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Montag, 3. November 2014

Auch eine Art Abenteuer

Geas*
Reichweite: 30e
Dauer: Bis zur Vollendung oder Aufhebung
Wirkung: Zwingt eine Kreatur

Dieser Spruch zwingt ein Opfer, eine bestimmte Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen. Zum Beispiel kann ein Charakter unter einem Geas (gesprochen: Gehs) gestellt werden, dem Zaubernden ein bestimmtes Objekt zu holen, zu essen, wann immer es ihm möglich ist, oder eine bestimmte Information nie preiszugeben. Die verlangte Handlung muß durchführbar sein und darf nicht direkt zum Tode führen, sonst wendet sich der Geas gegen den Zaubernden! Dem Opfer steht gegen den Geas ein Rettungswurf gegen Zaubersprüche zu. Ignoriert ein Charakter einen ihm auferlegten Geas, unterliegt er (vom DM zu bestimmenden) Strafen, bis er entweder dem Geas gehorcht oder stirbt. Angebrachte Strafen sind Abzüge im Kampf, gesenkte Attributswerte, Verlust von Zaubersprüchen, Schmerzen und Schwächeanfälle usw. Zauber Bannen und Fluchbrecher haben keinerlei Effekt gegen einen Geas.
So steht es in meiner altehrwürdigen blauen Ausgabe der D&D-Experten-Regeln von 1983. 
Ich wüsste zwar nicht, welchen Zauberer ich in jüngster Zeit verärgert haben sollte, aber man könnte beinah glauben, ich hätte letzte Woche unter der Kontrolle eben dieses perfiden Spruchs gestanden, denn ich habe mir die D&D-Filme angeschaut! ... Alle drei! ... Ohne dass mir dabei jemand eine Pistole an die Schläfe gehalten hätte!
Lasst mich berichten von meiner epischen Queste!


Dungeons & Dragons (2000)



Beginnen wir unsere Saga mit einer vielleicht etwas provokant klingenden Behauptung: Meiner Meinung nach sollte jeder, der sich für die Geschichte des Fantasyfilms interessiert, Courtney Solomons im Jahr 2000 in die Kinos gelangten Streifen wenigstens einmal gesehen haben. Nicht, weil er legendärer Schlock ist. In dieser Hinsicht wären Hawk the Slayer (1980) und selbst Conan the Destroyer (1984) sehenswertere Kandidaten. Das Pikante an Dungeons & Dragons ist vielmehr, dass der Flick unter dem Logo von New Line Cinema über die Leinwände flimmerte. Zugegeben, New Line war lediglich der Filmverleih, nicht die Produktionsfirma, aber ich finde es dennoch ebenso amüsant wie erhellend, dass dieser Streifen mit dem Namen des Studios verknüpft ist, das der Welt ein Jahr später Peter Jacksons Fellowship of the Ring präsentierte. Dungeons & Dragons führt einem mit aller wünschenswerten Deutlichkeit vor Augen, auf welchem Niveau sich der Fantasyfilm befand, unmittelbar bevor Jackson die Bühne betrat. Wenn das der Standard war, an dem sich dieser messen lassen musste, dann ist es kein Wunder, dass seine Tolkienadaption auf viele offenbar wie der Citizen Kane des Fantasyfilms gewirkt hat.

Auf den ersten Blick mag es erstaunlich erscheinen, dass es erst so spät zur Produktion eines Dungeons & Dragons - Films gekommen ist. Seine größte Popularität genoss das Spiel doch wohl in den 80er Jahren. {Und dementsprechend wurde die gleichnamige Cartoon-Serie auch von 1983-85 ausgestrahlt.} Tatsächlich hatte Courtney Solomon die Rechte für eine Filmadaption {nennen wir's mal so} bereits ein gutes Jahrzehnt zuvor erworben. Dass es so lange dauerte, bis das Projekt schließlich realisiert wurde, hatte vor allem mit den Titelinhabern {erst TSR, dann Wizards of the Coast} zu tun, denen beim Erwerb der Lizenz außergewöhnlich große Mitspracherechte eingeräumt worden waren. Glaubt man Solomon, so war das jahrelange Hickhack erst mit Lorraine Williams, die seit dem Ausstieg von Gary Gygax 1987 die uneingeschränkte Kontrolle über TSR besaß, dann mit Peter Adkinson, dessen Wizards of the Coast ein Heidengeld mit Magic: The Gathering verdient hatten und 1995 TSR schluckten, in hohem Grade mitverantwortlich dafür, dass am Ende ein so vermurkstes Produkt herauskam. Eigenen Aussagen zufolge hatte er nie vorgehabt, selbst die Regie zu führen, und das Drehbuch, auf dem der Film basierte, war eigentlich längst zugunsten eines anderen Scripts verworfen worden. Ob dieses wirklich besser gewesen wäre, werden wir natürlich nie erfahren, doch angesichts der Tatsache, wie fürchterlich das von Carroll Cartwright & Topper Lilien verbrochene Machwerk ist, stehen die Chancen dafür ziemlich gut.

Dungeons & Dragons ist vermutlich nicht der mieseste Fantasystreifen, der je gedreht wurde. Ich würde wetten, dass man unter den zahllosen ultrabilligen Conan - Rip-offs der 80er Jahre noch manch gruseligeres Exemplar finden könnte. Joe D'Amatos Ator (1982) wäre z.B. ein durchaus ernstzunehmender Konkurrent. Das ändert freilich nichts daran, dass Courtney Solomons Flick ein echtes Verbrechen an allen Freundinnen & Freunden der Fantasy oder des Films darstellt. Ach was sage ich: An allen auch nur durchschnittlich intelligenten oder sensiblen Menschen.
Das Schlimme ist nicht, dass der Film inkompetent gemacht und die Story unsäglich dumm ist. Dungeons & Dragons ist vor allem eins: Beleidigend. Zwerg Elwood (Lee Arenberg) als dümmliche Karrikatur, neben der selbst Peter Jacksons Gimli wie ein ernstzunehmender Charakter wirkt, ist eine Beleidigung für alle D&D-Fans im Publikum. Snails (Marlon Wayans) als "wacky sidekick"  ist eine Beleidigung für alle Schwarzen im Publikum. "Love interest" Marina (Zoe McLellan) als Zauberin, die nie zaubert, sondern stattdessen eins ums andere Mal die um Hilfe kreischende Damsel in Distress spielt, ist eine Beleidigung für alle Frauen im Publikum. Es ist wirklich erstaunlich, in welch geballter Form diese unangenehmen Klischees hier auf uns einprasseln. Und da der "coole Held" des Ganzen (Justin Whalin als Ridley) zu allem Überfluss auch noch einen eher unsympathischen Eindruck hinterlässt, werden sich etwaige Zuschauerinnen & Zuschauer diesem Dauerbeschuss besonders hilflos ausgeliefert fühlen.
Gleichfalls wenig hilfreich ist, dass die Leute, die für dieses auf Celluloid gebannte Desaster verantwortlich waren, allem Anschein nach nicht wussten, was für eine Art von Film sie eigentlich drehen wollten: Eine eher locker-humorvolle Abenteuerstory oder ein dramatisches Fantasyepos?  In der ersten Hälfte des Streifens hat man nicht das Gefühl, dass man die Geschichte wirklich ernst nehmen soll. Dazu enthält sie einfach zu viele {müde} Witze. Doch dann schlägt sie urplötzlich eine andere Richtung ein. Ridley wird zum "Auserwählten" erklärt. Irgend ein alter Elfenfürst schwafelt etwas über das "kosmische Gleichgewicht" und den drohenden Untergang der Welt usw. Der Wendepunkt wird bizarrerweise durch den reichlich brutalen Tod von Snails gekennzeichnet. Auf abstrakte Weise macht das zwar irgendwie Sinn {der "Comic Relief" - Charakter wird getötet und zugleich erhält die Geschichte eine ernstere Note}, auf der Leinwand jedoch wirkt das einfach bloß irritierend.  

Dennoch kann ich Dungeons & Dragons nicht gänzlich verdammen. Und dafür gibt es einen, allerdings sehr guten Grund: Jeremy Irons als böser Zauberer Profion. Ganz offensichtlich war der Schauspieler sich vollauf bewusst, in welch monströser Karrikatur von Film er da mitwirkte. Und so machte er sich einen Spaß daraus, auszuprobieren, wie weit er in seinem absurd übertriebenen Spiel gehen könnte, bevor der Regisseur einschreiten würde. Courtney Solomon ist offenbar überhaupt nicht eingeschritten. Das Ergebnis sind solch grandiose Szenen wie diese:



Leider taucht der gute Profion viel zu selten in dem Film auf. Andernfalls bestände eine gute Chance dafür, dass ich Dungeons & Dragons in mein persönliches Pantheon des Schlocks aufnehmen würde. Jeremy Irons als fieser Schwarzmagier ist einfach phänomenal.


Dungeons & Dragons: Wrath of the Dragon God (2005)



So erstaunlich dies auch klingen mag, Dungeons & Dragons war kein absoluter Flop. Möglicherweise ein weiteres Indiz dafür, wie mies es damals um den Fantasyfilm bestellt war. Andererseits war niemand bereit, noch einmal $45 Mio in einen D&D-Flick zu investieren. Dass dennoch eine Art Sequel zustande kam, haben wir vermutlich einzig dem Umstand zu verdanken, dass in der Folge von Peter Jacksons Lord of the Rings auch amerikanische Fernsehkanäle plötzlich ein Interesse an Fantasy entwickelten. Und so durfte sich fünf Jahre nach dem katastrophalen Einstand Gerry Lively (Kameraman bei Hellraiser 3 & 4 sowie zwei Dritteln von Necronomicon} daran machen, eine Art Fortsetzung zu Solomons Machwerk zu drehen. Selbiger fungierte hier nur noch als Produzent. Und wenn ich von "verdanken" spreche, so meine ich das nur teilweise ironisch.

Um keine falschen Hoffnungen aufkommen zu lassen: Wrath of the Dragon God aka The Elemental Might ist gleichfalls ein reichlich mieser Film, aber anders als sein Vorgänger besitzt er etwas vom naiven Charme eines echten B-Movies. Details wie die schon auf den ersten Blick extrem künstlich wirkenden Matte Paintings der Stadtbefestigung und des Schlosses von Izmir wirken auf mich irgendwie anrührend.
Das deutlich kleinere Budget führte auch dazu, dass Solomon, Lively und Crew gar nicht erst versuchten, ihrem Streifen einen epischen Anstrich zu verleihen. Obwohl es natürlich auch diesmal um das drohende Ende der Welt geht {immerhin befinden wir uns in einem generischen Fantasyfilm}, hat man dennoch das Gefühl, die Geschichte bewege sich auf einem bescheideneren Niveau. Izmir ist nicht länger die riesige Metropole aus dem ersten Film. Der Palast hat nichts mehr von der barocken Pracht der kaiserlichen Residenz an sich. Der König selbst hinterlässt einen bodenständigen, wenig majestätischen Eindruck. Die ganze Welt wirkt irgendwie überschaubar.

Sicher, die Story ist alles andere als originell, aber zumindest besitzt sie ein wenig echtes D&D-Flair. Von dem kurzen {und für die Handlung völlig überflüssigen} Auftritt einiger Beholder abgesehen, besitzt der 2000er Film kaum echte Verbindungen zum Urvater aller Fantasyrollenspiele In Wrath of the Dragon God hingegen bekommen wir nicht nur eine ganze Reihe typischer D&D-Monster und -Artefakte vorgeführt, im Zentrum der Handlung steht auch eine waschechte Abenteurergruppe, bestehend aus einem Kämpfer, einer Barbarin, einem Dieb (Rogue), einem Kleriker und einer Elfenzauberin. Und so inkompetent der Streifen insgesamt auch gemacht ist, das verleiht ihm ein gewisses Charisma.
Und inkompetent gemacht ist er ganz ohne Frage. Das von Robert Kimmel & Brian Rudnick verfasste Drehbuch enthält zwar dankenswerterweise keine der offen beleidigenden Elemente, die Courtney Solomons Flick zu einer strreckenweise so unangenehmen Erfahrung machen, aber sehr viel mehr gutes lässt sich darüber auch nicht sagen. All die halbherzigen Versuche, den Charakteren etwas mehr Tiefe zu verleihen, enden ausnahmslos im erzählerischen Nirvana. So wird uns z.B. Held Berek (Mark Dymond) in der Eröffnungsszene als ein in die Jahre gekommener Krieger vorgestellt, dem sein einstiger Schüler eindringlich vor Augen führt, dass er nicht mehr der "unbesiegbare Recke" von einst ist. Ein Thema, das in der Folge kein einziges Mal wieder aufgegriffen wird. Ähnliches gilt u.a. für die gefährliche Unbeherrschtheit der Barbarin Lux (Ellie Chidzey), das "weise" Geschwätz des Klerikers Dorian (Steven Elder) oder die Feindseligkeiten zwischen Lux und Meisterdieb Nim (Tim Stern), die im Laufe des Abenteuers allmählich gegenseitigem Respekt und echter Zuneigung weichen. Keine dieser Entwicklungsstränge wird zu einem befriedigenden Abschluss geführt. Am Ende hängen sie alle lose in der Luft.  .

Dennoch, ich kann mir nicht helfen, der Film besitzt seinen ganz eigenen Charme. Ist es der hohe Trash-Faktor? Das neckische D&D-Flair? Die immer wieder ins nachgerade Groteske übergehende Amateurhaftigkeit des ganzen Unternehmens? Genau festmachen kann ich es nicht, aber ich glaube, am besten lässt es vielleicht an der Figur von Melora (Clemency Burton-Hill) illustrieren. Bereks Ehefrau ist eine junge und ehrgeizige Zauberin, die anders als Marina aus dem ersten Teil kompetent, selbstständig und mutig ist, nie zu einer kreischenden Damsel in Distress verkommt und am Ende einen ebenso wichtigen Beitrag zur Bezwingung des Bösen leistet wie ihr Gatte. Das allein macht sie schon einmal ziemlich sympathisch. Doch der eigentliche Reiz der Figur liegt anderswo. Ms Burton-Hill besitzt einen unverkennbar amerikanischen Akzent, was bei einer Magierin aus einem pseudomittelalterlichen Fantasyreich einfach wunderbar grotesk wirkt. Auch handelt es sich bei ihr ganz offenbar nicht eben um die begnadedste Schauspielerin auf Erden. Für keinen Moment nimmt man ihr ihre Rolle wirklich ab. Aber die Wirkung, die dadurch entsteht, ist eine ganz eigenartige. Was in jedem anderen Kontext zu Frustration auf seiten des Zuschauers führen müsste, wirkt hier merkwürdig charmant. So als sehe man sich keinen Fernsehfilm, sondern die Aufzeichnung eines LARP an. Und für einen D&D-Film scheint das fast angemessener als eine wirklich glaubwürdige Darstellung. 

Ein Wermutstropfen zum Abschluss: Bruce Payne als Damodar, der zu einer untoten Existenz verdammte ehemalige Handlanger Profions, gibt leider keinen annähernd so unterhaltsamen Bösewicht ab wie sein einstiger Meister. 


Dungeons & Dragons: The Book of Vile Darkness (2011/12)
   



Stufe für Stufe steigt das D&D-Franchise hinab in die filmische Unterwelt. Von den Höhen des Kinos über die mittleren Gefilde des Fernsehens erreicht es mit The Book of Vile Darkness schließlich die Niederungen des direkt für den DVD-Markt produzierenden Filmgewerbes.

Inhaltlich hat der erneut unter der Regie von Gerry Lively gedrehte Streifen nichts mit seinen Vorgängern zu tun. Vielmehr versucht er ganz bewusst mit dem bisherigen Konzept zu brechen. Er will ganz offensichtlich "erwachsener" und "düsterer" wirken. Ob das die allgemeinere Entwicklung hin zur Grimdarkfantasy à la Game of Thrones widerspiegelt, oder bloß den Versuch darstellt, ein etwas anderes Publikum anzusprechen, ist schwer zu sagen. Auf jedenfall verleiht diese deutliche Veränderung im Ton dem Film einen ganz eigenen Charakter. Erneut haben wir es mit einer Abenteurergruppe zu tun, doch ist diese erklärtermaßen "böse", besteht aus Hexen, Assassinen und Schwarzmagiern, die nach Herzenslust plündern und morden, um ab und an irgendwelche pseudo-nietzscheanischen Sprüche vom "Recht des Stärkeren" von sich zu geben. Dieser neckischen Schar schließt sich ein ehemaliger Paladin an, der auf diese Weise hofft, seinen von irgendwelchen Schurken entführten Vater finden und retten zu können. Schritt für Schritt entfernt er sich dabei von seinen hehren Idealen, wird selbst zum Lügner und Mörder.

Zu Beginn wirkt diese Umkehrung der traditionellen Fantasyklischees ja noch ganz nett, zumal wir es mit einem Trupp wirklich cooler Schurken zu tun haben. Doch selbstverständlich läuft alles am Ende bloß darauf hinaus, einen Satz von Klischees durch einen anderen zu ersetzen. Und ein paar nackte Brüste und ein bisschen Gore machen das Ganze auch nicht wirklich interessanter. Wenn der Flick wenigstens die Cojones gehabt hätte, um das Böse tatsächlich triumphieren zu lassen. Doch nein, natürlich erweist sich unser scheinbar korrumpierte Paladin am Ende als der "Auserwählte", der gemeinsam mit seiner Hexen-Geliebten die Mächte der Finsternis bezwingt und das Universum rettet. Buuh!  
 
The Book of Vile Darkness ist nicht so irritierend wie der 2000er Film, aber auch nicht so charmant wie Wrath of the Dragon God. Handwerklich und visuell zum Teil äußerst inkompetent, zum Teil gar nicht einmal so übel, erweist sich der Streifen alles in allem als schlicht durchschnittlich. Von dem unangenehmen Vibe, der von der Beziehung zwischen Hexe und Paladin ausgeht, einmal abgesehen, gab es nichts, was mich an ihm wirklich gestört, aber eben auch nichts, was für längere Zeit mein Interesse wachgehalten hätte.

1 Kommentar:

  1. Heiliges Kanonenrohr! Es gibt einen DRITTEN D&D-Film. Gott im Himmel, wie grausam willst Du uns denn noch strafen!?

    Ich empfehle Doug ›Nostalgia Critic‹ Walkers Video-Besprechung des ersten Teils: http://thatguywiththeglasses.com/videolinks/thatguywiththeglasses/nostalgia-critic/29639-dungeons-and-dragons

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