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Samstag, 17. Oktober 2015

"Then at a Deadly Pace / It Came From Outer Space" (I)

Wenn sich die dunklen Wolken in meinem Hirn mal wieder besonders stark zusammenballen und der Schwarze Hund aggressiver als gewöhnlich sein Spiel treibt, kommt meist irgendwann der Punkt, an dem ich für wenigstens einen Abend die Flucht in das Wunderland der SciFi- und Horrorflicks der fünfziger Jahre antrete. Diese Filme haben für gewöhnlich eine angenehm besänftigende und aufmunternde Wirkung auf mich.
Dienstag abend war es mal wieder so weit, und so dachte ich mir, es wäre schön, meine Leserinnen und Leser zumindest an einem Teil meiner eskapistischen Eskapade teilhaben zu lassen und ihnen von einigen meiner dabei gemachten Entdeckungen zu berichten. Zumal all meine anderen Projekte zur Zeit so überhaupt nicht vorankommen. Und wie besser könnte man solch einen Ausflug beginnen, als mit dem grandiosen Eröffnungssong der Rocky Horror Picture Show Science Fiction Double Feature:

{Wer den Text nicht auswendig kann, schaue hier vorbei und hole dies schnellst möglich nach}

Es war eine ziemlich lange Nacht, in deren Verlauf ich vier mehr oder minder "klassischen" Filmen der Ära einen erneuten bzw. ersten Besuch abstattete: It Came From Outer Space (1953), Earth vs. The Flying Saucers (1956), The Mole People (1956) und This Island Earth (1955).
Beschäftigen möchte ich mich vorerst aber nur mit den ersten beiden, bilden sie doch ein interessantes Gegensatzpaar, das zusammengenommen etwas von der erstaunlichen Vielfalt zu zeigen vermag, die der oft als bloßer Schlock verspottete SciFi-Film der Fifties zu bieten hat.

Beginnen wir mit Columbia Pictures Untertassen-Invasions-Flick, der seine Berühmtheit wohl vor allem dem Beitrag des unvergesslichen Ray Harryhausen verdankt.

  
Über den Plot gibt es nach diesem Trailer eigentlich nicht mehr viel zu sagen. Der amerikanische Raketenwissenschaftler Russell Marvin (Hugh Marlowe) und seine Frau Carol (Joan Taylor) begegnen auf ihrer Fahrt zum Sitz des US-Raketenprojekts "Skyhook" einer Fliegenden Untertasse. Ein zugegeben recht omniöses Zusammentreffen, doch Dr. Marvin hat momentan wichtigeres zu tun. Unter seiner Leitung haben die USA begonnen, künstliche Satelliten in die Erdumlaufbahn zu schießen*, und an diesem Morgen steht Raketenstart Nr. 11 auf dem Plan. Die Lage ändert sich freilich dramatisch, als am nächsten Tag gleich mehrere UFOs über dem "Skyhook"-Gelände auftauchen, den Komplex in Schutt und Asche legen sowie Carols Vater, General Hanley (Morris Ankrum), entführen. Als es Marvin kurz darauf gelingt, die geheimnisvollen Radiobotschaften der Außerirdischen zu decodieren, erfährt er, dass diese ihn als eine Art Kontaktperson für die Menschheit ausgewählt haben. Schließlich werden der Wissenschaftler, seine Frau und ein paar Army-Leute auf eine der Untertassen gebracht, wo ihnen die Aliens ihr Ultimatum an die Erde übermitteln: In 56 Tagen haben sich die Regierungshäupter der Welt in Washington zu versammeln und ihre bedingungslose Kapitulation zu erklären. Andernfalls warten Tod und Vernichtung auf die Völker der Erde. Marvin und seinen Kollegen bleiben acht Wochen Zeit, eine Waffe gegen die schier unbesiegbar wirkenden Invasoren zu entwickeln ...

George Pals drei Jahre zuvor in die Kinos gelangte Technicolor - Adaption von H.G. Wells' War of the Worlds mag der bekanntere vielleicht auch der bessere Film sein, doch dafür präsentiert uns Earth vs. The Flying Saucers das Bild einer massiven Alien-Invasion, das seine Inspiration sehr viel direkter aus der zeitgenössischen UFO-Hysterie bezogen hat.
Auch der ältere Streifen war nicht frei von diesem Einfluss gewesen schließlich hatten seine Marsianer wohl kaum zufällig ihre wells'schen Tripods gegen die seit Kenneth Arnolds angeblicher UFO-Sichtung von 1947 in Mode gekommenen Untertassen ausgetauscht –, aber der von Columbias B-Movie-Spezialisten Sam Katzman produzierte und von dessen "Hansdampf-in-allen-Gassen" - Regisseur Fred F. Sears gedrehte Flick stützt sich doch sehr viel unumwundener auf das Trara um angebliche Sichtungen außerirdischer Flugobjekte. Massenhafte Berichte über das Auftauchen geheimnisvoller "lights in the sky" und ähnlicher Phänomene waren zu diesem Zeitpunkt zu einem wellenartig auftretenden Phänomen (1947, 1949, 1952) in der US-Gesellschaft geworden. Das damit verbundene Interesse des Publikums versuchte der Flick offen auszunutzen. So zog man bei der Ausarbeitung der Story u.a. Donald Keyhoes drei Jahre zuvor erschienenen Bestseller Flying Saucers From Outer Space heran.
Donald E. Keyhoe war einer der Gründerväter der Ufologie in den USA. Auch wenn er selbst in diesem Zusammenhang sehr gerne seinen Dienst bei den US-Marines ins Spiel brachte und sich stets als "Major" titulieren ließ was ihm wohl eine größere Autorität verleihen sollte dürften zwei andere seiner früheren Tätigkeiten dabei eine weitaus größere Rolle gespielt haben. In den 20er Jahren hatte der gute Mann nämlich eine äußerst erfolgreiche Werbekampagne für Charles Lindbergh aufgezogen, um in den fogenden zwei Jahrzehnten dann unter die Pulp-Autoren zu gehen. Kurzgeschichten von ihm waren u.a. in Weird Tales und Flying Aces veröffentlicht worden. Keyhoe besaß offenbar sowohl ein Gespür für effektive PR als auch  für reißerische Stories. Beide Talente kamen ihm zugute, als er sich 1950 mit einem Artikel für das Magazin True erstmals den Fliegenden Untertassen widmete. Der Erfolg war so groß, dass er sich alsbald daranmachte, ein ganzes Buch mit dem Titel The Flying Saucers Are Real – das man sich bei Interesse hier durchlesen kann zu verfassen. Dem folgte drei Jahre später Flying Saucers From Outer Space. Beide Schmöker zitierten ausgiebigst aus offiziellen Dokumenten und Interviews mit Regierungsbeamten und Air Force - Offizieren, was ihnen einen seriösen Anstrich verlieh. 
Die Macher von Earth vs. The Flying Saucers schöpften daneben aber auch aus etwas weniger gut beleumundeten Quellen. Als Ray Harryhausen das Design der Untertassen entwickelte, zog er nicht nur Keyhoes Buch zu Rate, sondern wandte sich offenbar auch an George Adamski, den wohl berühmtesten "Contactee" der 50er Jahre. Während Keyhoe den "wissenschaftlichen" Flügel der Ufologie repräsentierte, darf Adamski als einer der Gründer des "spiritualistischen" gelten. Lange vor seiner ersten Begegnung mit {damals noch zigarrenförmigen} Raumschiffen oder gesprächigen Venusianern hatte sich der Mann in den okkultistisch angehauchten Kreisen Kaliforniens bereits einen gewissen Namen als Westentaschen-Guru gemacht. Seine in Büchern wie Flying Saucers Have Landed (1953) und Inside the Space Ships (1956) veröffentlichten Berichte über Begegnungen mit Außerirdischen und die von diesen interstellaren Besuchern übermittelten Botschaften stellten im Grunde eine direkte Fortsetzung seiner früheren Tätigkeit als Verkünder theosophisch-mystizistischer Heilslehren dar. Er passte sich damit bloß der sich wandelnden Mode in der Welt der Esoterik an. Die "Weisen vom Himalaya" wurden ganz einfach durch die "Weisen von der Venus" ersetzt. Adamski war nicht der einzige, der diesen Weg beschritt, doch blieb er für ein gutes Jahrzehnt der wohl bekannteste und einflussreichste "Contactee".

Das Interessante ist, dass sich Drehbuchautor Curt Siodmak und SFX-Magier Ray Harryhausen zwar von Keyhoe und Adamski inspirieren ließen, wenn es um das Ercheinungsbild der UFOs und vergleichbare "technische" Details ging, die Story des Films hingegen nichts mit dem zu tun hat, was die beiden Ufologen in ihren Büchern über die Besucher von den Sternen erzählt hatten. Sowohl Keyhoe als auch Adamski waren nämlich überzeugt davon, dass die Aliens friedliche Absichten verfolgten.
Die reale UFO-Hysterie der 50er Jahre hatte erstaunlicherweise wenig bis gar nichts mit der Furcht vor einer möglichen außerirdischen Invasion zu tun. Im SciFi-Film der Zeit hingegen war dieses Motiv sehr weit verbreitet. {Wenn auch mit nichten omnipräsent, wie ich hier & hier schon einmal an zwei Beispielen gezeigt habe.}
Für gewöhnlich wird dies als Widerspiegelung der Kalte Kriegs - Paranoia interpretiert, und aufs Ganze gesehen ist das wohl auch nicht falsch. Doch weist Earth vs. The Flying Saucers gerade in dieser Hinsicht einige faszinierende Nuancen auf.

Einerseits ist der Film natürlich nicht ohne Grund zu einem der ikonischsten "Alien Invasion" - Flicks der 50er Jahre geworden. In vielem erscheint er geradezu archetypisch. Der Held ist ein amerikanischer Wissenschaftler, der eng mit dem Militär zusammenarbeitet und dessen Ehefrau sogar die Tochter eines Generals ist. Patriotisch-militaristisches Trara nimmt einen nicht unbedeutenden Platz in dem Film ein, inklusive einger Stock-Footage-Einspielungen von Kampfjets und Flak-Geschützen in Aktion. Auch ist es bezeichnend, dass die große finale Schlacht gegen die Untertassen in Washington ausgefochten wird, wobei eine ganze Reihe berühmter Symbole des US-Staates, u.a. das Weiße Haus, das Washington-Monument  und das Kapitol gezeigt, zum Teil auch in Trümmer gelegt werden.
Soweit scheint das alles dem Schema zu entsprechen, von dem man spontan glauben mag, Filme dieser Art und dieser Ära müssten ihm folgen. Die USA und ihre Streitkräfte als Retter der Welt. Das Schema also, das der olle Roland Emmerich in seinem unerträglich öden Independence Day (1996) so sklavisch kopiert hat. Doch während Emmerich mit diesem Streifen {und dem nicht weniger grauslichen The Patriot [2000]} wohl tatsächlich beabsichtigte, eine Art filmischen Loyalitätseid gegenüber seiner Wahlheimat Amerika abzulegen, finden sich in Earth vs. The Flying Saucers eine Reihe kleiner Details, die diesem hurrapatriotischen Vibe entgegenstehen, ihn zwar nicht subversiv unterlaufen, aber doch relativieren.
So überrascht es z.B. ein wenig, dass die handelnden Personen die Entscheidung der Aliens, Washington zum Ort der weltweiten Kapitulationserklärung zu machen, offen thematisieren. Warum ausgerechnet Washington? Und die Antwort ist nicht etwa: Die USA sind die führende Weltmacht, nur logisch, dass die Außerirdischen uns Yankees als die natürlichen Vertreter der Erdbevölkerung betrachten, vielmehr erklärt einer der Charaktere: Washington ist eines der größten Zentren von politischer Macht auf der Welt. Auch wenn das unausgesprochen bleibt, können wir diesen Satz doch problemlos so erweitern: Die Aliens hätten ebensogut Moskau wählen können.
Auch wenn der Fokus des Films ganz auf unseren amerikanischen Helden und Heldinnen liegt, bemüht er sich doch hier und da ein Element von globaler Bedrohung, Solidarität und Zusammenarbeit einzuführen. Bezeichnenderweise hieß es in einem zeitgenössischen Variety - Artikel über den Film, die Welt werde am Ende durch "Yankee ingenuity" gerettet. Doch das ist nur teilweise richtig. Zwar sind es in der Tat amerikanische Ingenieure, die die Waffe entwickeln, mit der die Untertassen schließlich zurückgeschlagen werden, doch wird mehrfach betont, dass die Grundidee für diese neue Technologie von einem indischen Physiker stammte.     
So klein und auf den ersten Blick unbedeutend diese Details auch sein mögen, für mich haben sie dem Film doch eine zusätzliche, recht interessante Note verliehen. Verantwortlich für sie war vermutlich in erster Linie Bernard Gordon, der für die letztgültige Fassung des Drehbuchs, an dem eine ganze Reihe von Leuten herumgedoktert hatten, verantwortlich zeichnete. Gordon, über den ich hier schon einmal etwas ausführlicher geschrieben habe, war ein überzeugter Sozialist und deshalb Opfer der Schwarzen Listen. Seine {natürlich inoffizielle} Mitarbeit an Earth vs The Flying Saucers verdanken wir Produzent Charles H. Schneer, der dem zum Pariah erklärten unter der Hand immer mal wieder einen Job organisierte.

Was bleibt am Ende zu sagen? Der Film gehört sicher nicht zu den intelligentesten oder faszinierendsten SciFi-Flicks der 50er Jahre. {Anders als unser nächster Kandidat It Came From Outer Space.} Doch alles in allem darf er auch aus heutiger Sicht noch als ein äußerst unterhaltsamer "Alien Invasion" - Spaß mit sympanthischen Protagonisten, einem guten Pacing und einigen sehr schönen Sets und Spezialeffekten gelten. Die wahren Helden des Films sind natürlich Ray Harryhausens Stop Motion - Kreationen und die hübschen Verwüstungen, die sie während der finalen Schlacht in einem Modell-Washington anrichten. Doch auch das Design des Inneren der Fliegenden Untertassen mit dem riesigen, einer kristallenen Blüte ähnelnden "Übersetzungsapparat", der zugleich zur Gehirnwäsche eingesetzt werden kann, ist nicht ohne Reiz. Einzig die plumpen Schutzanzüge der Außerirdischen wirken etwas lächerlich. Aber ganz ehrlich: Einem Fifties - SciFi - Film würde etwas sehr wesentliches fehlen, wenn man nicht auch einmal ironisch kichern könnte.        


Fortsetzung folgt ...

* Man bedenke: Ein Jahr später würde tatsächlich ein solches Objekt in den Orbit geschossen werden. Freilich nicht von den Amerikanern, sondern von den Sowjets: Sputnik 1

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