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Samstag, 16. Juni 2012

Waaaaaas ?!?!

In Vorbereitung zu einer etwas ausführlicheren Auseinandersetzung mit Frank Weinreichs Aufsatz Von Verfassungen mit und ohne Schwert - Impressionen idealer Herrschaftsformen in Mittelerde als Ausdruck des politischen Verständnisses von J.R.R. Tolkien habe ich vor kurzem einmal wieder dessen Fantasyessays durchgeblättert und bin dabei über folgende eigenwillige Aussage gestolpert: "Nur ganz wenige Autoren, etwa Raymond Feist und sein Midkemia oder Tracy Hickman und Margaret Weis mit der Dragonlance-Saga stehen in engster tolkienscher Tradition und weisen in ihrem Werk trotz enger Verwandschaft stilistische und inhaltliche Autonomie und annähernd tolkiensche Qualität auf. Wäre Tolkien nicht schon gewesen, würden sie eventuell literaturkritische Beachtung finden, nach ihm mußten sie jedoch Mainstream werden."

Bitte was?! Habe ich das jetzt richtig verstanden, und ist der gute Frank tatsächlich der Meinung, die Dragonlance-Bücher von Weis und Hickman wiesen literarische Qualitäten auf?

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich Ende der 80er Jahre diese Schmöker verschlungen habe. Neben den D&D-Gazetteers waren das wohl die ersten längeren Texte in englischer Sprache, die ich unabhängig von der Schullektüre gelesen habe. Insofern haben sie ganz sicher zu meiner Bildung beigetragen. Außerdem werde ich hoffentlich nie das wunderschöne Wochende vergessen, an dem ich zusammen mit einigen Kumpels Drachen der Verzweifelung und Drachen der Flammen gespielt habe. Aber machen solch nostalgische Erinnerungen die Urväter aller RPG-Romane zu literarisch wertvollen Werken?

Vor einiger Zeit habe ich versucht, die Chronciles wieder einmal zu lesen. Das Projekt erwies sich sehr schnell als ebenso undurchführbar wie eine ähnliche Aktion betreffs Terry Brooks' Schwert von Shannara. Nein, es macht ebensowenig Spaß die Notizen zu einer Rollenspielkampagne zu lesen wie ein amateurhaftes Tolkienplagiat.

So richtig zu Bewusstsein gekommen ist mir dabei allerdings wieder, wie ekelhaft spießig die Dragonlance-Bücher in Fragen der Sexualität sind. Da haben wir also auf der einen Seite die böse, brünette, kurzhaarige und promiskuitive Kitiara und auf der anderen die gute, blonde, wallend-lockige und keusche Laurana. Ich glaub, mir wird grad übel ... Dass die Hauptfunktion der beiden darin besteht, den inneren Konflikt des männlichen Helden Tanis wiederzuspiegeln, setzt dem Ganzen die Krone auf.
Wes Geistes Kind diese Bücher sind, verdeutlicht sehr schön die kleine Lektion in ‘Kein-Sex-vor-der-Ehe!’, die uns so ganz nebenbei in Dragons of Autumn Twilight (Kap. II, 9) erteilt wird.
In Kit sind die beiden weiblichen Schreckgespenster der christlichen Konservativen in eins verschmolzen worden: Die ‘Hure’ (=sexuell aktive Frau) und die ‘Emanze’. Kein Wunder, dass sie von allen Bösewichtern das grausigste Schicksal erwartet: Auf ewig die Geliebte des untoten Lord Soth zu sein. Das gute alte Talionsprinzip eben: Wer mit Sex sündigt wird mit Sex bestraft ...  Tracy Hickman ist bekanntlich ein frommer Mormone und für die stinklangweilige Laurana stand angeblich seine Ehefrau Modell.

Ich weiß schon, warum ich Kitiara stets tausendmal cooler gefunden habe. Der Dark Lady würde ich jederzeit den Treueid schwören. 

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