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Freitag, 7. Juni 2013

Onkel Georges Teddybären

Einige Leute sind ja der Meinung, der Augenblick, in dem der erste Ewok in Return of the Jedi aus dem Unterholz von Endor auftauchte, war der Anfang vom Ende für Star Wars. Ich selbst habe ehrlich gesagt nie so große Probleme mit den hamsterzahnigen Teddies gehabt. Mir ist natürlich klar, dass George Lucas sie nur deshalb in die Geschichte einbaute, um ein kindliches Publikum anzusprechen {und anschließend möglichst viele Merchandisingartikel verhökern zu können}. Aber was soll ich sagen? Bei mir ist diese Strategie damals hundertprozentig aufgegangen. Mit elf Jahren habe ich die Ewoks wirklich geliebt. Sie waren knuffig und lustig. Muss ich mich dafür im Nachhinein schämen? Ich denke nicht. Ja, sie sind lächerlich, aber auch nicht viel lächerlicher als so manches andere in Star Wars. Ja, sie entsprechen dem rassistischen Klischee der wilden Eingeborenen, aber das ist ein gängiges Pulp-Motiv und sollte meiner Meinung nach nicht gar so ernst genommen werden. Ganz genauso wie der Rest der Trilogie.

Ich gehöre also nicht zur Fraktion der erklärten Ewok-Hasser. Was wiederum auch nicht bedeuten soll, dass ich mich je dazu getrieben gefühlt hätte, mir die beiden, ursprünglich fürs Fernsehen produzierten Spin-off-Filme Caravan of Courage (1984) und Battle for Endor (1985) anzuschauen {von der Cartoon-Serie ganz zu schweigen} ... Das heißt, bis vorgestern Nacht ... Ein Anfall von Masochismus? Eine perverse Form von Neugier? Die esoterischen Auswirkungen einer Schwarzen Messe im Keller der Skywalker Ranch? Was auch immer die Gründe für meinen Ausflug auf den Waldmond gewesen sein mögen, ich bin nun jedenfalls in der Lage, meiner langen Anklageschrift gegen Onkel George zwei weitere Beweisstücke hinzuzufügen. Im Vergleich zum Star Wars Holiday Special wirken die beiden freilich eher harmlos. Und die Prequel-Streifen waren in ihrem Gigantismus und ihrer Green Screen - Sterilität eine sehr viel größere Beleidigung für mein Hirn und meine Augen. Doch auch wenn sie keine echten Monstrositäten sind, sondern bloß ziemlich langweilige Fantasyfilme für Kinder, untermauern sie doch einmal mehr meine Vermutung, dass alle wirklich gelungenen Werke von Lucas letztlich das Produkt glücklicher Zufälle waren. Der Mann hat nie bewusst verstanden, wie man einen guten Film macht. Zugegeben: Er war weder Regisseur noch Drehbuchschreiber für die Ewok-Streifen, doch in beiden Fällen stammte die ursprüngliche Storyidee von ihm, und er übte eine feste Kontrolle über alle Schritte der Produktion aus.


Die unter der Regie von John Korty gedrehte Caravan of Courage ist auf jedenfall der erträglichere der beiden Filme, kann man doch wenigstens erahnen, welche Art von Geschichte hier erzählt werden sollte: Eine klassische Fantasyqueste + Coming-of-Age - Story. Auch wenn keins der beiden Elemente wirklich funktioniert, besitzt der Film damit doch das Gerüst einer Geschichte, die hätte funktionieren können.
Die Familie Towani ist mit ihrem Raumschiff auf Endor gestrandet. Nachdem die Eltern – Jeremitt & Catarine – von dem Riesen Gorax entführt wurden, freunden sich die kleine Cindel (Aubree Miller) und ihr älterer Bruder Mace (Eric Walker) mit den in der Nähe lebenden Ewoks an. Schließlich machen sie sich gemeinsam mit einer Gruppe von ihnen zur fernen Gebirgsfestung des Riesen auf, um ihre Eltern zu befreien.
Das vielleicht erstaunlichste an Caravan of Courage ist, dass die Ewoks nicht das größte Problem darstellen. Sicher, es fällt nicht leicht, einen Trupp kleinwüchsiger Menschen, die in Teddybärkostümen durch die Gegend hüpfen, als Helden ernstzunehmen. Aber eigenartigerweise hat mich das nach dem ersten Drittel des Filmes gar nicht mehr sonderlich irritiert. Was den Film vor allem scheitern lässt, sind vielmehr die Story und das Drehbuch.

Im Grunde will Caravan of Courage davon erzählen, wie der zu Beginn fürchterlich arrogante und dumme Mace zu einem mutigen und sensiblen Jungen heranwächst, der im Laufe des Abenteuers gelernt hat, den Wert von Freundschaft und Familie, gegenseitigem Respekt und Selbstlosigkeit zu erkennen. Wenn man so will also eine kleine Coming-of-Age - Geschichte. Sicher eines der geläufigsten Themen in der Kinderfantasy. {Das gelungenste mir bekannte filmische Beispiel aus der Zeit ist Jim Hensons Labyrinth.} Leider jedoch funktioniert dieses Kernstück der Story meiner Meinung nach nicht, und das vor allem aus zwei Gründen.
Zum einen hätte bei einer Geschichte wie dieser Mace von Anfang bis Ende im Zentrum stehen müssen, doch das ist nicht der Fall. Für einen Gutteil des Films ist seine Schwester Cindel eine gleichberechtigte Protagonistin, wobei erschwerend hinzu kommt, dass sie eine sehr viel sympathischere Person ist als er. Sie freundet sich sofort mit den Ewoks an und zeigt sich offen und einfühlsam, während er versucht den "starken Mann" zu markieren. Andererseits macht das kleine Mädchen keine echte Entwicklung durch, und es ist ganz offensichtlich nicht ihre Geschichte oder die Geschichte der Beziehung zwischen den beiden Geschwistern, die Caravan of Courage erzählen will.
Zum anderen wirkt Maces Entwicklung nicht organisch. Das aggressive und unüberlegte Verhalten, das er anfangs an den Tag legt, ist für sich genommen nicht unglaubwürdig. Nach dem Verschwinden der Eltern {für das er sich vermutlich verantwortlich fühlt}, sieht er sich in die Rolle des "Erwachsenen" gedrängt, der seine kleine Schwester beschützen muss. Eine Aufgabe, der er logischerweise nicht gewachsen ist. Und dass er die Ewoks erst einmal nicht ernst nimmt, kann ihm eigentlich auch niemand vorwerfen. Dennoch wirken einige seiner Handlungen schon jetzt ziemlich eigenartig: Wie kann er in den Ewoks Tiere ohne Sprache sehen, selbst nachdem diese mithilfe ihrer Medizin seine kranke Schwester geheilt haben? Warum versucht er mit Cindel im Schutze der Nacht aus dem Ewokdorf zu "flüchten", obwohl nichts dafür spricht, dass die Teddies sie gewaltsam am Verlassen des Dorfes hindern würden? Seine spätere Entwicklung wirkt sprunghaft, wobei jeder Sprung von ihm selbst in einem kleinen Monolog beschrieben werden muss, weil wir ihn sonst gar nicht mitbekommen würden. Das aber ist die ungeschicktste Art, eine Geschichte zu erzählen. Nicht dass Maces Reifeprozess an sich unrealistisch wäre. So ist es z.B. durchaus nachvollziehbar, dass er die Ewoks wirklich zu respektieren lernt, nachdem ihm Wicket das Leben gerettet hat. Doch sollte er das nicht seiner kleinen Schwester {und uns} abends am Lagerfeuer erzählen müssen. Wir sollten diese Wandlung aus seinem Verhalten ablesen können.

Mit einem mangelhaften Drehbuch könnte ich vielleicht leben, wenn die Geschichte selbst mich in ihren Bann zu ziehen vermöchte. Doch leider ist Caravan of Courage vor allem ein exzellenter Beleg dafür, dass George Lucas zwar Fantasystories liebt, aber nicht verstanden hat, was ihren Reiz ausmacht. Der alles vernichtende Schwachpunkt des Films ist sein Bösewicht Gorax. Zuerst einmal bleibt es völlig unverständlich, warum der Riese die Eltern überhaupt entführt hat. Marschiert der Kerl tatsächlich alle paar Wochen hinab in die Wälder, um sich irgendwen zu schnappen und in den überdimensionierten Vogelkäfig über seinem Frühstückstisch zu stecken. Wozu? Reicht ihm sein "Boar Wolf" als Haustier nicht aus? Doch das sind bloß logische Mängel. Sehr viel schlimmer ist, dass Gorax die mythisch-märchenhafte Aura fehlt, die dem großen Gegenspieler in jeder ordentlichen Fantasyqueste zu eigen sein muss. Man vergleiche ihn bloß einmal mit Goblinkönig Jareth aus Labyrinth, dem Nome King aus Return to Oz oder dem Roten Stier & König Haggard aus The Last Unicorn. Gorax ist bloß ein besonders großes, furchteinflößendes und augenscheinlich ziemlich dummes Monstrum. Er kann nicht einmal sprechen! Als eine der Herausforderungen, die es im Verlauf einer Queste zu überwinden gilt, wäre er völlig in Ordnung. {Vergleiche jeden zweiten Ray Harryhausen -Streifen.} Doch er darf nicht an ihrem Ende stehen! Dort muss uns eine wirklich dämonische Gestalt erwarten. Oh ja, Lucas und sein Drehbuchschreiber Bob Carrau versuchen, den Riesen zu einem mythischen Gegner aufzubauen. Er lebt in einem Land, "aus dem noch kein Ewok zurückgekehrt ist", und das Verteilen "magischer" Geschenke an die Mitglieder der "Karawane" soll dem Unternehmen das Flair einer echten Queste verleihen. Doch all dies wirkt wie eine bewusste Irreführung, sobald uns Gorax in persona entgegen tritt.

Damit soll der Fall fürs Erste abgeschlossen sein. Als kurze Nachbemerkung möchte ich bloß noch erwähnen, dass das erste, was mir an Caravan of Courage aufgefallen ist, die schläfrig-gelangweilte Stimme des Erzählers war. Und dabei hatte man für diesen Part den großen Burt Ives verpflichtet. (Am bekanntesten vielleicht für seine Rollen in William Wylers The Big Country [1958] und Richard Brooks' Cat on a Hot Tin Roof [1958]) . Nicht eben ein gutes Zeichen ....


Wenn Caravan of Courage ein ziemlich missglückter Fantasyfilm für Kinder ist, so besitzt Battle for Endor eher den Charakter eines SciFi-Abenteuers für Kinder. Jedenfall wird sehr viel mit Blastern durch die Gegend geschossen. Missglückt ist allerdings auch er.
Das mit Abstand Bizarrste an diesem Streifen ist sein Anfang. In den ersten zehn Minuten wird auf blutige Weise alles zerstört, was in Caravan of Courage gewonnen worden war. Die Eltern, um deren Rettung es dort gegangen war; Mace, dessen Entwicklung im Zentrum gestanden hatte – sie alle werden ganz einfach von einer Horde dahergelaufener Banditen abgemetzelt! Kann man sich einen verrückteren Start für ein Sequel vorstellen? Und es wird noch besser, wenn man weiß, wie es zu dieser {ähem} etwas unkonventionellen Idee gekommen ist. Co-Regisseur Ken Wheat berichtet:

Lucas guided the creation of the story over the course of two four-hour sessions we had with him. He'd just watched 'Heidi' with his daughter the weekend before these took place, and the story idea he pushed was having the little girl from the first Ewok TV movie become an orphan who ends up living with a grumpy old hermit in the woods.

Lucas hört wirklich nie auf, mich in Erstaunen zu versetzen. Statt sich zu überlegen, wie man auf Caravan of Courage aufbauend eine weitere Geschichte erzählen könnte, schmeißt er einfach alles Zuvorgewesene über Bord und fängt praktisch noch mal von Null an. Und warum? Weil er am Wochenende zuvor Heidi gesehen hat! Wie bloß funktioniert das Gehirn dieses Mannes?!? Neben allem anderen zeigt dieses Verhalten aber auch, welch geringe Meinung die Beteiligten von dem ersten Film gehabt haben müssen. Die beiden Streifen entstanden im Abstand von einem Jahr, d.h. man wollte mit Battle for Endor dasselbe Publikum erreichen, das Caravan of Courage gesehen hatte. Offenbar war man der Meinung, dass weder Mace noch die Eltern dessen Zuneigung gewonnen hatten, so dass man sich ihrer ohne weiteres entledigen konnte. Übrig blieben nur Cindel und Wicket (Warwick "Willow-Leprechaun" Davis), von denen man scheinbar wusste, dass sie die eigentlichen Sympathieträger gewesen waren.
Zur Handlung des Films gibt es wenig zu sagen. "Räuberhauptmann" Terak überfällt mit seinen Mannen das Ewokdorf und ermordet Cindels Familie, um in den Besitz der Energiezelle ihres Raumschiffs zu gelangen, die er für eine magische Kraftquelle hält. Während die überlebenden Ewoks in Teraks Festung gebracht werden, gelingt es Cindel und Wicket zu entkommen, und sie gelangen nach einigem Hin und Her zu dem grummeligen, aber letztlich warmherzigen Einsiedler Noa (Wilford Brimley). Gemeinsam befreien sie die gefangenen Ewoks und bezwingen Terak und seine Horde in einer großen Endschlacht in den Wäldern.
Trotz des Auftritts einer gestaltswandlerischen Hexe ist das Fantasyflair bei Battle for Endor sehr viel schwächer als bei seinem Vorgänger. Es fehlt die typische Questenstruktur; das Heraufbeschwören einer mythischen Atmosphäre wird gar nicht erst versucht; und außerdem wird zu viel mit Blastern herumgeballert. Letzteres ist ohnehin etwas irritierend. Zum einen fragt man sich, wie Teraks Männer überhaupt in den Besitz dieser Waffen gelangt sind, obwohl es auf Endor doch keine fortschrittliche Technologie gibt.  Zum anderen wirkt es reichlich seltsam, dass sie zwar wie selbstverständlich mit Energiewaffen herumhantieren, eine Energiezelle jedoch für ein magisches Artefakt halten, das man mittels Beschwörungsformeln zum Laufen bringen könnte. Was das Wunderding ihrer Meinung nach dann anstellen soll, bleibt übrigens gleichfalls ungeklärt.
Was gäbe es sonst noch zu sagen? Battle for Endor ist actionbetonter als Caravan of Courage; der Humor ist  lahm; irgendwelche nennenswerten Charakterentwicklungen lassen sich nicht ausmachen. Dafür sieht Teraks Tod ziemlich cool aus. Mehr fällt mir ehrlich gesagt nicht ein. Das mag aber auch daran liegen, dass ich den Flick zu sehr fortgeschrittener Stunde {sprich im Halbschlaf} gesehen habe. Noch mal werde ich ihn mir jedoch ganz sicher nicht reinziehen ...

Und das Fazit? Alles in allem sind die Teddybären vom Waldmond nicht das Schlimmste, was Onkel George im Laufe seiner Karriere in die Welt gesetzt hat. Die Ewokfilme verdienen es weniger gehasst, als vielmehr vergessen zu werden. 

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