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Freitag, 12. Dezember 2014

Expeditionen ins Reich der Eighties-Barbaren (IV): "The Sword and the Sorcerer"


The good thing about Pyun's movies is 
that the guy has an eye for directing. 
He creates cool shots.

                          Licanor Noreti

John Milius' Conan the Barbarian spielt ohne Zweifel eine wichtige Rolle in der kurzen Geschichte des Sword & Sorcery - Films der 80er Jahre, aber er steht nicht an ihrem Anfang. Er selbst war Teil eines Trends, dessen weiteren Verlauf er dann natürlich entscheidend mitbeeinflusst hat. Mit Sorceress haben wir bereits einen S&S - Flick kennengelernt, der vor Conan in den USA anlief. Dasselbe gilt auch für Albert Pyuns Kinodebüt The Sword and the Sorcerer.

Pyun wurde in der Folge zu einem äußerst produktiven Low - Budget - Regisseur, bekannt vor allem für seine Cyborg - Filme und postapokalyptischen Streifen (u.a. Cyborg [1989], Nemesis [1992], Omega Doom [1997]). Interessanter noch als seine spätere Karriere ist jedoch seine Lehrzeit. Geboren und aufgewachsen in Haiti begann Pyun schon in der High School erste Kurzfilme zu drehen. Durch einen dieser Filme wurde der große japanische Schauspieler Toshiro Mifune auf ihn aufmerksam. Mifune "knew it was difficult for an Asian in Hollywood at that time" und lud den Achtzehnjährigen deshalb nach Japan ein. In einem Interview mit Licanor Noreti erzählt Pyun über seine Zeit dort:
At the time, Mifune was working with Kurosawa on the prep for what became Dersu Uzala. My experience was limited to a few weeks of that prep. Instead, Mifune opted not to do the film and instead continued on a TV series his company was producing. I became part of Takao Saito's camera crew. Saito was Kurosawa's DP having shot Red Beard, etc. The strongest influences on me came from Saito and his professional approach and artistic sensitivity. Saito taught me to SEE.
Wenn Pyun hin und wieder als "Kurosawa-Schüler" bezeichnet wird, stimmt das also nicht so ganz. Dennoch hatte seine Lehrzeit in Japan zweifelsohne einen großen Einfluss auf seine spätere Arbeit. 

Natürlich wäre es lächerlich, wollte man einen Flick wie The Sword and the Sorcerer mit den Werken japanischer Meister wie Kurosawa, Kenji Mizoguchi, Masaki Kobayashi oder auch nur Kenji Misumi vergleichen. Aber bei aufmerksamer Betrachtung wird man doch eine ganze Reihe von Szenen und Einstellungen in diesem Film entdecken können, die echtes ästhetisches Gespür, ein Verständnis für Komposition und Atmosphäre verraten. Die durch das niedrige Budget ($4 Mio.) auferlegten Beschränkungen sind unschwer zu erkennen, dennoch sieht der Film erstaunlich gut aus.

The Sword and the Sorcerer war Albert Pyuns ganz persönliches Projekt, an dem er bereits mehrere Jahre gearbeitet hatte, bevor es ihm gelang, Brandon Chase (vielleicht am bekannesten für die Alligator - Filme) als Produzenten zu gewinnen. Die Tatsache, dass John Milius ungefähr zur selben Zeit an Conan arbeitete, spielte bei dieser Entscheidung keine Rolle. Wenn, dann hätte man den Arnold Schwarzenegger - Streifen ohnehin eher als bedrohliche Konkurrenz und damit als Argument gegen die Produktion des Filmes betrachten müssen. Doch wie Pyun einmal gesagt hat
Communication about who was making what and how was slim in those days, compared to now. I knew the Conan film was in the works and held admiration for Milius. I [...] did not realize Sword & Sorcerer was in competition until later.
Tatsächlich wirkt The Sword and the Sorcerer weniger wie ein vorweggenommenes Conan - Cash-in als vielmehr wie eine merkwürdige Hybridform aus älteren Traditionen (Robin Hood -, Piraten - oder Mantel & Degen - Film) sowie den sich gerade erst entwickelnden Gepflogenheiten des Sword & Sorcery - oder Barbarenflicks, angereichert mit einer ordentlichen Portion Blut, Gewalt, nackten Brüsten und 80er Jahre - Sexismus.



Der machthungrige Eroberer Titus Cromwell (Richard Lynch) erweckt den finsteren Magier Xusia (Richard Moll) von den Toten, um mit seiner Hilfe das Reich des guten König Richard zu erobern. Nach Erreichen seines Ziels, versucht er, sich des gefährlichen Verbündeten zu entledigen, erreicht jedoch lediglich, dass der monströse Hexer die nächsten Jahre auf das Regenerieren seiner Kräfte verwenden muss, bevor er sich aufmachen kann, um furchtbare Rache an dem Verräter zu nehmen. Und noch in anderer Hinsicht ist Cromwells Erfolg nicht ohne Makel. Richards junger Sohn Talon kann dem Massaker an der königlichen Familie entkommen.
Der Prinz wächst zu einem pelzetragenden Abenteurer im besten Sword & Sorcery - Stil (Lee Horsley) heran. Als er Jahre später an der Spitze eines Söldnertrupps in seine Heimat zurückkehrt, planen dort gerade Prinz Mikah (Simon MacCorkindale) und seine Schwester Alana (Kathleen Beller) einen Aufstand. Und auch der üble Xusia ist wieder aktiv geworden. Damit ist die Bühne bereitet für blutige Schwertgefechte, wilde Verfolgungsjagden und den einen oder anderen Abstecher in Cromwells Folterkammer. 

Der Film startet gleich mit einem echten Höhepunkt: Der ziemlich originell und atmosphärisch dicht in Szene gesetzten Wiedererweckung Xusias. Mit einem entsprechend guten Gefühl schaut man dem entgegen, was einen in den nächsten anderthalb Stunden erwartet. Leider erhält dieser verhaltene Enthusiasmus nach etwa dreißig Minuten einen empfindlichen Dämpfer, wenn man zu jener wirklich unangenehmen Szene gelangt, in der Alana gezwungen ist, die Hilfe Talons mit dem Versprechen einer gemeinsamen Nacht zu erkaufen. Natürlich darf man in Sachen Sexismus nicht gar zu empfindlich sein, wenn man Filme dieser Ära und dieses Genres genießen will, aber die nonchalante Art, in der hier dargestellt wird, wie eine Frau ihren Körper als Zahlungsmittel benutzen muss, wirkte auf mich doch ziemlich abstoßend. Allerdings wäre es in meinen Augen ein Fehler, würde man an dieser Stelle auf den Stopp-Knopf drücken. Denn alles in allem entpuppt sich Sword and Sorcerer letztenendes als ein kompetent gemachter, blutig-unterhaltsamer Fantasyspaß.

Darüberhinaus sehe ich in dem Streifen ein ebenso kurioses wie faszinierendes Werk des Übergangs von einer Ära des Abenteuerfilms zu einer anderen. Das zeigt sich bereits an der merkwürdig eklektisch anmutenden Namensliste: Talon, Alana, Mikah, Xusia – das sind "Fantasy"namen, wie wir sie im S&S - Film der 80er häufig zu hören bekommen. Die gekrönten Häupter in Pyuns Welt hingegen tragen Namen wie Richard, Ludwig, Charles und Sancho. Und zu allem Überfluss wird dem bösen Usurpator und Königsmörder dann auch noch der Name von Englands Revolutionsführer und Lord Protector verpasst.
Eine vergleichbare Mixtur findet sich auf allen Ebenen des Films.
Held Talon scheint es bestimmt zu sein, die Rolle des "verlorenen Prinzen" zu spielen, der zurückkehrt, um den bösen Thronräuber zu stürzen und sein Erbe anzutreten. Ungefähr so wie z.B. Ahmad in The Thief of Bagdad (1940). {Okay, der war bereits Kalif und nicht bloß Prinz, aber das Schema ist mehr oder weniger dasselbe}. Doch erstaunlicherweise nimmt seine Entwicklung eine ganz andere Richtung. Während seines Exils verwandelt er sich eine Kopie von Robert E. Howards Conan – Abenteurer, Freibeuter, Söldner. Und es ist dieser Heldentypus, der sein weiteres Verhalten in erster Linie bestimmt. Mit der Kreuzigung von Talon zitiert der Film sogar ganz direkt ein Motiv aus Howards Conan-Story A Witch Shall Be Born.
Doch anders als "Two Gun" Bobs berühmter Barbar, dem wir in den meisten Fällen als Einzelkämpfer begegnen, ist Talon zugleich Anführer einer Schar ihm loyal ergebener Kameraden und Gefolgsleute. Was dann wieder eher an alte Piratenfilme, mehr noch vielleicht an Robin Hood und seine Merry Men erinnert. Und ist Titus Cromwell nicht in der Tat eine Art Prinz John? {Dass der gute König Richard hieß, mag gleichfalls mehr als ein Zufall sein.} In diesen Rahmen würde sich auch ganz ausgezeichnet das Motiv der Rebellion gegen eine tyrannische Herrschaft einfügen.
Und es geht noch weiter: Die von David Whitaker komponierte Musik weist einen merkwürdigen Bruch auf, sobald es zu den großen Massenkampfszenen in Cromwells Palast kommt. Urplötzlich fühlte ich mich an Richard Lesters Musketier - Filme erinnert. Um so erstaunter war ich, als ich später in einem Interview mit Albert Pyun zu lesen bekam, dass The Three Musketeers von 1973 tatsächlich einer seiner wichtigsten Inspirationsquellen für The Sword and the Sorcerer gewesen sei.
Selbst jetzt ist noch nicht Schluss: Talons großartiges Schwert mit den drei Klingen, von denen zwei als tödliche Projektile verschossen werden können, weckt Assoziationen zu den mitunter wunderbar verrückten Gimmicks aus Honkongs Wuxia-Streifen, von denen Pyun in seiner Jugend ohne Zweifel eine Menge gesehen hatte.

Okay, ich möchte die Erwartungen meiner Leserinnen & Leser nicht gar zu hoch schrauben. Auch wenn man über die sexistischen Elemente hinwegsieht, besitzt The Sword and the Sorcerer deutliche Schwächen. Von Richard Lynchs Cromwell einmal abgesehen, der sich als eine für einen Fantasyfilm-Bösewicht erstaunlich nuancenreiche Figur herausstellt, bleiben sämtliche Charaktere eindimensional und ziemlich uninteressant. Auch wirkt der Plot mitunter etwas wirr, was sich jedoch vielleicht dadurch erklären lässt, dass die veröffentlichte Version angeblich um eine volle Stunde gekürzt wurde. Andererseits – ein Film dieser Art lebt nicht von der Logik oder Komplexität seiner Story. Er will mit Action und Abenteuer unterhalten, und in dieser Hinsicht hält der Flick, was er verspricht. Langeweile kommt hier ganz sicher nicht auf. Weniger leicht lässt sich verschmerzen, dass Xusia nur einige wenige Auftritte hat und im Grunde ein unnötiges Anhängsel der eigentlichen Geschichte darstellt. Denn immer dann, wenn wir es mit ihm zu tun bekommen, beweist Pyun sein Talent in der Erschaffung atmosphärisch dichter und leicht verstörend wirkender Szenen. Gut möglich, dass Make-up und Spezialeffekte bei dem relativ kleinen Budget ein häufigeres Auftreten des monströsen Magiers unmöglich machten.

Der Nachspann von The Sword and the Sorcerer verspricht übrigens eine baldige Rückkehr von Talon auf die Kinoleinwand. Ein Versprechen, das Pyun seinerzeit nicht erfüllen konnte {wenn es denn überhaupt ernst gemeint und nicht bloß als eine Anspielung auf die Gepflogenheiten der alten Pulps und Serials gedacht gewesen war}. Inzwischen jedoch gibt es dieses Sequel tatsächlich in der Gestalt von Tales of an Ancient Empire (2010).

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