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Montag, 27. Oktober 2014

Von Maisfeldern und miesen Filmen

Natürlich kann nicht jede Stephen King - Verfilmung ein Klassiker wie Brian De Palmas Carrie (1974) oder Stanley Kubricks The Shining (1980) sein. Dazu gibt es einfach viel zu viele von ihnen Und obwohl ich die meisten nicht gesehen habe, gehe ich davon aus, dass selbst eher einfach gestrickte, doch kompetent gemachte Horrorunterhaltung, wie sie etwa Tobe Hoopers Salem's Lot (1979) oder Frank Darabonts The Mist (2007) bieten, in dieser Schar eher die Ausnahme denn die Regel bildet. Dennoch hatte ich nicht erwartet, dass sich Fritz Kierschs Children of the Corn als ein derart miserabler Film entpuppen würde 



Vielleicht war ich deshalb so extrem enttäuscht, weil ich den Flick schon seit urdenklichen Zeiten unbedingt einmal hatte sehen wollen. Das Thema  so weit mir bekannt  schien gruselig und vielversprechend zu sein. Und auch jetzt noch würde ich behaupten, dass Kiersch {der nebenbei bemerkt vier Jahre später auch für Gor verantwortlich zeichnen würde ...} und Drehbuchautor George Goldsmith ein vielleicht nicht unbedingt sehr originelles, aber dennoch recht vielversprechendes Material zur Verfügung stand, das sie aufs Sträflichste verhunzt haben.

1. Creepy Kids – Ich habe keine Ahnung, wann dieses Motiv erstmals seinen Eingang in die Welt des Horrors gefunden hat, aber über die Jahrzehnte hat es sich in ganz unterschiedlichen Formen immer wieder als äußerst fruchtbar erwiesen. Ich denke da u.a. an Wolf Rillas Village of the Damned (1960), Jack Claytons The Innocents (1961) oder {das wohl extremste Beispiel} Narciso Ibáñez Serradors ¿Quién puede matar a un niño? aka Who Can Kill A Child? (1976). 
Das Motiv wirkt wohl deshalb so verstörend, weil es gegen unsere Vorstellung von "kindlicher Unschuld" verstößt. Sei es, dass wir mit kaltblütig-"erwachsener" Grausamkeit in Kindsgestalt konfrontiert werden, sei es, dass sich "Unschuld" und Bösartigkeit auf beunruhigende Weise miteinander vermischen.
Das Problem mit Children of the Corn ist: Die "Kids" sind nicht wirklich "creepy". 
Courtney Gains als Malachai gibt einen recht überzeugenden jugendlichen "Bully" ab, dem es Vergnügen bereitet, Macht über andere zu haben, sie einzuschüchtern, zu verletzen oder gar zu töten. Aber ein "Bully" ist nicht per se unheimlich, und Malachai ist kein Kind. Sein Sadismus nimmt zweifellos extreme Formen an, doch im Kern unterscheidet er sich nicht wesentlich von Verhaltensweisen, die wir bei vielen Heranwachsenden tatsächlich beobachten können. Jeder Schulhof hat seine Malachais. 
Wirklich unheimlich – und damit der einzige echte Lichtblick des Films – ist nur John Franklins Isaac. Die Entscheidung, den Sektenführer nicht von einem Kind, sondern von einem kleinwüchsigen Erwachsenen spielen zu lassen, war in mehrfacher Hinsicht eine sehr glückliche. Zum einen sind wirkliche gute Kinderdarsteller eher selten, und vielleicht ebenso selten finden sich Regisseure, die es verstehen , mit ihnen zu arbeiten. Zum anderen wird der Figur des Issac damit auf subtile Weise eine irgendwie "unnatürliche" und darum verstörende Aura verliehen. Wenn man nicht weiß, dass Franklin zum Zeitpunkt des Drehs ein Mittzwanziger gewesen ist, rein optisch könnte man ihn beinah wirklich für ein Kind halten. Und doch umgibt ihn etwas sehr "unkindliches", nicht nur in seinen Worten und Handlungen, sondern auch in seinem Auftreten, seinen Bewegungen, seiner Mimik.
Der Rest der Kinder jedoch wirkt leider weder unheimlich, noch auch bloß wirklich bedrohlich. Während der erschreckend inkompetent in Szene gesetzten Verfolgungsjagd auf Burt (Peter Horton) hinterlassen sie einen beinah lächerlichen Eindruck, so leicht gelingt es unserem Helden, ihnen zu entkommen, obwohl sie ihn mehrfach umzingelt oder in die Enge getrieben haben. Und wenn Burt später eine ihrer "heiligen" Zeremonien brutal unterbricht und sie wie eine Horde dummer, ungezogener Gören behandelt, scheinen sie nicht zu wissen, wie sie auf den "blasphemischen" "Außenseiter" reagieren sollen, und versuchen nicht einmal ernsthaft, ihn davon abzuhalten, ihre Bibeln und "heiligen" Gefäße durch die Gegend zu schleudern. Nach dem Tod von Isaac und Malachai verwandeln sie sich denn auch von einem Moment auf den anderen in eine Schar verängstigter Kinder, die sich hilfesuchend an dieselben Erwachsenen wenden, welche sie vor kurzem noch ihrem Gott opfern wollten.  
Um diesen plötzlichen Wandel zu rechtfertigen, könnte man einwenden, es sei durchaus glaubhaft, dass Mitglieder einer autoritären Gemeinschaft den Kopf verlieren, sobald ihre "Führer" nicht mehr da sind, und sie sich so rasch wie möglich einer neuen Autorität unterwerfen werden {in diesem Fall halt der "natürlichen" Autorität der Erwachsenen}. Aber auch wenn dieses Argument durchaus logisch klingt, die Art, wie der Film die radikale Veränderung im Verhalten der Kinder in Szene setzt, wirkt schlicht unglaubwürdig. Vergessen wir nicht, diese Kinder haben vor wenigen Jahren ihre Eltern und alle erwachsenen Einwohner von Gatlin ermordet. Isaac mag das Blutbad angeordnet haben und Malachai war sicher schon damals der eifrigste Killer, aber die beiden haben nicht als einzige die Sichel geschwungen.

2. Religiöser Fanatismus + Pseudoheidnische Riten – Zufällig habe ich gerade Ramsey Campbells Roman Hungriger Mond (The Hungry Moon) gelesen. Und auch wenn der mich nicht restlos überzeugt hat, gibt er doch ein hübsches Beispiel dafür ab, wie man die Grausamkeit des christlichen Fundamentalismus mit dem Motiv vorzeitlich-dämonischer Schrecken verknüpfen kann. 
Zumindest ansatzweise wäre etwas ähnliches auch in Children of the Corn möglich gewesen. Immerhin spielt die Handlung in einer ländlichen Region des Bible Belt, und einige Züge der von Isaac geschaffenen Sekte sollen wohl sehr bewusst Assoziationen mit extremen Formen des amerikanischen Protestantismus wecken. So vor allem die alttestamentarischen Namen, welche die Kinder sich zugelegt haben. Doch leider macht der Film nicht viel aus diesen Ansätzen. Außer ein zwei oberflächlichen Seitenhieben auf fanatische Radioprediger enthält er keinerlei Versuche, das mörderische Treiben der kindlichen Anhänger von "He Who Walks Behind The Rows" mit dem nicht sehr viel sympathischeren realen Treiben christlicher Fundamentalisten in Verbidnung zu bringen.

3. Die Maisfelder – Scheinbar grenzenlos und völlig menschenleer ... Für den, der sich mitten in ihnen befindet, einem Labyrinth nicht unähnlich ... Der Wind, der knisternd durch die Halme streift ... Mit dem sensiblen Auge eines echten Filmemachers betrachtet, hätten die Maisfelder auf sehr effektvolle Weise dem Heraufbeschwören einer unheimlichen Atmosphäre dienstbar gemacht werden können. Ansatzweise versucht dies Kiersch auch ein-zwei Mal, doch leider mit nur geringem Erfolg. Zumal die entsprechenden {sehr kurzen} Szenen recht unverbunden neben denen stehen, die im Dorf selbst spielen. Und die ausgestorbene Geisterstadt Gatlin könnte in atmosphärischer Hinsicht genausogut in einem abgelegenen Winkel der Appalachen liegen.

Ich habe Stephen Kings Kurzgeschichte nicht gelesen, ebensowenig kenne ich das Remake von 2009. Dennoch bin ich mir ziemlich sicher, dass es ein fataler Fehler der Produzenten war, Kings eigenes Drehbuch {auf dem der 2009er Film basiert} zugunsten von Goldsmiths Script zurückzuweisen. 
Allem Anschein nach sollte nach den Vorstellungen des Schriftstellers die Beziehung zwischen Burt und Vicky ("Sarah Connor" Linda Hamilton) eine sehr viel zentralere Rolle spielen. In der Short Story befindet sich ihre Beziehung in einer tiefen Krise, und die Urlaubsreise, die sie ins ländliche Nebraska und nach Gatlin führt, ist als ein letzter Versuch gedacht, diese zu kitten. Vor diesem Hintergrund würde das Verhalten der beiden, das wir in Children of the Corn zu sehen bekommen, sehr viel mehr Sinn machen. Burt will unbedingt herausfinden, was in Gatlin vor sich geht, und ignoriert dabei alle Einwände seiner Frau, der der Ort unheimlich ist und die möglichst schnell von dort verschwinden will. Wenn wir glaubhaft vermittelt bekommen hätten, dass die beiden kurz vor einer Trennung stehen, würden wir dieses unsensible und beinah etwas aggressive Verhalten in einen Kontext einordnen können, der es realistischer erscheinen ließe. Auf einem Vorhaben oder einer Ansicht zu beharren, gerade weil der Partner oder die Partnerin das Gegenteil vertritt, kommt in sterbenden Beziehungen ja nicht unbedingt selten vor. Ohne diesen Hintergrund jedoch wirkt das Ganze bloß wie ein weiteres Beispiel für die in gar zu vielen Horrorfilmen zu beobachtende Regel, dass sich die Helden dumm verhalten müssen, weil es sonst keine Story gäbe. Wenn Burt auf Vicky gehört hätte {was bloß vernünftig gewesen wäre}, die beiden wären in die nächste Kleinstadt gefahren, hätten dort die Polizei informiert und selbige hätte vermutlich ohne viel Blutvergießen und tricktechnisch miese Auftritte dämonischer Maisgötter die Lage in Gatlin bereinigt.

Nein, Children of the Corn ist wirklich kein guter Film, und warum er zur Produktion von sage und schreibe sieben Sequels geführt hat, mag "He Who Walks Behind The Rows" wissen. Für mich stellt das ein unlösbares Rätsel dar. 

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