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Samstag, 17. Januar 2015

Ein weiterer Punkt für die Anklageschrift

Ich war nicht tot und war auch nicht lebendig;
   Denk nun bei dir, wenn dir Verstand gegeben,
   Wie ich geworden, weder dies noch jenes.
Der Herrscher über jenes Reich der Schmerzen
   Hob sich mit halber Brust dort aus dem Eise.
   Ich mag wohl eher einem Riesen gleichen,
Als Riesen selbst an seinem Arm gemessen.
   Stell dir nun vor, wie seine ganze Größe
   Sein mag, die solchem Teile wird entsprechen.
Wenn er so schön war wie er jetzo häßlich,
   Und gegen seinen Schöpfer aufgestanden,
   So muß von ihm wohl alle Trauer kommen.

Divina Commedia, Inferno XXXIV, 25-36


So schildert Dante den Moment, in dem er im tiefsten Abgrund des Neunten Höllenkreises Luzifer erblickt, der seit seinem Sturz aus dem Himmel im Zentrum der Erde in dem riesigen Eissee Kozytus eingefroren und gefangen ist. 

So absurd dies auch klingen mag, aber diese Szene kam mir kürzlich wieder ins Gedächtnis, während ich mir die Episoden von Mission Log und Trekabout anhörte, die sich mit dem legendär miesen fünften Star Trek - Film The Final Frontier beschäftigen. Warum ich das getan habe, weiß ich eigentlich selbst nicht so recht, aber auf jedenfall hat es dazu geführt, dass ich nunmehr in der Lage bin, der langen Liste von Anklagepunkten, die man gegen William Shatners abstrusen Eintrag in die Annalen des Trek - Universums vorbringen kann, einen weiteren hinzuzufügen.

In The Final Frontier wird die Enterprise bekanntlich von Spocks durchgeknalltem Guru-Halbbruder Sybok gekapert, der mit ihr ins Zentrum der Galaxis fliegen will, wo sich seiner Meinung nach der mythische Planet Sha Ka-Ree befinden muss, das vulkanische Äquivalent zum Garten Eden, wo er Gott persönlich zu begegnen hofft. 
Übergehen wir den etwas peinlichen Umstand, dass die Crew der Enterprise schon einmal in den Mittelpunkt der Milchstraße vorgestoßen war -- in S01E08 The Magicks of Megas-tu der Animated Series um genau zu sein. Jedenfalls ist das Wesen, dem sie schließlich auf Sha Ka-Ree begegnen, ganz sicher nicht Gott, sondern irgendeine äußerst mächtige, aber zutiefst bösartige Kreatur, die dort offensichtlich von irgendjemandem oder irgendetwas gefangen gesetzt wurde und die Enterprise als Fluchtmittel zu benutzen gedenkt.

In Shatners ursprünglichem Script sollte es sich bei diesem ominösen Wesen allen Ernstes um Satan handeln. Ich zitiere aus dem entsprechenden Wikipedia-Eintrag:
When Kirk confronts "God", the image of the being transforms into that of Satan, and Kirk, Spock, and McCoy split up in their escape. Kirk eludes capture but goes back to save his friends from being carried away to Hell.
Über die Absurdität dieser Szene braucht man nicht viele Worte zu verlieren. Doch wenn man sich klar macht, dass die "Gott"-Kreatur in Final Frontier ursprünglich Luzifer sein sollte, erhält der Umstand, dass sich der Ort ihrer Gefangenschaft im Zentrum der Galaxis befindet, mit einemmal eine neue, nämlich "danteske" Note. Was zuvor wie eine willkürliche Entscheidung Shatners erscheinen musste, ließe sich plötzlich als eine bewusste Anspielung auf die Göttliche Komödie begreifen. Erst recht, wenn man dann noch erfährt, dass Sha Ka-Ree zu Beginn im Zentrum des Universums liegen sollte. {Glücklicherweise klärte Isaac Asimov die Jungs bei Paramount rechtzeitig darüber auf, dass das Universum kein Zentrum besitzt.*} Im Verständis von Dantes Zeit war das Zentrum der Erde das Zentrum der Welt. Ganz offensichtlich sollte sich Sha Ka-Ree in einer vergleichbaren Position befinden.

Ich muss zugeben, dass ich The Final Frontier weit weniger hasse als die meisten TNG-Kinofilme. Doch der Grund hierfür liegt vermutlich in erster Linie an persönlichen Erinnerungen an eine lang zurückliegende Star Trek - Nacht. {Ja, damals war es noch möglich, sich sämtliche Trek - Filme in einer Nacht anzuschauen.} Dennoch bin ich mir natürlich bewusst, dass es sich bei dem Flick um eine fürchterliche filmische Monstrosität handelt. Und die Erkenntnis, dass hier nicht nur Star Trek, sondern auch die Divina Commedia missbraucht wurde, macht das Verbrechen noch um einen winzigen Grad unverzeihlicher.


* Gene Roddenberry, dem Shatners Original-Script ganz und gar nicht gefallen hatte, schickte selbiges an Isaac Asimov und Arthur C. Clarke, in der Hoffnung, mit ihrer Hilfe das Projekt stoppen oder doch wenigstens massiv korrigieren zu können. 

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