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Sonntag, 29. Juli 2018

Neues von Mansfield Dark

In der Vergangenheit habe ich auf diesem Blog schon zweimal die Werbetrommel für die außergewöhnlichen phantastischen Kurzfilme des britischen Indie-Filmemacher-Paares Richard und Daniel Mansfield gerührt. Vor gut zweieinhalb Jahren habe ich hier ihre Adaptionen von Amelia B. Edwards The Phantom Coach und E. F. Bensons The Room in the Tower vorgestellt. Und vor etwas mehr als einem Jahr folgte hier ihre Version von M.R. James' Count Magnus.
Inzwischen haben die beiden zwei weitere ihrer Adaptionen klassischer Horrorgeschichten auf Youtube frei zugänglich gemacht:
nach der Kurzgeschichte von M.R. James
 und
The Upper Berth
nach der Erzählung von F. Marion Crawford 
Beide sind in dem für Richard Mansfields phantastische Scherenschnittfilme typischen Stil gehalten, in The Upper Berth allerdings vermischt mit menschlichen Silhouetten. 
Ich halte beide Filme für äußerst sehenswert, aber mein persönlicher Favorit ist ohne Frage die James-Adaption. In einem Interview mit John Guy Collick hat der Filmemacher erzählt:
I chose Disappearance as my second adaptation [neben Count Magnus] partly because it has always been one of my favourite MRJ tales and I felt I could see it working well as a shadow film. He writes the nightmare wonderfully and I wanted to be able to bring it to life.
Auch für mich hat diese Story immer einen besonderen Platz unter Montys Spukgeschichten besessen. Und Mansfields Visualisierung der Traumsequenz mit ihrer extrem makabren Version einer Punch & Judy - Show ist wirklich großartig und ziemlich verstörend.
Stilistisch etwas anders, aber nicht weniger faszinierend, ist
Spring Heeled Jane
eine Kooperation zwischen den Mansfields und der Londoner Geschichtenerzählerin Vanessa Woolf aus dem Jahre 2012. Die ursprüngliche Fassung der während des "Blitz" angesiedelten Story findet sich hier.

Das Repertoire von Richard & Daniels Produktionsfirma Mansfield Dark besteht aber nicht nur aus relativ kurzen Scherenschnittfilmen, sondern umfasst auch eine Reihe von längeren LGBT - und Horrorfilmen. Von diesen habe ich mir vor kurzem endlich wenigstens einen angeschaut:
Angesichts des Titels wird es kaum verwundern, zu erfahren, dass neben Herk Harveys legendärem Low Budget - Horrorflick Carnival of Souls (1962) Piers Haggards Folk Horror - Klassiker Blood on Satan's Claw (1971) zu Richard Mansfields absoluten Genrelieblingen zählt. 
Allerdings hat der Film selbst, trotz des wundervollen Soundtracks von Cunning Folk, nicht wirklich etwas von Folk Horror an sich, sieht man einmal vom Setting {ländliches England} und einigen herumflatternden Krähen ab, die mich denn doch an die Eröffnungssequenz von Haggards Film erinnert haben. Ursprünglich sollte der Streifen scheinbar Scare Bear heißen, was dem Inhalt deutlich näher gekommen wäre. 
Damit will ich nichts über dessen Qualität ausgesagt haben, denn alles in allem ist Blood on Satan's Paw ein wirklich faszinierendes, eigenwilliges und berührendes Werk. Wer von einem Horrorfilm in erster Linie Jump Scares und Gore erwartet, wird zwar sicher enttäuscht werden, aber Freundinnen & Freunden einer leicht surrealen Weirdness kann ich den Streifen nur wärmstens ans Herz legen.

Wir befinden uns in den 70er Jahren. Der etwas wunderliche Tommy (Henry Regan) begibt sich mit einem Metalldetektor und einer Handkamera bewaffnet in einem Wald auf "Schatzsuche", dabei dokumentiert er sein Unternehmen mit Hilfe eines Kassettenrekorders. 
Wie er selbst erklärt, hat er diese Örtlichkeit seit langem gemieden, und schon bald wird klar, dass Tommys Wanderung durch den Wald in Wirklichkeit eine Reise in die Vergangenheit des jungen Mannes ist, die {anfangs ungewollte} Konfrontation mit einem äußerst schmerzhaften Erlebnis aus seiner Kindheit -- dem Verschwinden seiner kleinen Schwester Grace. 
Der Wald selbst erhält durch die allenthalben im Boden steckenden bunten Lollies, die Tommy offenbar nicht wahrnimmt, sofort einen unwirklichen Charakter. Einmal taucht in der Ferne auch schon erstmals eine bizarre Gestalt im Kaninchenkostüm auf. Die "Schätze", die Tommy ausgräbt, entpuppen sich allesamt als Gegenstände, die ihn an seine Kindheit und an Grace erinnern: Spielzeugroboter, ein Spielzeugtelefon und schließlich ein Teddybär. Spätestens als er im Rauschen des Windes Grace' Stimme zu hören vermeint, die den alten Nursery Rhyme Ringa Ring o' Roses vor sich hin singt {eine Anspielung auf Sapphire and Steel?}, ist er sich sicher, dass seine verschwundene {entführte? ermordete?} Schwester, Kontakt zu ihm aufnehmen will. Allerdings sieht sich Tommy sehr bald schon auch mit dem finsteren "Mr. Bones" konfrontiert -- Grace' Entführer und "Freund", der die Gestalt eines riesigen, alles andere als niedlichen Teddybären besitzt. Was folgt sind u.a. eine surreale "Drogenrauschszene", in der Tommy den "Acid Rabbits" begegnet; ein äußerst verstörendes Marionettenspiel in einem winzigen Puppenhäuschen und ein verdammt düsteres Finale.
Die Handlung von Blood on Satan's Paw lässt sich nicht auf simple Weise, Szene für Szene, aufschlüsseln. Doch ganz offenbar geht es in dem Film um Trauer, Schmerz, Verdrängung und das Gefühl von Schuld.

Was bleibt mir zu sagen? Ich kann allen Freundinnen & Freunden der Phantastik wirklich nur empfehlen, sich einmal ein paar Filme von Mansfield Dark anzuschauen. Die beiden haben ein weitaus größeres Publikum verdient, als sie bisher zu haben scheinen.

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