Seiten

Donnerstag, 23. Januar 2014

Happy Birthday, Two-Gun Bob

Mit einem Tag Verspätung möchte ich Robert E. Howards gedenken, der gestern einhundertacht Jahre alt geworden wäre.

Die meisten werden ihn vermutlich ausschließlich als Schöpfer von Conan dem Barbaren und (Mit)Begründer der Sword & Sorcery kennen. Doch Two-Gun Bob war in seinem viel zu kurzen Leben {er beging 1936 Selbstmord} in fast allen Provinzen des klassischen Pulp-Universums schriftschellerisch aktiv. Neben den Fantasystories um Conan, Kull, Solomon Kane und Bran Mak Morn verfasste er u.a. "historische" Abenteuergeschichten, Western, Detektivgeschichten, Boxerstories und Horrorerzählungen. Sehr viel mehr als H.P. Lovecraft und Clark Ashton Smith, die zusammen mit ihm das legendäre Triumvirat der Weird Tales bildeten, war er bereit, den Ansprüchen des Marktes entgegenzukommen und zu schreiben, was sich verkaufte. Was nicht abwertend gemeint ist, sahen sich doch auch so anerkannte literarische Größen wie der deutsche Romantiker Ludwig Tieck immer wieder gezwungen, auf diese Weise ihren nicht eben üppigen Lebensunterhalt zu verdienen. Ja, Howard hatte etwas von einem Pulp Hack, aber wenn, dann war er ein sehr talentierter Pulp Hack, der seine Arbeit außerdem verdammt ernst nahm.

Howards bekannteste Horrorstory dürfte The Black Stone sein, die seinen wohl bedeutendsten Beitrag zum Cthulhu-Mythos darstellt. Lovecraft seinerseits bezog sich in The Thing on the Doorstep direkt auf sie, indem er den unglücklichen Décadent Edward Pickman Derby zu einem großen Verehrer des dem Wahsinn verfallenen Dichters Justin Geoffrey machte.*
Doch so sehr ich The Black Stone auch schätze, finde ich in gewisser Weise Pigeons from Hell noch sehr viel interessanter, trotz des etwas ulkig klingenden Titels. Schon in jungen Jahren hatte Robert E. Howard eine große Faszination für die Tall Tales, Geistergeschichten und Volksüberlieferungen seiner texanischen Heimat entwickelt. Ein Interesse, das sich in seinem späteren Leben noch verstärkte, und stilistisch wie motivisch einen nicht unbeträchtlichen Einfluss auf sein literarisches Werk ausübte. Sein Biograph Mark Finn vertritt in Blood & Thunder mit recht überzeugenden Argumenten die These, dass man Howard am besten versteht, wenn man ihn als einen Erben der mündlichen Erzähltradition von Texas betrachtet. Pigeons from Hell ist dafür ein ziemlich gutes Beispiel. Die Inspiration für die Story stammte aus einem offenbar sehr populären Typus mündlich überlieferter Geschichten, von denen Howard in einem Brief an Lovecraft vom September 1930 berichtete: 
Two or three men – usually negroes – are travelling in a wagon through some isolated district – usually a broad, deserted river-bottom. They come on to the ruins of a once thriving plantation at dusk, and decide to spend the night in the deserted plantation house. This house is always huge, brooding and forbidding, and always, as the men approach the high columned verandah, through the high weeds that surround the house, great numbers of pigeons rise from their roosting places on the railing and fly away. The men sleep in the big front-room with its crumbling fire-place, and in the night they are awakened by a jangling of chains, weird noises and groans from upstairs. Sometimes footsteps descend the stairs with no visible cause. Then a terrible apparition appears to the men who flee in terror. This monster, in all the tales I have heard, is invariably a headless giant, naked or clad in shapeless sort of garment, and is sometimes armed with a broad-axe. This motif appears over and over in negro-lore.**
Howard verlegte die Story in das sumpfige Hinterland von Louisiana und verwandelte die umherziehenden Schwarzen in zwei "Touristen" aus Neuengland, doch im Kern haben wir hier den Plot des ersten Kapitels der 1934 verfassten Pigeons from Hell vor uns. Freilich ist es kein kopfloser Riese, der Griswell und Branner in dem verfallenen Herrenhaus der Blassingvilles erwartet, sondern ein weibliches, zombieartiges Ungeheuer, Produkt der von Sklaverei, aristokratischem Hochmut, Grausamkeit und Hass geprägten Vergangenheit der Plantage. 
Es wäre sinnlos, leugnen zu wollen, dass Robert E. Howards Denken sehr stark von rassistischen Ideen geprägt war. Und auch Pigeons from Hell enthält dafür mehr als genug Belege. Um so faszinierender finde ich es, dass man die Geschichte zugleich als eine Erzählung darüber lesen kann, wie die Misshandlung und Ausbeutung der Farbigen schließlich zu einem Verlangen nach Rache führen muss, das, selbst wenn es solch maßlose Dimensionen annimmt wie hier, nicht völlig unverständlich ist.
Hinzu kommt, dass ich das Gefühl nicht loswerde, Pigeons from Hell stelle eine Art Antwort an H.P. Lovecraft dar, mit dem Howard seit Juni 1930 eine intensive Korrespondenz unterhielt. Der Gentleman von Providence benutzte die Geographie und Geschichte von Neuengland nicht nur immer wieder als Hintergrund für seine Erzählungen, sein persönliches Selbstverständnis war auch aufs engste damit verknüpft, ein Vertreter der "zivilisierten" Ostküste zu sein. Schon früh war es deshalb zu leidenschaftlichen Diskussionen zwischen den beiden gekommen, war Howard doch nicht nur ein Sprössling des "barbarischen" Texas, sondern zog außerdem die "Barbarei" der von Lovecaft verehrten "Zivilisation" vor.
Ich finde es schwer, mir vorzustellen, es sei bloß ein Zufall, dass der Protagonist von Pigeons from Hell  Griswell aus Neuengland stammt. Ein Umstand, den die Erzählung immer wieder ausdrücklich betont. Indem Howard die Geschichte aus seiner Perspektive erzählt, vermittelte er seinem Freund Lovecraft zugleich einen Eindruck davon, warum der Süden der USA ein mindestens ebenso gutes Setting für unheimliche Erzählungen abgibt wie Massachusetts oder Rhode Island:   
A scent of decay and moldering vegetation blew on the faint wind, and Griswell grew faint with nausea, that rose from a frantic abhorrence of these black woods, these ancient plantation houses that hid forgotten secrets of slavery and bloody pride and mysterious intrigues. He had thought of the South as a sunny, lazy land washed by soft breezes laden with spice and warm blossoms, where life ran tranquilly to the rhythm of black folk singing in sunbathed cottonfields. But now he had discovered another, unsuspected side – a dark, brooding, fear-haunted side, and the discovery repelled him.
Noch deutlicher hier:
"Voodoo!" he [Griswell] muttered. "I'd forgotten about that – I never could think of black magic in connection with the South. To me witchcraft was always associated with old crooked streets in waterfront towns, overhung by gabled roofs that were old when they were hanging witches in Salem; dark musty alleys where black cats and other things might steal at night. Witchcraft always meant the old towns of New England, to me – but all this is more terrible than any New England legend – these somber pines, old deserted houses, lost plantations, mysterious black people, old tales of madness and horror – God, what frightful, ancient terrors there are on this continent fools call 'young'!"
Und wenn dem eher furchtsamen und sensiblen Neuengländer Griswell dann auch noch der harte, bodenständige und nüchterne Südstaatensheriff Buckner zur Seite gestellt wird, wirkt dies auf mich wie eine freundschaftliche Neckerei auf Kosten Lovecrafts.

Pigeons from Hell wurde 1961 im Rahmen der von Boris Karloff präsentierten TV-Serie Thriller verfilmt:
 
   

Nicht unbedingt ein Juwel des phantastischen Fernsehens, aber im Großen und Ganzen doch eine erstaunlich getreue Adaption von Howards Story. Interessant ist allerdings, dass der Film sich heftig bemüht, das Motiv eines der sklavenhalterischen Vergangenheit entsprungenen Rassenkonfliktes in den Hintergrund zu drängen. Nicht ein einziges Mal fällt das Wort "slave" (wir hören bloß von "plantation workers"), und das rachelüsterne Dienstmädchen ist keine Mulattin wie bei Howard, sondern stellt sich am Ende gar als Halbschwester der Blassingvilles heraus. Möglicherweise erschien den Machern von Thriller die Story in ihrer ursprüglichen Gestalt vor dem Hintergrund der immer stärker anwachsenden Bürgerrechtsbewegung gegen die rassistische Jim Crow - Ordnung in den Südstaaten als zu heikel. 1961 war das Jahr der sog. "Freedom Rides". Ironischerweise allerdings wirkt die Figur des alten Jacob hier sehr viel rassistischer als in der literarischen Vorlage. Howard beschreibt den Voodoo-Priester als eine weitgereiste und in gewisser Hinsicht "gebildete" Persönlichkeit. Ausdrücklich betont er: "[H]is voice was mellow and rich, his speech not the patois of the piny woods darky." In der Thriller - Adaption hingegen bedient sich Jacob des typisch klischeehaften "Negerdialekts". Ich würde zu gerne wissen, was sich Drehbuchautor John Kneubuhl und Regisseur John Newland dabei gedacht haben.
 

* Man kann sich The Black Stone hier von Mr. Jim Moon vortragen lassen. Eine weitere Audioversion findet sich in den Archiven von SFFaudio.
** Zit. nach: Mark Finn: Blood & Thunder. The Life & Art of Robert E. Howard. S. 158.

2 Kommentare:

  1. Spitze Artikel!
    Es gibt nie genug REH!
    hier ist meine Beitrage zu Mr. Howard's Geburtstag.

    http://weirdtalesmagazine.com/2014/01/22/by-crom-its-robert-e-howards-birthday/

    AntwortenLöschen
  2. Freut mich sehr, dass dir mein kleiner Artikel gefallen hat, Doug. Dein Beitrag zu REH's Geburtstag ist ein wahrer Augenschmaus! :)

    AntwortenLöschen