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Dienstag, 24. Januar 2012

Sword & Sorcery unter dem Halbmond

Wie C.S.E. Cooney vorgestern in ihrer unnachahmlich mitreißenden Art auf Black Gate verkündet hat, ist endlich Saladin Ahmeds erster Roman Throne of the Crescent Moon erschienen! Eine Nachricht, auf die ich seit über einem Jahr sehnsüchtigst gewartet habe, auch wenn es sicher noch einige Zeit dauern wird, bis ich selber das Buch in Händen halten kann.
   
Der Name Saladin Ahmed begegnete mir zum ersten Mal im November 2010, als Black Gate ein Gespräch zwischen dem arabisch-amerikanischen Schriftsteller und Mythpunk-Poetin Amal El-Mohtar veröffentlichte, in dem sich die beiden über die Darstellung von islamischen und arabischen Kulturen in der Fantasy unterhalten. Dabei müssen sie leider konstatieren, dass es im Genre nach wie vor von stereotypen, wenn nicht offen rassistischen Zerrbildern nur so wimmelt. Wie Saladin Ahmed sehr richtig bemerkt: "If you’ve got a fantasy map at the beginning of the book, you can be pretty sure that, to the east of the Europeish landmass, there will be a big ol’ desert, and it will be inhabited by fierce, proud nomads who wear flowing robes and chop people’s heads off. This handful of central casting shtick is a stark contrast to history’s reality of remarkably varied Islamic cultures."
Wie so oft haben wir es dabei natürlich auch mit Altlasten der Gründerväter zu tun. Man denke nur an Robert E. Howards Shemites und C.S. Lewis' unsägliches Calormen. In Tolkiens Werken findet sich zwar nichts ähnlich offensichtliches, aber bei der Schilderung von Saurons Truppenaufmarsch und der Schlacht auf den Pelennor-Feldern schimmert doch recht deutlich das Vorbild des in der mittel-alterlichen Literatur beliebten Motivs vom großen Kampf zwischen Okzident und Orient durch.
Auch wenn man so etwas dem alten Mediävisten vielleicht noch durchgehen lassen kann, bei heutigen Fantasyautoren ist es kaum verzeihlich, wenn sie in ihren Sekundärwelten "‘Islam’ and ‘Arab’ to a stock set of signifiers" reduzieren, als da wären: "fanaticism, honor, violence, sexism, absolutism, scimitars, veils, turbans, and, above all, the harsh, unforgiving desert that produces a harsh, unforgiving people."*

Erst recht nicht in unserer Zeit.
Schon während seiner Jugend im Detroiter Arbeiterviertel Dearborn bekam Saladin Ahmed den antiarabischen Rassismus sehr deutlich zu spüren, wie er auf seiner Website erzählt: "By the early 1980s, Dearborn was also rapidly, if reluctantly, becoming home to the country’s largest concentration of Arab Americans. The racism this aroused in some of the town’s white residents stays with me to this day: The man who was mayor for most of my youth got elected using brochures bemoaning 'the Arab problem.' There were board of education meetings full of screaming white parents trying to prevent Arab kids from being bussed into 'their' schools. The Arab American community center that my father helped found was burned to the ground twice by arsonists. Twice."
In den letzten zehn Jahren dürfte das in mancherlei Hinsicht nur noch schlimmer geworden sein. Stimmungsmache gegen Muslime gehört in den meisten westlichen Staaten inzwischen zum politischen Alltag, derweil dieselben Staaten neokoloniale Kriege in islamischen Ländern wie dem Irak, Afghanistan, Pakistan, dem Jemen, Libyen – morgen vielleicht schon Syrien oder dem Iran  – führen.
Natürlich sind stereotype Darstellungen aller möglichen Kulturen in der Fantasyliteratur nicht eben eine Seltenheit. In diesem Kontext halte ich es jedoch für doppelt wichtig, die klischeehaften Zerrbilder, die das Genre über den Islam verbreitet, ins Visier zu nehmen. Man betrachte sich etwa Peter V. Bretts leider sehr erfolgreichen Bücher Das Lied der Dunkelheit (The Painted Man) & Das Flüstern der Nacht (The Desert Spear). Diese lassen sich ohne große Probleme als Übertragung der Post-9/11-Paranoia eines Islamophoben in die Gefilde von Faërie interpretieren.

Glücklicherweise gibt es aber auch Gegenbeispiele. So gab das Apex Magazine im November 2010 (damals noch mit Catherynne M. Valente als Redakteurin) eine ganz 'arabisch-islamischen' Themen gewidmete Ausgabe heraus – quasi als Antwort auf Elizabeth Moons berüchtigten islamo-phoben 'Citizenship'-Blog. Das Team von Cabinet des Fées reagierte gleichfalls sehr entschieden. Auch Howard Andrew Jones' The Desert of Souls soll in dieser Hinsicht erstaunlich gut sein.** Oder wie wäre es mit Nisi Shawls wunderhübscher Kurzgeschichte The Pragmatical Princess?

Aber selbstverständlich sind es nicht in erster Linie 'politische' Gründe gewesen, die mich so ungeduldig auf Throne of the Crescent Moon haben warten lassen. Vielmehr hatte mir die Lektüre seiner Kurzgeschichten Where Virtue Lives und Judgement of Swords and Souls gezeigt, dass wir von Saladin Ahmed wirklich gute – und damit meine ich ebenso spannende wie intelligente Sword & Sorcery in einer phantastisch-islamischen Welt erwarten durften. Ich freue mich einfach darauf, ein ganzes Buch lang an der Seite des alten, weltweisen Ghul-Jägers Adoulla Makhslood, seines arg tugendhaften Schülers Raseed bas Raseed und des Kriegermädchens Zamia*** durch die brodelnden Straßen von  Dhamsawaat zu streifen. Wilde Kämpfe mit abscheulichen Monstern, politische Intrigen um den Kalifen und den 'Falcon Prince' sowie die Gefühle eines alternden Helden (Adoulla ist über 60!) – das ist es, was ich von Throne of the Crescent Moon erwarte. Und wenn ich C.S.E. Cooneys Urteil trauen darf, wird mich Saladin Ahmed nicht enttäuschen. Ich kann sie so gut verstehen, wenn sie schreibt: "If Throne had been a bad book, I’d have been cast down to the depths of despair and egregious woe and aggressive lethargy from my disappointment." Doch stattdessen – "the Happy Dance." Ich möchte mittanzen!


* Ich musste da sofort an die Novadis aus Das Schwarze Auge denken, allerdings enden meine Kenntnisse über Aventurien in den frühen 1990er Jahren.
** Auf SF Signal kann man von ihm auch einen interessanten Artikel über die 'Wurzeln arabischer Fantasy' lesen.
*** Gut, Zamia kommt nicht in Where Virtue Lives vor, aber wenn ich mir Layla bas Layla aus Judgment anschaue, weiß ich, dass sie mich nicht enttäuschen wird. 

  

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