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Freitag, 17. Mai 2013

"Into Darkness" – Welch treffender Titel

Muss ich meinem Kommentar zu Star Trek Into Darkness abgeben? Ich glaube ja. Als alter Trek-Fan fühle ich mich irgendwie dazu verpflichtet.*



                  SPOILER ! SPOILER ! SPOILER ! SPOILER !

J.J. Abrams erster Star Trek - Film von 2009 war ein tumber Actionblockbuster. Doch gerade deshalb hatte er mir eigentlich ganz gut gefallen. Zum einen war er als solcher recht spannend und gut gemacht. Zum anderen war ich davon überzeugt, dass dies der einzig mögliche Weg zur Wiederbelebung des Franchises sein konnte. Doch dazu ein andermal vielleicht mehr.
Nur mit sehr viel Naivität hätte man erwarten können, dass Into Darkness irgendetwas anderes sein würde. Dass Intelligenz und Komplexität im neuen Trek-Universum auch weiterhin Fremdworte bleiben, stellt für mich darum auch kein so großes Problem dar. Allerdings wäre es wirklich begrüßenswert, wenn man in Hollywood endlich einmal begreifen würde, dass man Damon Lindelof nicht einmal in die Nähe eines Filmprojektes lassen darf. Der Mann besitzt das einmalige Talent, jedes Drehbuch zu verhunzen, das mit seinen Fingern in Berührung kommt.  Nach dem Ende von Lost hätte man ihn in irgendein Umschulungsprogramm stecken sollen. Dass bei etwas näherer Betrachtung vieles von dem, was in Into Darkness passiert, so gut wie keinen Sinn macht, wäre verzeihlich, wenn die Geschichte sich ähnlich flüssig entfalten würde wie im 2009er-Film. Stattdessen jedoch degeneriert der Plot irgendwann zu einer bloßen Hangelei von Set-piece zu Set-piece und von Actionsequenz zu Actionsequenz. Das ist Lindelofs Handschrift, wie wir sie aus Lost, Cowboys & Aliens und Prometheus kennen. Da helfen dann auch die im Großen und Ganzen ziemlich guten Leistungen der Schauspieler und Schauspielerinnen nicht mehr viel.
Dies allein wäre bereits ausreichend, um Into Darkness zu einem Fehlschlag zu erklären. Doch in Bezug auf das künftige Potential des neuen Star Trek - Franchises ließe sich daraus nichts näheres ableiten. Zu einer echten Katastrophe wird der Film erst mit der {hust, hust} "großen Enthüllung" und allem, was daraus folgt. Eigentlich haben wir es ja schon seit einem halben Jahr gewusst: Cumberbatch spielt Khan Noonien Singh. Der ganze Zirkus um Gerüchte, die man erst ganz bewusst ausstreut und füttert, um ihren Inhalt anschließend im Brustton der Überzeugung zu verneinen, war nichts weiter als ein ziemlich doofer PR-Trick. Doch darauf will ich jetzt gar nicht näher eingehen. Ebensowenig auf den peinlichen Umstand, dass Abrams & Co einen Inder von Großbritanniens blütenweißem Schauspielerdarling spielen lassen. Mein Hauptproblem ist vielmehr, dass sich mit Khans Auftritt beinahe augenblicklich jede Hoffnung verflüchtigt, das "neue" Star Trek - Franchise könne sich zu etwas eigenständigem entwickeln. Und nur wenn dies geschehen wäre, hätte es meiner Ansicht nach eine Existenzberechtigung gehabt.
Ich verstehe ja, warum sie Khan aus dem Cryo-Schlaf geweckt haben. Er war der einzige richtig große Bösewicht, den die Originalserie hervorgebracht hat. Und ein verdammt charismatischer Bösewicht noch dazu! Aber genau das ist eben auch das Problem. Man hätte etwas mehr Originalität und Mut zur Selbstständigkeit beweisen müssen, statt Leichenfledderei oder Nekromantie zu betreiben. War denn nicht der Trick mit der neuen Zeitlinie gerade als eine Art Befreiungsschlag gedacht gewesen? Wir machen Tabula Rasa mit dem ganzen Kanon und erzählen unsere eigenen Geschichten!? Nur wenn man in dieser Richtung konsequent weitergegangen wäre, hätte man ein neues Star Trek - Franchise etablieren können. Sicher, es wäre ein Franchise von letztlich dummen, aber hoffentlich farbenfrohen und spannenden SciFi-Blockbustern geworden. Vom alten Star Trek hätte man sich dabei rasch so weit entfernt, dass schon bald kaum einer mehr auf die Idee gekommen wäre, Vergleiche zwischen den beiden anzustellen. Stattdessen jedoch haben sich Abrams, Lindelof & Kumpanei eine der ikonischsten Figuren des alten Trek-Universums geschnappt! Und als wäre das nicht schon dumm genug gewesen, kopieren sie im letzten Drittel ihres Streifens auch noch ganze Passagen aus dem besten Star Trek - Film aller Zeiten – Wrath of Khan! Damit machen sie es jedem Betrachter, der auch nur über rudimentäre Kenntnisse der Trek-Geschichte verfügt, unmöglich, Into Darkness anders als vor dem Hintergrund der alten Serie und der alten Kinofilme zu sehen. Statt möglichst schnell vergessen zu machen, dass Star Trek einmal mehr war, als hirnlose Action und hübsche Special Effects, reiben sie uns genau das auf geradezu aggressive Weise unter die Nase.
Schon der Film von 2009 war im Grunde ein großes "Fuck you!" gegenüber allem gewesen, wofür Star Trek ursprünglich gestanden hatte. In der Figur des neuen Kirk verherrlichte er Impulsivität, Rücksichtslosigkeit und Gewalt, während er zugleich die alten Trek-Werte von  Intellekt, Neugier, Bildung, Kultur, Toleranz und einer aufgeklärten Humanität mit Verachtung strafte. Die Vernichtung Vulcans wirkte geradezu wie ein Symbol für Abrams erklärt antiintellektuellen Umgang mit der Materie. Stattdessen wurde dem Ganzen eine starke Dosis von Campbells monomythischer "Hero's Journey" injeziert, einschließlich des damit verbundenen antiaufklärerischen Weltbildes, wie Al Harron sehr schön in seinem Aufsatz That Star Trek Film Wot Came Out A While Back dargelegt hat. Doch für einen tumben Actionblockbuster ist all dies im Grunde angemessen, und darum war ich bereit, darüber hinwegzusehen. Im Fall von Into Darkness ist das jedoch nicht länger möglich, da sich der Film ganz bewusst als eine Art aktualisierte Version von Wrath of Khan zu präsentieren versucht. Spätestens wenn Spock Kirks alten "Khaaaaan" - Schrei ausstößt, wird schmerzhaft deutlich, dass dieser Streifen eine Ohrfeige für alle alten Trek-Fans ist, ausgeführt von einer Clique künstlerischer Kretins, die nicht einmal begriffen haben, warum die Motive, mit denen sie herumspielen, in ihrem ursprünglichen Kontext funktionierten.
Die besondere Stärke von Wrath of Khan bestand darin, dass der Film nicht nur ein spannendes Weltraumabenteuer erzählte, sondern sich darüberhinaus mit dem Altwerden des ewigen Draufgängers Jim Kirk beschäftigte. Dieser wird mit den Folgen vergangener Handlungen konfrontiert – sowohl in Gestalt von Khan als auch in der von Carol Marcus und ihrem gemeinsamen Sohn David – und muss am Ende erkennen, dass es Situationen gibt, denen man auch unter Einsatz von Willenskraft und Schläue nicht entgehen kann. Spocks Tod zwingt ihn dazu, sich der ultimativen "aussichtslosen Situation" zu stellen: dem Tod. Khan ist in diesem Kontext der ideale Gegenspieler: Wie Kirk ist auch er eine intelligente, charismatische und willensstarke Führerpersönlichkeit. Zugleich aber ist er eine Person aus Kirks Vergangenheit, die beiden besitzen eine gemeinsame Geschichte. Wenn Khan den Captain für den Tod seiner Frau {und vieler seiner Gefährten} verantwortlich macht, hat er damit nicht ganz unrecht. Man könnte sehr wohl argumentieren, dass Kirks Hang zu impulsiven Entscheidungen, deren längerfristige Folgen unbedacht bleiben, schuld am furchtbaren Schickal der Verbannten von Ceti Alpha V war. Im Duell der beiden erweist sich Khan schließlich als unterlegen, nicht weil er weniger intelligent wäre, sondern zum einen, weil es ihm an Erfahrung als Raumschiffcaptain mangelt, zum anderen, weil er sich von seinen Emotionen beherrschen lässt. Nicht allein sein Hochmut, sondern vor allem sein blindwütiger Rachedurst führt seinen Untergang herbei.
Und nun schaue man sich Into Darkness an. Von Khans charismatischer Führerpersönlichkeit ist nichts übriggeblieben. Cumberbatchs Charakter macht nicht den Eindruck eines Mannes, der sich selbst für einen gestürzten Philosophenkönig hält und Milton, Melville und Shakespeare liest. Er ist nicht viel mehr als ein mit einer  übermenschlichen Physis ausgestatteter Terrorist und Supersoldat. Das macht ihn weit weniger faszinierend als es Ricardo Montalbans Khan gewesen ist. Wirklich entscheidend jedoch ist die Akzentverschiebung auf Kirks Seite. Wie Andy Poulastides es in der letzten Episode des Black Dog Podcast sehr treffend formuliert hat: "At the end of the film Kirk is still the same reckless thug he was at the start" (2:16:00). Nicht nur macht er keine Charakterentwicklung durch, er verkörpert auch ganz wie bereits 2009 Aggressivität, Rücksichtslosigkeit und den Glauben, dass Gewalt stets die beste Lösung ist. Wenn er am Ende die – übrigens völlig unnötige** – Reparatur des Warpkerns mittels einiger Fußtritte bewerkstelligt, ist das in seiner symbolischen Folgerichtigkeit fast schon zu schön, um wahr zu sein. Chris Lough freilich hat es fertiggebracht, in der Geschichte das Heranreifen von Kirks Führungsqualitäten zu entdecken, wie er in einem Artikel auf Tor.com schreibt. Wie ihm das gelungen ist, entzieht sich meinem Vorstellungsvermögen. Was denkt er denn, wie ein guter Führer aussieht? Aber es wird noch schlimmer: In Wrath of Khan ist es Khans blindes Verlangen nach Rache, das seinen Untergang besiegelt. Bei Into Darkness erleben wir die genaue Umkehrung: Unsere Helden triumphieren, weil sich Spock von seinen Gefühlen übermannen lässt und den Tod seines Captains rächen will. Ausgerechnet Spock! Damit unterstreicht Abrams ein weiteres Mal, dass für ihn leidenschaftliche Gewalt allemal mehr wert ist als kühle Vernunft. Um noch einmal Mr. Poulastides zu zitieren: "Spock, the paragon of logic and reason, has everything to learn from Kirk, an inarticulate thug." Macht man sich klar, dass dies die Wertvorstellungen sind, die Into Darkness zugrunde liegen, dann erkennt man auch, wie verlogen die militarismuskritische Haltung ist, die der Film einem vorzugaukeln versucht. Was Kirk von Admiral Marcus unterscheidet, ist im Grunde nur, dass er eine Abneigung gegen Regeln und Disziplin hat.
Nach Into Darkness wünschte ich mir wirklich, man würde Star Trek endlich in Frieden sterben lassen. Angesichts des großen Erfolgs an den Kinokassen, der sich bereits deutlich abzeichnet, und der überwiegend positiven Kritiken, die der Film erhalten hat, ist davon freilich eher nicht auszugehen.


* Ich hatte mal eine Bekannte, die ein echter Trekkie war. Darum weiß ich, dass ich diesen Titel nicht zu tragen verdiene.
** Der Impulsantrieb ist nicht vom Warpkern abhängig und sollte völlig ausreichen, um die Enterprise in der Erdumlaufbahn zu halten.

4 Kommentare:

  1. Ich glaube ich muß mir mal wieder STII anschauen. Von Ïnto Darkness¨ habe ich nicht viel erwartet, da ich von Star Trek Filme nie viel erwarte. Es wird nie einen geben, der inhaltlich an die besten Episoden heranreicht. In der Beziehung halte ich den viel gescholtenen und m.E. unterschätzten ¨Star Trek - The Motion Picture¨ für den gelungensten Versuch. Hatte mit Robert Wise auch den besten Regisseur, wie ich finde.
    Gruß

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  2. Was "The Motion Picture" angeht, stehe ich ganz auf deiner Seite. Ich habe es auch schon immer reichlich unfair gefunden, dass der Film bei vielen einen so schlechten Ruf genießt. Andererseits habe ich z.B. nie so recht verstanden, warum "First Contact" so bejubelt wird. Sicher, verglichen mit solch gruseligen Streifen wie "The Final Frontier", "Insurrection" oder "Nemesis" wirkt er ganz passabel, aber vielmehr positives wüsste ich nicht über ihn zu sagen. Und die Borg-Königin ist eine Figur, die man nie nie hätte einführen dürfen! Von Picard als rachsüchtigem Ahab-Abklatsch mal ganz zu schweigen. Alles in allem kann ich mich dir nur anschließen: Das Beste von Star Trek findet sich in einigen der Serien, nicht in den Kinofilmen.

    Gruß

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  3. "First Contact" ahmt den Zweiteiler "Best of both worlds" nach. Vielleicht findet da eine unbewusste Verwechslung statt? Die beiden Folgen sind auf jeden Fall der bessere TNG "Film" (hätte man noch Picard sterben lassen, wäre er nahezu perfekt...)

    Gruß

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  4. Yep, da magst du wohl recht haben. Außerdem sind die Borg doch sowieso immer cool, oder? {>>Einen Blick auf "Voyager" werfend und erschauernd.<<} Jedenfalls ist "Best of both worlds" wirklich ein besserer TNG-"Film" als "First Contact". Ob ich es mir allerdings gewünscht hätte, wenn Picard am Ende des Zweiteilers gestorben wäre? Wenn man sich nur die Story anschaut: Ja! Andererseits: Hätten sich die Macher tatsächlich gewagt, so einen revolutionären Schritt zu unternehmen, wieviele Staffeln hätten wir dann mit Captain Riker auf der Brücke der Enterprise durchstehen müssen? Jonathan Frakes mag ja im Laufe der Serie schauspielerisch gewachsen sein, aber TNG ohne Patrick Steward? Lieber nicht!

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