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Dienstag, 21. August 2012

"Nobody's here for the health. And they're certainly not here for the scenery."

Ridley Scotts Alien entwarf 1979 ein Bild der Zukunft, wie man es bisher im SciFi-Kino noch nicht gesehen hatte. Keine 'letzte Grenze', an der mutige Pioniere im Namen der Menschheit in Weiten vorstoßen, die vor ihnen noch niemand gesehen hat, sondern ein kapitalistisches Dystopia, beherrscht von riesigen Konzernen, in dem Arbeiter und Arbeiterinnen in einer schmutzigen und düsteren Umgebung für miese Löhnung schuften müssen.
In den letzten drei Jahrzehnten ist dieses Szenario längst selbst zu einem Klischee verkommen, doch Anfang der 80er Jahre war es noch frisch und innovativ; und einer der ersten Filme, die sich seiner mit Erfolg bedienten, war Peter Hyams' Outland mit Sean Connery, Frances Sternhagen und Peter Boyle, der zwei Jahre nach Alien in die Kinos gelangte.


Die Story ist schnell erzählt. Marshall O'Niel (Connery) tritt seinen einjährigen Dienst in einer Bergbaukolonie auf dem Jupitermond Io an. Dort gehen beunruhigende Dinge vor sich. In den letzten beiden Jahren hat die Mine Rekorderträge erzielt, doch ist es im selben Zeitraum zu einer ganzen Reihe unerklärlicher Selbstmorde unter den Arbeitern gekommen. Mit Hilfe der verbitterten und zynischen Stationsärztin Dr. Lazarus (Sternhagen) gelangt er schon bald zu der Erkenntnis, dass hierfür eine Droge verantwortlich ist, die die Arbeiter zu Höchstleistungen befähigt, bei vielen jedoch früher oder später zu Psychosen führt. Und wie man sich vielleicht denken kann, ist Grubenmanager Sheppard (Boyle) für das illegale Einführen und die Verteilung des Stoffs verantwortlich. Als O'Niel versucht, dem Treiben ein Ende zu machen, fordert Sheppard bei seinen Vorgesetzten einen Trupp von Killern an, die den unangenehmen Störfaktor beseitigen sollen. Schließlich geht es um die fetten Profite des Bergbauunternehmens. Nur von Lazarus unterstützt stellt sich der Marschall den schießwütigen Handlangern des Konzerns.
Die Geschichte verdient sicher keinen Preis für Originalität, und keine ihrer Wendungen kommt wirklich überraschend. Tatsächlich handelt es sich um einen traditionellen Westernplot, der in den Weltraum verpflanzt wurde. Doch da ich eine große Schwäche für klassische Western besitze, stört mich letzteres nicht weiter. Die Parallelen zu  Fred Zinnemans High Noon, die in beinahe jeder Besprechung des Filmes gezogen werden, sind allerdings rein oberflächlicher Natur. Man sollte sie bei einer Beurteilung von Outland möglichst außer Betracht lassen.
Die Schauspieler und Schauspielerinnen geben durchweg ordentliche Leistungen ab, doch niemand in diesem Film vermag wirklich zu glänzen. Freilich gibt das Material, mit dem sie arbeiten können, auch nicht sonderlich viel her. Hinzufügen sollte ich außerdem, dass ich ganz allgemein gesprochen kein großer Bewunderer von Sean Connery bin.* Angenehm überrascht hat mich allerdings, dass die verhärmte Ärztin in Gestalt von Frances Sternhagen ausnahmsweise einmal auch wie eine solche aussieht, und nicht wie ein auf die dreckige Io-Station gebeamtes Supermodel. Und sie fällt dem Macho-Marshall nicht um den Hals ... Uff!

Ein kurzer Blick in die Filmographie von Peter Hyams, der auch das Drehbuch geschrieben hat, hinterlässt keinen sonderlich überwältigenden Eindruck. In den letzten Jahrzehnten hat er sich sein Geld fast ausschließlich mit stereotypen Blockbustern wie End of DaysThe Relic, Timecop und Presidio verdient. Der Versuch einer Bradbury-Adaption mit A Sound of Thunder (2010) gilt offenbar allgemein als misslungen. Aber Outland gehört zu Hyams' frühen Werken, und es macht den Anschein, als habe er sich damals noch für intelligentere und vage gesellschaftskritische Stoffe interessiert, so u.a. in Busting (1974), Capricorn One (1978) und The Star Chamber (1983). Am Ende dieser Schaffensperiode steht die in enger Kooperation mit Arthur C. Clarke entstandene Filmversion von 2010 (1984).
Interessanterweise hat Hyams in vielen seiner Filme auch die Kamerführung übernommen. Für Outland gilt dies zwar nicht, doch da die besondere Qualität des Streifens fast ausschließlich in visuellen Eindrücken besteht, verdient Hyams' enge Vertrautheit mit der Kamera und ihren Möglichkeiten besondere Beachtung.

Bei dem erwähnten Mangel an Originalität und komplexerer Charakterzeichnung mag es vielleicht erstaunlich klingen, aber Outland ist ein wirklich sehenswerter Film. Das faszinierende an ihm sind nicht der Plot oder die Figuren, sondern die Umwelt, in der sich dieser abspielt und sich jene bewegen. Technisch gesehen mag wenig von dem, was wir zu sehen bekommen, realistisch sein. Die Computergrafiken in Dr. Lazarus' Labor sind nachgerade lächerlich. Dennoch gelingt es Outland, einen äußerst glaubwürdigen Eindruck davon zu vermitteln, wie das Leben und Arbeiten auf einer solchen Station wohl aussehen würde. Und bemerkenswerterweise unterbricht Hyams dabei nie die stringente und vor allem in der zweiten Hälfte actiongeladene Handlung seines Films. Es gibt keine unnötigen Abschweifungen, in denen er sozusagen einen Kommentar zu seiner Geschichte abgeben würde. Alles bildet eine feste, organische Einheit So gibt uns z.B. eine Verfolgungsjagd, in der O'Niel einen von Sheppards Handlangern durch die Station hetzt, ganz nebenbei ein Gefühl dafür, wie groß diese eigentlich ist. Doch andererseits sehen wir in einer Reihe von Szenen immer wieder völlig überfüllte Räume: Kantinen, Aufenthaltsräume, einen Nachtclub, die Arbeiterquartiere. Schon ganz zu Beginn ist uns mitgeteilt worden, dass in der Bergbaukolonie 2144 Personen leben. Trotz ihrer Größe sind in ihr viel zu viele Menschen auf viel zu engem Raum zusammengepfercht. Überall ist es zu laut und zu beengt. Privatsphäre existiert für die allermeisten hier nicht. Es gibt keinen Ort, an den man sich zurückziehen, an dem man für sich allein sein könnte. Die Arbeiter nächtigen in Schlafsälen, die an eine Kaserne erinnern, ein Etagenbett neben dem anderen. Das Höchstmaß an Intimität besteht darin, sich für eine Stunde mit einer Prostituierten einzuschließen. Diese klaustrophobische Gefängniswelt wiederum ist umgeben von einer absolut lebensfeindlichen Umwelt, von der die Menschen nur durch ein paar Zentimenter Stahl oder Glas getrennt sind. Das wird uns insbesondere durch zwei der Selbstmorde und den großen Schlusskampf sehr eindringlich vor Augen geführt. Die Selbstmorde wiederum erscheinen im Grunde nur als die logische Konsequenz dieser unmenschlichen Lebensbedingungen, deren Auswirkungen durch die Droge lediglich verstärkt werden. In ihnen drückt sich zugleich die Einsamkeit des Einzelnen in der zusammengepferchten Masse wie das Verlangen, ihr zu entkommen, aus.

Das Duell des Marshalls mit Sheppard und seinen Schergen lässt sich nur sehr bedingt als Revolte gegen diese Ordnung interpretieren. O'Niel hat ganz einfach begriffen, dass er nicht mehr ist als ein kleines Rädchen in einer korrupten Maschine. Man hat ihn hierher geschickt, weil man glaubte, er würde sich so verhalten, wie man es von ihm erwartete. Und das stinkt ihm. Wie er Lazarus gegenüber erklärt: "I found out I was supposed to be something I didn't like ... my rotten part in the rotten machine ... I don't like it." Er nimmt den Kampf gegen die Vertreter des Konzerns nicht auf, weil ihm wirklich etwas an den Arbeitern liegen würde. Er ist kein schlechter Mensch und er verabscheut Sheppard, aber er ist kein Revolutionär. Er will sich selbst und der Welt (und vor allem seiner Frau, die ihn zu Beginn des Films verlassen hat) beweisen, dass er mehr ist, als ein bloßer Befehlsempfänger. Hierin besteht sein Antrieb. Ebenso schließt sich ihm Dr. Lazarus nicht an, weil sie eine große Menschenfreundin wäre, sondern weil sie etwas für ihn übrig hat und sich ihr mit diesem Kampf die Möglichkeit eröffnet, noch einmal etwas sinnvolles in ihrem Leben zu tun.

Der Film endet zwar mit dem Sieg unseres Heldenpaares, aber an den Verhältnissen auf der Station wird sich dadurch nichts ändern. Selbst dass der Drogenschmuggel nun aufhören würde, ist unwahrscheinlich. Sheppard wird abtreten und ein ebenso skrupelloser Handlanger der Firmenbosse wird ihn ersetzen. Der Film lässt keinen Zweifel an dieser pessimistischen Aussicht. Als Lazarus bei O'Niel vorbeischaut, um sich von ihm zu verabschieden, sind ihre ersten Worte: "I was on my way to drinking myself into a stupor. I thought I drop in and say goodbye."

Obwohl Hyams sich bei den Klischees des Western bedient, weiß er doch, dass dessen Ideal des aufrechten Einzelnen letztenendes machtlos ist gegenüber einem Übel, das seine Wurzeln eben nicht im Einzelnen, sondern in einer sozialen Ordnung besitzt. Einen Ausweg aus diesem Dilemma kann er offenbar nicht erkennen, aber zumindest macht er sich keinerlei Illusionen.

* Seinen Akzent finde ich ja immer noch zu putzig. Die Schotten mögen mir verzeihen. Ein Film mit Connery, den ich wirklich gerne mal wieder sehen würde, wäre John Hustons Kipling-Adaption The Man Who Would Be King

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