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Donnerstag, 25. Oktober 2018

Let Me Tell You Of The Days Of High Adventure (2)

Robert E. Howards "Sword Women" Red Sonya & Dark Agnes


Muss ich denn alle Männer in Frankreich töten,
um ihnen Respekt beizubringen?
Agnes de Chastillon in Blades for France

1984 erschien bei DAW Books die erste Sword & Sorceress - Anthologie, Beginn einer langlebigen und ziemlich erfolgreichen Reihe, die nach dem Willen von Herausgeberin Marion Zimmer Bradley dem Mangel an starken Frauenfiguren in der Sword & Sorcery entgegenwirken sollte.
In ihrem einführenden Essay The Heroic Image of Women: Woman as Wizard and Warrior ging sie u.a. auch kurz auf die bekanntesten bisher vorhandenen Heldinnen des Subgenres ein. Neben Catherine L. Moores Jirel of Joiry erschien ihr dabei vor allem eine erwähnenswert: 
Mitunter fanden sich weibliche Charaktere, die durchaus selbstständig wirkten. Robert E. Howard, der Schöpfer von "Conan der Barbar", schuf auch die Rote Sonya, jene Heldin, die mitansehen musste, wie ihre Mutter vergewaltigt und ermordet wurde; und die sich fortan einem Mann nur dann hingab, wenn er sie mit dem Schwert bezwingen konnte. (1)
Der Witz ist, dass Zimmer Bradley hier nicht die Hintergrundsgeschichte von Howards Red Sonya beschreibt, sondern die der Comics-Heldin Red Sonja. Und selbst dabei unterläuft ihr ein Fehler, denn wie wir in The Day of the Sword {erstmals veröffentlicht in Nr. 3 von Kull and the Barbarians [September 1975]} erfahren, war es nicht Sonjas Mutter, sondern sie selbst, die von einem Söldner vergewaltigt wurde. (2)

Sicher ein etwas peinlicher Faux-pas, aber auch ein deutlicher Beleg dafür, wie stark die wirkliche Red Sonya im allgemeinen Bewusstsein durch die Gestalt von Marvels "She-Devil With A Sword" verdrängt wurde, obwohl die beiden so gut wie nichts miteinander zu tun haben. 

Allerdings dürfte Red Sonja selbst, fünfundvierzig Jahre nach ihrem ersten Auftritt, für viele hinter ihrem eigenen Klischee verschwunden sein. Denn selbst wer nie einen der alten Marvel- oder der neuen Dynamite-Comics in der Hand gehabt hat, wird doch sofort wissen, wovon die Rede ist, wenn der Begriff "Chainmail Bikini" fällt. Und es ist ja auch gut nachvollziehbar, warum Sonjas spärliche Kostümierung, die mit ihrem dritten Auftritt in Band 1 von The Savage Sword of Conan (August 1974) zum festen Bestandteil der Figur wurde, gerne als Paradebeispiel für die sexualisierte Darstellung von Frauen in der Fantasykunst verwendet wird. (3) Dennoch fände ich es etwas unfair, sie auf diesen Aspekt zu reduzieren. Eine kürzliche Lektüre der fünfzehn zwischen 1977 und 1979 erschienenen Comics hat mir jedenfalls ziemlich viel Spaß gemacht.
Die Plots sind zugegebenermaßen völlig hanebüchen, und nicht wenige Handlungsstränge verlieren sich nach ein-zwei Heften im erzählerischen Nirvana. Alles in allem wirken die Comics eher wie eine Aneinandereihung nur lose miteinander verknüpfter Szenen. Aber dafür erfreuen sie mit zum Teil wunderhübsch bizarren Settings wie dem Singing Tower in Nr. 6 oder dem Baum-Palast der Zauberin Apah Alah in Nr. 10 & 11. Wie es unsere Heldin an diese Örtlichkeiten verschlägt, macht zwar selten Sinn, aber wen interessiert das schon, wenn dort ein Pandämonium grotesker Kreaturen und ordentlich viel Monsteraction auf sie warten? Garniert wird das Ganze mit einem grandios pompösen Sprachstil. Und Red Sonja selbst ist einfach eine ziemlich coole Figur.
Der größte Schwachpunkt ist, dass die Macher es sich nicht verkneifen konnten, in der zweiten Hälfte der Serie mit dem Magier-Muskelmann-Thronprätendenten Summaro eine Art "Love Interest" für die Kriegerin einzuführen. Eine höchst unglückliche Entscheidung, selbst wenn der Kerl weniger unsympathisch gewesen wäre, als er es ist. Der beste Beleg hierfür sind die letzten beiden Hefte. Nachdem die Serie den lästigen Burschen endlich losgeworden ist und Red Sonja zu ihrem alten Ich als umherwandernde Söldnerin und Glücksritterin zurückgefunden hat, bekommen wir nämlich noch einmal zwei großartig durchgeknallte Abenteuer mit menschenfressenden Monsteraustern, vampirischen Königen, einem Bösewicht in Mohnblumenmaske und reihenweise hinterhältigem Mannsvolk serviert, das auf Red Sonjas Klinge verröcheln darf. Es ist ein Jammer, dass die Serie gerade dann eingestellt wurde, als sie dabei war, wieder an Fahrt aufzunehmen.
Als Red Sonja vier Jahre später zurückkehrte, hatte sie ihren Chainmail Bikini gegen eine blaue Tunika eingetauscht. Ein begrüßenswerter Kleiderwechsel, ließe sich argumentieren, doch leider verschwand mit der absurden Kostümierung auch ein Gutteil des durchgeknallten Pulp-Spaßes. Die nur aus zwei Heften bestehende zweite Red Sonja - Reihe besitzt durchaus ihren Charme, und als Geschichte ist sie sicher sehr viel besser durchstrukturiert {über weite Strecken allerdings auch viel schlampiger gezeichnet}, aber ich zumindest habe den schlichten Irrsinn der ursprünglichen Serie schmerzlich vermisst.

Wie man sieht, hat mich die Recherche für diesen Blogpost wieder einmal auf wilde Abwege geführt. Versuchen wir also, zum eigentlichen Thema zurückzukehren.
Als Red Sonja in Nr. 23 von Conan the Barbarian eingeführt wurde, ging es den Marvel-Machern im Grunde bloß darum, dem Cimmerier eine ebenbürtige weibliche Figur an die Seite {oder nicht selten auch entgegen} zu stellen. Wenn man dabei irgendwie an Robert E. Howard anknüpfen konnte, um so besser. Und gab es da nicht tatsächlich diese rothaarige Teufelin Sonya von Rogatino?
Autor Roy Thomas, der für die Conan-Comics verantwortlich war, schreibt in seiner Einführung zu Marvel Feature: Red Sonja #1: 
In 1972 or thereabouts, a splendid little out-of-print volume titled The Conan Swordbook was published by Mirage Press, featuring articles on Conan and related subjects which had originally appeared in Amra, an award-winning fanzine from George Schithers [...] The Swordbook spotlighted an article called "Conan on Crusade", written by a fan named Allan Howard (presumably no relation to REH) and dealing with the Conan-like-heroes of several swashbuckling, sorcery-less tales by the master. One of these was "The Shadow of the Vulture." Allan Howard opined as how Red Sonya of Rogatine "would have made a fit companion for Conan." He went even further, to suggest that "in fact, she might have been a bit too much for him."
Later that year, while then Conan-artist Barry Smith and I were working out the details of the seven-issue epic which has since been called "The Hyrkanian War" or "The War of the Tarim," I suggested to Barry that we adapt "Shadow" into the proceedings [...] Barry enthusiastically concurred, and Red Sonja (the "j" looked more exotic to me; still does) became a part of the Conan comics canon forever after
Ende 1932 geschrieben erschien The Shadow of the Vulture erstmals im Januar 1934 in The Magic Carpet, dem Nachfolger von Oriental Stories. Es handelt sich um eine von Robert E. Howards historischen Abenteuergeschichten, mit denen wir uns im letzten Beitrag ja bereits kurz beschäftigt hatten. Angesiedelt ist sie allerdings nicht in der Ära der Kreuzzüge, sondern während der Belagerung von Wien durch die Osmanen im Jahr 1529. 
Wie vielleicht nicht anders zu erwarten, wird der Türkenkrieg als ein Ringen zwischen Europa und Asien, die furchtbare Endschlacht um Wien als ein "Armageddon of races" beschrieben. Doch Howard stellt dabei die im Westen damals wohl allgemein übliche Sichtweise insofern auf den Kopf, als bei ihm nicht der Islam, sondern das Abendland die Barbaren repräsentiert:
[T]hat stubborn Frankistan which had for centuries sporadically poured forth hordes chanting and pillaging into the East, whose illogical and wayward peoples had again and again seemed ripe for Moslem conquest, yet who had always emerged, if not victorious, at least unconquered.
Wie in vielen seiner Geschichten steht im Hintergrund auch hier das Motiv des Ringens zwischen einer dekadent und hochmütig gewordenenen Zivilisation und den ungezügelten Barbaren, die sie schließlich zu Fall bringen werden. Dabei gehört Howards Sympathie stets der barbarischen Seite. Doch auf diese fragwürdige Geschichtsphilosophie wollen wir jetzt nicht weiter eingehen. Für die eigentliche Handlung ist sie sowieso ohne Belang.
Der Protagonist der Geschichte ist der deutsche Ritter Gottfried von Kalmbach. Zwar keine ganz so grimmige Gestalt wie Cormac FitzGeoffrey, ist doch auch er alles andere als ein strahlender Recke. Howard selbst hat ihn in einem Brief an Lovecraft einmal so beschrieben:
A more dissolute vagabond than Gottfried never weaved his drunken way across the pages of a popular magazine: wastrel, drunkard, gambler, whore-monger, renegade, mercenary, plunderer, thief, rogue, rascal I never created a character whose creation I enjoyed more. (4)
Einst Mitglied des Johanniterordens, der auch beim Kampf um Rhodos 1522 dabei war, wurde Gottfried aufgrund seiner übergroßen Vorliebe für Wein, Weib und Gesang später aus dessen Reihen verbannt. In der Schlacht bei Mohács 1526 zeichnete er sich erneut durch seinen Heroismus aus. Doch als er zusammen mit den übrigen Mitgliedern einer österreichischen Gesandtschaft am Hof von Sultan Süleyman dem Prächtigen eine denkbar erniedrigende Behandlung erfährt, hat er endgültig die Nase voll davon, sein Leben für irgendwelche Herzöge und Könige aufs Spiel zu setzen. Schließlich hat jeder der Gesandten zweihundert Dukaten als "Abschiedsgeschenk" des Sultans erhalten: "[M]ay the devil bite me if I draw sword for any man while I have a penny left. I'm for the nearest Christian tavern, and you and the Archduke may go to the devil." Unglücklicherweise hat Süleyman noch eine Rechnung mit Gottfried offen. Der Ritter hat ihm bei Mohács eine Wunde beigebracht, und der Sultan ist nicht geneigt, eine derartige Beleidigung zu vergessen. Also schickt er Mikhal Oglu, seinen führenden Profischlächter, aus, damit er ihm den Kopf des Ritters bringt. Als die Osmanen und mit ihnen auch Oglu und seine wilde Hordein Österreich einfallen, hat der gute Gottfried seine zweihundert Dukaten bereits versoffen {er neigt dazu, gleich ganze Dörfer zum fröhlichen Umtrunk einzuladen}. Angesichts der brandschatzenden türkischen Truppen bleibt ihm nicht viel anderes übrig, als nach Wien zu fliehen. Dort angekommen reiht er sich allerdings nicht sofort in die Phalanx der Verteidiger ein, sondern organisiert sich erst einmal wieder ausreichend Alkohol, um sich erst in düstere Melancholie, dann in wilde Wut zu saufen.

Auf den Mauern der belagerten Stadt begegnet er schließlich zum ersten Mal Red Sonya, die gerade dabei ist, eine Kanone abzufeuern.
It was a woman, dressed as von Kalmbach had not seen even the dandies of France dressed. She was tall, splendidly shaped, but lithe. From under a steel cap escaped rebellious tresses that rippled red gold in the sun over her compact shoulders. High boots of Cordovan leather came to her mid-thighs, which were cased in baggy breeches. She wore a shirt of fine Turkish mesh-mail tucked into her breeches. Her supple waist was confined by a flowing sash of green silk, into which were thrust a brace of pistols and a dagger, and from which depended a long Hungarian saber. Over all was carelessly thrown a scarlet cloak.
In einem ersten Handgemenge mit angreifenden Janitscharen rettet Sonya ihm wenig später das Leben. Auf seine Dankesbezeugungen reagiert sie mit rüdem Spott. Einer der dabeistehenden Landsknechte kommentiert: 
Eh, she's a devil, that one! She drinks the strongest head under the table and outswears a Spaniard. She's no man's light o' love. Cut-slash-death to you, dog-soul! There's her way.  
Wir erfahren kaum etwas über Sonyas Vergangenheit, außer dass sie von sich behauptet, die Schwester von Roxelane zu sein, der Favoritin Süleymans, die sie hasst und verachtet. 
Um ehrlich zu sein, bleibt sie in vielerlei Hinsicht etwas blass. Wir sehen die Ereignisse nie durch ihre Augen, ihre Gefühle, Gedanken und Motivationen bleiben uns weitgehend verschlossen. Sie ist extrem selbstbewusst, leidenschaftlich und spottlustig, liebt Fluchen und Trinken nicht weniger als Gottfried und besitzt einen leicht grausamen Zug. Viel mehr lässt sich über ihren Charakter nicht sagen.
Wenn Red Sonya dennoch eine recht eindrucksvolle Figur ist, dann liegt das vor allem an all dem, worauf Robert E. Howard in seiner Geschichte verzichtet. Die Kriegerin gerät nie in die Lage des Opfers. Gottfried darf zu keinem Zeitpunkt den "Retter" spielen, während Sonya ihn gleich dreimal vor dem Tod bewahrt. Wenn die beiden nach anfänglichen Querelen schließlich doch noch Freunde werden, dann nicht, weil sein "rauer Männercharme" über ihren "Amazonenstolz" siegen würde. Nachdem sie ihn aus dem Stadtgraben gefischt hat, erklärt sie ganz einfach: 
"Come let's go to the Walloon's tavern and drink ale."
"Why did you pull me out of the moat?" he asked.
"Because a great oaf like you never can help himself. I see you need a wise person like me to keep life in that hulking frame."
"But I thought you despised me!"
"Well, a woman can change her mind, can't she?" she snapped.
Beide sind in gewisser Hinsicht Außenseiter, und das führt sie schließlich zusammen. So zumindest habe ich ihre Beziehung interpretiert. Und auch wenn ein verräterischer Kaufmann Sonya einmal als Gottfrieds "mistress" bezeichnet, finden sich in der Erzählung eigentlich keinerlei Belege dafür, dass diese Beziehung romantischer oder sexueller Natur wäre. Zugegeben, Howard selbst verwendet den Begriff "Geliebte" in dem oben zitierten Brief, aber ich ziehe es vor, mir Gottfried und Sonya einfach als Freunde und Kampfgefährten vorzustellen. Und nichts in The Shadow of the Vulture steht einer solchen Sichtweise entgegen.

Wenn man ausschließlich Robert E. Howards Conan-Stories kennt, wird es einen möglicherweise etwas überraschen, dass derselbe Autor eine Figur wie Red Sonya geschaffen hat. Der Cimmerier ist schließlich ganz ohne Zweifel ein Macho allererster Ordnung, und sein Hang zu sexueller Aggressivität gehört zu den Elementen, die einem bei der Lektüre seiner Abenteuer am übelsten aufstoßen. Selbst wenn in Red Nails mit der Kriegerin Valeria eine Figur eingeführt wird, die oberflächlich betrachtet gewisse Ähnlichkeiten mit Sonya aufweist, wird diese am Ende der Erzählung doch zu einer Damsel-in-Distress erniedrigt. (5)
  
Aber Howard war in dieser Hinsicht einfach eine widersprüchliche Persönlichkeit. 
Einerseits war er sicher alles andere als frei von männlichem Chauvinismus, hatte eine sehr traditionelle Vorstellung von "Männlichkeit" und pflegte selbst ein entsprechendes Image. Allerdings war seine Obsession für Boxen und körperliche Ertüchtigung auch eine Art Überlebensstrategie inmitten all der Roughnecks der texanischen Ölboom-Stadt Cross Plains, unter denen ein junger Mann wie er, der seine Nase am liebsten in Bücher steckte und seinen Lebensunterhalt mit der Schreibmaschine verdiente, automatisch ein Außenseiter und "Freak" sein musste, das natürliche Ziel von Spott, Verachtung und vielleicht auch direkteren Formen von Gewalt.
Andererseits dürfte gerade dieses Außenseitertum mit ein Grund dafür gewesen sein, warum Howard mitunter überraschend egalitäre Vorstellungen in Bezug auf Frauen vertreten konnte. Sein Biograph Mark Finn erwähnt eine Anekdote, die sich in Zusammenhang mit dem Magazin The Junto abgespielt habe, einer Publikation, die ein Kreis literarisch Interessierter, zu denen auch Howard gehörte, zwischen 1928 und 1930 zu ihrem eigenen Vergnügen herausgab:
Clyde Smith entreated Harold Preece to write a denouncement of women and run it in The Junto in an effort to draw Robert out. "Women: A Diatribe" went on to assert that there was no such thing as an intellectual woman. Robert, instead of agreeing with Preece, fired a return volley, extolling the virtues of everyone from Sappho of Greek antiquity to the early Gnostics with their proto-feminist slant. Robert, while holding a quaint set of Texan ideals about how to treat a lady, was surprisingly egalitarian when it came to women. (6)
Zu diesem Zeitpunkt war das für ihn freilich noch eine rein akademische Frage. Das änderte sich im Herbst 1934, als er mit der eigenwilligen jungen Lehrerin Novalyne Price zusammenkam. Mark Finn schreibt über sie:
Novalyne was slim and vivacious, dark-haired and dark-skinned with smiling eyes and a sense of style. She carried much more personality in her girlish frame than her nice clothes and good manners suggested. Novalyne was a lady, but she was also a Texas lady, reared by a pair of strong, independent women, her mother and her grandmother. Novalyne was passionate, intelligent, quick-witted, and had a mouth like a merchant marine when she was angry. She didn't like anyone telling her what she could or could not do, either. (7)
Die Aufs und Abs dieser auf lange Sicht nicht unbedingt glücklichen Beziehung zu beschreiben, ist hier nicht der richtige Ort. Aber es ist durchaus denkbar, dass Novalyne Price das Vorbild für Robert E. Howards zweite Sword & Sorcery - Heldin gewesen ist Dark Agnes de Chastillon. 
Sicher können wir uns dabei allerdings nicht sein. Robert schrieb zwei Kurzgeschichten und ein unvollendet gebliebenes Fragment über Agnes' Abenteuer im Frankreich des 16. Jahrhunderts, doch wann genau dies geschah, ist unbekannt. Er reichte keine der Stories bei einem der Pulpmagazine ein, für die er schrieb. Veröffentlicht wurden sie erstmals im Verlauf der 70er Jahre, in gesammelter Form dann 1977 in The Sword Woman bei Zebra Books. (8)
Was wir wissen ist bloß, dass er eine Kopie von The Sword Woman an C.L. Moore schickte, deren erste Jirel of Joiry - Geschichten Black God's Kiss und Black God's Shadow im Oktober bzw. Dezember 1934 in Weird Tales erschienen waren. In einem Brief vom Januar 1935 zeigte sich Moore begeistert von der Story und erkundigte sich, ob Howard noch mehr über Dark Agnes geschrieben habe.
Natürlich ist immer mal wieder die Vermutung aufgestellt worden, Jirel könnte eine der Inspirationen für Howard gewesen sein, doch angesichts der undurchsichtigen Sachlage gilt auch dafür immer noch, was Leigh Brackett in ihrem Vorwort für den 1977er-Sammelband geschrieben hat: "at this late date it is impossible to say which character was first conceived, or whether indeed there was any connection between them at all ". (9) Auch muss hinzugefügt werden, dass Howards Geschichten in ihrem Charakter kaum Ähnlichkeit mit denen C.L. Moores besitzen.

The Sword Woman ist sicher die gelungenste und interessanteste der drei Geschichten. Howard widmete sie "Mary Read, Grainne O'Malley, Jeanne Laisné, Lilliard von Ancrum, Anne Bonny und all den anderen weiblichen Haudegen, guten wie bösen, tapferen wie fröhlichen, die die Jahrhunderte unsicher machten". Sie erzählt Dark Agnes' "Origin Story" und ist, wie auch die anderen beiden, überraschenderweise in der 1. Person verfasst. Anders als im Falle von Red Sonya bekommen wir die Welt hier also aus der Perspektive der Frau zu sehen und erhalten unmittelbaren Einblick in ihre Gedanken und Gefühle. Der historische Hintergrund ist sehr viel weniger "episch" als in The Shadow of the Vulture. Alle drei Geschichten tragen eher den Charakter von Mantel & Degen - Abenteuern.
Agnes wächst als Tochter eines ehemaligen Söldners unter ärmlichsten Verhältnissen in dem kleinen Dorf La Fere auf. Als ihr gewalttätiger und dem Suff ergebener Vater sie verheiraten will, ist der Moment der Rebellion gekommen. Ihre Schwester hat ihr einen Dolch zugesteckt, im Glauben, Selbstmord sei die einzige Fluchtmöglichkeit für eine Frau, doch Agnes jagt die Klinge stattdessen dem feist grinsenden Bräutigam ins Herz und setzt sich in die Wälder ab. Sie begegnet dem umherwandernden Spitzbuben Etienne, der auf den ersten Blick erstaunlich freundlich und hilfsbereit wirkt. Doch dann muss sie feststellen, dass der Kerl sie in Wirklichkeit an ein Bordell verhökern will. Wenig später hat Etiennes Kompagnon Thibaut auch schon sein Leben auf Agnes' Klinge ausgehaucht und der Gauner selbst ist von der jungen Frau halbtot geprügelt worden. Da sie ihn zuvor unwissentlich an seine aristokratischen Feinde verraten hatte, verschont Agnes den um sein Leben bettelnden Etienne und beschließt sogar, ihn in Sicherheit zu bringen und seine Genesung abzuwarten, bevor sie weiterzieht. Als der berühmte Söldnerführer Guiscard de Clisson zufällig in dem Wirtshaus aufkreuzt, in dem die beiden Unterschlupf gefunden haben, versucht Agnes bei ihm anzuheuern, wird jedoch spöttisch zurückgewiesen, was ihr Anlass für den folgenden wütenden Monolog gibt:
Ever the man in men! Let a woman know her proper place: let her milk and spin and sew and bear children, not look beyond her threshold or the command of her lord and master! Bah! I spit on you! There is no man alive who can face me with weapons and live, and before I die, I’ll prove it to the world. Women! Cows! Slaves! Whimpering, cringing serfs, crouching to blows, revenging themselves by – taking their own lives, as my sister urged me to do. Ha! You deny me a place among men? By God, I’ll live as I please and die as God wills, but if I’m not fit to be a man’s comrade, at least I’ll be no man’s mistress. So go ye to hell ... and may the devil tear your heart!
Hier zeigt sich auf sicher etwas plakative, aber doch recht beeindruckende Weise, dass sein unversöhnlicher Hass auf jede Form von Autorität Robert E. Howard schließlich soweit geführte hatte, dass er sich sogar in die Rebellion einer Frau gegen eine patriarchalische Ordnung einfühlen konnte.
Interessanterweise ist es Dark Agnes und nicht Red Sonya, die eine Art Keuschheitsgelübde ablegt. Was Sinn macht. So gut wie jeder Mann, dem sie in den Geschichten begegnet, betrachtet sie primär als Sexobjekt. Die meisten spielen sogar ganz unverhüllt mit dem Gedanken, die junge Frau zu vergewaltigen. Sex erscheint in Agnes' Welt als ein Werkzeug zur Unterwerfung der Frau. Kein Wunder also, dass sie sich jeder sexuellen Beziehung verweigert.
Nachdem sie ein kleines Blutbad unter einer vierköpfigen Gaunerbande veranstaltet hat, die dem immer noch bettlägerigen Etienne an den Kragen wollte, revidiert Guiscard seine herablassende Einschätzung und beginnt sie im Fechten und anderen Kampfkünsten zu unterrichten. Die Verwandlung des rebellischen Bauernmädchens Agnes in die tödliche Glücksritterin Dark Agnes ist abgeschlossen.  
Als eine Verkettung unglücklicher Umstände zur Ermordung Guiscards führt, tut sich Agnes am Ende der Geschichte mit dem "geläuterten" Etienne zusammen, um auf neue Abenteuer auszuziehen verfolgt von dem Profikiller des verräterischen Duc d'Alençon.

Blades for France ist ein unmittelbares Sequel zu The Sword Woman, in dem Agnes und Etienne in höfische Intrigen verwickelt werden und es mit maskierten Verschwörern {unter denen sich auch erwähnter Killer befindet}, glücklosen Piraten und englischen Agenten zu tun bekommen. Agnes lässt erneut reihenweise großmäulige Männer über die Klinge springen und bleibt eine ebenso einnehmende Figur wie in ihrem Debüt. Der Plot allerdings ist doch reichlich verworren.
Am schwächsten ist ohne Zweifel die unvollendet gebliebene Geschichte Mistress of Death, die Gerald W.  Page fertigschrieb und 1971 in der Januar/Februar - Ausgabe seines Magazins Witchcraft & Sorcery herausgab. Am interessantesten ist vielleicht noch, dass Howard mit ihr phantastische Elemente in die Welt von Dark Agnes einführte, was einmal mehr zeigt, wie fließend die Übergänge zwischen historischer Abenteuergeschichte und Sword & Sorcery zu diesem Zeitpuntk noch waren. Leider müssen wir zugleich miterleben, wie sich unsere Heldin auf der letzten Seite plötzlich schutzsuchend in die Arme eines Mannes wirft – wenn auch nur für einen kurzen Moment. Gut möglich allerdings, dass wir diesen Verrat an Dark Agnes' Charakter nicht Howard, sondern Page zu verdanken haben. Ich habe keine Möglichkeit festzustellen, welche Teile des veröffentlichten Textes von welchem Autor stammten.    



(1) Marion Zimmer Bradley: Das heroische Image von Frauen: Die Frau als Zauberin und Kriegerin. In: Dies. (Hg.): Schwertschwester. S. 9.
(2) Michael Penkas versucht sich in diesem Artikel für Black Gate an einer interessanten Neuinterpretation von Red Sonjas problematischem "Schwur".
(3) Das Design stammte von dem spanischen Comic-Künstler Esteban Maroto. Die Leserschaft bekam Red Sonja in dieser Kostümierung zum ersten Mal in der dritten Ausgabe von Savage Tales (Februar 1974) zu sehen. Es hat zwar immer mal wieder kurzlebige Kostümwechsel gegeben, aber im Großen und Ganzen ist die Kriegerin ihrem unpraktischen Outfit bis auf den heutigen Tag treu geblieben. Dessen Absurdiät wurde in den Comics allerdings von früh an immer mal wieder ironisch kommentiert.
(4) Zit. nach: Mark Finn: Blood & Thunder. The Life & Art of Robert E. Howard. S. 148.
(5) Red Nails wäre übrigens eine der Primärquellen, falls ich jemals dazu kommen sollte den prätentiös betitelten Artikel "Robert E. Howards Männlichkeitswahn und die Angst vor der weiblichen Homosexualität" zu schreiben, der seit Jahren in meinem Hirnkasten herumspukt.
(6) Mark Finn: Blood & Thunder. The Life & Art of Robert E. Howard. S. 141.
(7) Ebd. S. 182.
(8) Eine deutsche Übersetzung von Eduard Lukschandl erschien im selben Jahr zusammen mit The Shadow of the Vulture in der Terra Fantasy - Reihe unter dem Titel Horde aus dem Morgenland.
(9) Zit. nach: Ryan Harvey: Howard’s Forgotten Redhead: Dark Agnes

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