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Mittwoch, 22. Februar 2012

Immer Ärger mit Bobby

FerretBrain’s Arthur B. hat sich auf eine epische Reise durch die hyborischen Gefilde von Conan dem Cimmerier gemacht. Ergebnis seiner Expedition ist eine detaillierte Schilderung all der rassistischen, sexistischen, faschistoiden und homophoben Elemente in den Stories von Robert E. Howard. Nicht, dass dies eine wirklich neue Erkenntnis wäre (was er auch nicht behauptet), aber Arthur wirft damit wieder einmal die Frage auf, welche Stellung man als Fantasyfan gegenüber Howard beziehen sollte, der immerhin neben Tolkien als der zweite Gründervater der modernen Fantasy und als Schöpfer der Sword & Sorcery gilt.

Arthur springt wirklich sehr ungnädig mit ‘Two Guns’ Bob um. Seine Betrachtungsweise ist zweifellos einseitig, und manches, was er schreibt, zumindest diskussionsbedürftig. Insbesondere kann ich mich nicht seinem abschließenden Urteil anschließen und Howard als bloßen 'pulp-hack' in den Mülleimer der Literaturgeschichte befördern. Eines der Probleme, die ich mit dem Aufsatz habe, ist, dass Arthur sich ausschließlich mit den Conan-Stories beschäftigt. Auf diese Weise kann man unmöglich zu einer fairen Beurteilung Howards gelangen. Unter anderem auch deshalb, weil der Cimmerier seine zwar bekannteste, aber ironischerweise auch uninteressanteste Sword & Sorcery - Figur ist. Man ver-gleiche Conan nur einmal mit Solomon Kane, Kull, Bran Mak Morn, Dark Agnes.*
Dennoch bleibt es eine unleugbare Tatsache, dass Howards Stories haufenweise fragwürdige bis abstoßende Elemente enthalten. Machwerke wie The Frost Giant’s Daughter oder The Vale of the Lost Women sind schlicht widerwärtig. Und die Lösung für dieses Problem kann sicher nicht darin bestehen, wie Howards Biograph Mark Finn zu behaupten, der alte Bob sei doch gar nicht 'so' rassistisch oder sexistisch gewesen wie die bösen Linken immer behaupten.** Fakten lassen sich halt schwer wegdiskutieren. Noch bizarrer finde ich es, wenn der in deutschen Fantasykreisen nicht ganz unbekannte Frank Weinreich erklärt, Conan sei "ein weithin unterschätztes Zeugnis der Zivilisations-kritik der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts". Mit der 'Zivilisationkritik' dieses Herren werde ich mich auch einmal ausführlich beschäftigen müssen ...

Eine wirklich kritische Auseinandersetzung mit 'Two Guns' Bob und seinem Erbe ist nach wie vor dringend nötig, auch wenn diese nach Möglichkeit etwas differenzierter ausfallen sollte als Arthurs allgemeines Verdammungsurteil. Doch leider habe ich das Gefühl, dass gerade in der deutsch-sprachigen Fantasyfanszene die Einstellung immer noch weit verbreitet ist, dass man das Genre und erst recht seine ikonischen Vertreter um jeden Preis gegen alle Kritik verteidigen müsse. Aber wie Ursula K. Le Guin einmal ganz richtig bemerkt hat, ist härteste Selbstkritik die erste Voraussetzung, wenn ein Genre 'respektabel' werden will.

Was mir an Arthurs Artikel vor allem fehlt ist der Versuch, Howard in seinem historischen und sozialen Umfeld zu verorten. Nicht dass die unappetitlichen Aspekte seines Werkes dadurch irgendwie erträglicher würden. Ich habe bloß Verachtung für das dümmliche  und unter Fanboys sehr beliebte Argument übrig, dass damals doch alle weißen Amerikaner Rassisten gewesen seien, und man sich deshalb über entsprechende Passagen in den Conan-Stories nicht aufregen solle.*** Um was es mir geht ist vielmehr, dass man Howards Barbarenfantasien vor dem Hintergrund der gewaltigen gesellschaftlichen Umwälzungen sehen sollte, die sich in den 1920er Jahren in Folge des Ölbooms in Bobs Heimatstadt Cross Plains und in ganz Texas vollzogen. Und in dieser Hinsicht bietet Mark Finns Blood & Thunder eine sehr viel erhellendere Lektüre als Arthurs 'politisch korrekte' Tiraden. Ich interpretiere Howards Werk als eine halb anarchistische, halb faschistische Form der Rebellion gegen den amerikanischen Kapitalismus, der sich hinter dem Buhmann 'Zivilsation' verbirgt. Wie Howard im Dezember 1935 in einem Brief an H.P. Lovecraft schreibt: "Every corporation that has ever come into the Southwest bent solely on looting the region’s people and resources has waved a banner of 'progress and civilization.' ... Because we were tired of seeing corporations located in other sections grab huge monopolies on resources which they sucked dry and departed with bulging money-bags, leaving a devastated land behind them ... That the capitalist looters should throw a smokescreen of claims for progress and civilization and advancement is not surprizing; as with professional soldiers, dictators and imperialists, it is their favorite slogan." Howard vertritt hier eine typische Südstaaten-Perspektive. Schon die Ära der Reconstruction nach dem Bürgerkrieg wurde sehr gerne als eine Zeit gesehen, in der skrupellose Geschäftemacher und fiese Yankees über den 'armen' Süden hergefallen waren und ihn ausgeplündert hatten. Völlig unabhängig von der vielschichtigen Realität der Reconstruction, hatte diese Sicht sowohl zur Geburt des Ku Klux Klan als auch der Legenden um Jesse James als eines Robin Hood des Wilden Westens geführt. Beide Traditionslinien finden wir in Howards Geschichten. Es wirkt aberwitzig, wenn Bob in einem Atemzug die Texaner als Opfer eines inneramerikanischen 'Kolonialismus' beschreibt und seinem eigenen 'kolonialistischen' Rassismus Ausdruck verleiht: "I resent the forcing of alien culture and habits on my native state, even if that culture is superior. The Texas people have been as ruthlessly exploited as if they were painted savages."**** Doch in eben diesem Widerspruch liegt der Schlüssel zum Verständis seines literarischen Werkes.

* Okay, letztere gehört genaugenommen nicht zum Fantasygenre.
** Vgl.: Mark Finn: Blood & Thunder. The Life & Art of Robert E. Howard. S. 79ff.
*** Dass dieses Konstrukt eines allgemeinen weiße Rassismus nicht einmal auf die (in der Tat sehr rassistische) Pulp-Literatur der Zeit zutrifft, zeigt uns Gary Romeo in seinem Essay Southern Discomfort.
**** Zit. nach: Steve Tompkins: The Shortest Distance Between Two Towers.

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