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Montag, 22. Oktober 2012

Schlockfest auf Camelot (III)

Ich fühle mich gerade ein bisschen so wie Artus' prahlerischer Seneschall Keie, der in so vielen Artusromanen des Mittelalters bei einem Ausritt dem eigentlichen Helden der Geschichte begegnet und diesen mit hochfahrenden Reden zum Kampf herausfordert, nur um auf besonders demütigende Weise bezwungen zu werden.
Vor zwei Wochen habe ich hier vollmundig verkündet, ich werde mich aufmachen und mir alle vier Staffeln von Merlin in einer Art Megamarathon reinziehen. Doch dann – ich befand mich grade im letzten Drittel der dritten Staffel – begegnete mir der Schwarze Ritter von FremantleMedia und bereitete meiner Aventiure ein ebenso jähes wie unrühmliches Ende. Eine Warnung, sich nicht leichtfertig mit den Fürsten des Copyright anzulegen? Magische Vergeltung für eine kurze Pause, die ich trotz all meiner Reden über "am Stück anschauen" eingelegt hatte? Strafe dafür, dass ich die Serie als Trash und Schlock bezeichnet hatte, was ihr in der Tat nicht gerecht wird, wenn man sie mit echtem TV-Schlock wie Sinbad, Beastmaster oder Lost World vergleicht? Wie auch immer, die Sælde war jedenfalls nicht mit mir auf dieser Ritterfahrt.
Nach diesem brutalen Ende meiner Aventiure hätte ich ehrlich gesagt gut Lust, kein weiteres Wort mehr über Merlin zu verlieren. Gerade weil ich  mich von der Serie sehr gut unterhalten gefühlt habe. Es ist halt irgendwie frustrierend zu wissen, dass ich bis auf Weiteres keine Möglichkeit haben werde, mitzuerleben, wie es weitergehen wird mit Merlin, Arthur, Gaius, Gwen, Uther und Morgana. Ein paar der Gedanken, die mir beim Anschauen der zweiten und dritten Staffel gekommen sind, will ich dennoch rasch zum Besten geben.

Wie ich bereits das letzte Mal erklärt habe, bildet die Beziehung zwischen Merlin und Arthur das Herz der Serie. Diese Beziehung  nimmt spätestens im Verlauf der zweiten Staffel mehr und mehr die Züge einer Screwball-Comedy an, was keineswegs negativ gemeint ist. Das Zusammenspiel und die Dialoge von Colin Morgan und Bradley James sind oft die Höhepunkte einer Episode. Dass die Beziehung zwischen Prinz und Diener dabei einen – vermutlich unbeabsichtigten, aber nichtsdestoweniger deutlichen – homoerotischen Unterton erhält, ist zumindest für mich kein Grund zur Kritik. Dennoch zeigt sich genau an dieser zentralen Stelle sehr bald auch die grundlegende Problematik der Serie. Sie basiert auf einer Figurenkonstellation, die bereits ganz zu Beginn der ersten Staffel eingeführt wurde und nicht mehr grundsätzlich verändert werden darf. Jede tiefgreifendere Veränderung der Beziehung zwischen dem Prinzen und seinem Leibdiener würde das Fundament zerstören, auf dem die ganze Geschichte aufbaut. Damit sind einer wirklichen Entwicklung der Charaktere sehr enge Grenzen gesetzt. Außerdem erscheint es schon bald immer unrealistischer, dass Arthur nichts davon bemerken soll, dass Merlin mehr ist, als er zu sein vorgibt. Im Grunde muss nach jeder Episode, ganz gleich wie episch die in ihr erzählten Ereignisse waren, der Status quo ante wieder hergestellt werden. Das erinnert ein wenig an die Gesetze der alten TV-Serien episodischen Stils wie etwa Star Trek TOS und (mit einigen Abstrichen) TNG. An sich kein Problem, wenn man weiß, mit welcher Art Serie man es zu tun hat. Doch Merlin will zugleich epische, episodenübergreifende Handlungsbögen aufbauen, und deshalb wirkt das, was in einem anderen Kontext einfach als erzählerisches Gesetz hingenommen werden würde, als ein immer deutlicher ins Auge springender innerer Widerspruch. Ob sich dieser im Verlauf der vierten Staffel nur noch deutlicher aufdrängt oder in irgendeiner Weise abgeschwächt wird, kann ich ja nun leider nicht mehr in Erfahrung bringen. Da sich Merlin jedoch selbst zu Beginn der gerade angelaufenen fünften Staffel noch nicht als Zauberer geoutet hat, vermute ich, dass dies ein Problem bleiben wird.

Abgesehen davon nun noch einige knappe Impressionen:
  • Die mit S02E02 "The Once and Future Queen" beginnende Liebesgeschichte zwischen Arthur und Guinevere unterstreicht zwar noch einmal die Ständeproblematik, verleiht dieser aber keine zusätzliche Tiefe.
  • Die kritische Sicht auf das Thema Schicksal und Auserwähltsein wird leider nicht konsequent ausgebaut.
  • S02E05&06 "Beauty and the Beast" und S03E03 "Goblin's Gold" sind zwar alle recht amüsant, bestätigen aber auch, dass Fürze für sich genommen nicht wirklich witzig sind.
  • Morganas Übergang zur 'dunklen Seite der Macht' wirkt zwar rucklig und sprunghaft, einmal abgeschlossen, gibt sie jedoch eine großartige Gegenspielerin ab. Katie Mc Grath versteht es, ein wunderbar böses Lächeln auf ihre hübschen Lippen zu zaubern.
  • Dass Uther in S03E01&02 "The Tears of Uther Pendragon" nicht von irgendwelchen beliebigen Halluzinationen, sondern von seinen nur zu verständlichen Schuldgefühlen in Bezug auf seine verstorbene Ehefrau und die von ihm im Zuge der großen Hexenjagd Ermordeten gequält wird,  als Morgause und Morgana ihn in den Wahnsinnn zu treiben versuchen, gibt den beiden Episoden und seinem Charakter zusätzliche Tiefe. Auch ist das erste Erscheinen von Igraines Geist im Burgbrunnen echt gruselig.
  • Dass Gwaine in S03E04 "Gwaine" und S03E08 "The Eye of the Phoenix" als eine Art sympathischer Schurke mit einer Liebe zu Alkohol, Glücksspiel und schönen Mädchen sowie einer tiefen Aversion gegen Adel und Autorität auftritt, hat mir als altem Fritz Leiber - Fan natürlich sehr gut gefallen. Auch finde ich es ansprechend, dass die beiden größten Ritter der späteren Tafelrunde (Lancelot & Gawain) als Außenseiter dargestellt werden.
Und damit verabschiede ich mich vorerst von Merlin. Ich glaube, ich werde mich jetzt mal nach Richard Thorpes Knights of the Round Table umschauen. Denn ich denke, auch über diesen Versuch des Hollywoods der 50er Jahre, sich die Artusgeschichte anzueignen, gäbe es einiges interessantes zu sagen  ...

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