Regisseur Terence Fisher (1904-80) darf mit einigem Recht als der eigentliche Schöpferdes klassischen "Gothic"-Brit-Horrors gelten, wie er Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre von Hammer Film Productions gepflegt wurde.
Seine Karriere in der englischen Filmindustrie hatte er erst relativ spät, im Alter von neunundzwanzig Jahren, begonnen. Von 1933 bis 36 arbeitete er sich bis zum Posten des Chef - Cutters hinauf – ein Job, der ihn vollauf befriedigte und in dem er für die nächsten zehn Jahre tätig blieb. Doch dann eröffnete sich ihm 1948 die Gelegenheit, im Auftrag von Production Facilities Ltd. auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen. Die Firma diente der Rank Organisation – zu diesem Zeitpunkt Großbritanniens größtes Filmunternehmen – als Testgebiet für neue Regisseure, und offenbar war man der Ansicht, Fisher habe in seiner bisherigen Arbeit genug Talent gezeigt, um eine Chance zu erhalten, sich auch einmal in dieser Funktion zu versuchen. Das Ergebnis war zufriedenstellend, und alsbald trat der {nicht mehr ganz so} junge Regisseur in die Dienste von Gainsborough Pictures – seit 1941 gleichfalls Teil der Rank Organisation. Doch das Glück währte nicht all zu lang. J. Arthur Ranks Film- und Kinoimperium hatte seit dem Ende der 40er Jahre mit immer größeren finanziellen Problemen zu ringen, was zu weitreichenden Umstrukturierungen und Kürzungen führte, denen 1951 auch Gainsborough Pictures zum Opfer fiel.
Arbeitslos blieb Terence Fisher freilich nicht lange, denn wenig später schon wurde er von Hammer Film Productions engagiert.
Das House of Hammer war zu diesem Zeitpunkt noch nicht die große Horror-Schmiede, als die es in die Geschichte eingehen würde. Vielmehr produzierte man B-Movies in allen erdenklichen Genres. Fisher drehte für die Firma vor allem eine Reihe von Thrillern und Pseudo Noir - Filmen wie The Last Page (1952), Stolen Face (1952) und Murder by Proxy (1954). Daneben konnte er sich mit Four Sided Triangle (1953) – den mein guter Twitter-Kumpel NUTS4R2hier besprochen hat – und Spaceways (1953) allerdings auch erstmals in den Gefilden von Phantastik und SciFi umtun. Daneben gelang es ihm, auch im Fernsehen Fuß zu fassen
1955 trennte sich Fisher für einige Zeit von seinem Hauptarbeitgeber. 1956/57 versuchte er zusammen mit Francis Searle sogar eine eigene Produktionsfirma auf die Beine zu stellen, was sich freilich sehr schnell als ein Fehlschlag herausstellen sollte.
Zur selben Zeit fand Hammer endlich seine goldene Nische in der britischen Filmlandschaft. Es war ein wahrer Geniestreich gewesen, sich die Rechte für eine Kinoadaption von Nigel Kneales äußerst erfolgreicher SciFi-Serie The Quatermass Experiment – die ich hier besprochen habe – zu sichern. Kneale selbst verabscheute zwar den unter der Regie von Val Guest gedrehten Kinofilm, doch für Hammer wurde er der erste richtig große Hit. Man zögerte nicht lang und legte rasch mit X the Unknown (1956) nach, dem später noch eine Kinoversion von Kneales Quatermass 2folgen sollte.
Phantastische Stoffe kamen beim Publikum offensichtlich sehr gut an, und so kam man auf die Idee, eine Wiederbelebung des klassischen "Gothic"-Horror-Genres zu versuchen. Schließlich hatten sich die alten Universal - Monster seit gut zehn Jahren wenn überhaupt, dann nur noch in Gesellschaft von Abbot & Costello auf der Leinwand blicken lassen. Für dieses Unternehmen holte man Terence Fisher wieder an Bord, und alsbald begannen die Dreharbeiten an The Curse of Frankenstein, der 1957 in die Kinos gelangte und den großen Reigen des Hammer - Horrors eröffnete.
In der Folge führte Fisher u.a. bei Dracula (1958), The Revenge of Frankenstein (1958), The Hound of the Baskervilles (1959), The Mummy (1959), The Two Faces of Dr. Jekyll (1960), The Curse of the Werewolf (1960) und The Brides of Dracula (1960) Regie. Sein Einfluss auf den Brit-Horror der "klassischen" Periode war sowohl visuell-ästhetischer als auch thematisch-motivischer Natur. The Curse of Frankenstein war zwar nicht der erste Horrorfarbfilm der Kinogeschichte, doch vertreten sehr viele Kritiker und Genrehistoriker die Ansicht, Fisher sei der erste Horrorregisseur gewesen, der Farbe als ein echtes Stilmittel und nicht bloß als ein Gimmick eingesetzt habe. Zugleich war er es, der mit Dracula das inhaltliche Grundkonzept prägte, dem die Hammer-Filme in ihrer Mehrheit für lange Zeit folgen sollten, und das Kim Newman in Nightmare Movies wie folgt beschreibt:
Hammer Horror treats the 'normal' characters and the audience as innocent bystanders caught in a private battle between the forces of Good and Evil, as represented by the Savant and the Monster. [...] Dr. Van Helsing, Peter Cushing's fearless vampire killer in Dracula, is the original Savant [...] –an elderly mystic, steeped in arcane knowledge, apparently rational. but with an Old Testament streak of 'vengeance is mine' fundamentalism. The Monsters tend to be as suave, attractive and plausible as Christopher Lee's Dracula and as prone to red-eyed, fangs-bared hissing when thwarted.*
Terence Fisher hat einmal gesagt, seine Horrorfilme seien "basically morality plays" und Ausdruck seines persönlichen Glaubens an "the ultimate victory of good over evil". Als ein gläubiges Mitglied der anglikanischen High Church sah er diesen Konflikt zwischen Gut und Böse verständlicherweise unter einem religiösen Blickwinkel, als ein Ringen zwischen himmlischen und höllischen Mächten. Nicht zufällig spielt das Kruzifix als die ultimative Waffe gegen das Böse in vielen seiner Werke eine wichtige Rolle. Der presbyterianische Reverend Paul A. Legett hat ein ganzes Buch zu diesem Themenkomplex verfasst, auch wenn ich nicht annehme, dass ich allen darin vertretenen Thesen hundertprozentig zustimmen würde.
Es dauerte nicht gar zu lang, und dieses strikte Gut-Böse-Konzept sollte sich als ein Hindernis für die weitere Entwicklung des Brit-Horrors erweisen. Ab der zweiten Hälfte der 60er Jahre sind die interessanteren Hammer-Filme mehrheitlich jene, die das von Fisher geprägte Modell auf subversive Weise untergraben. Parallel dazu war die religiöse Symbolik schon sehr bald zu einer bloßen Konvention erstarrt.
Terence Fisher selbst freilich ließ nicht ab von seiner ursprünglichen Vision. Im Gegenteil – einer der letzten Filme seiner Karriere, der 1968 in die Kinos gelangte Streifen The Devil Rides Out, darf als eine der vermutlich reinsten Verkörperungen des Konzeptes gelten. Mit ihm wollen wir uns jetzt etwas ausführlicher beschäftigen.
The Devil Rides Out gilt bei vielen als einer der besten Hammer-Horrorfilme aller Zeiten. Eine Meinung, der ich mich leider nicht anschließen kann. Ganz ohne Zweifel darf er als ein weiterer Beweis für Terence Fishers nicht unbeträchtliches filmerisches Talent gelten. Wer ihn noch nicht gesehen hat, sollte das unbedingt einmal nachholen. Doch zugleich belegt er auf recht eindrückliche Weise, wie fragwürdig und problematisch Fishers Konzept vom Kampf zwischen Gut und Böse ist.
Der Plot des Films ist schnell zusammengefasst. Als der Duc de Richleau (Christopher Lee) nach längerer Abwesenheit nach England zurückkehrt, muss er von seinem Freund Rex Van Ryn (Leon Greene) erfahren, dass sich Simon Aron (Patrick Mower), der Sohn eines verstorbenen Armeekameraden, in letzter Zeit sehr eigenartig verhält. Sehr schnell stellt sich heraus, dass der junge Mann in die Fänge eines Satanistenzirkels geraten ist und in der kurz bevorstehenden Walpurgisnacht von derem Anführer Mocata (Charles Gray) endgültig dem Teufel geweiht werden soll. Gemeinsam mit Rex und seinen Verwandten Marie (Sarah Lawson) und Richard Eaton (Paul Eddington) nimmt der in den okkulten Wissenschaften wohl bewanderte De Richleau den Kampf gegen den finsteren Mocata auf, um die Seelen von Simon und der jungen Tanith (Nike Arrighi) vor der ewigen Verdammnis zu bewahren. Doch der Teufelsjünger erweist sich als ein wahrer Meister der schwarzen Kunst und setzt seinerseits alle ihm zu Gebote stehenden höllischen Mächte gegen unsere Helden in Bewegung.
Das von Richard Matheson verfasste Drehbuch zu The Devil Rides Out basiert auf dem gleichnamigen Roman von Dennis Wheatley. Und wenn ich dem guten Mr. Jim Moon glauben darf, hält es sich erstaunlich eng an seine literarische Vorlage.
Nun habe ich zwar selbst noch kein einziges von Wheatleys Büchern gelesen, dennoch halte ich es für sinnvoll, einen kurzen Blick auf den Schriftsteller und sein Werk zu werfen.
Dennis Wheatley (1897-1977) war ein echter Bestseller-Autor. Auch wenn englische Horrorfans {einer bestimmten Generation} ihn in erster Linie aufgrund seiner okkulten Thriller kennen dürften, von denen der 1934 erschienene The Devil Rides Out der erste gewesen war, verkauften sich seine {z.T. in vergangenen historischen Epochen angesiedelte} Agentenschmöker seinerzeit doch nicht weniger gut. Der Duc de Richleau hatte übrigens in beiden Sparten seine Auftritte.
Wheatley war ein erzkonservativer Verfechter von Standesgesellschaft, Monarchie und Empire, der diese traditionelle – und deshalb "gute" – Ordnung der Dinge durch die diabolischen Umtriebe von Sozialisten, Anarchisten und anderem pöbelhaftem Gelichter ernsthaft bedroht glaubte. Wer einen Eindruck von seinen politischen Überzeugungen erhalten will, sollte sich einmal seinen "Letter to Posterity" durchlesen, den er 1947 in Reaktion auf die Politik der zwei Jahre zuvor an die Macht gekommenen Labour-Regierung unter Premierminister Clement Attlee verfasste, welche im Rahmen eines keynesianischen Wirtschaftsprogramms eine Reihe von Sozialreformen und partiellen Verstaatlichungen durchführte. Wheatley vergrub den Brief, in dem er die künftigen Sklaven einer "sozialistischen Diktatur" zur bewaffneten Rebellion aufruft, auf seinem Grundstück, wo er 1969 wiedergefunden wurde.
Es genügt, De Richleaus fiktive Biographie kurz zu überfliegen, um zu erkennen, dass sich die politische Weltsicht des Autors offenbar sehr deutlich in seinem Werk niedergeschlagen hat. Nicht nur muss sich der gute Duc immer wieder mit irgendwelchen üblen Anarchisten herumschlagen, einmal nimmt er sogar an einer Verschwörung teil, mit dem Ziel die französische Republik zu stürzen und die Bourbonen-Monarchie wieder aufzurichten!
Damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: The Devil Rides Out enthält keinerlei offen politische Elemente. Von einem kurzen Nebensatz abgesehen, verzichtet der Film völlig darauf, die Hintergrundsgeschichte um die gemeinsamen Spionageabenteuer von Richleau, Rex und Simons Vater auch nur zu erwähnen. Dennoch denke ich, dass das Wissen um Wheatleys Überzeugungen zum besseren Verständnis des Streifens hilfreich ist. Basierend auf dem, was Jim Moon in der oben verlinkten Episode von Hypnobobs erzählt, gehe ich davon aus, dass Matheson dem Stoff keine persönliche Note hinzugefügt hat. Natürlich hat er die Geschichte gekürzt und zu einem 1½ - Stunden - Script komprimiert, doch der Geist des Filmes scheint mir sehr deutlich das Produkt einer Verschmelzung von Wheatleys und Fishers Weltanschauungen zu sein, ohne einen spezifischen Beitrag von Richard Matheson. The Devil Rides Out ist im Kern die Geschichte eines Duells zwischen zwei extrem charismatischen und willensstarken Autoritätspersonen. Richleau und Mocata sind zugleich Gegenpole und Spiegelbilder. Alle übrigen Charaktere sind im Spannungsfeld zwischen diesen beiden gefangen und haben eigentlich nur die Wahl, sich dem einen oder dem anderen unterzuordnen. Immer dann, wenn sich einer von ihnen De Richleaus Anweisungen widersetzt und auf eigene Faust zu handeln versucht, sind die Auswirkungen mehr oder weniger verheerend. Am deutlichsten zeigt sich diese autoritäre Grundstruktur der Geschichte an den Figuren von Simon und Tanith.
"The quasi-paternalistic nature of the relationship between the savants and the 'normals' is most apparent in the way that both De Richleau and Mocata treat Simon", wie Peter Hutchings ganz richtig beobachtet hat:
'I feel like a father who sees his child trying to pick live coals out a fire', De Richleau remarks on discovering Simon's involvement with black magic; 'Welcome back, my son', says Mocata when Simon returns to the coven. As is often the case in Fisher's work, the good father and the bad father co-exist, mutually defining, the authority they embody ultimately [...] viewed as indispensable.**
Vielleicht noch etwas extremer sieht es im Falle der jungen Tanith aus. Zu Beginn ist sie eine willenlose Marionette Mocatas, und der einzige Weg, sich der Kontrolle des Hexenmeisters zu entziehen, besteht für sie darin, sich vorbehaltlos der Liebe des – deutlich älteren – Rex hinzugeben. Selbst dann noch freilich muss sie erst einmal sterben und sich in eine Art Engel der "begierdelosen Liebe" verwandeln, bevor sie – an der Seite ihres Ehegatten in spe natürlich – befreit ins Leben zurückkehren darf.
Nicht eben die dankbarste Rolle für Nike Arrighi. In zwei sehr effektvoll in Szene gesetzten Einstellungen, in denen wir die junge Frau beidesmal durch ein Fenster in die Nacht hinausschauen sehen, gelingt es der französischen Schauspielerin allerdings der Figur eine Art ätherische Tragik zu verleihen, was vermutlich das Beste war, was man mit dieser Rolle machen konnte.
Eine der beeindruckendsten Szenen des Films ist Mocatas Hypnotisierung von Marie. Mithilfe einer exakten Symmetrie der Schnitte und einer beinah unmerklichen Vorwärtsbewegung der Kamera visualisiert Terence Fisher auf meisterliche Weise das immer intensivere Ringen zwischen dem Willen des Satanisten und der Frau. Der Moment von Mocatas Triumph wird durch einen abrupten Schnitt zu einer Obersicht (High-Angle-Shot) des Hexers gekennzeichnet, der direkt in die Kamera, d.h. an die Decke des Zimmers, schaut, während er zugleich die Kontrolle über Simon und Tanith übernimmt, die sich beide im Obergeschoss aufhalten. Während Mocata Marie hypnotisiert, erklärt er ihr zugleich, dass Magie im Grunde die Wissenschaft der Willenskraft sei. Das Ziel des Magiers bestehe darin, die Materie und – wichtiger noch – psychisch schwächere Menschen, dem eigenen Willen zu unterwerfen.
Interessanterweise gibt es zwei vergleichbare Szenen, in denen De Richleau auf ganz ähnliche Weise anderen Menschen seinen Willen aufzwingt. So hypnotisert er ganz am Anfang Simon, nachdem er ihn mit Gewalt aus dem Kreis der Satanisten entführt hat, um ihn so der unmittelbaren Kontrolle durch Mocata zu entziehen. Und nachdem er später in einem nekromantischen Ritual die Seele der verstorbenen Tanith heraufbeschworen hat, zwingt er diese auf unnachgiebige und beinah brutale Weise dazu, den Aufenthaltsort des Hexenmeisters ausfindig zu machen.
De Richleaus Autorität, die es ihm erlaubt, sogar Zwang und Gewalt gegen die einzusetzen, die er zu retten versucht, basiert nicht nur auf seinem überlegenen Wissen, sondern mehr noch auf dem Umstand, dass er "Gottes Werk" verrichtet. Zwar bedient er sich mitunter recht unorthodoxer okkultistischer Rituale, doch am Ende erweist sich eins ums andere Mal das Kruzifix als die ultimative Waffe gegen das Böse. Vor seiner Macht muss selbst der Satan persönlich weichen, der in Gestalt von Baphometh dem von Mocatas Zirkel veranstalteten Hexensabbat beiwohnt. Als der Hexer im großen Finale mitsamt seiner angstvoll kreischenden Jüngerschar in einem feurigen Inferno zur Hölle fährt, prangt an der Wand des auf solche Art "gereinigten" Gewölbes plötzlich ein riesiges Kreuz. Aus dem Satanstempel ist ein Haus des HErrn geworden! Und falls die Botschaft auch jetzt noch nicht deutlich genug gewesen sein sollte, schließt der Film mit folgendem Wortwechsel:
Simon: Thank God!
De Richleau: Yes, Simon, He is the one we must thank.
Hierin besteht auch die einzige Grenze von De Richleaus Autorität. Denn am Ende ist nicht er es, sondern die engelhaft verklärte Tanith, die Mocata zu Fall bringt. Mit anderen Worten: Mächtiger noch als selbst der mächtigste "weiße" Magier ist Gott, der HErr.
Eine der größten Schwächen von The Devil Rides Out besteht darin, dass wir nie erfahren, warum Simon und Tanith sich ursprünglich dem Satanistenzirkel angeschlossen haben. Wenn De Richleau Simons Verstrickung in schwarzmagische Machenschaften entdeckt und den jungen Mann zur Rede stellt, reagiert dieser wie ein störrisches Kind, dem man sein Lieblingsspielzeug wegnehmen will Doch was genau war so verführerisch an diesem Spielzeug? Im Rest des Filmes wirken er und Tanith eher wie unwillige Opfer Mocatas, die unter Zwang handeln, und nicht wie Verführte, die den Verlockungen des Bösen erlegen sind. Einzig der Hexensabbat ließe sich vielleicht als Andeutung auf die ursprünglichen Beweggründe der beiden interpretieren. Ganz traditionsgemäß wird er als eine rauschhafte Orgie dargestellt, und wäre der Film zwei Jahre später entstanden, dann hätten wir in den entsprechenden Szenen unter Garantie ein paar halbnackte Nebendarstellerinnen zu sehen bekommen. Ist der Lockruf des Bösen also in erster Linie sinnlich-sexueller Natur? Dazu würde es passen, dass Tanith im großen Finale durch den Mund von Marie erklärt: "Only they who love without desire, shall have power granted them in the darkest hour".
Wenn The Devil Rides Out trotz seines problematischen Subtextes ein äußerst sehenswerter Film ist, dann haben wir das neben Terence Fishers Regie vor allem Christopher Lee zu verdanken. Er war es gewesen, der den Hammer-Bossen die Idee nahegelegt hatte, eine Verfilmung von Dennis Wheatleys Roman ins Auge zu fassen. {Ein erster Versuch war 1963 an der Zensurbehörde gescheitert}. Zugleich hatte er darauf gedrängt, diesmal nicht den Bösewicht, sondern den "Savant" spielen zu dürfen. Ein Glück, dass er sich mit diesem Anliegen durchsetzen konnte, verleiht sein ebenso kraftvolles wie nuanciertes Spiel der Figur des De Richleau doch eine äußerst starke Ausstrahlung, wie sie ein weniger talentierter oder engagierter Schauspieler vermutlich nicht hätte evozieren können. Wie leicht hätte der Duc zu einer eindimensionalen Gestalt werden können! Lee macht ihn zu einem echten Menschen, ebenso überzeugend in seiner unerbittlichen Härte wie in seinen Momenten von Zartheit und sogar Hilfloigkeit.
Mit Charles Gray, der in späteren Jahren u.a. Blofeld in Diamonds Are Forever (1971), den "Criminologist" in der Rocky Horror Picture Show (1975) sowie Mycroft Holmes – sowohl in Herbert Ross' The Seven-Per-Cent Solution (1976) als auch in der Granada-Serie mit Jeremy Brett als Sherlock – spielen sollte, besitzt der Film außerdem einen zwar nicht ganz gleichwertigen, aber immer noch sehr charismatischen Mocata.
Hinzu kommt, dass Richard Mathesons Drehbuch der Handlung eine nie zur Ruhe kommende Dynamik verleiht. Anders als in den meisten Horrorfilmen der Zeit wird das erste Drittel von The Devil Rides Out nicht dazu verwendet, eine mysteriöse Atmosphäre aufzubauen. Nach kaum einer viertel Stunde liegen die Karten offen auf dem Tisch, der zentrale Konflikt ist formuliert, der Kampfplatz abgesteckt. Und De Richleau zögert nicht, sondern tritt augenblicklich in Aktion. Von diesem Moment an kommt die Handlung nicht mehr zur Ruhe, sondern eilt in sich unablässig steigernder Dramatik voran, bis sie ihren Höhepunkt in der Nacht erreicht, die De Richleau, Simon, Marie und Richard in einem magischen Schutzkreis verbringen müssen, derweil Mocata immer bedrohlichere Kreaturen der Hölle gegen sie aussendet. Das sich anschließende eigentliche Finale wirkt mit seiner beinah an eine religiöse Vision gemahnenden Atmosphäre zwar ein klein wenig wie ein Antiklimax, doch in der Gesamtdynamik des Films macht das allerhöchstens ein kurzes Straucheln, keinen wirklichen Absturz aus.
Und so bleibt mir zum Abschluss bloß noch einmal zu sagen: Zwar ist The Devil Rides Out meiner Meinung nach ganz sicher nicht der beste Horrorfilm, den das House of Hammer hervorgebracht hat, doch ein sehr sehenswerter, unterhaltsamer und faszinierender Streifen sowie ein weiterer Beweis für das Talent von Terence Fisher, Christopher Lee und Richard Matheson ist er allemal.
* Kim Newman: Nightmare Movies. A Critical History of the Horror Film, 1968-88. S. 13. ** Peter Hutchings: Terence Fisher. S. 149.
Als die Leser & Leserinnen der Weird Tales im August 1928 die neueste Ausgabe des heute legendären Pulp-Magazins aufschlugen, konnten sie Zeugen der Geburt eines neuen Subgenres der phantastischen Literatur werden.
Unter denen, die sich mit der Geschichte der Fantasy beschäftigen, gibt es zwar einige, die das, was Fritz Leiber später Sword & Sorcery taufen sollte, bis auf Lord Dunsanys 1908 veröffentlichte Kurzgeschichte The Fortress Unvanquishable, Save for Sacnoth zurückführen, doch für die allermeisten ist und bleibt Robert E. Howard der eigentliche Schöpfer des Subgenres. Und die Titelgeschichte für Nr. 12/2 der Weird Tales stammte aus seiner Feder. Interessanterweise war der erste Vertreter der Sword & Sorcery, der der Pulp-Gemeinde in Howards Red Shadows entgegentrat, kein schwertschwingender Barbar oder Glücksritter, kein Kull oder Conan, sondern ein grimmiger Puritaner, erfüllt von einem unstillbaren Hass auf alle Formen von "cruelty, outrage, oppression and tyranny". Sein Name: Solomon Kane.
In einem seiner Briefe erwähnt Howard, dass er die Figur bereits 1922 im Alter von sechzehn Jahren, entworfen habe, doch gibt es keinerlei Belge dafür, dass er bereits vor Red Shadows versucht hätte, eine Geschichte über den ruhelosen Abenteurer zu Papier zu bringen. Tatsächlich gebührt Kull in dieser Hinsicht der Vorrang vor Solomon Kane. The Shadow People darf darum auch als das eigentliche Gründungswerk der Sword & Sorcery gelten. Doch obwohl Farnsworth Wright dem jungen Autor die erstaunlich hohe Summe von 100$ für die Story bezahlt hatte, veröffentlichte er sie erst ein Jahr nach Red Shadows. Und so wurde Kane dank der undurchschaubaren Gedangengänge des Weird Tales - Bosses doch noch zum ersten "offiziellen" Sword & Sorcery - Helden.
Mark Finn schreibt in seiner Howard-Biographie Blood & Thunder: "Solomon Kane has been compared to Robert E. Howard, and many of
Howard's friends and critics have said that Kane was the most like the
author himself."* Eine interessante Beobachtung, zu deren Wahrheitsgehalt ich verständlicherweise nichts definitves sagen kann. Doch ist Solomon Kane für mich auf jedenfall eine der faszinierenderen Schöpfungen des guten "Two Gun" Bob. In stilistischer Hinsicht mögen die meisten Kane - Stories größere Schwächen aufweisen als Howards spätere Werke, doch finde ich den puritanischen Abenteurer als Charakter in vielem interessanter als etwa seinen weitaus berühmteren Nachfolger Conan.
Einerseits ist Kane ein typischer Howard-Held. Ein geborener Kämpfer und "einsamer Wolf", der ruhelos durch die Welt streift, sich keinem fremden Willen beugt und angesichts unüberwindlich erscheinender Gegner keinen anderen Wunsch hat, als aufrecht und im Kampf zu sterben. Zugleich jedoch ist er ein Fanatiker, der sich selbst für das Werkzeug von Gottes Zorn und Vergeltung hält: "Nay, alone I am a weak
creature, having no strength or might in me; yet in times past hath God made
me a great vessel of wrath and a sword of deliverance. And, I trust, shall do
so again."** Wenn er am Anfang von Red Shadows ein sterbendes Mädchen im Wald findet, das von irgendwelchen Räubern vergewaltigt wurde, und bei ihrem Tod beschwörend ausruft "Men shall die for this!", dann ist das nicht bloß reinster Robert E. Howard, sondern auch Solomon Kanes Charakter in einer Szene auf den Punkt gebracht. Er sieht es als seine heilige Mission an, gegen die Mächte des Bösen zu kämpfen, wo immer er ihnen begegnet, und alles Unrecht zu bestrafen, selbst wenn er die Übeltäter bis ans Ende der Welt verfolgen muss. Aber auch wenn Kanes Mitgefühl und sein Gerechtigkeitssinn ohne Zweifel tief empfunden und ehrlich sind, macht Howard doch immer wieder deutlich, dass der grimmige Puritaner seine religiösen Überzeugungen letztlich benutzt, um sein Handeln, das in Wirklichkeit von sehr viel "primitveren", unbewussten Trieben gesteuert wird, vor sich selbst zu rechtfertigen. Wovon Kane in Wahrheit beherrscht wird, ist eine tiefe Rastlosigkeit sowie eine elementare Sehnsucht nach dem Fremden und Gefahrvollen. Zwar ist er nicht der "gesunde" Barbar, den Howard später in der Gestalt Conans verherrlichen sollte, aber in seiner Seele ertönt dennoch immer wieder und letztlich ununterdrückbar der Lockruf des "Barbarischen".
Allerdings möchte ich nicht verschweigen, dass die Solomon Kane - Stories auch ihre problematische Seite besitzen. Viele von ihnen spielen in Afrika, und wie nicht anders zu erwarten, hat man sich da mit Unmengen rassistischer Altlasten herumzuschlagen. Das gilt nicht nur für die Beschreibung der "Eingeborenen", sondern auch für die symbolische Bedeutung, die dem Kontinent als Ganzem innerhalb der Geschichten zukommt. Wenn Kane in Red Shadows zum ersten Mal afrikanischen Boden betritt, lauscht er dem Klang der Buschtrommeln, die durch den nächtlichen Dschungel hallen:
Thrum, thrum, thrum, came the ceaseless monotone of the drums: war and
death (they said); blood and lust; human sacrifice and human feast! The soul
of Africa (said the drums); the spirit of the jungle; the chant of the gods
of outer darkness, the gods that roar and gibber, the gods men knew when
dawns were young, beast-eyed, gaping-mouthed, huge-bellied, bloody-handed,
the Black Gods (sang the drums). All this and more the drums roared and bellowed to Kane as he worked his
way through the forest. Somewhere in his soul a responsive chord was smitten
and answered. You too are of the night (sang the drums); there is the
strength of darkness, the strength of the primitive in you; come back down
the ages; let us teach you, let us teach you (chanted the drums).
Afrika, der "Schwarze Kontinent", steht in diesen Stories für das Wilde, Primtitve, Barbarische – was in der Howard'schen Weltsicht freilich nicht notwendig etwas negatives ist. Afrika ist das Reich dunkler Mächte und monströser Ungeheuer, zugleich jedoch verkörpert es jene wilden, urzeitlichen Triebe, die auch in Solomon Kanes Brust schlummern und die in beständigem Konflikt mit seinen puritanischen Überzeugungen liegen. Kein Wunder, dass es ihn immer wieder hierher zurückzieht und dass er schließlich sogar Blutsbrüderschaft mit dem Zauberer N'Longa schließt, auch wenn er dessen magische Künste für teuflische Hexerei hält.
Stories wie The Moon of the Skulls bedienen sich ausgiebigst im Fundus der viktorianischen "Lost World" - Literatur à la H. Rider Haggards She und mischen dem eine ordentliche Portion der durch Helena Blavatskys Theosophie und Bücher wie Ignatius Donnellys Atlantis, the Antediluvian Worldgeschaffenen modernen Atlantismysthologie hinzu.*** Daneben finden sich in den Geschichten auch einige cthulhuide Anklänge.
Ich kann es verstehen, wenn sich Leute durch derlei rassistische Elemente so stark abgestoßen fühlen, dass sie The Adventures of Solomon Kane lieber gar nicht erst zur Hand nehmen. Jeder muss selbst entscheiden, wie er mit diesem Problem umgeht. Ich selbst bemühe mich um eine etwas distanziertere Haltung. Ich registriere den Rassismus und Sexismus in Howards Werk {es wäre schwer, dies nicht zu tun}, versuche, diesen Bestandteil seines Oeuvres kritisch zu reflektieren, lasse mir von ihm aber nicht den Spaß an den Stories verderben.
Die in meinen Augen beste Solomon Kane - Geschichte ist zugleich die letzte, die Howard fertiggestelt hat: Wings in the Night. Es ist die mit Abstand brutalste und pessimistischste Story des Zyklus. Der Puritaner übernimmt in ihr die alte kolonialistische Rolle des "Weißen Erlösers" – an einer Stelle wird er sogar als Vertreter der "arischen Herrenrasse" dargestellt –, doch interessanterweise gelingt es ihm nicht, diese Rolle auch erfolgreich auszufüllen. Hilflos muss er mit ansehen, wie das Volk der Bogondi von den monströsen akaanas abgemetzelt wird. Grauen, Zorn und ein tiefes Schuldgefühl treiben Kane beinah in den Wahnsinn. Doch alles, was er tun kann, ist einmal mehr zum "Werkzeug der Vergeltung" zu werden, und seinerseits die akaanas zu töten. Aber wie Howard es bereits in Red Shadows beschrieben hatte, Kane bezieht aus dem Vollzug der Rache keine wirkliche Befriedigung:
Kane was conscious
of a strange feeling of futility. He always felt that, after he had killed a
foe. Somehow it always seemed that no real good had been wrought; as if the
foe had, after all, escaped his just vengeance.
Ähnlich verhält es sich in Wings in the Night. Umgeben von Tod und Verwüstung kann Kane am Ende nichts anderes tun, als sich wieder aufzuraffen und weiter zu ziehen:
[I]t may be in some far day the shadows shall fade and the Prince of Darkness
be chained forever in his hell. And till then mankind can but stand up
stoutly to the monsters in his own heart and without, and with the aid of God
he may yet triumph.
Ein in Robert E Howards Geschichten immer wieder kehrendes Motiv ist das Ringen zwischen der starken und selbstbewussten Einzelpersönlichkeit und dem überpersönlichen Schicksal. In gewisser Weise knüpft er damit natürlich an alte mythische und heldenepische Traditionen an, doch wie ich in einem Post über J.R.R. Tolkiens "Eukatastrophe" vor einiger Zeit schon einmal kurz dargelegt habe, glaube ich, dass man darin vor allem einen Ausfluss von Howards Ideal des "rugged individualism" zu sehen hat. Und die Tatsache, dass der Held in diesem Ringen am Ende meistens unterliegt, ist in gewisser Weise ein unbewusstes Eingeständnis, dass dieses Ideal an der Realität scheitern muss. Wie unbeugsam der Einzelne auch immer ist, die gesellschaftliche Wirklichkeit wird von Kräften beherrscht, gegen die er sich auf Dauer nicht durchsetzen kann. Dass Howard dies {unbewusst?} realisiert, seine Helden jedoch nicht daran zerbrechen, sondern mit einer Art stolzem Fatalismus weitermarschieren lässt, verleiht Figuren wie Solomon Kane einen Hauch echter Tragik.
Ich nehme nicht an, dass ich groß erklären muss, warum ich nie besonder erpicht darauf war, mir Michael J. Bassetts 2009 in die Kinos gelangten Solomon Kane - Film anzuschauen. Robert E. Howards Werke sind nicht eben dafür bekannt, mit gelungenen Leinwandadaptionen gesegnet zu sein. Als mir der Flick kürzlich bei YouTube zufällig unter die Finger kam, dachte ich mir dann aber doch, ich sollte ihm vielleicht mal eine Chance geben.
Hmm ... Was soll ich sagen? Zuerst einmal vielleicht, dass ich schon eine Menge sehr viel mieserer Sword & Sorcery - Streifen gesehen habe. {Was niemanden wundern wird, der mich auf meinen Expeditionen ins Reich der Eighties - Barbaren begleitet hat}. Anders ausgedrückt: Ich würde ganz sicher keinem Film - oder Fantasyfan empfehlen, sich Bassetts Film schnellstmöglich zu besorgen, aber wenn man mal zwei Stunden Zeit und gerade nichts besseres zur Hand hat, dann spricht nichts dagegen, ihn sich reinzuziehen. Als filmische Umsetzung der Howard'schen Figur freilich scheitert er gleich in mehrfacher Hinsicht.
Viel hängt damit zusammen, dass der Film eine "Origin Story" erzählen will. Ich weiß nicht, warum Hollywood so fixiert auf diese Art von Geschichten ist. Kann sich das Publikum wirklich nicht mit einem Helden oder einer Heldin identifizieren, ohne erfahren zu haben, wie sie zu dem geworden sind, was sie sind? Im Fall von Kane bedeutet dies jedenfalls automatisch, dass man sich sehr weit von der literarischen Quelle entfernen muss, denn Howard hat es nie für nötig empfunden, eine Hintergrundgeschichte für seinen Helden zu entwerfen. Außer einigen kurzen Andeutungen geben seine Stories nichts her, was sich für ein solches Unterfangen verwerten ließe.
In der Eröffnungsszene des Films lernen wir Solomon Kane als einen brutalen Piraten kennen, der gemeinsam mit seiner Mannschaft eine türkische Festung stürmt, die Wachen niedermetzelt und sich mit irgendwelchen dämonischen Kreaturen herumschlägt, nur um in der Thron- und Schatzkammer schließlich einem Abgesandten Satans zu begegnen, der ihn in die Hölle zu entführen gedenkt, da er seine Seele dem Teufel verschrieben habe. Nur um Haaresbreite gelingt es Kane diesem wenig erfreulichen Schicksal zu entkommen.
Okay, aus Howards Geschichten wissen wir, dass Kane zur See gefahren ist, unter Sir Francis Drake gedient hat, zu irgendeinem Zeitpunkt den Titel "Kapitän" getragen hat und mehr als einmal mit den Osmanen aneinandergeraten ist. So gesehen wirkt diese Szene nicht völlig an den Haaren herbeigezogen. Andererseits gibt es bei Howard keinerlei Anzeichen dafür, dass Kane in der Vergangenheit einmal ein hemmungsloser Schlächter und Plünderer gewesen wäre. Im Gegenteil – wie wir aus dem Gedicht The One Black Stain**** erfahren können, war er bereits zu der Zeit, als er Drake auf seinen Kaperfahrten begleitete, derselbe grimmige Puritaner mit demselben unerschütterlichen Sinn für Gerechtigkeit, als dem wir ihm in den Kurzgeschichten begegnen.
Dennoch hätte ich erst einmal nichts gegen eine solche Hintergrundsgeschichte einzuwenden – unter einer Voraussetzung: Die archetypische Biographie eines Puritaners des 17. Jahrhunderts beginnt stets mit einem "Leben in Sünde", worauf dann die persönliche Krise und das befreiende Bekehrungserlebnis folgen, wenn Gott den Verworfenen aus dem Sumpf der Sünde zieht und zu einem seiner "Erwählten" erklärt. Es wäre nur angemessen gewesen, Solomon Kane eine ähnliche Entwicklung durchmachen zu lassen. Doch das geschieht nicht, und der Grund dafür ist sehr einfach: Michael J. Bassett, der auch für das Drehbuch verantwortlich war, hat offensichtlich keine Ahnung, was Puritanismus bedeutet. Im Grunde ist sein Solomon Kane nicht einmal ein Puritaner. Die nächste Szene zeigt dies in aller wünschenswerten Deutlichkeit.
Um Satans Höllenhunden zu entgehen, hat sich Kane in ein Kloster zurückgezogen und der Gewalt abgeschworen ... Mooooment mal! Bedeutet das, dass Kane zu diesem Zeitpunkt ein Katholik ist?!? Und wie hat er ein englisches Kloster finden können, über ein halbes Jahrhundert nachdem Heinrich VIII. und Thomas Cromwell – "The Hammer of the Monks" – dieselbigen aufgelöst hatten?!?
Man mag einwenden, es sei ein Bisschen absurd, von einem simplen Sword & Sorcery - Film eine historisch akkurate Darstellung der konfessionellen Auseinandersetzungen im England des 16. und 17. Jahrhunderts zu erwarten. Schließlich begegnen wir in diesem Streifen auch Dämonen, Schwarzmagiern und grünstichigen Zombiehorden. Doch sein Puritanertum ist nun einmal eines der definierenden Attribute von Solomon Kane. Es ist aufs engste verbunden mit seinem Fanatismus, seinem alttestamentarischen Begriff von Gerechtigkeit, seinem unbeugsamen Individualismus, seiner Überzeugung, das Werkzeug von "Gottes Rache" zu sein, seinem unerschütterlichen Glauben, dass jede seiner Handlungen "rechtens" ist usw. Robert E. Howards Helden sind zwar keine bloßen Archetypen, aber sie zeichnen sich auch nicht durch große Vielschichtigkeit aus. Jedes ihrer Attribute ist deshalb von immenser Wichtigkeit. Nimmt man Solomon Kane sein Puritanertum, dann nimmt man ihm zugleich einen Gutteil seines Charakters.
Bassett freilich scheint gedacht zu haben: Puritanismus, Katholizismus – ist doch eh alles dasselbe. Reicht völlig, wenn wir unserem Publikum ein paar Kruzifixe & Kirchen vorsetzen und Kane irgendwann in seiner ikonischen schwarzen Puritanerkluft auftreten lassen. Doch nein! Das reicht eben nicht! Und wie konnte der gute Mann bloß glauben, es sei eine gute Idee, eine Szene einzuflechten, in der Kane gekreuzigt wird?!? Die Idee dazu wird ihm vermutlich durch John Milius' Conan the Barbarian gekommen sein. {Die eigentliche Quelle ist natürlich Howards Conan-Story A Witch Shall Be Born}. Doch während die entsprechende Szene bei Milius {und Howard} als ein quasi-nietzscheanisches Fanal gegen die christliche "Sklavenmoral" gedacht war, soll sie bei ihm Kane zu einer Art Christusfigur machen. Es ist einfach bloß peinlich ...
Ich könnte mich noch beliebig lang über die Art ereifern, in der der Film mit der Figur des Solomon Kane umspringt. Doch will ich mich auf eine weitere Facette beschränken: Bassett macht aus ihm den zweiten Sohn eines mächtigen Adeligen. Warum? Howards Sword & Sorcery - Helden sind im allgemeinen, um mit Mark Finn zu sprechen "commoners, outlanders, barbarians, and proletarians [...]. Nothing is handed to them, and they have
to battle for all that they own."***** Das trifft zwar nicht auf alle von ihnen zu – man denke an den Piktenkönig Bran Mak Morn –, doch auch wenn man Kane kaum als "Proletarier" bezeichnen kann, spricht doch nichts dafür, dass er adeliger Abstammung ist. Warum ihm einen solchen familiären Hintergrund andichten? Ganz einfach: Damit man die generische Story von der Rückkehr des "verlorenen Prinzen" erzählen kann, inklusive einer tränenreichen Wiedervereinigung mit dem entfremdeten Vater.
Und damit wäre im Grunde bereits das Urteil über Bassetts Solomon Kane gesprochen: Der Flick ist vor allem eins – generisch. Sein Held müsste nicht Solomon Kane heißen, denn mit der von Robert E. Howard geschaffenen Figur hat er nur wenig zu tun. Sein selbstmitleidiges Ringen mit dem eigenen Schicksal, seine ständige Furcht vor der ewigen Verdammnis, sein Hin- und Hergeschwanke zwischen Verzweifelung und furchtloser Aktion machen ihn beinah zum Gegenteil von Howards Helden.
Allerdings wäre es etwas unfair, würde ich nicht auch kurz auf die stärkeren Seiten des Films zu sprechen kommen: Zumindest einige Sequenzen zeichnen sich durch eine recht kunstvolle Cinematographie und damit verbunden durch eine starke und {erstaunlicherweise} angemessene Atmosphäre aus. Die Welt, in der sich Solomon Kane bewegt, ist schmutzig und grau. Nie scheint die Sonne, ständig schneit oder regnet es. Unser Held ist umgeben von Elend, Gewalt, Verwüstung und Tod. Zerstörte Dörfer und niedergebrannte Kirchen. Schlammige Straßen, Galgen, Scheiterhaufen und die makaber anmutenden Schnabelmasken der Pestdoktoren. In dieser Hinsicht hat Bassett den Ton sehr gut getroffen. Das ist der richtige Hintergrund für den grimmigen Puritaner. Doch leider hilft das wenig, wenn man nicht auch die dementsprechende Geschichte zu erzählen versteht.
* Mark Finn: Blood & Thunder. The Life & Art of Robert E. Howard. S. 114ff. ** Robert E. Howard: The Moon of Skulls.
*** Wer an den theosophischen Lehren über die untergegangenen Kontinente Atlantis und Lemuria interessiert ist, sich aber nicht durch Blavatskys übergewichtige Esoterikwälzer fressen will, dem seien W. Scott-Eliotts Schriften TheStory of Atlantisund The Lost Lemuriaempfohlen, die u.a. H.P. Lovecraft als Inspirationsquellen dienten– mittels "astralem Hellsehen" verfasste "historische Studien", in
denen in relativ knapper und übersichtlicher Form die theosophische
Sicht der "wahren Geschichte" unseres Planeten, vor allem das
Schicksal der "dritten" und "vierten Wurzelrasse", dargelegt
wird. Eine amüsante Lektüre, da Scott-Elliott den extravagantesten
Unsinn im trockenen Stil eines wissenschaftlichen Berichtes vorträgt. Robert E. Howard erwähnt in The Moon of Skulls neben Atlantis auch Mu, einen weiteren fiktiven Kontinent, der in der zweiten Hälfte der 20er Jahre vor allem aufgrund der Bücher von James Churchward zu größerer Bekanntheit gelangte. **** Howard hat insgesamt drei Gedichte über Solomon Kane geschrieben, die man sich allesamt hier vortragen lassen kann. ***** Mark Finn: Blood & Thunder. The Life & Art of Robert E. Howard. S. 115.
Orson Welles, dessen einhundertsten Geburtstag wir heute feiern können, ist ohne Zweifel einer der großen Titanen der internationalen Filmkunst. In meinem persönlichen Pantheon der Regisseure besitzt er einen festen Platz im allerhöchsten Rang – sozusagen im cineastischen Empyreum. Und anders als etwa Robert Altman, Abbas Kiarostami oder Jafar Panahi, die ich in erster Linie für einen zeitlich klar abgrenzbaren Teil ihres Oeuvres verehre {die 70er; die 90er; die 90er und frühen 2000er), gehört meine Bewunderung bei ihm dem gesamten Werk sowie der mächtigen, leidenschaftlichen, genialen Künstlerpersönlichkeit, die sich in ihm ausdrückt.
Mich wirklich eingehend mit Orson Welles oder auch nur einem einzigen seiner Filme auf diesem Blog auseinanderzusetzen, dazu fehlt mir nicht nur die Zeit und Kraft, sondern vor allem auch der nötige Mut. Und so werde ich mich auf einen einzigen Punkt beschränken, der mir allerdings sehr wichtig erscheint.
Anlässlich seines Geburtstages werden heute vermutlich unzählige Artikel erscheinen, die Welles in glühenden Worten als einen großen Künstler und als eine der bedeutendsten Figuren in der Geschichte des Kinos feiern. Doch schaut man auf die letzten Jahrzehnte zurück, so zeigt sich sehr schnell, dass große Teile der offiziellen Intelligenzija in Amerika wie in Europa ein äußerst zwiespältiges Verhältnis zu dem Filmemacher haben.
Sein unbezweifelbares Genie wird zwar nie geleugnet und Citizen Kane gilt bei vielen immer noch als "der beste Film aller Zeiten", was freilich oft mehr wie die Wiederholung einer durch die Tradition geheiligten Formel und weniger wie ein Ausdruck ehrlicher persönlicher Wertschätzung wirkt. Doch zur gleichen Zeit wird von vielen immer wieder ein leicht verächtliches und ziemlich negatives Bild von Welles gezeichnet: Er sei ein rücksichtloser und größenwahnsinniger Egoist gewesen, stets bereit, alles und jeden seinem eigenen Ehrgeiz zu opfern, nur um durch seine blinde Selbstverliebtheit schließlich die eigene Karrier zu zerstören und als gescheiterter Künstler mit einer Unzahl unvollendeter Projekte zu enden.
Dieses Bild findet sich mehr oder weniger deutlich in Benjamin Ross' RKO 281 (1999), Tim Robbins' The Cradle Will Rock (2000) und Richard Linklaters Me and Orson Welles (2010). Filmhistoriker und Welles-Experte Joseph McBride führt in einem Interview aus dem Jahr 2009 weitere Beispiele an:
The actor Vincent D’Onofrio made a little film [Five Minutes, Mr. Welles (2005)] in which he also stars as Welles working on The Third Man,
and again he plays him as an egomaniac. At the Locarno film festival a
few years ago, I saw another short film that had Welles as a Faust
figure being tempted by Mephistopheles, represented by the
African-American actor Jack Carter, who played the lead in his “Negro
Macbeth.” Welles makes a deal where he sells his soul for success, winds
up damned and all that. It was ridiculous. I said to the filmmaker: why
did you feel the need to claim that Welles sold his soul to the devil?
He couldn’t answer, so I think he just picked up what’s in the air about
Welles without thinking.
Einer gelungenen Einschätzung von Person und Bedeutung des großen Filmemachers am nächsten kommt vielleicht noch Tim Burton mit jener kurzen Szene in Ed Wood (1994), wenn sich der "mieseste Regisseur aller Zeiten" und der Schöpfer des
"besten Films aller Zeiten" zufällig in einer Kneipe begegnen: Zwei
Künstler, die unterschiedlicher kaum sein könnten, und die doch eines
verbindet – der ungebrochene Wille gegen alle Widerstände ihre eigenen Visionen
zu realisieren.
Warum Welles in den Köpfen so vieler Künstler und Intelektueller unserer Zeit offenbar zu einer Karrikatur seiner selbst geworden ist, hat sicher eine Reihe von Gründen. Die nachwievor sehr stark von allgemeinem Pessismus und Zynismus geprägte Atmosphäre, die es nahelegt, sich stets auf die Schwächen und nicht auf die Stärken großer Persönlichkeiten der Vergangenheit zu konzentrieren. Die mit der ungebrochenen Vorherrschaft von Identitätspolitik und "Political Correctness" einhergehende Fixierung auf das "Persönliche", das als die eigentliche Sphäre des "Politischen" verstanden wird, unter gleichzeitiger Ausblendung des weiteren gesellschaftlichen Kontextes. Der erschreckende Mangel an historischem Verständnis in weiten Teilen der Intelligenzija usw.
Doch der wichtigste Grund scheint mir anderswo zu liegen: Welles muss in mancherlei Hinsicht fremd und unverständlich auf den Großteil der heutigen Filmemacher und Intellektuellen wirken. Kritiker David Walsh hat einmal über ihn geschrieben:
No one in cinema besides Welles continued to work over in such a serious
manner the themes of personal and social morality and corruption and
the temptations of power and greatness as they played themselves out
under the specific conditions of the 1950s and 1960s (in Macbeth, Othello, Touch of Evil, Mr. Arkadin, The Trial and Chimes at Midnight).
There is something heroic about Welles's efforts in a time of reaction
and conformism to persevere in making critical and personal films.
Wo ließe sich in der heutigen Filmwelt eine vergleichbare künstlerische Integrität finden? Wer von den heutigen Regisseuren & Regisseurinnen wäre bereit, auf ähnliche Weise seine Karriere in Hollywood dem Verfolgen der eigenen filmerischen Visionen zu opfern? Und vielleicht noch wichtiger: Wer im heutigen Mainstream- oder Indie-Kino verfügt über Visionen, die ein solches Opfer rechtfertigen würden?
Verantwortlich für diese Situation sind weniger die individuellen Künstler & Künstlerinnen, als vielmehr die allgemeinen gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Orson Welles war ohne Zweifel mit einem immensen Talent gesegnet und verfügte über eine sehr starke und eigenwillige Persönlichkeit, doch fand er zumindest am Anfang seiner Karriere außerdem eine gesellschaftliche Atmosphäre vor, die seiner künstlerischen Entwicklung äußerst zuträglich war.
Seine Arbeiten am Theater – der "schwarze" Macbeth (1935), die Inszenierung von Marc Blitzsteins "proletarischem" Musical The Cradle Will Rock (1937), der im faschistischen Italien angesiedelte Julius Caesar (1937) – waren Teil einer allgemeineren künstlerischen und politischen Radikalisierung. Welles bewegte sich zu dieser Zeit in Kreisen, die sehr stark von sozialistischen und revolutionären Ideen beeinflusst waren. Und auch wenn er selbst nie einer politischen Partei beitrat und für Agitprop und "didaktische" Kunst nur wenig übrig hatte, teilte er doch viele der Überzeugungen seiner Freunde und Kollegen. Nur vor diesem Hintergrund lässt sich sein furioses Filmdebüt Citizen Kane wirklich verstehen.
Im April 1941 legte das FBI eine Akte über Welles an, die bis 1956 auf über 200 Seiten anwachsen sollte. Sein Name gelangte auch auf den berüchtigten "Security Index" – die Liste "subversiver Elemente", welche nach dem Willen von FBI-Boss J. Edgar Hoover im Falle einer "nationalen Krise" in Internierungslager wandern sollten. Joseph McBride hat überzeugend dargelegt, dass Welles während der McCarthy-Ära auf die Schwarzen Listen gelangte und seine Übersiedelung nach Europa 1947 vermutlich in diesem Kontext gesehen werden muss.
Was Welles von den meisten im Zuge der Großen Depression radikalisierten Künstlern und Intellektuellen unterschied, war, dass er auch nach dem brutalen reaktionären Umschwung der späten 40er und 50er Jahre zu keinerlei Kompromissen bereit war. Unbeirrt setzte er fort, was er in den 30er Jahren begonnen hatte.
Orson Welles' angebliche Egomanie verdient noch aus einem anderem Grund eine etwas differenziertere Betrachtung als heute sehr oft üblich. Andrew Sarris schreibt in seinem klassischen Buch The American Cinema:
The Wellesian persona looms large in Wellesian cinema. Apart from The Magnificient Ambersons, in which his presence was exclusively vocal narration, every Welles film is designed around the massive presence of the artist as autobiographer. Call him Hearst or Falstaff, Macbeth or Othello, Quinlan or Arkadin, he is always at least partly himself, ironic, bombastic, pathetic, and, above all, presumptuous. [...]*
These points are no doubt true, but I think they miss something essential. [...]
Welles, it seems to me, brings out both the necessity of corruption,
its inevitability given the nature of contemporary society, and at the
same time, its non-necessity. [...] He
is fascinated above all by the human personality and its almost infinite
capacities. His concern with his own personality, although not
untouched by self-aggrandizement, is of a relatively objective
character. He studies himself, his responses to people and events, his
progress, even his own degeneration, as a
scientist-artist-autobiographer, and presents his results in the form of
the characters he creates.
I think Welles, like an Oscar Wilde, was not so much enamored of his own powers, as he was deeply concerned by the problem of engendering such powers in others,
so that the general public could "make itself artistic." There is a
deeply democratic streak in his work. He believed that everyone could
feel what he felt, see what he saw. [...]
I think Welles was deeply disturbed and intrigued by the degree to
which breadth of personality tends to be bound up in the present social
order with corruption and moral depravity. So many of his works seem to
involve a tragic acceptance that one can't be grand and ambitious in
this world without doing evil.
"The less you are, the more you
have; the less you express your own life, the greater is your alienated
life – the greater is the store of your estranged being." This is Marx on
Welles's characters, or it might as well have been. For all of his
protagonists – Kane, Arkadin, Quinlan – the piling up of success or power
at one pole inevitably involves a psychic and sexual shriveling up at
the other.
Welles is not moralizing. It's the human cost, the waste
that drives him crazy. It's the disproportion between the capacities of
his heroes and the pettiness of their actual pursuits and
accomplishments – accumulating money, power, fame – that wounds him to the
quick.
Blicken wir am heutigen Tag zurück auf Orson Welles und sein Werk, so zeigt uns dies zugleich wie miserabel es um das Kino heutzutage bestellt ist, als auch welch großartiges Potential in dieser Kunstform steckt. Welles schuf den Großteil seines Werkes unter den Bedingungen einer von Reaktion und Konformismus geprägten Zeit. – Welch großartige Früchte wird die Filmkunst erst hervorbringen, wenn sie sich endlich in einem ihr günstigen Klima entfalten darf!
* Andrew Sarris: The American Cinema. Directors and Directions 1929-1968. S. 78ff.