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Donnerstag, 31. März 2022
Strandgut
Sonntag, 27. März 2022
Let Me Tell You Of The Days Of High Adventure
Thula von Pat McIntosh
Vor zwei Monaten veröffentlichte G.W. Thomas einen kurzen Artikel auf Dark Worlds mit dem Titel The Adventures of Thula. Der Beitrag besteht aus wenig mehr als einer knappen Inhaltsangabe der fünf Geschichten, die die schottische Schriftstellerin Pat McIntosh in der zweiten Hälfte der 70er Jahre über ihre amazonenhafte Heldin geschrieben hat. Doch da mir die Gute bis dahin völlig unbekannt gewesen war und ich stets neugierig darauf bin, frühe Heldinnen der Sword & Sorcery kennenzulernen, dauerte es nicht gar zu lange, bis ich mir die fünf Bände von Lin Carters Anthologie Year's Best Fantasy Stories organisierte, in denen die Geschichten zwischen 1975 und 1980 erschienen.*
Die allererste Thula-Geschichte Falcon's Mate wurde ursprünglich im Juli 1974 in Nr. 4 des Fanzines Andúril veröffentlicht. Das von John Martin herausgegebene Magazin war zu Beginn (1972) das offizielle Bulletin der britischen Tolkien Society gewesen,
hatte diesen Status aber bereits in Nr. 3 (November 1972) eingebüßt und
zeigte sich bei seiner Wiedergeburt anderthalb Jahre später deutlich
weniger tolkienesk als zuvor. Wie der Untertitel verkündete war es nun
ganz allgemein ein Magazine of Fantasy. Dem Projekt war kein
langes Leben beschieden, aber in Nr. 4-7 erschienen
immerhin Beiträge von Tanith Lee, Fritz Leiber und Adrian Cole
sowie Illustrationen von Kevin O'Neill, Russ Nicholson und Tim Kirk.
Außerdem zwei sehr frühe Texte von Jessica Amanda Salmonson, die hier
noch unter dem Namen Amos Salmonson schrieb. Dies war die ursprüngliche Heimat von Thula, hier erblickten ihre ersten drei Geschichten das Licht der Welt. Wie genau sie den Sprung über den Großen Teich und auf die Seiten von Year's Best Fantasy Stories schaffte, weiß ich nicht. Aber da Andúril #4 auch einen Essay von Lin Carter enthält, darf man wohl davon ausgehen, dass dieser mit Martin in Kontakt stand. In der Folge wurden Pat McIntoshs Geschichten ein regelmäßig wiederkehrender Bestandteil der Reihe. In seiner Einleitung zu Child of Air in Band 5 schreibt Carter: "[H]eute wären diese Sammlungen ohne eine Kriegsmaid-Story nicht mehr dieselben". Die letzten beiden Thula-Abenteuer erschienen überhaupt nur hier.
Leider ist Falcon's Mate in der deutschen Übersetzung –
Das Falkenmatt –
die Doppeldeutigkeit abhanden gekommen. Doch die Story ist auf jedenfall ein ziemlich gelungener Auftakt für den kleinen Zyklus, der erst einmal zuversichtlich stimmt. Wie die restlichen Geschichten wird auch sie in Ich-Perspektive aus der Sicht unserer Heldin erzählt.
Im Auftrag ihres Ordens soll Kriegsmaid Thula die junge Aneka über das Alte Gebirge zu ihrem auserwählten Gemahl geleiten. "Auserwählt" natürlich nicht von der Braut selbst, sondern von ihrem Vater, einem reichen Kaufmann. Und so besteht Thulas Aufgabe nicht nur darin, die kleine Karawane vor Räubern und Wegelagerern zu schützen, sondern auch dafür zu sorgen, dass Anekas "Unschuld" die Reise unbeschadet übersteht. Doch wenn sie den Grund für die widerlichen Kopfschmerzen, unter denen sie seit ein paar Tagen leidet, richtig deutet, könnte ihr letzteres bereits misslungen sein. Denn ihr Verdacht ist, dass ihr Aneka allabendlich mit dem Wein einen Schlaftrunk untergejubelt hat. Und welchen anderen Grund könnte es dafür geben als heimliche Stelldicheins mit einen Liebhaber? Andererseits hat Anekas Vetter das Schlafzimmer der beiden Frauen stets so ausgewählt, dass man schon fliegen können müsste, um durch das Fenster einzusteigen ... Also sorgt Thula dafür, dass am nächsten Abend die Weingläser ausgetauscht werden und sichert das Fenster, indem sie ihr Schwert im Rahmen verkeilt. Tatsächlich taucht ein nächtlicher Besucher auf. Und er *kann* fliegen, denn er erscheint in Falkengestalt. Doch unglücklicherweise wirft er außerdem einen Starrezauber über die Kriegsmaid. Und so kann diese bloß hilflos zuschauen, als er vergeblich nach Aneka ruft, sich beim Versuch, durchs Fenster zu klettern, schwer verletzt, um schließlich zornig auszurufen: "Wenn du nicht aus deinem Willen zu mir kommst, wirst du es durch meinen!" Keine leere Drohung, wie sich schon sehr bald herausstellen wird ...
Über den Hintergrund unserer Heldin erfahren wir zwar nicht viel mehr als vage Andeutungen, doch ergeben diese ein recht interessantes Bild. Schon als kleines Kind wurde sie dem Orden übergeben und von diesem umfassend ausgebildet. Die Kriegsmaiden reisen für gewöhnlich in Paaren, doch Thulas Partnerin Fenala ist vor kurzem im Kampf gefallen. Ein Verlust, der sie zutiefst erschüttert hat. "Wir waren nie ein Liebespaar gewesen, wie so manches andere Gespann,
aber auch so waren wir unzertrennlich gewesen, seit ich acht und sie
neun war". Man könnte es bemerkenswert finden, wie selbstverständlich und ohne Wertung hier lesbische Beziehungen zwischen den Kriegerinnen erwähnt werden, aber ebensogut könnte man sein Augenmerk natürlich darauf legen, dass McIntosh im selben Atemzug betont, dass dies auf ihre Heldin gerade nicht zutrifft. Obwohl eine religiöse Organisation und dem Dienst an der Mondgöttin geweiht, scheint der Orden doch keine Probleme damit zu haben, seine Kriegsmaiden als simple Söldnerinnen zu "vermieten". Und diese haben ohne Widerrede zu gehorchen. Thulas wachsende Zweifel an dem Orden und seinen Geboten ist ein Thema, dass sich durch alle fünf Geschichten zieht. Schon in Falcon's Mate ist sie eigentlich nicht wirklich glücklich mit ihrem Auftrag, fühlt sich aber dazu verpflichtet, ihn auszuführen, da andernfalls die "Ehre" des Ordens beschmutzt würde. Das Ende der Geschichte deutet allerdings bereits an, dass sie anfängt, ihre eigenen Wege zu gehen. Wenn auch noch nicht offen.
Im Vergleich zu den späteren Stories zeichnet sich Falcon's Mate durch einen sehr viel schärferen kritischen Blick auf die patriarchalische Ordnung der Erzählwelt aus. Aneka wird von ihrer eigenen Familie als eine "wertvolle Ware" betrachtet, die man mit Gewinn verschachert. Wenn Thula sich das Leben vorzustellen versucht, das auf sie wartet, weckt das Erinnerungen an ihre eigene Kindheit:
Ich erinnerte mich vage an das Leben meiner Mutter, ehe man mich dem Orden übergab. Düfte und raschelnde Gewänder, andere Damen, die kamen und gingen, und das Echo der Stimme meines Vaters, das Mutter wie ein Kaninchen erstarren ließ, das einen Fuchs hört.Eine starke Passage, finde ich.
Sehr gut gefallen hat mir auch, dass Aneka trotzdem nicht als gebrochenes, versklavtes "Opfer" dargestellt wird. Sie erscheint vielmehr als ein recht eitles, ziemlich dickköpfiges und augenscheinlich verwöhntes Teenager-Mädchen. Auch wenn sie langsam beginnt, sich gegen die ihr aufgezwungene Rolle aufzulehnen, plappert sie doch immer noch munter und gedankenlos viel von dem Blödsinn nach, der ihr von ihrer Mutter eingetrichtert wurde.
Und ob der gestaltswandlerische Fenist tatsächlich eine so perfekte Alternative zu dem versprochenen Ehemann darstellt, scheint mir auch nicht einwandfrei festzustehen. Pat McIntosh ließ sich bei ihrer Geschichte offenbar von Elementen aus Yonec, einem der altfranzösischen Lais der Marie de France, inspirieren.** Das gilt für den Liebhaber in Falkengestalt ebenso wie für das mit Klingen verbarrikadierte Fenster. Freilich fehlen bei ihr die bizarren religiösen Untertöne des mittelalterlichen Werkes. Aber die wären hier wohl auch eher fehl am Platze gewesen. Wichtiger ist, dass der Falkenritter in Yonec ziemlich klar als ein Feenwesen gezeichnet ist. Seine Burg liegt in einer Anderswelt, die man durch einen Hügel betritt. Letzteres ist bei Fenist zwar nicht der Fall, dennoch haftet auch ihm etwas von dem bedrohlich-zwiespältigen Charakter mittelalterlicher Feen an. Immerhin droht er seiner Geliebten mit Entführung, wenn sie ihm nicht willig folgt.
Was schon bei Falcon's Mate auffällt und sich durch den gesamten Zyklus ziehen wird, ist der Umstand, dass die Geschichte trotz der amazonischen Heldin keine echten Actionszenen enthält. Die finale Auseinandersetzung mit Fenist findet nicht als Schwertkampf statt, sondern besitzt die Gestalt eines Schachduells – gut, das Spiel heißt "Belagerung", aber es ist schon klar, woran wir dabei denken sollen, daher ja auch der Titel Falkenmatt ...
Leider muss ich sagen, dass die zweite Story Cry Wolf (Der Wolf) ein ziemlich heftiger Dämpfer für mich war.
Thula ist weiterhin alleine unterwegs, als sie eines Abends auf dem Hof eines Gasthauses zwei Männern begegnet: Dem rothaarigen Barlach und dem hageren Wolf. Keiner der beiden realisiert, es mit einer jungen Frau zu tun zu haben. Eigentlich sind keine Zimmer mehr frei, aber als die Wirtin mit lautem Getöse eine Gästin vor die Tür setzt, eröffnet sich doch noch eine Übernachtungsmöglichkeit. Allerdings müsste Thula ihr Zimmer mit dem Wolf teilen. Ein undenkbarer Verstoß gegen die Regeln des Ordens: "Eine Angehörige des Ordens, die freien Willens ein Zimmer, ein Bett oder eine Decke mit einem Mann teilt, wird ausgestoßen". Dennoch stimmt sie zu. Und dafür scheint es keinen anderen Grund zu geben, als dass sie sich aus unerklärlichen Gründen heftigst zu Wolf hingezogen fühlt. Nun soll es Liebe auf den ersten Blick ja geben, aber reicht das aus, um einen Bruch religiöser Gebote zu erklären, dessen Konsequenz nach Thulas Vorstellung in Tod oder Wahnsinn besteht, sobald das nächste mal Mondlicht auf sie fällt? Allerdings kommt noch eine merkwürdige Vision hinzu, die sie bei ihrer erste Begegnung mit Wolf hat und die sich schließlich als ein mentales Band zwischen den beiden entpuppt. Damit fügt sich die Geschichte in den größeren Handlungsbogen des Zyklus ein, in dem Thula sich immer stärker vom Orden und seinen Geboten distanziert und die magische Gabe entdeckt, die in ihr schlummert. Dennoch fand ich die Motivation der Heldin schwer nachvollziehbar.
Und unglücklicherweise führt das schon bald zu einer recht unangenehmen Szene, wenn eine nackte Thula in ihrem Zimmer zufällig von Barlach überrascht wird. Wolfs Kumpel soll vermutlich der Typ des "liebenswerten Schurken" sein, aber hier kommt er einfach nur rapey rüber. "Noch nie hatte ich einen Gesichtsauddruck wie seinen gesehen." Thula ist wie paralysiert, errötet heftigst, ihre Knie lassen beinahe unter ihr nach etc. Man könnte zwar Argumente dafür finden, warum eine solche Reaktion für die Figur, trotz ihres Amazonencharakters, nicht unrealistisch ist. Dennoch ist es einfach sehr unangenehm, unsere Heldin angesichts drohender sexueller Gewalt so hilflos zu sehen. Und natürlich dient ihre "Schwäche" u.a. dazu, Wolf als Retter und Beschützer in Szene zu setzen. Noch verstörender freilich fand ich, dass sich ein paar Seiten später folgender Satz der Ich-Erzählerin über Barlach findet: "[D]enn ich mag ihn, egal, was er zu mir gesagt hat, und er ist der Freund des Wolfes."
Dass es am Ende Thula ist, die das Leben der beiden Männer rettet, nachdem sich ein Lynchmob auf den als Werwolf enttarnten Wolf gestürzt hat, ist angesichts dessen nur ein geringer Trost. Und die ganze Hintergrundsgeschichte um die Fehde zwischen dem lykanthropischen Zauberer und seinem bösen Vetter, dem Hochkönig der Westlande, bleibt äußerst schemenhaft und ist nicht gerade packend. Dass er unserer Heldin am Ende verkündet: "Mein Herz verrät mir, daß wir uns wiedersehen werden, und schon bald", ließ deshalb auch eher wenig Vorfreude in mir aufkommen.
Glücklicherweise kommt seine Rückkehr dann aber doch nicht so schnell. Am Anfang von Ring of Black Stone (Der Ring aus schwarzem Stein) trifft Thula bei einer Schmiede in den Wäldern auf eine alte Frau und ihre Enkelin, die gerade dabei sind, ein Grab zu schaufeln. Die Familie ist überfallen worden und die Eltern des kleinen Mädchens wurden dabei erschlagen. Das Kind macht dafür Soldaten aus der nahen Stadt verantwortlich, deren Hauptmann außerdem ihre große Schwester entführt habe. Wie die Alte Thula erzählt, ist ersteres falsch (verantwortlich für den Überfall waren irgendwelche Briganten), letzteres zumindest etwas komplizierter: Besagter Hauptmann hatte immer schon ein Auge auf Melvia geworfen, war aber von ihr abgewiesen worden: "Ich glaube, seine ungestüme Art gefiel ihr nicht." Als er mit seinen Männern die Schmiede nach dem Überfall erreichte, nahm er die junge Frau mit, in der irrigen Annahme, sie sei die einzige Überlebende. Für die kleine Melagra bleibt er jedoch der Mörder ihrer Eltern und der Räuber ihrer Schwester, und sie konzentriert ihre ganze Wut auf ihn.
Thula erklärt sich bereit, die beiden am nächsten Tag in die Sicherheit der Stadt zu geleiten. Am Abend wendet sich die Alte mit einem merkwürdigen Anliegen an unsere Heldin: Sie spürt, dass sie den nächsten Tag nicht überleben wird. Und bevor sie stirbt, muss sie ihre magische Gabe an eine andere Frau weitergeben, da sie andernfalls nicht werde in Frieden ruhen können. Melagra ist dafür noch zu jung. Also bittet sie Thula, die Empfängerin zu sein. Nach einigem Zögern willigt diese ein, vielleicht auch weil ihr die Greisin versichert, die Gabe stamme von "der Göttin". Die Wirkung des magischen Transfers beschränkt sich vorerst allerdings auf eine merkliche Schärfung der Sinne.
Tatsächlich kommt die Alte auf dem Weg in die Stadt bei einem Erdrutsch ums Leben. Der dafür verantwortliche Elementargeist hält das bizarrerweise für ein Blutopfer und verleiht der kleinen Melagra einen ominösen Ring aus schwarzem Stein: "Du trägst Haß wie einen Stein unter deinem Herzen. Gib den Ring, wo du haßt, und er wird deine Wünsche erfüllen."
In der kleinen Siedlung angekommen, macht sich Melagra sofort daran, den "bösen" Hauptmann zu suchen, um ihre Schwester "zurückzuholen". Der findet sich überraschend schnell. Allerdings hat Zarka die Zeit nicht ungenutzt verstreichen lassen und Melvia inzwischen geheiratet. Melagra drängt ihm den Steinring "als Hochzeitsgeschenk" auf. Dieser entfaltet schnell seine bedrohliche Macht. Immer dann nämlich, wenn Zarka sich in irgendeiner Weise gegen seine frisch Angetraute "vergeht". Es dauert nicht lange und der Hauptmann muss ernsthaft um sein Leben fürchten.
Besonders gut haben mir in dieser Geschichte die Charakterzeichnungen gefallen. Vor allem Melagra ist eine sehr lebendige Figur. Das kleine Mädchen wirkt keck und aufgeweckt. Am liebsten würde sie auch Kriegsmaid und Thulas neue Gefährtin werden. Ihr Hass auf den Hauptmann ist zwar (teilweise) fehlgeleitet, entspringt aber vor allem der großen Liebe zu ihrer Schwester.
Allerdings bin ich mir nicht sicher, wie ich die Zarka-Melvia-Beziehung beurteilen soll. Der Hauptmann hat die junge Frau nicht offen zur Ehe gezwungen, aber als eine wirklich freiwillige Verbindung kann man das auch nicht bezeichnen: "Ich dachte, ich sei allein und ließ mich von ihm überrumpeln." Im Grunde hat er ihre Notlage ausgenutzt, um zu bekommen, was ihm bislang verwehrt wurde. So gesehen hat Melagra nicht ganz Unercht, in ihm den "Räuber" ihrer Schwester zu sehen. Andererseits ist Zarka ganz offenkundig kein schlechter Mensch. Er ist ehrlich bemüht, seiner jungen Frau ein gutes Heim zu bereiten und sofort bereit, auch ihre kleine Schwester in die neue Familie aufzunehmen. Da die Welt der Thula-Geschichten offenkundig sehr patriarchalisch ist, lässt sich sein Verhalten gut nachvollziehen. Dass er kein Unrecht darin sieht, ist verständlich. Dennoch musste ich etwas die Stirn runzeln, als Melvia am Ende erkennt, dass sie ihren Ehemann ja wirklich liebt. Was ihm das Leben rettet. Wird sein Verhalten damit nicht erzählerisch gerechtfertigt?
Und dann sind da noch die Ausführungen der Alten über die Magie von Männern und Frauen, die mir gar zu sehr auf irgendwelche essenzialistischen Geschlechtervorstellungen hinauszulaufen scheinen.
Der Zauber von Mann und Frau ist so verschieden wie Mann und Frau. Männerzauber bauen, sie sind mechanisch. Sind sie einmal begonnen, können sie nicht so leicht abgewendet werden, nur vernichtet. Sie machen Dinge, doch anders als unsere. Frauenzauber lassen Dinge wachsen, sie erwecken Liebe und Haß, und Liebe, die zu Haß wird, kann einen Zauber brechen. Wenn sie aufeinanderstoßen, gewinnen einmal die einen, dann die anderen. Wie bei Männern und Frauen auch.Bei ihrem ursprünglichen Erscheinen in Anduril #6 wurde die Story von einigen Russ Nicholson - Illustrationen geziert, die man sich hier auf dem Blog des Künstlers anschauen kann.
In The Cloak of Dreams (Das Cape der Träume) erreicht Thula an einem stürmischen und verregneten Abend zusammen mit der hochschwangeren Iliena, die sie am Straßenrand aufgesammelt hat, ein einsames Gehöft. Eigenartigerweise hat die alte Bäuerin sie offenbar bereits erwartet und sieht in dem Zusammentreffen der drei Frauen eine Fügung des Schicksals: "So sind wir also drei Eingeweihte, Maid, Mutter und altes Weib. Etwas wird sich aus dieser Begegnung ergeben Leben oder Tod?"
Iliena ist auf der verzweifelten Suche nach dem Vater ihres Kindes. Sie ist überzeugt davon, ohne seine Anwesenheit im Kindbett zu sterben. Ihre Mutter, eine Priesterin der Mondgöttin, hat sie verstoßen, nachdem sie nicht bereit war, ihr ungeborenes Kind dem Tempeldienst zu weihen. Seitdem ist auch ihr Geliebter Gansser verschwunden, der selbst ein Adept des Sonnengottes war. Allerdings hat ihr die erzürnte Mutter vor der Trennung noch einen Umhang mitgegeben und dabei erklärt: "Das ist aller Schutz, den er dir geben wird, Mädchen. Behalt ihn an und schau am richtigen Ort nach, dann siehst du vielleicht deinen geliebten Sonnenküsser wieder."
Die Bäuerin nimmt die beiden jungen Frauen für erste auf auf. Die folgenden Tage verbringt Thula hauptsächlich mit Hof- und Hausarbeit. Daneben drängt die resolute Alte unsere Heldin, sich mit einem aus elfenbeinernen Karten bestehenden Tarot zu beschäftigen. (Wie schon beim Schach in Falkenmatt fällt auch hier der Name nicht, aber die Beschreibung der Kartenmotive ist eindeutig.) Thula ist sich nachwievor unsicher, was ihre magische Begabung angeht, und fürchtet sogar, dass es sich bei dem Ganzen um teuflische Dinge handeln könnte. Doch die Bäuerin duldet keine Widerrede. Auch macht sie deutlich, dass sie nicht viel auf "den Tempel" und seine Lehren gibt. Iliena derweil hat eigenartige Wahrträume von ihrem Geliebten. Als schließlich die Wehen der jungen Mutter einsetzen, muss Thula das Tarot und ihre Gabe nutzen, um das Geheimnis von Ganssers Verschwinden zu lüften und für ein glückliches Ende der Geschichte zu sorgen.
The Cloak of Dreams besitzt eine hübsch "erdmagische" Atmosphäre: Das einsame Gehöft, die umgebende Landschaft, das Wetter, ein offenes Grab mit einer beunruhigenden Inschrift, die mysteriöse Alte mit ihrem Tarot. Außerdem verstärkt sich der kritische Blick auf die organisierte Religion, nach deren Weisungen Thula vom Orden erzogen wurde.
Ein Motiv, das sich in Child of Air (Kind der Luft) noch einmal verstärkt. Denn gleich zu Beginn der Geschichte erfahren wir, dass der Orden seine Kriegsmaiden nicht bloß als Söldnerinnen verwendet. Sie sind im Wortsinn Eigentum der religiösen Organisation und können von dieser ganz wie Sklavinnen verkauft werden. Und genau das ist Thula passiert. Sie ist von einem Unbekannten käuflich erworben worden und damit eigentlich keine Kriegsmaid mehr.
Leider jedoch ist die fünfte und letzte Story zugleich auch die Rückkehr von Wolf. Bei dem ist Thula nämlich inzwischen untergekommen, während sie auf eigene Faust versucht, ihr magisches Talent weiter auszubilden. Natürlich könnte sie auch das Angebot des lykanthropischen Zauberers annehmen und seine Schülerin werden. Damit wäre sogar das Problem ihres unsicheren rechtlichen Status gelöst. Denn niemand würde es wagen, Besitzanspruch auf einen Zauberlehrling zu erheben. Aber noch ist Thula nicht bereit für diesen Schritt, auch wenn ihre eigenständigen magischen Experimente bislang nur zur Beschwörung eines putzigen und quängeligen Luftgeistes geführt haben, von dem sie nicht weiß, wie sie ihn in seine Heimatdimension zurückschicken soll. Viel mehr Zeit zum Nachdenken bleibt ihr allerdings nicht, denn schon bald zeigt sich, dass es Wolfs böser Vetter war, der sie vom Orden gekauft hat. Und dessen Absichten sind natürlich alles andere als lauter.
Wie man sich bei dieser Beschreibung vielleicht denken kann, endet Pat McIntoshs kleiner Zyklus leider auf einer ziemlich unbefriedigenden Note. Schlimmer noch – wie schon in Cry Wolf bekommen wir Thula erneut in einer Situation gezeigt, in der sie sich hilflos und verängstigt angedrohter sexueller Gewalt ausgesetzt sieht. Und erneut wird unsere Heldin in diese Position der Schwäche manövriert, damit Wolf den Retter spielen kann. Dass sie im anschließenden Magierduell der beiden Männer ihrem zukünftigen Lehrmeister wenigstens etwas Beistand zu leisten vermag, macht die Sache nicht wirklich besser.
Es fällt mir nicht ganz leicht, zu einem abschließenden Urteil über The Adventures of Thula zu gelangen. Ich denke aber auf jedenfall, dass in der Figur das Potential für sehr viel mehr gesteckt hätte. Einige der durchgehenden Motive finde ich recht interessant. Vor allem Thulas wachsende Distanzierung vom Orden und die Erkundung ihrer magischen Talente. Andere lassen mich etwas ratlos zurück. Im Grunde geht es in allen fünf Geschichten ja auch um zwischengeschlechtliche Beziehungen (Aneka & Fenist; Thula & Wolf; Melvia & Zarka; Iliena & Gansser), aber mir ist nicht ganz klar, was Pat McIntosh über dieses Thema eigentlich zu sagen versucht. Auffällig ist jedoch, dass der kritische Blick auf die patriarchalische Ordnung der Handlungswelt nach Falcon's Mate merklich schwächer wird. Insbesondere Ring of Black Stone wirkt in dieser Hinsicht halbherzig und etwas unausgegoren. Und in Child of Air sehen wie Thula dann sogar selbst bei einigen "hausfraulichen" Tätigkeiten. Über die Gründe für diese Entwicklung kann man natürlich bloß spekulieren. Aber vielleicht ist es doch ganz gut, dass der Zyklus an dieser Stelle endet. McIntosh kehrte anscheinend nie wieder zur Fantasy zurück, sondern wandte sich (allerdings erst Jahrzehnte später) mit der Gilbert and Alys Cunningham - Reihe dem Historienkrimi zu.
Alles in allem scheint mir Thula eine Figur des Übergangs zu sein. Als Sword & Sorcery - Heldin war sie bei ihrem ersten Auftritt Mitte der 70er Jahre sicher noch eine Ausnahmeerscheinung. Aber anders als G.W. Thomas wundert es mich nicht, dass sie "never appeared in Jessica Amanda Salmonson’s Amazons! series of anthologies." Zu vieles in den Geschichten passt so gar nicht zu dem Typ Amazone, dem Salmonson dann eine Plattform geben sollte. Sind die Thula-Stories dennoch eine Wiederentdeckung wert? Einige von ihnen ganz sicher. Aber um verlorengegangene Klassiker des Subgenres handelt es sich nicht. Und ihre Protagonistin lässt sich nur in beschränktem Maße als eine Vorläuferin jener schwertschwingenden Heldinnen bezeichnen, die wenige Jahre später die Sword & Sorcery aufmischen würden.
* Wobei ich verärgert feststellen musste, dass in der 1988 bei Moewig erschienenen Übersetzung des vierten Bandes Ramsey Campbells Erzählung The Changer of Names ausgelassen wurde.
** Ich muss zugeben, dass mir das völlig entgangen wäre, wenn mich nicht dieser Beitrag auf dem Blog Calmgrove darauf gestoßen hätte. Dort erfährt man auch, dass wenigstens Falcon's Mate in den späten 80ern noch einmal neu abgedruckt wurde, nämlich im Rahmen von Jessica Yates' Anthologie Dragons and Warrior Daughters.
Dienstag, 8. März 2022
Strandgut
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