Seiten

Freitag, 4. Dezember 2015

"Sie sollen einmütig handeln und ihre Herrschaft dem Tier übertragen"

Es wurde ihm Macht gegeben über alle 
Stämme, Völker, Sprachen und Nationen ...
Die Kleinen und die Großen, die Reichen
und die Armen, die Freien und die Sklaven,
alle zwang es, auf ihrer rechten Hand
oder ihrer Stirn ein Kennzeichnen
anzubringen. Kaufen oder verkaufen
konnte nur, wer das Kennzeichen trug:
den Namen des Tieres oder die Zahl 
seines Namens. 

Offenbarung des Johannes, 13


Richard Donners The Omen (1976) war der erste echte Blockbuster der Horrorfilmgeschichte. 
Ein Jahr nach dem Überraschungserfolg von Steven Spielbergs Jaws, der als Pionier des Formats gelten darf, war der in über 500 Kinos gleichzeitig stattfindenden Premiere des Films ein gewaltiger PR-Feldzug vorausgegangen, der die für damalige Verhältnisse ungeheure Summe von $ 2,8 Mio. verschlungen hatte. Das Werbeetat war damit genauso hoch wie die Produktionskosten des Films. Diese Investion zahlte sich schon bald mehr als reichlich aus:  An seinem Eröffnungswochenende spielte der Streifen $ 4.273.886 ein, um schließlich zum fünft-einträglichsten US-Film des Jahres zu werden. Kein Wunder, dass man bei 20th Century Fox nicht lange zögerte und die Produktion eines Sequels in Auftrag gab. Drehbuchautor David Seltzer freilich zeigte sich uninteressiert, so dass Produzent Harvey Bernhard schließlich selbst das Script verfassen musste, und auch für Regisseur Donner, der gerade mit der Arbeit an Superman begonnen hatte, musste ein Ersatz gefunden werden. Man engagierte zuerst Mike Hodges, tauschte ihn während der Dreharbeiten aber gegen Don Taylor aus.

Wie ich vor bald zwei Jahren in diesem Post geschildert habe, bin ich kein großer Fan des Originals. Auch wenn The Omen zweifellos einige recht eindrucksvolle Szenen enthält und mit einem großartigen Soundtrack von Jerry Goldsmith glänzen kann, geht mir doch vor allem der moralische Geist des Films in seinem (pseudo)religiösen Fundamentalismus gehörig gegen den Strich. Das Sequel mundet mir da schon sehr viel besser.

In der Eröffnungssequenz sehen wir den Exorzisten-Archäologen Carl Bugenhagen (Leo McKern) zusammen mit seinem Freund Michael Morgan in eine Art Krypta in Palästina hinabsteigen, deren Wände von Fresken geschmückt werden, die den Antichrist in Gestalt Damiens darstellen. Ihnen bleibt freilich nicht viel Zeit, das visionäre Kunstwerk eines mittelalterlichen Propheten zu bewundern, denn kurz darauf stürzt das Gewölbe ein und begräbt die beiden unter sich.
Dieser Prolog ist in zweierlei Hinsicht sehr aussagekräftig. In The Omen war Bugenhagen einer der Hauptvertreter jenes religiösen Fanantismus gewesen, den der Film als die einzig richtige Reaktion auf den Anbruch der Endzeit dargestellt hatte. Wenn das Sequel sich seiner bereits in den ersten Minuten entledigt, dann befreit es sich damit zugleich von dem geistigen Ballast, den der Exorzist verkörpert hatte. Für einen Film über den Antichristen enthält Damien erstaunlich wenig religiöse Elemente. Bezeichnenderweise taucht nur einmal ganz kurz ein Priester auf, und der hat keine Ahnung von den apokalyptischen Ereignissen, die sich um ihn herum abspielen. Zugleich führt der Tod von Bugenhagen und Morgan ein Motiv ein, das sich in den nächsten anderthalb Stunden mehrfach wiederholen wird: Wer auch immer eine potentielle Bedrohung für Damien darstellt, wird in kürzester Zeit und ohne viel Vorgeplänkel von den satanischen Mächten aus dem Weg geräumt.

Der Film ist erfüllt von einem düsteren Fatalismus. Nicht für einen Moment zweifeln wir daran, dass niemand den Aufstieg Damiens wird aufhalten können. Die erneut von Jerry Goldsmith komponierte Musik unterstreicht dies auf äußerst eindringliche Weise und trägt damit viel zur Atmosphäre des Streifens bei. Wie Charlie Brigden von Films on Wax in seiner Besprechung des Soundtracks schreibt:
Famously described on the cover of its soundtrack album als "A Black Mass", Damien is a truly hair-raising experience. [...] There's nothing to contrast the darkness here, no sweet music for a young child or hopeful score for a second coming, here there is only [one] clear winner and that is the antichrist. Damien ends with that thought, with himself walking down the steps of the burning museum, now fully aware of his powers, as the original "Ave Satani" comes to a portentous and powerful chorus before launching into a reprise of the new version. The cue is called "All The Power", and that is exactly what it contains.


Damien ist in gewisser Hinsicht ein sehr eigenartiger Film, denn er besitzt keinen wirklichen Helden. Für einen Moment ist man vielleicht versucht zu glauben, die Journalistin Joan Hart (Elizabeth Shepard) werde diese Rolle übernehmen, doch wenige Minuten später bereits wird sie von einer diabolischen Krähe attackiert und von einem Truck überrollt. Finito! Auch Damiens Adoptivvater Richard Thorn (William Holden) eignet sich nicht wirklich für den Job. Zwar ist Holdens Part sehr deutlich dem seines Vorläufers Gregory Peck nachgestaltet worden, doch abgesehen von den letzten fünfzehn Minuten des Films bleibt Richard praktisch völlig inaktiv. 

Man könnte sehr leicht argumentieren, dass dem Film damit viel von seiner potentiellen Spannung genommen werde. Es gibt niemanden, mit dem wir uns wirklich identifizieren oder mit dem wir mitfiebern könnten. Vielmehr wird uns sehr schnell und auf drastische Weise klar gemacht, dass keiner dem Antichristen auf seinem Weg zur Macht gefährlich werden kann. Für mich jedoch entfaltet der Streifen gerade damit seine ganz eigene dramatische Kraft. Sein wirklicher Held ist Damien, dessen Entwicklung auf pervertierte Weise dem archetypischen Werdegang eines "Auserwählten" gleicht. Zuerst wehrt er sich gegen seine Bestimmung, muss dieser gar den Menschen opfern, der ihm am meisten bedeutet, um sie am Ende aus vollem Herzen anzunehmen. Die Stärke von Damien besteht in der grausamen Unerbittlichkeit seiner Story.

In The Omen war der zentrale Konflikt eigenartig inhaltslos gewesen, ein Ringen zwischen abstrakten Prinzipien von Gut und Böse, Gott und Satan, Himmel und Hölle. Damien füllt ihn mit einem konkreten Inhalt. Wenn die Satansjünger im ersten Film dafür gesorgt hatten, dass der junge Antichrist von einer sehr wohlhabenden und politisch einflussreichen Familie adoptiert wird, so um ihm auf diesem Weg den Zugang zur künftigen Weltherrschaft zu erleichtern. Im Sequel sieht das etwas anders aus. In seiner Mixtur aus militaristischer Tradition (Kadettenanstalt) und wirtschaftlicher Macht (transnationales Unternehmen) ist der Thorn-Clan deshalb das ideale Milieu für den Sohn des Teufels, weil es selbst bereits zutiefst vom Bösen korrumpiert worden ist. Richard Thorn mag ein anständiger Kerl sein, doch seine Klasse -- das sind die Könige aus der Offenbarung des Johannes, die dem Tier willfährig die Herrschaft über die Erde übertragen, ihre Vertreter: Damiens "Lehrmeister", Sgt. Neff (Lance Henriksen) und Manager Paul Buher (Robert Foxworth). Wenn sich letzterer darum bemüht, Thorn Industries in einen agarindustriellen Multi zu verwandeln, der mithilfe seiner neusten biochemischen Erfindungen zum Monopolisten des internationalen Nahrungsmittelmarktes avancierenn und so die gesamte Weltbevölkerung von sich abhängig machen könnte, dann ist das eine äußerst gelungene moderne Interpretation der oben zitierten Verse aus der Apokalypse, dass nur die "kaufen und verkaufen" dürfen, die das "Zeichen des Tieres" tragen.

Gregory Pecks Robert Thorn und seine Frau Katherine hatten die bürgerlichen Ideale von Ehe & Familie verkörpert. Sie waren die Vertreter einer Welt des Guten gewesen, in die sich der Satan auf hinterhältige Weise einzuschleichen versucht hatte. In Damien ist dieses bürgerliche Milieu zur adäquaten Heimstatt des Bösen geworden. Wenn der Film eine Botschaft besitzt, so lautet sie: Diese Welt ist reif für die Herrschaft des Antichrist.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen