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Dienstag, 2. Oktober 2012

Yuppie - Ghouls from Outer Space

Mit Big Trouble in Little China (1986) endete John Carpenters Ausflug in die Welt der großen Studios. Der Film war (wie zuvor bereits The Thing) ein kommerzieller Misserfolg, wofür jedoch vermutlich weder der Regisseur noch 20th Century Fox verantwortlich waren, sondern vielmehr die Tatsache, dass er eine ironische Hommage an ein Genre darstellte, das dem amerikanischen Publikum jener Zeit noch gänzlich fremd war. Abgesehen von einigen Godzilla-Flicks (und in gewisser Weise Bruce Lees Kung Fu - Filmen) hatten die Erzeugnisse asiatischer Popkultur Mitte der 80er Jahre in den USA noch keine Massenverbreitung gefunden. Unter "Wuxia" hätten sich die meisten Leute im Westen damals vermutlich ein exotisches Nudelgericht vorgestellt. Verständlich, dass die Zuschauer in den Kinos eher irrirtiert auf Big Trouble in Little China reagierten. Für Carpenter allerdings war es wohl nicht nur der maue Erfolg an den Kinokassen, der ihn in die Gefilde der Independent-Produktionen zurücktrieb. Er fühlte sich außerdem abgestoßen von der immer stärkeren Tendenz, die Produktion von Filmen vollständig und ausschließlich den Profitinteressen unterzuordnen.

Nun hatte Hollywood natürlich von Anfang an aus einer Zusammenballung kapitalistischer Unternehmen bestanden. Die Filmkunst war hier immer schon auch ein Geschäft gewesen, was ihrer Entfaltung stets gewisse Grenzen gesetzt hatte. Wie hatte nicht Bert Brecht bereits Anfang der 40er Jahre geschrieben:
Unter den grünen Pfefferbäumen
Gehen die Musiker auf den Strich, zwei und zwei
Mit den Schreibern. Bach
Hat ein Streichquartett im Täschchen. Dante schwenkt
Den dürren Hintern.
Die Stadt ist nach den Engeln genannt
Und man begegnet allenthalben Engeln.
Sie riechen nach Öl und tragen goldene Pessare
Und mit blauen Ringen um die Augen
Füttern sie allmorgendlich die Schreiber in ihren Schwimmpfühlen.

Jeden Morgen, mein Brot zu verdienen
Fahre ich zum Markt, wo Lügen gekauft werden.
Hoffnungsvoll
Reihe ich mich ein unter die Verkäufer.
(1)
Für Adorno und Horkheimer war Hollywood deshalb die Hauptstadt der "Kulturindustrie" gewesen, über die sie schrieben: "Lichtspiele und Rundfunk brauchen sich nicht mehr als Kunst auszugeben. Die Wahrheit, daß sie nichts sind als Geschäft, verwenden sie als Ideologie, die den Schund legitimieren soll, den sie vorsätzlich herstellen." (2) Entsprechend verächtlich hatten sich die meisten 'linken' Kritiker der 60er und 70er Jahre (gerade in den USA) zur 'Traumfabrik' und ihren Produkten verhalten.
Die Wirklichkeit war freilich stets komplexer und widersprüchlicher gewesen. So wenig der Kapitalismus jenes unerschütterliche, alle Bereiche des menschlichen Lebens beherrschende Monstrum ist, das sich "Neomarxisten" wie Fredric Jameson unter ihm vorstellen, so wenig ist die Filmindustrie die bloße Produzentin standardisierter Massenware. Mit dem Beginn der Blockbuster-Ära machte sie allerdings erneut einen ordentlichen Schritt in diese Richtung.

John Carpenter reagierte auf diese Entwicklung mit einem ebenso gesunden wie instinktiven Widerwillen. Seine Erfahrung mit den großen Studios war ohne Zweifel ein wichtiger Faktor in der Vorgeschichte zu They Live, der zwei Jahre nach Big Trouble in Little China 1988 in die Kinos gelangte und über dessen außerirdische Bösewichte der Regisseur einmal gesagt hat: "They want to own all our businesses. A Universal executive asked me, 'Where's the threat in that? We all sell out every day.' I ended up using that line in the film."

Für die Herausbildung des Blockbuster-Formats gab es eine ganze Reihe von Gründen. So war es seit den 70er Jahren zu tiefgreifenden Veränderungen in den Methoden der Finanzierung und Produktion von Filmen gekommen. Der Blockbuster-Ära war der Zusammenbruch des alten Studiosystems vorangegangen, und nicht zufällig galten ihre zwei berühmtesten Vorreiter Steven Spielberg und George Lucas zu Beginn ihrer Karrieren als Rebellen gegen das Establishment von Hollywood. Wichtiger als Entwicklungen in der Filmindustrie selbst waren jedoch allgemeinere gesellschaftliche Tendenzen. Dem Scheitern der revolutionären Bestrebungen der späten 60er und frühen 70er Jahre war seit Ende der 70er Jahre der Gegenangriff der herrschenden Elite gefolgt. Dieser vollzog sich auf allen Ebenen: der wirtschaftlichen, der politischen und der kulturell-ideologischen.
Der von Präsident Jimmy Carter als Vorsitzender des FED (der Zentralbank) eingesetzte Paul Volcker löste 1979 zur Bekämpfung der Inflation und damit verbundener militanter Streiks den nach ihm benannten "Volcker-Schock" aus. Die Leitzinsen wurden zeitweilig auf bis zu 20% angehoben, worauf eine tiefe Rezession und eine Bankrott-Welle unter den weniger profitabel wirtschaftenden Unternehmen folgten. Es begann der rasche Niedergang der ehemaligen Kernindustrien der USA, wie der Auto- und Stahlproduktion. Stattdessen wuchs der parasitäre Sektor der Finanzspekulation. Parallel dazu eröffnete Präsident Reagan 1981 mit der Unterdrückung des Fluglotsenstreiks und der Zerschlagung der Gewerkschaft PATCO eine allgemeine Attacke gegen die arbeitende Bevölkerung und ihre Organisationen. Damit verbunden nahm die soziale Polarisation immer schärfere Formen an. Während die Spitzen der Gesellschaft einen immer größeren Anteil des nationalen Reichtums auf ihre Bankkonten umzuleiten vermochten, wuchsen Armut und ökonomische Unsicherheit in den übrigen Teilen der Bevölkerung. Begleitet wurde diese Entwicklung von einem massiven ideologischen Rechtsruck. Die US-Bevölkerung wurde im Rahmen von Reagans Zweitem Kalten Krieg mit einer nicht enden wollenden Flut an antikommunistischer Propaganda und Lobeshymnen auf die Tugenden des freien Marktes überschüttet.
Kulturell hatte all dies verheerende Auswirkungen. Die Widerstandskraft der amerikanischen Intelligenzija war denkbar gering. Der Teil, der nicht ohnehin voller Überzeugung in den Schlachtruf "Greed is Great!" einstimmte, war durch die Ereignisse der letzten zwanzig Jahre in hohem Maße demoralisiert worden. Die meisten der ehemaligen Radikalen befanden sich längst auf dem Rückzug ins Privatleben oder wandten sich der neu entstandenen Ideologie der Identitätspolitik zu. Dieser Trend wurde noch dadurch verstärkt, dass die höheren Schichten der akademisch gebildeteten Mittelklasse in nicht unbeträchtlichem Maße an den Bereicherungs-orgien der Elite teilzunehmen vermochten.
Man kann sich gut vorstellen, dass dieses gesellschaftliche Klima der Entwicklung einer ganz auf kommerzielle Ausbeute ausgerichteten Form der Filmproduktion äußerst zuträglich sein musste.

Das Beeindruckende an They Live ist, dass der ursprüngliche Auslöser für diesen Film zwar vermutlich Carpenters Erfahrungen mit dem Hollywood-Establishment gewesen waren, er davon ausgehend jedoch zu einer allgemeinen und überraschend radikalen Attacke auf jene gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen wurde, mit deren Erscheinungsformen in der Filmindustrie sich der Regisseur unmittelbar konfrontiert gesehen hatte.
Die Story basiert in ihren Grundzügen auf Ray Nelsons Kurzgeschichte Eight O'Clock In The Morning, die man sich beim SFFaudio Podcast vorlesen lassen kann. In beiden Fällen haben wir einen männlichen Protagonisten, der 'erwacht' und die Welt plötzlich so sieht, wie sie tatsächlich ist -- beherrscht von abstoßenden Außerirdischen, die die Menschheit in einer Art Trancezustand halten und über die Medien (vor allem das Fernsehen) ständig mit Propaganda im Stile von 'Gehorche!' und 'Vermehre dich!' füttern. Bei Carpenter sind diese Aliens sehr viel deutlicher Verkörperungen des Kapitalismus. Einer ihrer Lieblingsslogans lautet 'Konsumiere!' (3), und sie haben sich mit der menschlichen Elite zusammengetan, um die Bevölkerung der Erde in ähnlicher Weise auszubeuten, wie dies die neokolonialen Mächte mit der sog. Dritten Welt tun. Ihr ghulisches Aussehen steht symbolisch für den verrotteten Zustand des bürgerlichen Amerika. Carpenter selbst drückte es so aus: "The creatures are corrupting us, so they, themselves, are corruptions of human beings."

Ich würde zu gerne behaupten wollen, dass ich den Streifen liebe. Wie schön wäre es, von ihm verkünden zu können, er sei John Carpenters Meisterwerk. Doch leider ist er das nicht.
Warum They Live nicht wirklich funktioniert, liegt meiner Meinung nach vor allem daran, dass er ein Amalgam aus drei sehr unterschiedlichen Stilen darstellt, die sich zu keiner echten Einheit verbinden.

Die erste halbe Stunde zeichnet sich durch einen harten und kompromisslosen Realismus aus. Wir erleben wie unser namenloser Held 'Nada' (Roddy Piper), ein arbeits- und obdachloser Arbeiter, einen Gelegenheitsjob auf einer Baustelle findet, sich mit seinem Arbeitskollegen Frank (Keith David) anfreundet und von diesem zu einer Barackensiedlung gebracht wird. In der benachbarten Kirche, in der auch das Essen für die Shantytown-Bewohner gekocht wird, gehen merkwürdige Dinge vor sich. Von dort aus operiert eine Zelle des Widerstandes, dessen Mitglieder versuchen, die Fernsehübertragungen zu unterbrechen, mit deren Hilfe die Außerirdischen ihre Kontrolle über die Bevölkerung aufrechterhalten. 'Nada' ist sich nicht sicher, was er von all dem halten soll, doch noch bevor er sich Klarheit verschaffen kann, kommt es zu einem brutalen Überfall der Polizei. Die meisten Widerständler werden verhaftet, die Barackensiedlung mit Bulldozern niedergewalzt. In dem Chaos gelingt es 'Nada', einige der Sonnenbrillen an sich zu bringen, die offenbar in der Kirche hergestellt wurden. Wie sich sehr schnell zeigen wird, erlauben sie ihren Trägern die Wirklichkeit hinter der von den Aliens geschaffenen Illusion zu sehen.
Würde der Film doch bloß das Niveau dieses ersten Drittels halten können. Nicht dass an ihm alles perfekt wäre. So gehört Subtilität nicht eben zu Carpenters Stärken, und stellenweise macht sich das auch hier bereits unangenehm bemerkbar. Doch es überwiegen eindeutig die positiven Eindrücke. Es kommt nicht so häufig vor, dass ein Film der 80er Jahre (oder eines späteren Jahrzehnts) einen derart unverhüllten Blick auf das Elend und die Verwahrlosung wirft, die sich hinter der glitzernden Fassade Amerikas verbergen, ohne dabei in das Klischee des ausschließlich von Drogendealern, Schlägern und Nutten bevölkerten Ghettos zu verfallen. Carpenter beweist ein erstaunliches Maß an Humanität in seiner Darstellung der Barackensiedlung und ihrer Bewohner. Beindruckend auch der nächtliche Angriff der Polizei: Die enervierenden Lichter der Polizeiautos; Cops in voller Kampfmontur, die wie teilnahmslos gegen die panischen Shantytown-Bewohner vorrücken; ein am Nachthimmel kreisender Helikopter; die riesigen Bulldozer, die die behelfsmäßigen Behausungen niederwalzen, und dabei ein eindringlicheres Bild staatlicher Gewalt abgeben als die prügelnden Polizisten, die wir gleichfalls zu sehen bekommen. Auch diese Szene ist noch völlig realistisch gehalten. Die Darstellung der Polizeibrutalität hat nichts überzogenes und stilisiertes an sich, wie man es in dystopischen Filmen oft erlebt.
Und damit kommen wir zum wichtigsten Punkt: Der ungeheuren Radikalität, die in der Logik des Filmes steckt. Wie wir durch die späteren Enthüllungen erfahren werden, ist das, was wir in der ersten halben Stunde zu sehen bekommen, eine von bösen Aliens beherrschte totalitäre Diktatur. Aber diese Gesellschaft trägt keine der typischen Züge einer Dystopie. Sie ist vielmehr nichts anderes als ein ungeschminktes Abbild von Reagan-Amerika. Mit anderen Worten: Reagan-Amerika ist selbst bereits eine Dystopie. Wir brauchen kein Ozeanien und keine Schöne Neue Welt mehr, denn wir leben bereits in ihnen. Von besonderem Interesse in diesem Zusammenhang ist das Gespräch zwischen 'Nada' und Frank, in dem der verlogene 'Amerikanische Traum' demontiert wird:


In Kenneth Johnsons thematisch verwandter Miniserie V aus dem Jahr 1983 waren die Außerirdischen unschwer als Nazis zu identifizieren gewesen. Johnson hatte die Inspiration für sein Script u.a. aus Sinclair Lewis' Roman über die Entstehung einer faschistischen Diktatur in den USA It Can't Happen Here und aus Bert Brechts Theaterstück Furcht und Elend des Dritten Reiches bezogen. (4) Welches auch immer die Qualitäten dieser Serie gewesen sein mögen {ich hatte bisher leider noch nicht die Gelegenheit, sie zu sehen}, die Möglichkeit einer faschistischen Machtübernahme stellte in den 80er Jahren wohl kaum eine aktuelle Bedrohung dar. Was John Carpenter in They Live behandelte, war hingegen bereits Realität. Die Diktatur des Kapitals braucht keine Kohorten in SS-Uniform, solange die arbeitende Bevölkerung sie gar nicht als Diktatur wahrnimmt.

Sobald 'Nada' die Sonnenbrille aufsetzt und die Realität hinter der Illusion sieht, verändert sich der Stil des Filmes dramatisch. Nicht nur sehen wir plötzlich zusammen mit unserem Helden die Welt in Schwarz-Weiß, alles, was mit den Aliens zu tun hat, trägt außerdem die Züge eines B-Movies der 50er Jahre, bis hin zu einer kleinen fliegenden Untertasse, die durch die Gegend schwebt. Als einem Fan der alten SciFi-Flicks bereitet mir dieses ironische Zitieren ihrer Ästhetik und Ikonografie einerseits großes Vergnügen. Auch entgeht mir nicht die damit verbundene subversive Wendung: War das Motiv der außerirdischen Invasion und Infiltration in den B-Movies oft Ausdruck der Kalten Kriegs - Paranoia um die 'kommunistische Weltverschwörung', so sind in They Live die Kapitalisten die Aliens, während diejenigen, die sich ihnen entgegenstellen, als "Commies" diffamiert werden. Doch unglücklicherweise untergräbt dieser zweite Stil mit seinem ironischen Tonfall die Ernsthaftigtkeit, von der die erste halbe Stunde geprägt war.
Die besten der echten B-Movies konnten in ihrer ästhetischen Einheitlichkeit und in ihrer Naivität zugleich absurd und ernsthaft sein. John Carpenter aber hat mit They Live keinen 'echten' B-Movie gedreht, was zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht mehr möglich gewesen wäre. Er spielt vielmehr mit den Elementen einer vergangenen Filmtradition. Dabei hat er jedoch keine bloß spaßige Hommage an ein geliebtes Genre im Auge, wie dies bei Big Trouble in Little China der Fall war, oder wie es Tim Burton mit Mars Attacks! und Sleepy Hollow machen würde. Er will zugleich ein ernstzunehmendes Thema behandeln. Leider weiß er dies nicht anders zu erreichen, als indem er zwei fundamental verschiedene Stile völlig unverbunden nebeneinandersetzt.

Nach 'Realismus' und B-Movie ist die dritte Komponente in dieser filmischen Mixtur der Action-Kracher. Kaum sind 'Nada' die Augen für das Treiben der Aliens geöffnet worden, da mutiert der simple Arbeiter auch schon zu einer rücksichtslosen Killermaschine. Mit coolen Sprüchen wie "I have come here to chew bubblegum and kick ass...and I'm all out of bubblegum" auf den Lippen, mäht er die Außeririschen gleich im Dutzend nieder. Die Brutalität an sich ist dabei nicht das eigentliche Problem. Ray Nelsons Eight O'Clock In The Morning war in dieser Hinsicht noch extremer, und spießige Ergüsse über 'Moral' und 'guten Geschmack' sind ohnehin stets fehl am Platze. {In einer netten kleinen Szene sehen wir einen außerirdischen Moralprediger im Fernsehen, der sich über die 'exzessive Gewalt' in den Filmen von Carpenter und George Romero ereifert.} Doch mit dem Übergang zu den Gepflogenheiten des Action-Films kommt es beinahe automatisch auch zu einer Verflachung des dargestellten Konfliktes. Der Kampf gegen die Außerirdischen wird zu einem simplen 'Stürmen wir ihr Hauptquartier, schießen wir uns den Weg frei und zerstören wir ihren Sender'. Damit sackt das Niveau von They Live bedrohlich in Richtung von Paul Michael Glasers Schwarzenegger-Vehikel Running Man (1987) ab, ohne freilich je ganz dieselbe Tiefe zu erreichen. Hinzu kommt, dass die Action-Sequenzen schon bald eher langweilig wirken. Gewalt allein ist in den seltensten Fällen spannend. Ein besonders extremes Beispiel dafür ist die schier endlose Prügelei zwischen 'Nada' und Frank. Da sie weder die Handlung voranbringt noch irgendetwas zur Vertiefung der Charaktere beiträgt, hinterlässt sie den Eindruck einer ebenso unnötigen wie nervtötenden Unterbrechung der Story.

Wie lassen sich die bei dem interessanten Ansatz besonders enttäuschenden Schwächen von They Live erklären?
Zum einen muss man sich, denke ich, einfach im Klaren darüber sein, dass John Carpenter ein Filmemacher mit begrenzten Talenten ist. Ähnlich wie Prince of Darkness wird auch They Live von ausgesprochen blassen Charakteren bevölkert, die zudem  nicht konsistent gezeichnet sind. Die Verwandlung des zu Beginn eher konservativen, alles andere als rebellischen 'Nada' in einen fanatischen Widerstandskämpfer, der sich am Ende sogar selbst opfert, erscheint mehr als nur ein bisschen unglaubwürdig. Ein Gimmick wie die magische Sonnenbrille ist kein Ersatz für realistische Charakterentwicklung. Richtiggehend Zahnschmerzen verursacht die weibliche Hauptfigur Holly Thompson (Meg Foster), deren Funktion in der Geschichte völlig schleierhaft bleibt. Soll sie 'Nadas' 'romantisches Interesse' sein? Angedeutet wird dies zwar, doch versucht Carpenter nicht einmal ernsthaft, zu erklären, warum sich diese beiden Menschen zueinander hingezogen fühlen sollten. Alles, was wir sehen, müsste eigentlich dazu führen, gegen-teilige Emotionen in ihnen wachzurufen.
Ein mangelndes künstlerisches Gespür mag einer der Gründe für die unglückliche stilistische Mixtur sein, die They Live darstellt. Doch glaube ich, dass es dafür noch eine weitere Erklärung gibt. Schon 1978 hatte Pauline Kael in einer Rezension von Halloween geschrieben: "Carpenter doesn't seem to have had any life outside the movies: one can trace almost every idea on the screen to directors such as Hitchcock and Brian De Palma and to the Val Lewton productions." Angesichts der ersten halben Stunde von They Live erscheit diese Einschätzung nicht ganz fair, aber sie enthält dennoch ein wahres Element. Carpenter gehört zur ersten Generation eines heute recht verbreiteten Typus von Filmemachern, die zwar über ein enzyklopädisches Wissen in Sachen Film (auch und gerade Genre-Film) verfügen, jedoch jene breitere Bildung und vielfältige Lebenserfahrung vermissen lassen, die viele der Größen des Goldenen Zeitalters von Hollywood auszeichneten. Folge davon ist nicht selten eine Tendenz zur Oberflächlichkeit, die mit mehr oder weniger cleveren Zitaten und Anspielungen überspielt wird. Unter dem Titel "Selbstreferentialität" hat dieser Zug inzwischen seine akademischen Weihen erhalten. Aber auch wenn solche Spielereien mitunter recht amüsant sein können, so sind sie doch kein adäquater Ersatz für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Welt und dem Leben. Und wie They Live zeigt, können sie unter Umständen sogar zu einem ernstzunehmenden künstlerischen Hindernis bei der Umsetzung einer interessanten Idee werden.



(1) Bertolt Brecht: Hollywood-Elegien. IV. In: Ders.: Werke. Bd. 12. S. 116.
(2) Theodor W. Adorno & Max Horkheimer: Dialektik der Aufklärung. S. 129.
(3) Carpenter: "I began watching TV again. I quickly realized that everything we see is designed to sell us something ... It's all about wanting us to buy something. The only thing they want to do is take our money."
(4) Welche Schlüsse haben wir wohl daraus zu ziehen, dass das Remake von 2009 aus den NaziAliens pseudolinke Populisten gemacht hat, die die US-Bevölkerung mit dem Versprechen freier medizinischer Versorgung für alle ködern, während es uns als 'revolutionäre' Helden u.a. eine FBI-Antiterror-Agentin, einen katholischen Priester, einen ehemaligen SAS-Soldaten und einen Ex-Mossad-Agenten präsentiert?

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