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Sonntag, 13. Mai 2012

"Offers You Cannot Resist"

Amicus' erster Episodenfilm Dr. Terror's House of Horrors von 1964 hat mich wie berichtet nicht gerade vom Hocker gerissen. Unternehmen wir jetzt einen Sprung ins Jahr 1973, als Subotsky & Rosenberg mit From Beyond the Grave ihren letzten im sog. 'Portmanteau' - Format produzierten Horrorstreifen auf den Markt brachten.*

Im selben Jahr kam auch The Exorcist in die Kinos. Sein ungeheurer Erfolg – der Film spielte weltweit die für damalige Verhältnisse gewaltige Summe von über 441 Mio. $ ein – läutete die Totenglocke für den 'klassischen' Horror im Stile von Amicus und Hammer, der sehr schnell als 'zu brav' und 'altbacken' galt. Rückblickend war die Wende schon fünf Jahre zuvor mit George Romeros The Night of the Living Dead gekommen, aber anders als bei Friedkins Schocker war die Wirkung von Romeros Zombieklassiker nicht unmittelbar zu spüren. Sein Weg zu Ruhm und Anerkennung verlief abseits des 'offiziellen' Filmgeschäfts – Autokinos statt Oscar-Gala – und war entsprechend langwieriger.**

So ist From Beyond the Grave aus heutiger Sicht fast so etwas wie der Schwanengesang einer sterbenden Epoche. Und auch wenn er nicht der beste Amicus - Episodenfilm ist, so zeigt er doch, welchen Qualitäten diese Low Budget - Produktionen ihren Platz in der Geschichte des Horrors verdanken.
Da wäre zunächst einmal ein ganzer Trupp wirklich guter Schauspieler und Schauspielerinnen, die zeigen, was sie können: Peter Cushing, David Warner, Ian Bannen, Diana Dors, Donald Pleasance, Angela Pleasance, Ian Carmichael, Margaret Leighton, Ian Ogilvy und Lesley-Anne Down.
Während man bei Amicus wie bei Hammer wert darauf legte, stets einige bekannte Stars dabei zu haben, die den Kassenerfolg sichern sollten, engagierte man für den Job des Regisseurs nicht selten junge und eher unerfahrene Leute, wobei Subotsky & Rosenberg im allgemeinen ein sicheres Händchen bewiesen. In diesem Fall entschieden sie sich für Kevin Connor, der zuvor ausschließlich als Cutter gearbeitet hatte, sich seiner neuen Aufgabe jedoch durchaus gewachsen zeigte.
Der Film enthält eine Reihe atmosphärisch sehr dichter Szenen und Settings, untermalt von der großartig spukigen Musik Douglas Gamelys. Schon seine Variation des Dies Irae, die als Titelmusik dient, verursacht Gänsehaut. Gamely hatte nicht nur für einige frühere Amicus - Produktionen wie Asylum und The Vault of Horror die Musik geschrieben, sondern bizarrerweise auch für Monty Pythons And Now for Something Totally Different.
Und schließlich zeichnet sich auch das Drehbuch in sehr viel höherem Maße als bei Dr. Terror durch Intelligenz und Originalität aus.
Alle vier Episoden basieren auf Kurzgeschichten von R. Chetwynd-Hayes. Um genau zu sein, sie stammen aus seinen Sammelbänden The Unbidden, Cold Terror und The Elemental. Mir persönlich war selbst der Name dieses Autors bis vor kurzem völlig unbekannt, und ich verdanke mein Wissen um ihn einmal mehr dem guten Mr. Jim Moon. In den 70ern und frühen 80ern jedenfalls muss Chetwynd-Hayes als der ‘Prince of Chill’ eine veritable Berühmtheit unter britischen Freunden des Unheimlichen gewesen sein. Bis es ihm ähnlich erging wie Amicus und Hammer: Er fiel dem sich verändernden Publikumsgeschmack zum Opfer. Jim Moon zufolge bestand eine seiner Qualitäten offenbar darin, den traditionellen ‘gotischen’ Horror in die Welt des 20. Jahrhunderts zu überführen. Die Hinterhöfe und Kellerwohnungen der modernen Großstadt treten an die Stelle der altgedienten viktorianischen Landhäuser und mittelalterlichen Burgen. Da ich selbst noch keine von Chetwynd-Hayes’ Stories gelesen habe, kann ich nicht sagen, inwieweit ich dem zustimmen würde. Was From Beyond the Grave angeht, so besteht die Stärke des Films jedenfalls u.a. tatsächlich darin, dass die Geschichten zwar ganz in der klassischen Tradition stehen, aber dennoch einen frischen Zugang zu den überkommenen Themen eröffnen, wozu der Umstand, dass sie sämtlichst in einem modern-kleinbürgerlichen Milieu angesiedelt sind, nicht unerheblich beiträgt.

Aber vielleicht ist es allmählich an der Zeit, etwas näher auf den eigentlichen Inhalt des Filmes einzugehen.
Die Rahmengeschichte dreht sich um einen Antiquätenladen in irgendeinerm abgelegenen Gässchen von London. Besitzer dieses Ladens, dessen Angebote als ‘unwiderstehlich’ angepriesen werden, ist ein pfeiferauchender Peter Cushing. Seine Kunden erhalten (wen wundert’s) mehr als sie sich vorgestellt haben. Die meisten von ihnen versuchen den wunderlichen Händler übers Ohr zu hauen oder verhalten sich anderweitig betrügerisch. Das Schicksal, welches sie ereilt, ließe sich also als ‘gerechte Strafe’ interpretieren. Ich allerdings sehe in dem fragwürdigen Verhalten der Käufer eher einen ersten Hinweis auf deren kleinbürgerliches Wesen. Sie sind entweder irre stolz auf ihre Schlauheit, die es ihnen erlaubt, ein einmaliges Schnäppchen zu machen, oder sie versuchen sich einzubilden, etwas zu sein, was sie in Wirklichkeit überhaupt nicht sind.
Wir wollen uns die Episoden nicht in ihrer chronolgischen, sondern in ihrer qualitativen Abfolge betrachten.
Eine der Geschichten in einem ‘Portmanteau’ - Film hat traditionellerweise humorig zu sein, und in unserem Falle ist dies die eindeutig schwächste: The Elemental. Kurz gesagt geht es dabei um einen etwas selbstgefälligen Geschäftsmann (Ian Carmichael), der sich zusammen mit einer silbernen Schnupftabaksdose auch einen bösartigen Geist einhandelt, den er mit Hilfe einer alten Wahrsagerin wieder los zu werden versucht. Margaret Leighton liefert eine ausgesprochen amüsante Vorstellung als – vorsichtig ausgedrückt – exzentrische Madame Orloff, doch davon abgesehen ist die Story viel zu oberflächlich und vorhersehbar, als dass sie größeres Interesse wecken könnte.
Um Klassen besser sind The Gatecrasher und The Door.
In ersterer erleben wir, wie ein junger Mann (David Warner) von einem Geist, der in einem alten Spiegel haust, gezwungen wird, ein Serienmörder zu werden. Denn nur solche Blutopfer können das Phantom aus seinem Gefängnis befreien. Die Mordszenen ebenso wie die Verzweifelung des unwilligen Mörders sind von beeindruckender Intensität. Und da die meisten Opfer junge Frauen sind, besitzt das Ganze zudem einen beunruhigenden sexuellen Unterton, der einen kurz überlegen lässt, ob sich unter der netten, kultivierten, höflichen Oberfläche dieses Mittelklasse-Singles nicht vielleicht tatsächlich ganz etwas anderes verbirgt.
Letztere punktet vor allem in atmosphärischer Hinsicht. Eine wichtige Rolle spielt dabei eine alte, mit prächtigen Schnitzereien verzierte Tür – ein wirklich großartiges Requisit, das ich mir sofort in mein Studierzimmer einbauen lassen würde, wenn ich ein’s hätte. Das junge Ehepaar (Ian Ogilvy & Lesley-Anne Down), das sie erwirbt, erwartet allerdings eine böse Überraschung. Denn die Tür öffnet sich hin und wieder zu einem gespenstischen blauen Salon, der sich irgendwo außerhalb von Raum und Zeit befindet und einen teuflischen Aristokraten aus der englischen Restaurations-zeit beherbergt. Der Salon (weniger sein Bewohner) und das geschickte Spiel mit der Farbe Blau machen den Charme dieser Episode aus.
Den Höhepunkt des Filmes bildet jedoch ganz ohne Frage An Act of Kindness. In den anderen Episoden greift das Böse aus der Vergangenheit in die Gegenwart, hier ist es fest verwurzelt im Heute. Auch entspringt es nicht irgendwelchen verhexten Artefakten, sondern zwischenmensch-lichen Beziehungen. Christopher Lowe (Ian Bannen) ist ein frustrierter, verklemmter, willens-schwacher Büroangestellter, der von seiner Ehefrau (Diana Dors) verachtet und drangsaliert, von seinem Sohn nicht ernstgenommen wird. Eines Tages begegnet er in der Nähe des Antiquitätenladens einem ehemaligen Soldaten, der sich seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Streichhölzern und Schnürsenkeln verdient. Gespielt wird dieser von dem unvergleichlichen Donald Pleascance. Lowe selbst war einmal in der Armee, aber die glorreiche Karriere, von der einstmals träumte, hat er dort nie gemacht. Das Militär scheint für ihn deshalb jenes bessere Leben zu verkörpern, das das Schicksal ihm verwehrt hat. Deshalb wohl fühlt er sich zu dem Ex-Soldaten Jim Underwood hingezogen, zumal ihn dieser als einziger respektvoll behandelt, da er in ihm einen Gentleman und ehemaligen Offizier sieht. Um Eindruck zu schinden, organisiert sich Lowe vom guten Peter Cushing auf betrügerische Weise einen Orden, den er recht ungeschickt als eine Auszeichnung präsentiert, die ihm im Weltkrieg verliehen worden sei (er behauptet, mit Montys Jungs in Nordafrika gewesen zu sein). Der ehemalige Soldat lädt ihn daraufhin zum Tee bei sich ein, und dabei lernt Lowe dessen Tochter kennen. Angela Pleasance gelingt es, mit Emily Underwood eine ebenso faszinierende wie unheimliche Person zu erschaffen. Was folgt ist phantastisch, morbid und am Ende absolut überraschend – doch dabei beruht es stets auf den Beziehungen in dieser kleinen Gruppe von Menschen.

Allein schon wegen An Act of Kindness ist From Beyond the Grave ein absolut sehenswerter Film und ein guter Einstieg in die Welt des klassischen Brit-Horrors.

* Korrekterweise müsste man hinzufügen, dass Amicus 1980 mit The Monster Club noch einmal einen Episodenfilm produzierte, der sich allerdings ganz bewusst an ein jüngeres Publikum richtete und trotz Vincent Price und John Carradine nicht zur erhofften Wiederbelebung des einstigen Erfolgsprodukts führte.
** In meinen Augen eine reichlich unfaire (wenn auch nicht unverständliche) Geschichte. The Exorcist mag ein Wendepunkt im Mainstream-Horror gewesen sein, von heute aus betrachtet halte ich ihn jedoch für einen eher unbedeutenden Film. Im Gegensatz zu The Night of the Living Dead, der wohl auf Dauer einen Platz im Pantheon des Horrors behalten wird. Allerdings muss ich einschränkend hinzufügen, dass es mir bei Filmen, die das Thema ‘Dämonenaustreibung’ behandeln, schwer fällt, objektiv zu bleiben. Es gibt einfach noch zu viele ‘echte’ Exorzisten, die das Leiden psychisch labiler oder kranker Menschen mit ihrem Hokuspokus vergrößern.

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