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Montag, 24. November 2014

"Blood and Souls for my Lord Arioch !"




Schriftsteller, die sich zugleich als Kritiker betätigen wollen, sollten stets gut darauf achtgeben, dabei nicht eines Tages eine Formulierung zu verwenden, die sich ganz ausgezeichnet auch auf Teile ihres eigenen Werkes anwenden ließe.
Dem guten Michael Moorcock ist mindestens einmal genau solch ein peinlicher Faux-pas unterlaufen. In seinem nicht ganz unbekannten Essay Starship Stormtroopers von 1977 schreibt er über H.P. Lovecraft, dieser sei unfähig "to describe his horrors (leaving us to do the work - the secret of his success - we're all better writers than he is!)". 
Moorcocks meiner Meinung nach sehr undifferenzierte Sicht auf den alten Gentleman von Providence soll jetzt nicht das Thema sein. Ich finde es nur äußerst amüsant, dass mir ein ganz ähnlicher Gedanke einmal in Bezug auf Moorcocks eigenen Elric von Melniboné gekommen ist. 

Der Albino mit der seelentrinkenden Höllenklinge "Stormbringer" ist ohne Frage eine der großen Ikonen der Fantasyliteratur. Und ich würde sagen, dass er diesen Status verdientermaßen innehat. Doch ironischerweise scheint mir dafür weniger Moorcocks erzählerisches Talent verantwortlich zu sein. Eine nun bereits gut anderthalb Jahre zurückliegende erneute Lektüre der sechs klassischen Elric - Romane in Form des in den 80er Jahren von Heyne herausgegebenen Sammelbandes Elric von Melniboné – Die Sage vom Ende der Zeit ließ mich jedenfalls nicht unbedingt begeistert zurück. Und die vielleicht nicht eben perfekte Übersetzung von Thomas Schlück war ganz sicher nicht der einzige Grund dafür.
Die Details habe ich natürlich nicht mehr so richtig im Kopf. Darum werde ich hier bloß mehr oder weniger das wiederholen, was ich seinerzeit im Forum der Bibliotheka Phantastika geschrieben habe: Kurz gesagt, Elric scheint mir als Konzept sehr viel interessanter, denn als Charakter. Obwohl Moorcock dies inzwischen zu leugnen scheint, ist der Albino doch zweifelsohne als Gegenentwurf zu Robert E. Howards Conan entwickelt worden. Und auch wenn das heute sicher nicht mehr so revolutionär wirkt, wie in den 60er Jahren, als die ersten Elric-Stories erschienen,  ist es doch immer noch reizvoll mit anzusehen, wie die Ideen von "Two Gun" Bob auf den Kopf gestellt werden. Auf der einen Seite haben wir Conan als den "gesunden" Barbaren, der am Ende den Thron eines "zivilisierten" Königreichs besteigt und dieses vor dem Untergang bewahrt, auf der anderen Elric als letzten Spross einer dekadenten Herrscherdynastie, der eigenhändig die Vernichtung seines Reiches herbeiführt. Und der Umstand, dass er dank "Stormbringer" seine Stärke und Lebenskraft im wahrsten Sinne des Wortes dem Töten von Menschen verdankt, macht ihn auch nach dem Fall von Melniboné zu einem faszinierenden "Kommentar" auf den klassischen Sword & Sorcery - Helden. Leider jedoch wird er dabei nur selten zu einer wirklich lebendigen Figur. Am beeindruckendsten fand ich diesem Zusammenhang die Szenen, in denen Elric dank seiner Klinge zum blutgierigen Schlächter mutiert. Eher weniger überzeugend hingegen wirkten auf mich die Szenen, in denen er ihm nahestehende Menschen tötet. Und hätten nicht gerade sie den stärksten Eindruck hinterlassen müssen? Oh ja, Moorcock erzählt uns immer wieder, dass Elric von Schuldgefühlen gequält wird und „Stormbringer" hasst, aber er lässt seine Leser & Leserinnen nicht wirklich an diesen Emotionen teilhaben.

Michael Moorcock galt in den 60er und 70er Jahren zurecht als ein geradezu legendärer Schnellschreiber, der schon mal einen mehrere hundert Seiten umfassenden Roman in ein-zwei Wochen runtertippen konnte. Das bekannteste Beispiel dafür war -- wenn ich mich recht entsinne -- der Hawkmoon / Runestaff - Zyklus.
Ich erwähne diese Anekdote nicht, weil ich Moorcock zum "Pulp-hack" abstempeln will. In gewisser Hinsicht war diese Arbeitsweise notwendig, wenn er als SFF-Schriftsteller in jenen Tagen überleben wollte.

Mehr als einmal bin ich in letzter Zeit über die Behauptung gestolpert, die "alte" SFF sei die Domäne weißer Männer aus der Mittelklasse gewesen. Was Geschlecht und Hautfarbe angeht, dürfte das mehr oder weniger stimmen. Auch wenn man nicht vergessen sollte, dass es bereits in in den Anfangstagen des Genres durchaus einige bedeutende Autorinnen gegeben hat -- und das sowohl in der Welt der "Pulps" (C.L. Moore; Leigh Brackett) als auch in der der "literarischen" SFF (Hope Mirrlees, Naomi Mitchison, Evangeline Walton). In Bezug auf die Klassenzugehörigkeit jedoch erscheint mir diese Behauptung sehr fragwürdig. Auch wenn ich dafür keine "harten" Beweise habe, ist mein Eindruck eher der, dass es gerade in letzter Zeit zu einer zunehmenden "Gentrifikation" des Genres gekommen ist. Moorcock und seine "New Wave" - Kumpels jedenfalls gehörten in ihrer Mehrheit nicht der "Mittelklasse" an. Vorausgesetzt man assoziiert diesen Begriff mit einem noch so bescheidenen Wohlstand. Sie waren echte Bohèmiens, die von der Hand in den Mund lebten. Ein vor einigen Jahren in Fantastic Metropolis veröffentlichtes Gespräch zwischen Moorcock und Barrington Bayley, das zur Zeit leider nicht mehr im Netz abrufbar ist, vermittelt einen ganz guten Eindruck davon: 
Michael Moorcock: We came up with “Duel” around 1961 didn’t we, while I was staying with you at the House of Usher. The whole place would shake when even a motorbike went by outside and the landlord’s name actually was Usher. I was in a sleeping bag on your floor. I used to open my eyes slowly in the morning so as not to disturb the mice who had gathered around to stare at me. I felt a bit like Gulliver. I think it was you who discovered we could get maximum protein for the least money by buying bacon scraps from the local butcher.[...]
Barrington Bayley: Those mice, of which the house had droves, were very canny. One hint of human movement and they were off through their holes with unbelievable speed. They could also leap from the floor on to the table top (either that or they could walk up vertical surfaces and along the undersides of horizontal ones). Yes, I recall that getting something to eat was occasionally a problem in those days. Later I became adept at living on 10 shillings (50p) a week, and that included paraffin for the heater (as well as a big heap of bacon scraps). One day, in the same house, we had invited Pete Taylor to “dinner”. I was quite perturbed when you impressed on me, in some anxiety, that Pete would actually expect to be fed. Somehow we found enough money to buy some potatoes and something to go with them. On another occasion we gathered together all edible resources for something to eat that day. I can’t remember what I ate, but you ate a bowl of cocoa powder mixed with sugar. This was a familiar repast for me; I’d once lived on it for three days. [...]
Es ist denke ich nicht ganz unverständlich, warum Moorcock seinen frühen Stories und Romanen nicht die Sorgfalt angedeihen ließ, die man sich wünschen würde. Und dies mag auch auf Elric zutreffen. 

An den Schwächen der Romane ändert das natürlich nichts. 

Dennoch ist -- wie ich bereits gesagt habe -- der Albino mit dem schwarzen Schwert eine echte Ikone der Fantasy. Doch ist er zu einer solchen vielleicht weniger aufgrund der literarischen Leistungen seines Schöpfers als vielmehr durch die Imaginationskraft der Leser & Leserinnen geworden. -- "We're all better writers than he is". --  Sie haben das {zugegeben interessante} Konzept mit Leben erfüllt.
Und nicht nur das: Nicht wenige von ihnen bemächtigten sich der Figur und machten sie zum Objekt ihrer eigenen Kunst, vor allem in Form von Zeichnungen, Gemälden, Comics und Musik. 

Das vielleicht berühmteste Beispiel dafür dürften die Songs der großartigen britischen Space Rock - Band Hawkwind sein, die bereits in den 70er Jahren begonnen hatte, mit Moorcock zusammenzuarbeiten, und 1985 das Elric-Album The Chronicle of the Black Sword herausbrachte. {In den Genuss einer Live-Version gelangt man  hier & hier.}


2 Kommentare:

  1. Viel Hintergrund zum damaligen Leben des Kreises um NEW WORLDS bietet auch das Interview/Portrait in Charles Platt, GESTALTER DER ZUKUNFT (1982) bzw. DREAM MAKERS ...

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