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Dienstag, 19. September 2017

Willkommen an Bord der "Liberator" – S02/E02: "Shadow"

Ein Blake's 7 - Rewatch
 
Schicken wir's gleich vorweg: "Terra Nostra" ist ein ziemlich doofer Name für eine SciFi-Weltraummafia. Doch davon einmal abgesehen ist Chris Bouchers Einstand als eigenständiger Drehbuchschreiber eine der besten Episoden, die die Serie bisher zu bieten hatte. Der Ton ist düsterer, die Konflikte zwischen den Crewmitgliedern heftiger, und stärker als jemals zuvor tritt das moralisch fragwürdige in Blakes revolutionärem Fanatismus zutage.

Die Episode beginnt mit dem Geschwisterpaar Bek (Karl Howman) und Hanna (Adrienne Burgess), die eine "Audienz" bei Largo (Derek Smith), dem "Paten" der neutralen Raumstation "Space City", haben. Sie bringen ihm Diebesbeute, um im Gegenzug die Droge "Shadow" zu erhalten, der zumindest die Schwester gänzlich verfallen zu sein scheint. Largo macht sich einen Spaß daraus, die beiden "Dreamheads" zu quälen und zu demütigen, bis Bek plötzlich eine Pistole zückt und den Spieß umdreht.
Sein Versuch, Hanna und ihren kleinen Bruder Peety aus den Klauen der Terra Nostra (und ihrer Droge) zu befreien, wird allerdings nicht von dauerndem Erfolg gekrönt sein (den jungen Peety werden wir sogar nur als totes Opfer einer Überdosis kennenlernen).

Diese Eröffnungssequenz lässt keinen Zweifel daran, dass es sich bei den Vertretern der Terra Nostra um menschlichen Abschaum in eleganten Anzügen handelt.  Wenn wir erfahren, dass Blake vor hat, einen Deal mit dem Syndikat abzuschließen, der es ihm erlauben soll, dessen weitreichendes Netztwerk in seinem Kampf gegen die Föderation zu nutzen, wirkt das deshalb von Anfang an äußerst fragwürdig. Kein Wunder, dass kaum einer auf der Liberator mit diesem Plan besonders glücklich ist. Der sonst so unerschütterlich loyale Gan bringt seine Einwände am lautstärksten zum Ausdruck, aber auch Jenna, die den Kontakt zu Largo herstellen soll, verwahrt sich heftigst dagegen, dass der Pate ein "alter Freund" von ihr sei. Ihre letzte Interaktion mit dem Syndikat war alles andere als erfreulich. Avon hat zwar keinerlei moralische Bedenken, hält es jedoch für extrem unwahrscheinlich, dass die Organisation auf Blakes Angebot eingehen wird. Und natürlich kann er es sich nicht verkneifen, einen sarkastischen Kommentar zu dessen etwas schwächlichen Rechtfertigungsversuchen abzugeben: 
Gan: [I]f you can stomach doing business with the Terra Nostra.
Blake: We're going to use them, Gan, not do business with them.
Avon: A subtle distinction that escapes me for the moment.
Doch für Blake ist nur eines wichtig der Kampf gegen das Regime. Wenn die Terra Nostra ihm dabei helfen kann, haben alle übrigen Argumente zurückzustehen.
Wie Vjla zu Bedenken gibt, gehörte Blake ursprünglich zu einer äußerst privilegierten Schicht der Föderationsgesellschaft. Anders als der aus der Arbeiterklasse stammende Dieb, der in einem Milieu aufgewachsen ist, "where the Terra Nostra really operate. Without anesthetic, usually", hat er kein auf eigenen Erfahrungen basierendes Bild von der Weltraummafia und ihren Methoden. Er sieht in ihr einfach eine mächtige Organisation, deren Dienste er kaufen kann.

Eine ziemlich naive Sichtweise, die schon bald katastrophale Folgen nach sich zieht.
Largo lehnt nicht nur Blakes Angebot einer Zusammenarbeit kategorisch ab, er sorgt auch dafür, dass seine Verhandlungspartner alsbald im improvisierten Lokalkerker der Terra Nostra landen, wo sich bereits Bek und Hanna befinden. Zu glauben, der unabhängig von Jenna, Blake und Avon auf die Station teleportierte Gan reiche als Absicherung aus, erweist sich als eine arrogante Fehleinschätzung.
Während Cally der offiziellen Administration von Space City bereits mit einem Angriff der Liberator droht, wenn die Gefangenen nicht umgehend freigelassen würden, gelingt es diesen mit der eher zufälligen Hilfe von Bek und Hanna, sich selbst zu befreien. Blake weigert sich zuerst, die beiden Junkies mitzunehmen, ändert seine Meinung aber schließlich doch noch.

Man sollte meinen, diese erste reale Konfrontation mit der Terra Nostra hätte Blake von der Fehlerhaftigkeit seines Planes überzeugen sollen, doch das genaue Gegenteil ist der Fall. Er versteift sich erst recht darauf, die Dienste der Weltraummafia zu nutzen. Und wenn Verhandlungen nicht zum erwünschten Ziel führen, könnte man es ja einmal mit Erpressung versuchen.
"Shadow" ist die Haupteinnahmequelle des Syndikats, also lässt Blake die Zusammensetzung der Droge von Zen anaylsieren, und es stellt sich heraus, dass die wichtigste Komponente ein angeblich ausgestorbener, als "Moon Disc" bekannter Kaktus ist, der nur auf einem einzigen Planeten – Zondar vorkommt. Wenn man den Zugang zu dieser Quelle unterbinden könnte, wäre die Terra Nostra zu Verhandlungen gezwungen. Gan protestiert: "The drug in return for their help? Blake, that would make us pushers." Doch erneut lässt Blake keine moralischen Einwände gelten: "That will make us winners, Gan. That's the only excuse for fighting." Und diesmal erhält er dabei auch die Unterstzützung Jennas: "It's too good a chance to miss, Gan." Eine ganz andere Frage beschäftigt Avon: Die Föderation hat "Shadow" offiziell als "the greatest single threat to the welfare of mankind" gebrandmarkt, und doch soll es den Behörden nicht möglich gewesen sein, die Quelle der Droge ausfindig zu machen, während die Liberator - Crew dafür nicht einmal eine Stunde gebraucht hat?

Währenddessen gehen unheimliche Dinge mit Cally und Orac vor sich. Der Supercomputer verhält sich noch eigenwilliger als gewöhnlich, und als er sich aus irgendwelchen Gründen von der Telepathin bedroht fühlt, versetzt er sie in eine Art katatonischen Zustand, indem er ihr das Gefühl vollständiger Isolation einflößt, was zu einigen wunderschön psychedelisch anmutenden Szenen Anlass gibt. Für ein Mitglied ihrer Spezies gleicht dieser psychische Zustand einer fürchterlichen, letztlich tödlichen Folter, denn als Telepathen sind die Auronar in gewisser Hinsicht nie allein.

Als die bewusstlose Cally von ihren Gefährten entdeckt wird, während die Liberator in den Orbit um Zondar einschwenkt, eskalieren die Konflikte unter der Crew. Jenna wirft Blake, der keine Verzögerung seines Planes in Kauf nehmen will, offen vor, er sei an Callys Wohlergehen nicht interessiert, woraufhin dieser sich gegenüber allen anderen immer aggressiver, ungeduldiger und autoritärer aufführt.
Dennoch folgen ihm Avon und Jenna schließlich auf die Oberfläche.
Derweil die drei recht schnell eine kleine "Moon Disc" - Plantage entdecken {die angeblich telepathisch begabten Kakteen sind übrigens ungeheuer niedlich}, beginnt Orac plötzlich, die Energiereserven der Liberator massiv anzuzapfen. Das Raumschiff ist nicht mehr in der Lage, einen stabilen Orbit zu halten, und droht in der Atmosphäre zu verglühen, wenn der Computer nicht irgendwie gestoppt werden kann. Als Hanna versucht, das Elektronenhirn zu deaktivieren, wird sie durch einen gewaltigen Stromschlag getötet.
Das Überleben unser Helden & Heldinnen hängt nun ganz von Cally ab, die einen telepathischen Kampf gegen eine finstere, interdimensionale Macht ausfechten muss, die Orac als Tor zu unserem Universum zu benutzen versucht. Dabei erhält sie unerwartete Unterstützung von den putzigen "Moon Discs".

Wie gesagt halte ich Shadow für eine der bisher stärksten Blake's 7 - Episoden.
Zwar ließe sich argumentieren, dass der Cally & Orac - Plot eine unnötige Zutat darstellt, die vom eigentlichen Kern der Geschichte ablenkt, doch sind die mit ihm verbundenen Szenen einfach zu interessant, als dass ich auf ihn verzichten wollte. Die Serie hat Callys telepathische Fähigkeiten bisher kaum wirklich genutzt, hier stellt sie zum ersten Mal etwas spannendes mit ihnen an. Und über die "Moon Discs" verknüpft das Script die beiden Handlungsstränge am Ende sogar, wenn auch auf etwas willkürliche Weise.
Die letztliche Auflösung des Terra Nostra - Plots ist vielleicht nicht hunderprozentig befriedigend: Blake muss seinen Plan aufgeben, nachdem er entdeckt hat, dass das Syndikat in Wirklichkeit mit der Regierung zusammenarbeitet und von dieser insgeheim unterstützt wird.  Um so stärker ist die sich daran anschließende Schlussszene. Blake erklärt Bek, der von tiefer Trauer um seine beiden so sinnlos gestorbenen Geschwister und von heftigem Verlangen nach Rache erfüllt ist, dass er ihn nach Space City zurückbringen werde."I'll give you three years, then I'll come looking. I expect you to be able to help me." Er lässt ihn den Knopf drücken, der die Sprengladungen zur Detonation bringt, die Blake, Jenna und Avon in der "Moon Disc" - Plantage angebracht haben: "Bek, that button burns the President's garden. It won't hurt him much, but it'll sting a bit." Wir wissen, dass die Föderation eine totalitäre Diktatur und Blakes Kampf ein gerechter ist. Wenn Bek zu einem bewussten Widerstandskämpfer wird, würden wir dies deshalb begrüßen. Und doch wirkt unser Held hier auf unheimliche Weise manipulativ. Man hat nicht das Gefühl, als berühre ihn Beks furchtbarer Verlust emotional. Er scheint in dem Schmerz des jungen Mannes nur eine Gelegenheit zu sehen, wie er einen weiteren Mitkämpfer rekrutieren kann. Prinzipiell ist die Verwandlung von persönlicher Wut in politischen Kampf zwar sicher kein falscher Weg, doch auf einer menschlichen Ebene hinterlässt Blakes Verhalten ein ungutes Gefühl.

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