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Dienstag, 27. Oktober 2015

Terrore nello spazio

Mario Bavas Terrore nello spazio / Planet of the Vampires aus dem Jahre 1965 ist ein beinah magisch anmutender Triumph des künstlerischen Genies über alle materiellen Widerstände. Die eigenwillige Mixtur aus "gothic" Horror und Pulp - SciFi ist beileibe kein makelloses Meisterwerk, aber wenn man sich die Umstände vergegenwärtigt, unter denen dieser Film gedreht wurde, wird man nicht anders können, als sich in stummer Bewunderung vor dem technischen Einfallsreichtum und ästhetischen Feingefühl des großen italienischen Genre-Regisseurs zu verneigen. Einfach gesagt: Der Film ist unendlich viel besser, als er eigentlich seien dürfte.

 
Die Schwächen von Planet of the Vampires sind unschwer auszumachen: Ein streckenweise ziemlich wirres Script, das unsere Helden & Heldinnen immer wieder zu erschreckend dummen Handlungen zwingt. Einige recht hölzern agierende und erbärmlich mies synchronisierte Darstellerinnen & Darsteller. Special Effects von zum Teil eher zweifelhafter Qualität {was mich aber eigentlich nur bei den Laserpistolen während des finalen Show Downs ein Bisschen stört}.

Doch diese Makel werden nahezu bedeutungslos, wenn man sie der großartigen Atmosphäre und bizarren Schönheit gegenüberstellt, die Bava seiner außerirdischen Welt zu verleihen versteht. Auch lassen sie sich allesamt sehr einfach aus den Bedingungen erklären, unter denen der Streifen entstanden ist.

Wie ich vor Zeiten hier schon einmal geschildert habe, kamen James Nicholson und Samuel Z. Arkoff, die Bosse von AIP (American International Pictures), zu Beginn der 60er Jahre auf die Idee, direkt in den italienischen Genrefilm zu investieren, nachdem sie mit den US-Rechten an Filmen wie Bavas La maschera del demonio / Black Sunday (1960; vgl. hier) und Gli Invasori / Erik the Conqueror (1961) bereits gutes Geld verdient hatten.  Eine der ersten dieser amerikanisch-italienischen Koproduktionen war I tre volti della paura / Black Sabbath (1963; vgl. hier), zu dem AIP auch den bei ihnen unter Vertrag stehenden Boris Karloff beisteuerten. Allerdings bereitete der zunehmend düstere, blutige und erotische Inhalt von Bavas Filmen Arkoff & Nicholson, die sich in Produktion & Verleih ganz auf das Teenager-Publikum in den Autokinos spezialisiert hatten, schon bald ziemliche Bauchschmerzen. Von Black Sabbath hatte man noch eine "entschärfte" – sprich entstellte & verkrüppelte – US-Fassung herstellen können. Bei Streifen wie La frusta e il corpo / The Whip and the Body (1963) oder Sei donne per l'assassino / Blood and Black Lace (1964) war dies kaum mehr möglich. Und so kappten AIP schon bald ihre Geschäftsbeziehungen zu Bava, doch nicht bevor sie zusammen mit Italian International Film und der spanischen Firma Castilla Cooperativa Cinematográfica Planet of the Vampires produziert hatten.
Die Rolle, die AIP bei der Produktion von Terrore nello spazio spielte, führte u.a. dazu, dass Mario Bava weniger Einfluss auf die Entwicklung des Scripts hatte, als bei vielen seiner anderen Filme. Am Anfang standen zwar er und Alberto Bevilacqua, der schon bei I tre volti della paura mitgewirkt hatte, doch ging das Drehbuch offenbar noch durch eine Reihe anderer Hände. Von amerikanischer Seite wurde mit Ib Melchior ein Spezialist für SciFi - Schlock auf das Projekt angesetzt, zu dessen Oeuvre u.a. The Angry Red Planet (1959), Reptilicus (1961), Journey to the Seventh Planet (1962), Robinson Crusoe on Mars (1964) und The Time Travellers (1964) gehörten. Melchior schrieb das englische Drehbuch. Wie groß sein Einfluss und der von Louis M. Heyward, Antonio Roman und Rafael J. Saliva tatsächlich war, entzieht sich zwar meiner Kenntnis, aber es ist selten ein gutes Zeichen, wenn gar zu viele Autoren an einem Script herumdoktern.
Der internationale Charakter der Produktion schlug sich auch in der Besetzung nieder. Zwar war es in italienischen Genrefilmen der Zeit keine Seltenheit, mindestens eine der Hauptrollen mit einem amerikanischen Schauspieler zu besetzen, doch bei Planet of the Vampires haben wir neben Barry Sullivan als Captain Mark Markary außerdem die Brasilianerin Norma Bengell und den Spanier Ángel Aranda. Jeder von ihnen trug seinen oder ihren Teil des Dialogs in der Muttersprache vor. Auf dem Set herrschte ein babylonisches Sprachgewirr aus Englisch, Portugiesisch, Spanisch und Italienisch, wobei keiner den anderen verstand. Wen wundert es da, dass ihr Zusammenspiel oft wenig überzeugend wirkt.
Die dritte Bürde, mit der die Produktion zu kämpfen hatte, war das trotz der Beteiligung von drei Firmen lächerlich kleine Budget. Mario Bava hat darüber später einmal erzählt:
I had nothing, literally. There was only an empty sound-stage, really squalid, because we had no money. And this had to look like an alien planet! I took a couple of paper – mache rocks from the nearby studio, probably left-overs from some sword and sandal flick, then I put them in the middle of the set, covered the ground with smoke and dry ice, darkened the background. Then I shifted those two rocks here and there and this way I shot the whole film.
Um so beeindruckender ist es, was Bava und Kameramann Antonio Rinaldi, der auch bei Operazione paura / Kill, Baby, Kill (1966) und Danger: Diabolik (1968) mit dem Maestro zusammenarbeiten würde, aus quasi nichts zu schaffen verstanden haben. Mit Hilfe von einigen kleinen Modellen, viel Trockeneis, farbigem Licht, ein paar geschickt eingesetzten Spiegeln, optischen Tricks und interessanten Kameraperspektiven verwandelten sie eine leere Bühne mit zwei Pappmaché-Felsen in eine phantastisch-surreal-unheimlich anmutende Landschaft von bizarrer Schönheit, die zum eigentlichen "Helden" des Filmes wird. Wieder einmal zeigt es sich, dass es keiner aufwendigen Spezialeffekte bedarf, um einem phantastischen Film eine intensive Atmosphäre zu verleihen. Und Bava fügte dem natürlich noch seinen ganz persönlichen Touch hinzu. Vor allem in der Farbgebung, dem Zusammenspiel von Blau, Grün, Violett und Rot.

Doch vielleicht sollte ich an  diesem Punkt erst einmal eine kurze Zusammenfassung des Plots von Planet of the Vampires einschieben:
Das Raumschiff Argos entdeckt eigentümliche Funksignale, die von einem unbekannten Planeten ausgesandt werden und auf intelligentes Leben hindeuten. Cpt. Mark Markary beschließt, eine Landung zu versuchen. Das Schwesterschiff Galliot, auf dem Marks Bruder dient, schließt sich dem Unternehmen an. Der Flug durch die Atmosphäre erweist sich als äußerst wild, doch das ist nur der Anfang der Probleme, die auf unsere wackeren Raumfahrer & Raumfahrerinnen warten: Kaum hat die Argos auf der Oberfläche aufgesetzt, da drehen die Mannschaftsmitglieder durch und versuchen sich aus unerklärlichen Gründen gegenseitig umzubringen. Einzig Mark behält einen klaren Kopf und regelt die Situation, indem er einen nach dem anderen k.o. schlägt, woraufhin die Crew allmählich zur Normalität zurückfindet. Die Schwierigkeiten sind damit allerdings noch lange nicht überstanden. Die Argos ist beschädigt und wird erst in ein paar Stunden wieder starten können, und als Mark & Co die nebelverhangene Umgebung ein Bisschen näher in Augenschein nehmen, entdecken sie die abgestürzte Galliot mitsamt abgemetzelter Crew. Nicht eben beruhigend, zumal einige der Leichen wenig später auf mysteriöse Weise verschwinden. Auch die seltsamen Lichterscheinungen, die einer der Wachtposten in dem unheimlich pulsierenden Nebel beobachtet, tragen nicht dazu bei, die Situation zu entspannen. Bald darauf glauben einige Männer, die eben noch zweifelsfrei toten Leute von der Galliot sehr lebendig, wenn auch etwas zombiehaft, durch die Gegend wandern zu sehen. Es dauert nicht lang, und es kommt zu den ersten Todesfällen unter der Argos-Crew. Doch damit noch nicht genug: Auf einem weiteren Erkundungstrip stoßen Mark und seine Kumpels auf ein zweites, sehr viel älteres Wrack und auf die monströsen Leichname seiner fremdartigen Besatzung. Mehr und mehr stellt sich das Gefühl ein, dass dieser Planet eine tödliche Falle ist. Und in der Tat: Unsere Helden & Heldinnen wurden von einer Gruppe von Energiewesen hierhergelockt, die es nach physischen Körpern verlangt, um dieser seit Äonen toten Welt zu entfliehen.

Planet of the Vampires ist ein auf faszinierende Weise zugleich "traditioneller" und extrem zukunftsweisender SciFi-Flick.
In Design und Aussehen orientiert er sich sehr stark an den alten Pulps. Um ehrlich zu sein, ich kann mich an keinen Film erinnern, der auf ähnlich elegante Weise die Pulp-Ästhetik auf die Leinwand zu übertragen verstanden hätte. Man braucht sich ja bloß die coolen Uniformen der Argos-Crew anzuschauen. {Oder spricht da jetzt der Lederfetischist aus mir?} Auch technisches Spielzeug wie der überlebenswichtige "Meteor Rejector" scheint direkt den Seiten eines alten SciFi-Magazins entsprungen. {Tatsächlich basiert das Drehbuch auf einer Story des mir unbekannten italienischen Autors Renato Pestriniero.}  
Inhaltlich hingegen wirkt der Film wie eine Vorwegnahme von Motiven, die gut anderthalb Jahrzehnte später mit Streifen wie Philip Kaufmans Remake von Invasion of the Body Snatchers (1978) oder John Carpenters The Thing (1982) im SciFi-Kino virulent werden sollten: Der paranoiden Furcht, dass sich hinter jedem noch so vertrauten Gesicht ein unmenschliches Monstrum oder eine blutgierige Bestie verbergen könnte. Dem entspricht das für ein Pulp-Abenteuer äußerst pessimistische Ende. Den finalen Twist werde ich hier zwar nicht verraten, aber soviel sei gesagt: Dass Mark & Co den vampirischen Energiewesen schließlich zum Opfer fallen, ist nichts das Schlimmste. Die Implikationen der Schlussszene sind weitaus finsterer.
Andererseits sollte man den "avantgardistischen" Charakter von Planet of the Vampires vielleicht auch nicht überbetonen. Das Motiv des kollektiven Blutrauschs, in den die Crews der Argos und der Galliot verfallen, weist unverkennbare Ähnlichkeiten zu Nigel Kneales sieben Jahre zuvor ausgestrahlter TV-Serie Quatermass and the Pit auf, die ich hier besprochen habe.
Was allerdings auf gar keinen Fall unerwähnt bleiben darf, ist die Tatsache, dass Terrore nello spazio neben It! The Terror From Beyond Space (1958) ganz offensichtlich eine der wichtigsten Inspirationsquellen für Ridley Scotts Alien (1979) gewesen ist. Scott und Drehbuchautor Dan O'Bannon haben dies zwar stets geleugnet, doch die Indizien sind einfach zu deutlich. Schon die Szene, in der die Argos aus den extrem tief hängenden Wolken herabgeschwebt kommt und mit ihren Landebeinen auf der Oberfläche aufsetzt, weckt Reminiszenzen an die Landung der Nostromo. Die nebelverhangene Planetenlandschaft weist gleichfalls gewisse Ähnlichkeiten mit den Bedingungen auf LV-426 auf. {Wobei die Ironie natürlich darin besteht, dass Bava seine außerirdische Welt vor allem deshalb so diesig gestalt hat, weil er damit das Nichtvorhandensein eines Sets verschleiern wollte. Ein Problem, dass Scott & Co sicher nicht hatten.} Die letzten Zweifel verfliegen, sobald Mark und Sanya das fremde Raumschiffwrack und seine tote Besatzung entdecken. Ohne Frage haben wir hier die direkte Vorlage für den "Juggernaut"/"Derelict" und seinen "Space Jockey" vor uns. Selbst in einigen Details des Raumschiffdesigns finden sich geradezu unheimliche Ähnlichkeiten.
Warum Scott und O'Bannon dennoch stets steif und fest behauptet haben, sie hätten Bavas Film nie gesehen, bleibt ein Rätsel. Zumal sie andererseits den Einfluss, den It! The Terror From Beyond Space auf die Entwicklung von Alien hatte, nie geleugnet haben. Black Dog's Lee Medcalf hat in einer alten Episode von Jim Moons Podcast Hypnobobs einmal die interessante These aufgestellt, die Verbindung zwischen Planet of the Vampires und Alien sei vielleicht gar nicht bei Scott oder O'Bannon, sondern vielmehr bei H.R. Giger zu suchen. Das wäre eine Erklärung. Wie wahrscheinlich sie ist, wage ich nicht zu beurteilen.
Wie dem auch sei, die Tatsache, dass man Terrore nello spazio zu den direkten Vorläufern von Alien zu zählen hat, beinhaltet eine wunderbar ironische Wendung. Das italienische Grindhouse-Kino ist berüchtigt dafür, erfolgreiche amerikanische Formate hemmungslos zu kopieren, und natürlich folgten auch dem Erfolg von Alien eine ganze Reihe billiger Knock-offs aus dem "Land, wo die Zitronen blüh'n". Das bekannteste – und wohl auch beste – Beispiel dürfte Luigi Cozzis Contamination aus dem Jahre 1980 sein. Dass Alien selbst – mithin einer der stilprägendsten amerikanischen SciFi-Filme aller Zeiten sich ausgiebigst bei einem italienischen Genrefilm bedient hatte, darf da als eine der großen Ironien der Filmgeschichte gelten.

Doch auch wenn man von solchen filmhistorischen Neckigkeiten einmal absieht, bleibt Planet of the Vampires ein äußerst sehenswerter Film. Immer vorausgesetzt, man ist bereit, über seine erwähnten inhaltlichen und darstellerischen Schwächen hinwegzusehen, um sich stattdessen ganz von Mario Bavas cineastischer Magie gefangennehmen zu lassen,.

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