrug ihr Corman mit It's a Bikini World ihren ersten vollständig eigenen Regieauftrag, bei dem sie außerdem Co-Autorin des Drehbuchs war. Als einer der letzten sog. "Beach Party" - Filme war der 1965 gedrehte, aber erst zwei Jahre später in die Autokinos gelangte Streifen allerdings kein großer Erfolg, und für die angehende Filmemacherin war die Arbeit an ihm offenbar eine eher frustrierende Erfahrung:
I became very depressed after making It's a Bikini World. I had very ambivalent feelings about continuing to be a director if that was all I was going to be able to do. So I literally went into a kind of retirement for several years until more than anything in the world, I wanted to make films.
Wie in allen ihren späteren Werke versuchte Rothman bereits in ihrem ersten Film, einen typischen B-Movie - Stoff mit einer persönlichen stilistischen Note zu versehen und dabei zugleich die gängigen Klischees und Stereotypen des Genres kritisch zu unterlaufen. In ihren eigenen Worten:
Girls in beach pictures were usually very passive. The idea that she would assume her athletic prowess could be as good as his was very alien. We wanted a story in which the two characters each had a very strong sense of self-esteem: the boy not wanting to admit that the girl could be as worthy as he, the girl not willing to let him believe that he was better than her.
Wie gut ihr die Umsetzung dieser für einen B-Movie der Zeit radikal anmutenden Idee tatsächlich gelungen ist, kann ich nicht beurteilen, da ich den Film nicht gesehen habe.
Als Roger Corman American International Pictures verließ und zusammen mit seinem Bruder Gene 1970 New World Pictures gründete, begleitete ihn Stephanie Rothman und drehte für die neue Firma ihren zweiten Film The Student Nurses, in dem sie erneut einen typischen Exploitation-Stoff mit eigenen, sozialkritischen Ideen zu verknüpfen versuchte. So thematisiert der Film neben den erwartungsgemäß im Zentrum stehenden Beziehungsgeschichten der vier Protagonistinnen u.a. die prekäre Lage mexikanischer Einwanderer und das Recht auf Abtreibung. Student Nurses wurde ein kleiner Hit, doch die Filmemacherin war nicht daran interessiert, auch bei einem der alsbald produzierten Sequels die Regie zu übernehmen.

Angeblich war es der große Erfolg von Harry Kümels Daughters of Darkness (Les lèvres rouges), der im Mai 1971 in New York angelaufen war, welcher Cormans Geschäftspartner Larry Woolner auf die Idee brachte, dass New World Pictures gleichfalls einen "erotischen" Vampirfilm produzieren sollte. Und so setzten sich Stephanie Rothman und ihr Ehemann Charles S. Swartz hin, und entwickelten ein entsprechendes Script, wobei sie ganz bewusst darauf verzichteten, den europäischen Typus des Vampirfilms nachzuahmen, und die Handlung stattdessen im Hippie-Kalifornien ihrer Zeit ansiedelten. Im Oktober desselben Jahres hatte The Velvet Vampire seine US-Premiere:



Der Plot ist denkbar simpel: Auf einer Vernissage in L.A. {bei der Blues-Musiker Johnny Shines seinen Song Evil Hearted Woman vorträgt!} lernt das junge Ehepaar Lee (Michael Blodgett) und Susan (Sherry Miles) Ritter die mysteriöse Diane LeFanu (Celeste Yarnall) kennen. (4) Ihrer Einladung folgend besuchen sie die bleiche, divenhafte Schönheit auf ihrem mitten in der Mojave-Wüste gelegenen Landsitz. Es dauert nicht lange, und alle beide sind drauf und dran, der verführerischen Vampirin zu verfallen, derweil sich um sie herum die Todesfälle zu häufen beginnen. Denn Dianes Hunger nach Blut scheint außer Kontrolle geraten zu sein ...

Das klingt jetzt vermutlich nicht fürchterlich originell, und ehrlich gesagt, ist es das auch nicht. Dennoch besitzt der Film ohne Zweifel seine starken Seiten.
Da wäre zuerst einmal das ungewöhnliche Setting. Eine sonnendurchflutete Wüstenlandschaft mit verfallenen Geisterstädten, aufgegebenen Bergwerken und halb unter dem Sand begrabenen Grabsteinen bildet einen deutlichen Gegensatz zu den mondbeschienen oder nebelverhangenen Schauplätzen des klassisch-"gotischen" Vampirfilms. Zusammen mit Roger Dollarhides psychedelischen Gitarrenklängen schafft dies eine ganz eigene, faszinierende Atmosphäre.  Und in den erotischen Träumen, die unser Protagonistenpärchen Nacht für Nacht durchlebt,  verwandelt sich die Mojave dann endgültig in die bizarre Welt eines LSD-Trips.
In gewisser Hinsicht ist The Velvet Vampire sehr deutlich das Produkt einer spezifischen historischen Epoche. Die Musik; das Kostümdesign (5); die Mischung aus Vernissage und Happening am Anfang des Films; der Dune Buggy, mit dem Diane durch die Wüste braust; das zumindest angedeutete Ethos der "freien Liebe" ... all das atmet unverkennbar den Geist der 60er und frühen 70er Jahre. Und es trägt sehr viel zum Charme des Streifens bei. Dennoch ist The Velvet Vampire mehr als bloß ein kurioses Kulturrelikt aus der Zeit von Hippies und Counterculture.   
Wie stets versuchte Stephanie Rothman auch bei ihrem Ausflug in die Gefilde des Horrors, im Rahmen eines oberflächlich betrachtet konventionellen B-Movies einige der Konventionen des Genres auszuhebeln. Dabei ging es ihr vor allem darum, der passiven Opferrolle, die Frauen im klassischen Vampirfilm für gewöhnlich zu spielen hatten, eine aktivere Alternative entgegenzustellen. Wie sie selbst es beschrieben hat:
[W]hile in the Dracula films, both men and women were the victims of vampires, it was the women who always seemed to endure the ecstasy of having their blood sucked while lying passively in their beds. If men were assaulted by vampires, it was usually while battling them, and they either destroyed the vampire, or met a violent death themselves. So I decided to reverse this convention, and have the man enjoy a masochistic orgasmic death by vampire while the woman battled back.
Der Versuch, die überkommenen Geschlechterrollen umzukehren und die Frau vom hilflosen Opfer zur aktiven Kämpferin zu machen, erscheint zuerst einmal recht sympathisch. Unglücklicherweise jedoch geht dieses subversive Konzept in The Velvet Vampire nicht so recht auf. Am Ende ist es zwar tatsächlich Susan, die sich zur Wehr setzt und für Dianes Vernichtung sorgt, aber der Eindruck, der dabei entsteht, stimmt nicht mit der hier von Rothman beschriebenen Zielsetzung überein.  
Ein Grund dafür ist, dass Sherry Miles, wie bereits gesagt, eine ziemlich miserable Schauspielerin ist. Weder gelingt es ihr, irgendeine tiefergehende Sympathie für Susan in uns zu wecken, noch besitzt sie genügend Ausstrahlung, um auf überzeugende und mitreißende Weise eine Frau zu verkörpern, die gegen die gängigen Genderklischees rebelliert. Ihr Charakter bleibt einfach viel zu blass, um die Botschaft zu transportieren, die Rothman ihr offenbar zugedacht hatte.
Sehr viel schwerwiegender ist jedoch der Umstand, dass die von der Filmemacherin intendierte Umkehrung sexistischer Klischees nur dann hätte wirklich funktionieren können, wenn das Szenario, ganz im Geiste der klassischen Vampirgeschichten, einen eindeutigen Kampf zwischen Gut und Böse darstellen würde. Mit anderen Worten: Diane hätte zweifelsfrei als eine Person dargestellt werden müssen, deren Tod wir als Zuschauer begrüßen. Doch genau das ist nicht der Fall. Die Vampirin hinterlässt vielmehr einen äußerst ambivalenten Eindruck. Der Film wird dadurch sehr viel interessanter, doch untergräbt diese Charakterisierung das von Rothman oben formulierte Anliegen, denn zumindest meine Sympathien lagen am Ende eher bei Diane als bei Susan.

Auf den ersten Blick mag das merkwürdig klingen, scheint diese doch in der Tat nichts anderes als eine amoralische, kaltblütige Killerin zu sein, die unsere beiden naiven "Helden" erst sexuell verführt, um ihnen anschließend die Kehlen aufzureißen. Doch eine so oberflächliche Betrachtungsweise wird der Figur einfach nicht gerecht. Zuerst einmal gelingt es Celeste Yarnall der von ihr verkörperten Figur ein sehr viel größeres Charisma zu verleihen, als es ihre "Opfer" besitzen. Grund hierfür mag ganz einfach der Umstand gewesen sein, dass sie offensichtlich über ein größeres schauspielerisches Talent verfügte, als Blodgett und Miles. Doch hinzukommt die Art und Weise, in der Stephanie Rothman ihre "böse" Protagonistin in Szene setzt. Diane soll ganz offensichtlich faszinierend wirken.
Für sich genommen wäre dies freilich nicht ausreichend, um Sympathie für sie zu empfinden. Auch Dracula, verkörpert von Bela Lugosi oder Christopher Lee, besitzt eine geradezu hypnotische Ausstrahlung, ohne dass wir deshalb Mitleid für den untoten Grafen empfinden würden, wenn Van Helsing den Holzpflock ansetzt. Auch ließe sich argumentieren, Diane solle den Typus der bösen Verführerin und Femme Fatale verkörpern, die ihre Opfer moralisch korrumpiert, um schließlich ihren Untergang herbeizuführen. Als solche müsse sie natürlich faszinierend wirken, doch bedeute dies noch lange nicht, dass wir ihr Mitleid oder Sympathie entgegenbringen sollten. Eher das Gegenteil.
Vor allem letzteres Argument entbehrt nicht einer gewissen Berechtigung. Die bleiche Vampirschönheit ist eine Verführerin. Aber bedeutet das automatisch, dass wir Lee und Susan deshalb als Vertreter moralischer "Unschuld" betrachten müssten, die von ihr korrumpiert werden? Gegen eine solche Interpretation spricht für mich vor allem die Art, in der der Film mit Dianes Bisexualität umgeht. Traditionellerweise würde der Umstand, dass sie nicht nur Männer, sondern auch Frauen sexuell begehrt, als Beweis für ihren "verdorbenen" Charakter dargestellt werden. Doch in The Velvet Vampire ist dies nicht der Fall. Nicht nur, dass sich in Rothmans Präsentation dieses Motivs nichts entsprechendes finden lässt, auch ihre Charaktere gehen völlig entspannt mit dem Thema um. Wenn Susan entdeckt, dass ihr Mann mit Diane geschlafen hat, "rächt" sie sich, indem sie ihm deutlich zu verstehen gibt, dass auch sie einer Liebesnacht mit ihrer beider Gastgeberin nicht abgeneigt wäre. Lee ist davon nicht eben begeistert, doch der Grund hierfür ist ausschließlich Eifersucht, nicht, dass Susan Interesse daran zeigt, Sex mit einer Frau zu haben.
Von Kritikerseite her ist Dianes Sexualität recht unterschiedlich aufgefasst worden. Thomas M. Sipos zitiert in seiner Besprechung des Films Robert Marreros Vampire Movies, in dem dieser schreibe, die Vampirlady habe "no quarrels about drinking male blood", aber es sei "quite obvious that she prefers women for sex." Interessanterweise paraphrasiert das 1994 erschienene Buch damit im Grunde bloß eine Passage aus Kim Newmans Nightmare Movies, in der der britische Autor die untoten Heldinnen von Daughters of Darkness und The Velvet Vampire als "chic lady vampires" beschreibt, "who have no objection to drinking male blood but prefer women as sex partners and companions for eternity." (6) Ob Marrero da einfach abgeschrieben hat? Wie dem auch sei, Sipos sieht das Ganze jedenfalls etwas anders: "Well, it's not obvious to me. Diane has a male housemate, and her initial flirtations are directed toward Lee, not Susan. Whatever pillow talk she may impart to Susan, Diane's actions speak louder than her words." Ich würde Sipos insoweit recht geben, als auch ich keinerlei Anzeichen dafür entdecken kann, dass Diane Sex  mit Männern nicht ebenso genießen würde wie mit Frauen. Dennoch würde ich mich Newman in dem Punkt anschließen, dass für die Vampirin nur eine Vertreterin des weiblichen Geschlechtes in Frage kommt, wenn es darum geht, eine wirkliche "Gefährtin für die Ewigkeit" zu suchen. Diesen Eindruck zumindest hat vor allem die letzte Viertel Stunde des Films bei mir hinterlassen.
Oberflächlich betrachtet wiederholt Diane zwar erst einmal bloß die Verführungsroutine, die sie zuvor bereits bei Lee angewandt hat, doch als es Susan gelingt, ihr zu entkommen, verfolgt sie sie bis nach Los Angeles. Das allein wirkt bereits merkwürdig. Wir wissen zwar, dass Diane von einem immer mächtigeren Verlangen nach Blut beherrscht wird, aber ist es wirklich nur dieser animalische Trieb, der sie dazu bringt, der jungen Frau bis nach L.A. zu folgen? Sie kann sich schließlich nicht mitten im Menschengewühl der Großstadt auf sie stürzen und ihr die Kehle zerfetzen. Und dann kommt es zu einer der für mich eindringlichsten Szenen des ganzen Filmes. Susan hat sich im Busbahnhof von L.A. in eine Telefonzelle geflüchtet, um den Galleristen Carl Stoker anzurufen. Als sie ihr Gespräch beendet hat, steht Diane vor der Zelle. Erneut gelingt es Susan, der Vampirin zu entkommen, wobei deren Arm in der Tür der Zelle eingeklemmt wird. Und für einen winzigen Augenblick bekommen wir Dianes Gesicht zu sehen, auf dem ein Ausdruck tiefster Sehnsucht und Verzweifelung liegt. Es ist dieser, bloß Sekunden andauernde Moment, der mich endgültig davon überzeugt hat, dass die Vampirin Susan nicht primär aus Blutgier jagt, sondern dass es sie nach etwas ganz anderem verlangt. Wenig später folgt die fantastische und verstörende Schlussszene (7), in der Susan zusammen mit einer Gruppe von Jesusfreaks Diane mit Hilfe von Kruzifixen im wahrsten Sinne des Wortes "in die Knie" zwingt und ihr den Mantel vom Körper reißt, um sie den quälenden Strahlen der Sonne auszusetzen, die sie schließlich töten. Nichts an dieser Szene hat in mir das Gefühl aufkommen lassen, dem Triumph des Guten über eine Kreatur der Finsternis beizuwohnen. Ich musste dabei eher an eine Hexenverbrennung denken.

Es dürfte unmöglich sein, den Charakter Dianes eindeutig aufzuschlüsseln. The Velvet Vampire steckt voller Widersprüche. Zum Teil ist das ganz sicher dem Umstand geschuldet, dass Stephanie Rothman gezwungen war, in vielen Punkten den Konventionen des Exploitation-Films zu folgen. Die Verhältnisse, unter denen sie arbeitete, erlaubten es ihr nicht, ihre eigenen Ideen hundertprozentig umzusetzen. Bestenfalls konnte sie hier und da ein paar eigene Motive und Schattierungen hinzufügen.
Dies ist vermutlich nicht der einzige Grund für den etwas wirr und unausgegoren wirkenden Charakter des Filmes. Doch wie dem auch sei, wenn er tatsächlich ein subversives und irgendwie "feministisches" Element enthalten sollte, dann muss man dieses meiner Meinung nach nicht in Susan, sondern in Diane suchen. Wenn sie in ihrem Buggy über die Dünen herangebraust kommt, vermittelt sie den Eindruck, eine selbstbewusste und unabhängige Frau zu sein, die tut, was sie will, und sich nimmt, was ihr gefällt. Zugleich jedoch ist sie eindeutig eine Außenseiterin. Auch wenn sie ab und an nach L.A. fährt, um irgendwelche Vernissagen zu besuchen, ist es ihr doch unmöglich, auf Dauer ihr Wüstenrefugium zu verlassen. Der Grund, den der Film dafür angibt, erscheint reichlich unsinnig, aber das ist nicht der Punkt. Entscheidend ist, dass sie damit als jemand charakterisiert wird, der kein Teil der existierenden Gesellschaft werden kann. Und so hat die Schlusssequenz auf mich denn auch in erster Linie wie die Vernichtung der "Anderen" durch die Vertreter der offiziellen Moral gewirkt. Jesusfreaks mögen als Verkörperungen des "Establishments" zwar eher ungeeignet erscheinen, doch dominiert in dieser Szene vor allem das Symbol des Kreuzes. Und wofür dieses zumindest in der amerikanischen Gesellschaft hauptsächlich steht, braucht wohl keine weitere Ausführung. Und wenn man sich dann noch in Erinnerung ruft, dass der Film mit der versuchten Vergewaltigung Dianes begonnen hat, stellt sich mit einemmal ein äußerst verstörendes Gefühl ein ...       
          

(1) Russ Meyers Oeuvre bildet für mich noch weitgehend unbekanntes Territorium. Ich kann darum nicht sagen, ob Blodgetts Leistung in Beyond the Valley of the Dolls merklich besser gewesen ist.
(2) Henry Jenkins: Exploiting Feminism: An Interview with Stephanie Rothman (Part One)  
(3) Nicht Mario Bavas besser unter den Titeln Bay of Blood oder Twitch of the Death Nerve bekannter Proto-Slasher von 1971, sondern dieser Flick. 
(4) Subtilität in der Namensgebung gehört nicht zu den Stärken dieses Films. Der Besitzer der Gallerie heißt Carl Stoker!
(5) Thomas M. Sipos' Besprechung des Films enthält einige sehr interessante Beobachtungen zu den Kostümen.
(6) Kim Newman: Nightmare Movies. A Critical History of the Horror Film 1968-88. S. 28.
(7) Genaugenommen ist es nicht die Schlussszene, aber der sich anschließende finale Twist ist so dumm, dass ich beschlossen habe, ihn für mich aus dem Film zu streichen. 

Samstag, 12. April 2014

Strandgut der Woche