tag:blogger.com,1999:blog-76238986358631739132024-03-19T02:02:08.821-07:00Skalpell und KatzenklaueRaskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.comBlogger1123125tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-13770495948462268592024-03-17T07:48:00.000-07:002024-03-17T14:03:03.427-07:00Klassiker-Reread: "Die Chroniken von Tornor" von Elizabeth A. Lynn (1/2)<div style="text-align: justify;">Momentan ist es ja etwas still geworden hier auf dem Blog. Aber dank einer erfreulich lebendigen Tradition ändert sich das heute endlich einmal wieder. Denn wie seit 2019/20 in jedem Jahr haben Alessandra von <i><a href="https://fragmentansichten.com/" target="_blank">FragmentAnsichten</a> </i>und ich erneut einen gemeinsamen Klassiker-Reread unternommen. In der Vergangenheit hatten wir uns dabei Joy Chants <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2019/12/klassiker-wiederentdecken-ein-gesprach.html" target="_blank">Wenn Voiha erwacht</a></i>, Patricia McKillips <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2021/03/klassiker-reread-patricia-mckillips_12.html" target="_blank"><i>Erdzauber</i></a>, Esther Rochons <a href="https://fragmentansichten.com/2022/03/31/klassiker-reread-esther-rochons-der-traumer-in-der-zitadelle-1-3/" target="_blank"><i>Der Träumer in der Zitadelle</i></a> und den <i><a href="https://fragmentansichten.com/2023/02/24/klassiker-reread-drachenlanze-4-7/" target="_blank">Dragonlance Legends</a> </i>von Tracy Hickman und Margaret Weis gewidmet. Anders als in den letzten beiden Jahren, in denen Sören Heim bzw. Christina F. Srebalus als Gäste mit von der Partie waren, sind wir diesmal wieder unter uns geblieben. Vorgenommen haben wir uns Elizabeth A. Lynns Fantasyzyklus <i>Die Chroniken von Tornor</i>.<i> </i> <br /></div><div style="text-align: justify;"> <br /></div><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;">
<span style="font-size: large;"><b>* * *</b></span></div></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Elizabeth A. Lynn wurde 1946 in New York geboren und lebte später erst in Chicago, dann in San Francisco. Ihre eigentliche Karriere als Schriftstellerin war relativ kurz, reichte nur von Mitte der 70er bis Mitte der 80er Jahre, doch war der Eindruck, den ihre Arbeiten dabei auf viele ihrer Zeitgenoss*innen machte, beträchtlich. </div><div style="text-align: justify;">Lynn gehörte zu einer Gruppe von jungen Schriftsteller*innen, die im Verlauf der 70er in die amerikanische SFF-Szene Eingang fanden und oft eine frische und unkonventionelle Sicht vertraten, in der sich selbstredend auch etwas vom politisch unruhigen Charakter der Zeit widerspiegelte. Das aufblühende Biotop der Fanzines, Semi-Prozines und Kleinverlage bot dafür ein gutes Umfeld. Dennoch war es nicht immer leicht, Fuß zu fassen. So vollendete Lynn ihre erste "druckreife" Story <i>Wizard's Domain</i> / <i>Zauberers Reich </i>1971, veröffentlicht wurde sie aber erst 1980 in Ellen Kushners Anthologie <i>Basilisk</i>. Nicht immer bestanden die Probleme dabei bloß aus frühzeitig verstorbenen Magazin-Projekten oder unprofessionellen Verlegern. So erzählt die Autorin z.B. über ihre Kurzgeschichte <i>The Gods of Reorth / Die Götter von Reorth</i>: <i> </i></div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>Ein paar andere Lektoren, die sämtlich (mit einer Ausnahme) Männer
waren, schickten sie mir zurück mit brummigen Kommentaren, dass ich wohl
beabsichtige, alle Männer umzubringen. Mir scheint, sie haben das
Wesentliche nicht begriffen.* </blockquote></i></div><div style="text-align: justify;">Zwischen 1976 und 1984 erschienen achtzehn Kurzgeschichten aus Lynns Feder in unterschiedlichen Magazinen und Anthologien. Dabei bewegte sie sich mit großer Selbstverständlichkeit zwischen den phantastischen Genres, wechselte von Fantasy zu SF zu Weird Fiction oder Horror, Ihre erste veröffentlichte Story <i>We All Have To Go / Wir müssen alle einmal fort</i> ist eine Near Future - Erzählung über eine besonders zynische Form von Reality - TV. Und auch ihr erster Roman <i>A Different Light / Das Wort heißt Vollkommenheit</i> gehört der Science Fiction an. Zur Fantasy kehrte sie wohl erst wieder zurück, als Jessica Amanda Salmonson sie um einen Beitrag für ihre <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2020/08/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank"><i>Amazons!</i> - Anthologie</a> anging. <i>The Woman Who Loved The Moon / Die Frau, die den Mond liebte </i>spielt in derselben Welt Ryoka wie schon <i>Wizard's Domain</i>. Lynn hat einmal erklärt, dass sie "<i>ein ganzes Buch</i>"** schreiben wollte, dessen Handlung dort angesiedelt sein sollte. Doch dazu kam es nie. Immerhin kehrte sie noch einmal nach Ryoka zurück, als sie 1982/83 <i>The Red Hawk / Der rote Falke</i> als Beitrag für den von Peter Wilfert herausgegebenen <i>Goldmann Fantasy Foliant 1</i> schrieb. Mit <i>The Sardonyx Net / Sardonyxnetz</i> (1981) entstand außerdem noch ein weiterer SF-Roman und mit <i>The Silver Horse</i> (1984) ein Fantasy-Kinderbuch, doch dann versiegte offenbar die Inspiration. Was Lynn im Rückblick aber keineswegs als Katastrophe sieht. Wie sie 1997 in einem<a href="https://www.locusmag.com/1997/Issues/10/Lynn.html" target="_blank"> Interview </a>mit dem <i>Locus Magazine </i>erzählt hat:</div><div style="text-align: justify;"><i></i></div><blockquote><div style="text-align: justify;"><i>I tried to figure out what to fill the hole in my life
with. And what I filled it with was the rest of my life. I went back to
martial arts very strongly. I had friends – I didn't lose them. I didn't
stop reading books. And discovered that I could live and be a happy
person, and never write again.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>I went and worked for five dollars an hour, selling Thai and Balinese </i>objets d'art<i>
to rich people in Berkeley, in a shop run by a friend of mine. And I
enjoyed it! ... I took the H&R Block course, and then went off on my
own and started doing taxes for people.</i></div></blockquote><div style="text-align: justify;"><i></i></div><div style="text-align: justify;">Ende der 1990er / Anfang der 2000er erlebte sie zwar noch ein kleines Comeback mit <i>Dragon's Winter</i> (1998) und<i> Dragon's Treasure</i> (2003), doch fanden diese Romane nie die Anerkennung, die ihr Werk am Ende der 70er Jahre genossen hatte. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Die ersten beiden Bände der <i>Chroniken von Tornor </i>– <i>Watchtower / Die Zwingfeste</i> und <i>The Dancers of Arun / Die Tänzer von Arun</i> erschienen 1979. Der erste der beiden wurde 1980 mit dem <i>World Fantasy Award</i> ausgezeichnet. Im selben Jahr erreichte auch der Abschlussband <i>The Northern Girl / Die Frau aus dem Norden</i> das lesende Publikum.</div><div style="text-align: justify;"> <div class="ace-line" id="magicdomid479"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw">Zwei
Elemente, die eng mit Lynns persönlichem Leben verknüpft sind, finden
sich in fast all ihren Geschichten: So sind zum einen immer wieder
Kampfkunst-Schilderungen in die Handlungen eingewoben und Lynn war bzw.
ist selbst Aikido-Lehrerin mit eigenen Dojo. Zum anderen sind
LGBTQ-Figuren bei ihr keine Ausnahme, sondern die Regel. Die ehemalige
LGBT-Buchkette „A Different Light“ war nicht zufällig nach i</span><span class="author-a-z85zpn4fr3scci99z67zz71zz86z">hrem Roman </span><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw">benannt. Lynn ist selbst offen lesbisch.</span></div></div><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">
<span style="font-size: large;"><b>* * *</b></span></div> <br /></div><div style="text-align: justify;">Die Ryoka-Geschichten besitzen allesamt das Flair von alten Mythen oder Volkssagen. Entsprechend beginnen sie mit Formulierungen wie: "<i>Sie erzählen diese Geschichte in den östlichen Provinzen ...</i>" (<i>Zauberers Reich</i>) oder "<i>Sie erzählen diese Geschichte in den Mittleren Grafschaften ...</i>" (<i>Die Frau, die den Mond liebte</i>). Die <i>Chroniken von Tornor</i> sind in einem deutlich anderen Stil gehalten.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><i>Die Zwingfeste</i> beginnt ähnlich wie eine typische Heroic Fantasy - Erzähling in medias res. Allerdings nicht mit einer Actionsequenz, sondern mit dem Nachspiel der Action. Die Grenzfeste Tornor ist von den Männern des Söldnerführers Col Istor erstürmt worden, die meisten Verteidiger sind erschlagen und auch der ehemalige Burgherr Athor liegt tot im Staub. Nur Wachhauptmann Ryke ist verschont worden, denn der Eroberer will ihm einen Handel vorschlagen: Das Leben von Prinz Errel gegen Rykes Dienste. Der schlaue Col weiß, dass ihm die Unterstützung eines Ortskundigen bei der Etablierung seiner Herrschaft eine große Hilfe sein wird. Ryke geht auf das Angebot ein, allerdings nur, weil er hofft, dass es ihm auf diesem Wege gelingen wird, die Flucht des Prinzen zu bewerkstelligen. Eine entsprechende Gelegenheit eröffnet sich, als einige Zeit später die Bot*innen Norres und Sorren auf Tornor eintreffen. Der Prinz kennt die beiden (wie sich später herausstellt, ist Sorren sogar seine Halbschwester). Gemeinsam fliehen die vier in die Westlichen Berge, wo der mysteriöse Van im verborgenen Tal von Vanima eine Gemeinschaft von Schüler*innen und Gleichgesinnten um sich geschart hat. Er lehrt sie eine neue Kampfkunst und eine besondere Form des Tanzes. Und obwohl die in diesen ausgedrückte Philosophie eigentliche eine Ablehnung von Agressivität und unnötiger Gewalt beinhaltet, finden Errel und Ryke in der Gemeinschaft von Vanima schließlich Verbündete gegen Col Istor.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Die <i>Tänzer von Arun</i> spielt mehrere Generationen später. Inzwischen hat sich die Kampfkunst der "Chearis" über die Länder von Arun verbreitet und mit ihr die Philosophie des "Chea" (einer Art metaphysischen Weltharmonie). Der junge Kerris ist ein Neffe des gegenwärtigen Herrn von Tornor. Doch da ihm im Alter von drei Jahren bei einem Überfall der nomadischen Asech der rechte Arm abgeschlagen wurde, wächst er als Außenseiter in der Kriegergesellschaft der Grenzfeste auf. Seit einiger Zeit wird er von Visionen heimgesucht, in denen er telepathischen Kontakt zu seinem Bruder Kel aufzunehmen scheint, dem er nie bewusst begegnet ist und der mit einer Gruppe von "Chearis" durch die Lande zieht. Als die "Tänzer" tatsächlich auf Tornor auftauchen, zögert Kerris nicht lange und schließt sich ihnen an. Gemeinsam reist man nach Süden zur "Hexenstadt" Elath, wo Kels Geliebter Sefer eine Schule ("Tanjo") für übersinnlich Begabte gegründet hat. Für Kerris wird die Reise zu einer Art Selbstfindungs- und Reifungsprozess, in dessen Verlauf er sich auch dem gewaltsamen Trauma aus seiner Kindheit stellen muss. Zumal es in Elath zu einer neuerlichen Konfrontation mit den Asech kommt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Zwischen dem 2. und dem 3. Band vergeht erneut ein gutes Jahrhundert. Die Handlung ist nun ganz im Süden, in der Metropole Kendra-im-Delta, angekommen. <i>Die Frau aus dem Norden</i> ist nicht nur der deutlich längste, sondern auch der komplexeste Teil des Zyklus mit drei Perspektivträgerinnen und mehreren, miteinander verwobenen Handlungssträngen. Sorren, das titelgebende "northern girl", ist Leibeigene von Arré Med, die an der Spitze einer der ältesten und mächtigsten Adelsfamilien von Kendra steht. Seit einiger Zeit ist Sorren außerdem mit Paxe liiert, der Waffenmeisterin des Hauses Med. Während sich um sie herum eine große politische Intrige entspinnt, in die u.a. Arrés eifersüchtiger Bruder Isak und das aufsteigende Haus Ismenina verstrickt sind, erwacht in ihr das immer stärkere Verlangen, in die vermeintliche "Urheimat" ihrer Familie, nach Tornor, "zurückzukehren". <span class="author-a-z85zpn4fr3scci99z67zz71zz86z">Angespornt wird sie dabei von Visionen, alten Erzählungen und der Begegnung mit <i>ghya </i>Kadra. </span></div><div style="text-align: justify;"><span class="author-a-z85zpn4fr3scci99z67zz71zz86z"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span class="author-a-z85zpn4fr3scci99z67zz71zz86z"><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj7GBlBf5sEopRHo-UGuHfUi1OPygIk6HEwwkNm2i2Sk7M3v7pjBqtgia5Ivcn2TNz1n2KqBSDjCzN6FAfxKyKO22IMGYbVOaDaT4R8dlKiCVqJ8nMOkrjsHUNo_Dlh1xM61E87Diq0BPEFC_hB-fmHdID0kCppsoz8wtBsZ4x33TyLqlguKvnGdAi19gU/s3012/tornor02.webp" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1564" data-original-width="3012" height="274" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj7GBlBf5sEopRHo-UGuHfUi1OPygIk6HEwwkNm2i2Sk7M3v7pjBqtgia5Ivcn2TNz1n2KqBSDjCzN6FAfxKyKO22IMGYbVOaDaT4R8dlKiCVqJ8nMOkrjsHUNo_Dlh1xM61E87Diq0BPEFC_hB-fmHdID0kCppsoz8wtBsZ4x33TyLqlguKvnGdAi19gU/w526-h274/tornor02.webp" width="526" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Cover-Illustrationen von Franz Berthold<br /></td></tr></tbody></table><br /> </span></div><div style="text-align: justify;"><span class="author-a-z85zpn4fr3scci99z67zz71zz86z">Nun aber zu unserem eigentlichen Gespräch. Und Achtung: Wir spoilern hemmungslos. <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span class="author-a-z85zpn4fr3scci99z67zz71zz86z"> </span> </div><div style="text-align: left;"><br /></div><div style="text-align: left;"><div class="ace-line" id="magicdomid22"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw b"><b>1) Einstieg, Vergleiche zu anderen Büchern, Storytelling und Reflexion</b></span></div><div class="ace-line" id="magicdomid23"><br /></div><div class="ace-line" id="magicdomid24" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw"><b>[Alessandra]:</b> Und wieder gilt: Neues Jahr, neuer Klassiker-Reread :) Dieses Mal
nehmen wir uns also "Die Chroniken von Tornor" vor (auch veröffentlicht
als "Die Türme von Tornor"). Normalerweise sprechen wir am Anfang ja
immer darüber, wie wir die Bücher kennengelernt und wie wir das erneute
Lesen wahrgenommen haben. In diesem Fall kann ich dazu allerdings gar
nicht so viel sagen. Die Bücher und Reihen, die wir in den letzten
Jahren besprochen haben, sind mir schon als Teenager oder während meiner
Studienzeit begegnet. "Die Zwingfeste", den ersten "Tornor"-Band, habe
ich allerdings erst 2022 gelesen, nachdem das Buch hier im öffentlichen
Bücherschrank aufgetaucht war. Zuvor hatte ich darüber in der
Sekundärliteratur gelesen, wo es als frühes Beispiel für LGBTQ-Fantasy,
aber interessanterweise auch für Romantasy genannt wurde. Das hat mich
neugierig gemacht, daher wollte ich die Trilogie schon länger mal lesen,
jetzt bot sich die Chance. Nachdem ich das Buch gelesen hatte, haben
wir uns ja per Mail etwas darüber ausgetauscht, so entstand auch die
Idee zu diesem "Reread". (Vielleicht hätten wir dabei bleiben sollen,
von "Klassiker-Wiederentdeckung" zu sprechen ... :))</span></div><div class="ace-line" id="magicdomid25" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw">Ich
habe "Die Zwingfeste" also Anfang diesen Jahres noch mal gelesen. Mir
sind nun viel mehr Details und Zwischentöne aufgefallen, aber der
Unterschied zum ersten Leseerlebnis war dennoch nicht so groß. Band 2
und 3 habe ich nun zum ersten Mal gelesen.</span></div><div class="ace-line" id="magicdomid26" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw">Ich schätze, du kannst stärker auf "frühere Begebenheiten" zurückschauen?</span></div><div class="ace-line" id="magicdomid27" style="text-align: justify;"><br /></div><div class="ace-line" id="magicdomid28" style="text-align: justify;"><span class="author-a-z85zpn4fr3scci99z67zz71zz86z"><b>[Peter]:</b> Na ja, ich habe die Trilogie zwar tatsächlich schon einmal in der zweiten Hälfte der 2000er gelesen, aber viele der Details hatte ich natürlich längst
wieder vergessen. Wie ich damals zu den Büchern gekommen bin, weiß
ich auch nicht mehr so genau. Ungefähr zu dieser Zeit hatte ich nach
einer recht langen Pause wieder begonnen, mich mit "Genre-Literatur" zu
beschäftigen. Und war dabei besonders an Werken interessiert, die auf
den einschlägigen Websites (für mich damals vor allem "Strange
Horizons") als für ihre Zeit "anders" oder "progressiv" bezeichnet
wurden. Und dabei muss irgendwann wohl auch der Name Elizabeth A. Lynn
gefallen sein. Was mich bei dieser ersten Lektüre dann besonders
fasziniert hat, war der Umgang mit Geschichte und Wandel. Die Welt der
Trilogie erschien mir als bewusster Gegenentwurf zu den sonst meist
irgendwie "statischen" Welten der "klassischen" Fantasy. Die erneute
Lektüre hat diesen Eindruck für mich einerseits bestätigt, mir
andererseits aber auch vor Augen geführt, dass noch sehr viel mehr in
den Büchern drinsteckt. Interessant fand ich dabei auch die Entwicklung
innerhalb der Trilogie. "Die Zwingfeste" scheint mir nämlich noch am
ehesten an die Ende der 70er Jahre üblichen Formen von Fantasy
anzuknüpfen, während die späteren Teile sich dann immer weiter davon
entfernen. Wie war da dein Eindruck?</span></div><div class="ace-line" id="magicdomid29" style="text-align: justify;"><br /></div><div class="ace-line" id="magicdomid30" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw"><b>[Alessandra]:</b> Bei unseren vorherigen Rereads hatten wir uns ja u. a. Joy Chants "Wenn
Voiha erwacht" und Esther Rochons "Der Träumer in der Zitadelle"
vorgenommen. An beide musste ich während des Lesens der Trilogie häufig
denken, weil es sowohl inhaltlich als auch strukturell einige
Ähnlichkeiten gibt, gerade wenn es um dieses Thema des Wandels geht.
"Voiha" und der "Träumer" haben wir als Einzelbände besprochen, aber sie
sind ebenfalls Teil von Trilogien bzw. Zyklen, die einen sehr ähnlichen
Weg gehen. "Der Träumer in der Zitadelle" klammere ich hier mal aus,
weil ich die nachfolgenden Bände nur aus Sören Heims Schilderungen und
Rezensionen kenne. Aber gerade an "Wenn Voiha erwacht" bzw. die dahinter
stehende "House of Kendreth"-Trilogie musste ich oft denken. Auch hier
folgen wir der Entwicklung einer Gesellschaft über Jahrzehnte bzw.
Jahrhunderte hinweg. "Kendreth" und "Tornor" sind sogar relativ
zeitgleich entstanden (Kendreth 1977 – 1983, Tornor 1979 – 1980), mich
würde es sehr interessieren, inwiefern die einander bedingt haben. Aber
"Die Chroniken von Tornor" geht das Thema noch deutlich konsequenter an.
Eigentlich finde ich, es müsste "Der Zyklus von Tornor" heißen; es gibt
so viele Pseudo-Zyklen in der Fantasy, aber hier ergäbe der Titel mal
Sinn! "Kendreth" erzählt eher Einzelgeschichten und man kann sich ein
Stück weit zusammenreimen, wie die sozialen Entwicklungen
zustandegekommen sind. Bei "Tornor" werden einem die Hinweise hingegen
sehr deutlich vor Augen geführt. Auch hier werden zwar drei Geschichten
erzählt, die man unabhängig voneinander lesen kann, da es um
unterschiedliche Figuren in drei unterschiedlichen Städten geht.
Trotzdem würde einem hier sehr viel Subtext verloren gehen, wenn man,
sagen wir mit Band 3 starten würde. Und das, obwohl alle drei
strukturell sehr unterschiedlich sind (wobei das wiederum auch für
"Kendreth" gilt). Ich stimme dir jedenfalls zu, dass "Die Zwingfeste"
noch am klassischsten erzählt ist. Er ist auch am lesbarsten :) Band 2 und
3 wirken dafür "selbstsicherer", als sei Lynn mit mehr Vertrauen ans
Experiment dran gegangen. Denn Experimente sind da wahrlich einige drin
...</span></div><div class="ace-line" id="magicdomid32" style="text-align: justify;"><br /></div><div class="ace-line" id="magicdomid34" style="text-align: justify;"><span class="author-a-z85zpn4fr3scci99z67zz71zz86z"><b>[Peter]</b> Jaaa, auf die können wir später noch zurückkommen ... Den Vergleich mit
"Kendreth" finde ich jedenfalls sehr treffend. Vor allem in "The Gray
Mane of Morning" / "Der Mond der Brennenden Bäume" geht es ja sehr
explizit um einen gesellschaftlichen und kulturellen Umbruch. Wenn mich
meine Erinnerung nicht täuscht. Bei den "statischen" Fantasywelten
hatte ich mehr an so Sachen wie Tolkiens Mittelerde gedacht, wo sich
über Jahrtausende anscheinend so gut wie nichts an der sozialen Ordnung
verändert, nur immer wieder mehr oder weniger apokalyptische Kriege mit
irgendeinem Dunklen Herrscher ausgefochten werden. Und auch so Sachen
wie Le Guins "Erdsee" oder Patricia McKillips "Erdzauber" sind da finde
ich nicht viel anders. Während wir bei "Tornor" miterleben, wie sich
eine Welt in kultureller, gesellschaftlicher und politischer Hinsicht
allmählich weiterentwickelt. Das deutet sich schon in "Die Zwingfeste"
an, wenn wir z.B. ganz nebenbei erzählt bekommen, dass die Händler
begonnen haben, Gilden zu bilden und sich als "Blauer Clan" bezeichnen.
Was die Charaktere, die sich darüber unterhalten, reichlich absurd
finden. Ab dem zweiten Band ist die Existenz des "Blauen Clans" dann
eine Selbstverständlichkeit. Und natürlich erleben wir außerdem die
Geburt des "Roten Clans" der "Tänzer", mit. Dessen weitere Entwicklung
dann aber nicht ganz so abläuft, wie man sich das vielleicht vorgestellt
hätte. </span></div><div class="ace-line" id="magicdomid35" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw"> </span></div><div class="ace-line" id="magicdomid36" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw"><b>[Alessandra]</b> Denke, da spielt auch eine Rolle, dass "Tornor" ebenso wie "Kendreth /
Mond der Brennenden Bäume" und "Vandarei/Der Träumer in der Zitadelle",
sich auf Menschenvölker beschränken. Keine Elfen und andere Langlebigen,
die sich dem Wandel entgegenstellen :) Wenn ein größerer Wandel in der
Völkerfantasy thematisiert wird (wie in "Die Elfen" oder der
Geralt-Saga), braucht es dafür gleich Jahrtausende.</span></div><div class="ace-line" id="magicdomid37" style="text-align: justify;"><br /></div><div class="ace-line" id="magicdomid38" style="text-align: justify;"><span class="author-a-z85zpn4fr3scci99z67zz71zz86z"><b>[Peter]</b> Das sicher auch. Gerade Tolkiens Elben verkörpern ja sehr deutlich den
Wunsch, den Wandel der Geschichte aufzuhalten und für immer in einem
imaginierten "Goldenen Zeitalter" zu leben.</span></div><div class="ace-line" id="magicdomid39" style="text-align: justify;"><br /></div><div class="ace-line" id="magicdomid40" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw"><b>[Alessandra]</b> Iinteressant finde ich bei "Tornor" auch, wie sich die Entwicklungen im
Kreis vollziehen (daher oben die Zyklus-Anmerkung). In Band 1 haben wir
z. B. eine sehr kriegerische und patriarchale Gesellschaft. Als die
vier Hauptfiguren aus dem besetzten Tornor nach Vanima fliehen, das
zunächst als pazifistische Kampfkunst-Kommune dargestellt wird, war ich
im ersten Moment befremdet von so viel plakativer Utopie. Dass ein Teil
der Bewohner Vanimas diese Ideale aufgibt, um gegen Col, den
Antagonisten aus Band 1 und Besatzer von Tornor, in den Krieg zu ziehen,
hat es nicht besser gemacht; die Begründung wirkte auf mich aufgesetzt
nach dem Motto "ja, wir müssen halt eine klassische Story erzählen, in
der der Antagonist doch noch besiegt und umgebracht wird". Und am Ende
von Band 1 schien sich zunächst nicht viel an den sozialen Strukturen in
Tornor geändert zu haben, im Gegenteil kehrte mit dem Sieg über Col
alles zum Status Quo zurück – obwohl mehrfach angedeutet wurde, dass der
nicht unbedingt erstrebenswerter war als das Leben unter Cols
Herrschaft. </span></div><div class="ace-line" id="magicdomid41" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw">Band
2 zeigt dann aber, dass im Verlaufe der Zeit u. a. durch den Einfluss
der waffenlosen "Tänzer" (=Kampfkünstler) aus Vanima und durch die neu
eingesetzte Herrscherin Sorren (offenbar die erste Frau auf dem Thron)
ein Umdenken eingesetzt hat. Krieg und Kampf werden deutlich negativer
bewertet, Frauen und Männer außerdem gleichgestellter dargestellt (wobei
man hinzufügen muss, dass Band 2 in einer weiter südlich gelegeneren
Stadt spielt, nicht in Tornor selbst). In Band 3 dann ist der Kampf mit
Waffen ein Tabu und die Gesellschaft hat einige matriarchale Züge.
Beides befindet sich aber in einer mehr oder weniger "sanften"
Auflösung, es wird also angedeutet, dass sich auch diese Verhältnisse
wieder ändern werden und der bewaffnete Konflikt lässt nicht lange auf
sich warten. Das fand ich sehr clever und vor allem reflexiv, nachdem
ich in Band 1 Sorge hatte, Lynn könne sich im Versuch verlieren, ihre
Utopie-Vorstellungen und Epic-Fantasy-Storytelling zu verbinden.</span></div><div class="ace-line" id="magicdomid43" style="text-align: justify;"><br /></div><div class="ace-line" id="magicdomid44" style="text-align: justify;"><span class="author-a-z85zpn4fr3scci99z67zz71zz86z"><b>[Peter]</b> Zumal ich mir nicht einmal sicher bin, ob wir das in Band 3 herrschende
Verbot des Waffentragens in den Städten überhaupt als durchgehend
positiv wahrnehmen sollen. Der Bann wurde ja von den herrschenden
Adelsfamilien verhängt und von den "Hexern" des Tanjo zusätzlich mit
einer religiösen Komponente versehen. Es handelte sich also ganz klar um
eine politische Entscheidung. Könnte es den Herrschenden vielleicht auf
Dauer etwas gefährlich erschienen sein, wenn Leute aus dem einfachen
Volk mit Schwertern herumhantieren und die Kampfkunst der Chearis
erlernen? Die "Tänzer" wurden in Band 2 ja als eine quasi
"demokratische" Gemeinschaft dargestellt. Jeder, der über das
entsprechende Talent verfügte, konnte in den "Waffenhöfen" unterrichtet
werden. Mit dem "Waffenbann" ist zugleich diese Gemeinschaft zerschlagen
worden. Die alte Kampfkunst ist weitgehend gestorben, der "Tanz" lebt
nur noch als eine Form aristokratischer Unterhaltung fort.</span></div><div class="ace-line" id="magicdomid45" style="text-align: justify;"><span class="author-a-z85zpn4fr3scci99z67zz71zz86z">Ebenso unsicher bin ich mir, ob der gesellschaftliche Wandel, der sich
zwischen Buch 1 und 2 vollzogen hat, ausschließlich auf die "Tänzer" und
Sorren zurückzuführen ist. Schon zu Beginn von "Die Zwingfeste"
erfahren wir, dass die ständigen Grenzkonflikte mit dem nördlich
gelegnen Reich von Arhand, die der eigentliche Grund für die Existenz
der Grenzfesten und der martialisch-patriarchalen Ordnung waren, einem
Friedensschluss gewichen sind. Zu Beginn von "Die Tänzer von Arun" wird
dann angedeutet, dass damit die Grenzfesten eigentlich ihre
Existenzberechtigung eingebüßt haben. Das alte Kriegrethos lebt zwar
noch fort, aber im Grunde nur noch als kulturelle Tradition. Am Ende
von Band 3 ist Tornor schließlich eine halbe Ruine, eine sterbende
Welt.</span></div><div class="ace-line" id="magicdomid46" style="text-align: justify;"><span class="author-a-z85zpn4fr3scci99z67zz71zz86z">Was
das klassische Storytelling in "Die Zwingfeste" angeht, glaube ich,
dass Lynn das sehr bewusst subversiv zu unterlaufen versucht hat. Ja,
wir bekommen (weitgehend) das klassische Ende serviert: Der geflohene
Prinz hat sich Unterstützung in der Fremde organisiert und stürzt den
"bösen" Usurpator. Aber die Art, wie dieser "Befreiungskampf"
geschildert wird, ist alles andere als "heroisch". All das Gemetzel und
die damit verbundenen Greuel (Vergewaltigungen etc.) erscheinen vielmehr
extrem abstoßend. Und werden so auch von dem Protagonisten Ryke
wahrgenommen, der eigentlich immer die traditionellen "Kriegerwerte"
hochgehalten hatte. </span></div><div class="ace-line" id="magicdomid47" style="text-align: justify;"><br /></div><div class="ace-line" id="magicdomid48" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw"><b>[Alessandra]</b> Oh, bewusst unterwandert hat Lynn diese Strukturen zweifellos. Meine
Kritik ist letztlich auch Jammern auf hohem Niveau. Dennoch gab es ein
paar Kniffe, die ich ~schade fand. Z. B. erhalten die Flüchtlinge aus
Band 1 die Unterstützung gegen Col im Prinzip nur, weil der Herrscher
von Vanima (ein Anachronismus, sagen wir der "Vorsteher") mit dem noch
eine Rechnung offen hat. Das wirkt im ersten Moment wie ein Verrat an
der Idee des Utopias Vanima. Aber rückblickend könnte ich mir
vorstellen, dass selbst das Teil von Lynns Plan war. Im Prinzip erzählen
"Die Chroniken von Tornor" die Geschichte eines freundlichen
Scheiterns. Ich will nicht zu viel in Lynns soziopolitische Ansichten
hineininterpretieren, aber ich denke schon, dass Vanima einen idealen
Ort darstellen soll. Aber obwohl er in Band 1 als realer Ort auftaucht,
ist er vor allem ein Mythos, eine Geschichte, die sich Menschen von
einer idealen Gemeinschaft erzählen - die gleichwohl nur in diesem sehr
kleinen dörflichen Rahmen funktioniert. Kennst du das Lied "Für immer
Frühling" von Soffie? Das kam im Zuge der Demos zu einiger Berühmtheit.
Darin heißt es "<i>Ich hab neulich geträumt Von
einem Land, in dem für immer Frühling ist [...] In das Land, in dem für
immer Frühling ist. Darf jeder komm'n und jeder geh'n, denn es gibt
immer ein'n Platz am Tisch. Rot karierter Stoff, keine weißen Flaggen
mehr. Alle sind willkomm'n, kein Boot, das sinkt im Mittelmeer" usw.</i>" Und
Vanima wird in Band 2 und 3 ganz ähnlich beschrieben: "<i>das Land, in dem
immer Frühling ist ...</i>" "<i>Sie gelangten in das Land des Ewigen Sommers
...</i>" Vanima
stellt bis heute ein Idealbild dar. Aber indem es selbst innerhalb der
Geschichte zum Mythos "verkommt", unterwandert Lynn wiederum diesen
Gegenentwurf, das hat mir gut gefallen. Stattdessen bekommen wir in Band
2 ja sogar eine Demokratie präsentiert (zumindest für die
Wahlberechtigten), quasi ein zurück zu realistischem Optimismus.</span></div><div class="ace-line" id="magicdomid53" style="text-align: justify;"><br /></div><div class="ace-line" id="magicdomid54" style="text-align: justify;"><span class="author-a-z85zpn4fr3scci99z67zz71zz86z"><b>[Peter]</b> Das Lied kenne ich nicht, aber im Großen und Ganzen würde ich dir da
voll zustimmen. Und ich glaube, dass das Utopia von Vanima einiges den
realen Kommune-Experimenten der 60er und 70er verdankt. Das Scheitern
solcher Projekte wird dann ja auch noch mal anhand des Tanjo vorgeführt.
Ursprünglich sollte das einfach eine Art Schule für die übersinnlich
Begabten ("Hexer") sein. Und Sefer, der Gründer des ersten Tanjo in Band
2, verbindet damit ziemlich grandiose Vorstellungen von einer besseren
Zukunft für die Menschheit. Doch in Band 3 sehen wir dann, dass aus dem
Tanjo eine Art Kirche geworden ist, mit strengen Hierarchien, ordentlich
viel Besitz und politischen Ambitionen. Das Oberhaupt des Tanjo der
Metropole Kendra-im-Delta träumt ja sogar schon davon, alle umliegenden
Länder und Städte unter seiner Oberherrschaft zu vereinen. Verglichen
damit erscheint das Schicksal der "Tänzer" eher als tragisch. Vanima ist
zu einem Mythos geworden, die "Tänzer" selbst zu romantisch verklärten
Gestalten einer untergegangenen Ära. Allerdings finde ich es in diesem
Zusammenhang interessant, dass sich Van, der Begründer dieser Kampfkunst
und ihrer Philosophie, in Band 1 dagegen gesträubt hatte, aus der
Gemeinschaft von Vanima den "Roten Clan" zu machen. Mir scheint da ein
gewisser Skeptizismus gegenüber festen Organisationen mitzuschwingen.
Sobald man aus Utopia eine Institution macht, ist schon der erste
Schritt auf dem Weg zum Scheitern getan. </span></div><div class="ace-line" id="magicdomid55" style="text-align: justify;"><span class="author-a-z85zpn4fr3scci99z67zz71zz86z">Nicht
unerwähnt lassen möchte ich außerdem noch ein anderes Motiv, das auch
irgendwie zum Themenkomplex Wandel und Geschichte gehört. In Band 3
geht es meines Erachtens nämlich u.a. um die Sicht auf die
Vergangenheit. Sorrens übernatürliche Fähigkeit besteht ja darin, in
Visionen vergangene Orte und Personen zu sehen. Dabei schaut sie immer
wieder die Festung Tornor. Und nachdem sie erfahren hat, dass ihre
Familie ursprünglich von dort stammte, entwickelt sie das unbedingte
Verlangen, selbst dorthin zu reisen, wenn ihre Zeit als "Leibeigene"
(eigentlich eher eine Art von "indentured servitude") beendet ist. Das
wird zu ihrer Hauptmotivation. Sie folgt also in gewisser Weise dem
Lockruf der Vergangenheit, den sie mitunter sogar mit romantischen
Träumereien verbindet, in denen sie selbst die Rolle der "verlorenen
Prinzessin" spielt. Doch was sie ganz am Ende des Romans in Tornor
vorfindet ist ganz und gar nicht das, was sie erwartet hatte, sondern
eher eine Art sterbende Gesellschaft. Sie muss sich selbst eingestehen:
"<i>Es gibt keine Gewissheit ... Nur das Vergangene ist sicher. Und das
Vergangene ist tot.</i>" Ich bin mir da zwar nicht hundertprozentig sicher,
aber ich interpretiere das als einen subversiven Kommentar auf das in
der Fantasy ja doch recht geläufige Motiv der Sehnsucht nach einer
"schöneren, edleren Vergangenheit". Überhaupt der großen Bedeutung, die Tradition und Herkunft dort oft zukommen. Es ist nicht unbedingt falsch, dass
Sorren ihre "Wurzeln" sucht, aber "Erfüllung" findet sie dadurch nicht.
So wie ich das Ende gelesen habe, wird sie nicht auf Tornor bleiben,
sondern sich gemeinsam mit ihrer neuen Geliebten Kedéra in die
Westlichen Berge aufmachen, um das verlorene Vanima zu suchen, also die
Inkarnation von "Utopie". Wohl nicht zufällig ist Sorrens einzige Vision,
die nicht Tornor zum Inhalt hat, ein Blick auf das mythische Tal und
seinen Gründer Van.</span></div><div class="ace-line" id="magicdomid56" style="text-align: justify;"><br /></div><div class="ace-line" id="magicdomid57" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw"><b>[Alessandra]</b> Ich glaube, wir könnten hier noch viele Beispiele anführen, wie sich
die Veränderungen zeigen und wie Lynn solche These-/Antithese-Elemente
in die Handlung einschreibt. Um das Ganze aber zu einem ersten Fazit zu
bringen: Ich sehe soziale Veränderung und den Umgang damit als das
zentrale Thema der Trilogie – dem wiederum viele weitere Themen angefügt
sind. Die Trilogie als Ganzes behandelt das im Makrokosmos, Band 1 im
Mikrokosmos.</span></div><div class="ace-line" id="magicdomid57" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw"> </span></div><div class="ace-line" id="magicdomid57" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw"><b> </b></span></div><div class="ace-line" id="magicdomid57" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw"><b>Den zweiten Teil unseres Gesprächs werdet ihr am Dienstag auf <i>FragmentAnsichten </i>antreffen.</b> <br /></span></div><div class="ace-line" id="magicdomid57" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw"> </span></div><div class="ace-line" id="magicdomid57" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw"> </span></div><div class="ace-line" id="magicdomid57" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw">* Elizabeth A. Lynn: <i>Die Frau, die den Mond liebte. Fantasy & Science Fiction Erzählungen</i>. S. 57.</span></div><div class="ace-line" id="magicdomid57" style="text-align: justify;"><span class="author-a-8skffz82zonnopxvz73ziw">** Ebd. S. 258. <br /></span></div></div>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-1688369674910168792024-01-11T15:16:00.000-08:002024-01-25T13:47:11.987-08:00Two Shades of Grimdark?<div style="text-align: justify;">Im letzten Jahr sind die ersten beiden "offiziellen" Ausgaben des<a href="https://newedgeswordandsorcery.com/product-category/new-edge-sword-sorcery/" target="_blank"> <i>New Edge Sword & Sorcery </i>- Magazins</a> erschienen. Websites und eZines wie<span style="font-size: small;"><a href="http://www.heroicfantasyquarterly.com/" target="_blank"> <i>Heroic Fantasy Quarterly</i></a>, <a href="https://swordsandsorcerymagazine.com/index.html" target="_blank"><i>Swords and Sorcery Magazine</i></a>, <i><a href="https://www.beneath-ceaseless-skies.com/" target="_blank">Beneath Ceaseless Skies</a>, <a href="https://goodman-games.com/tftms/" target="_blank">Tales From The Magician's Skull</a></i>, <a href="https://whetstonemag.blogspot.com/" target="_blank"><i>Whetstone</i></a><i> </i>und <i><a href="https://www.oldmoonpublishing.com/" target="_blank">Old Moon Quarterly</a> </i>erfreuen sich bester Gesundheit. Ja selbst ein deutschsprachiges Buch wie Christian Endres' <i>Die Prinzessinnen </i>scheint nicht wenige Liebhaber*innen gefunden zu haben. Die Sword & Sorcery erfährt gegenwärtig ganz offensichtlich eine nicht unbeträchtliche Wiederbelebung und Erneuerung. <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Um so interessanter ist es da, einen Blick zurück in die 2010 bei <i>Harper Collins </i>und <i>Subterranean Press </i>erschienene Anthologie <i>Swords & Dark Magic </i>zu werfen. Denn damals sah die Situation noch deutlich anders aus. Die allgemein verbreitete Weisheit war zu diesem Zeitpunkt immer noch, dass das Subgenre spätestens in den 90er Jahren einen unrühmlichen Tod gestorben sei und höchstens noch in Form irgendwelcher Conan-Pastiches vor sich hin vegitiere, von denen das letzte -- </span><span style="font-size: small;">Harry Turtledoves<i> Conan of Venarium </i>-- aber auch bereits sieben Jahre zurücklag. Diese Einschätzung entsprach zwar auch schon 2010 nicht wirklich der Realität, aber wenn der Band mit dem Untertitel <i>The New Sword & Sorcery </i>antrat, dann sollte damit zweifellos suggeriert werden, dass man auf seinen Seiten Beispiele für ein Wiedererwachen der S&S nach einer langen Periode des Niedergangs präsentiert bekommen werde.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> <i> </i></span><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Doch worin genau sahen die Herausgeber Lou Anders und Jonathan Strahan diesen Neuanfang? </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Schon in der ersten Hälfte der 2000er hatte Howard Andrew Jones mit seinem eZine <i>Flashing Swords </i>versucht, frischen Wind in das Subgenre zu bringen und dabei den Begriff <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2022/12/was-ist-new-edge.html" target="_blank">"New Edge"</a> geprägt. Freilich war dieser "Bewegung" in ihrer ersten Inkarnation offenbar kein bleibender Erfolg beschieden. Ein völlig andersgearteter Aufbruch vollzog sich 2007/2008 mit der Gründung der <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2021/12/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">"Sword & Soul"</a>, einer von Geschichte und Mythologie Afrikas geprägten Spielart der Heroic Fantasy. 2008 ging außerdem <i><a href="https://rogue-blades.com/" target="_blank">Rogue Blades Entertainment</a> </i>an den Start, mit dem Ziel, den Geist der alten Swashbuckler und Pulp-Abenteuer wiederzuleben. Und auch <i>Beneath Ceaseless Skies </i>und das <i>Heroic Fantasy Quarterly </i>nahmen um diese Zeit ihre Arbeit auf.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Es gab also tatsächlich eine ganze Reihe von Anzeichen für eine einsetzende Erneuerung der Sword & Sorcery. Doch im Vorwort zu <i>Swords & Dark Magic </i>findet nichts davon Erwähnung. Auf die "Szene" mit ihren Kleinverlagen und Magazinen wird nur insoweit eingegangen, als John O'Neills <i>Black Gate </i>zur "</span><i>definitive source for sword and
sorcery short-form works since its launch in 2000</i>" erklärt wird. Was zu diesem Zeitpunkt wohl tatsächlich keine so falsche Einschätzung war. Aber Anders und Strahan zeigen sich in erster Linie an Entwicklungen bei den großen Verlagen, in der "Mainstream-Fantasy" sozusagen, interessiert. Wo sie dort Ende der 2000er eine Art Wiederbelebung der Traditionen der S&S zu erkennen glaubten? Werfen wir einmal einen etwas genaueren Blick in ihr Vorwort.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Dasselbe beginnt mit der gängigen Gegenüberstellung von High Fantasy und Sword & Sorcery, wobei letztere u.a. so charakterisiert wird: "<i>Smaller-scale character pieces, often starring morally compromised protagonists, whose heroism involves little more than trying to save their own skins from a trap they themselves blundered into in search of spoils</i>". Wenig später werden Robert E. Howards "Urtexte" als <span style="font-size: small;">"<i>laced with a grim pessimism and an edge of violent realism</i>" beschrieben. Beides ist nicht unbedingt falsch, aber der Fokus auf diese Elemente verrät doch, wohin der Hase läuft. Noch deutlicher wird das, wenn es von Conan heißt, er sei "<i>an opportunist, a self-serving fortune seeker with a fatalistic outlook</i>". Spätestens an diesem Punkt würde ich von einem Zerrbild sprechen. Der Cimmerier ist sicher kein tugendhafter "Ritter ohne Furcht und Tadel", aber ein "selbstsüchtiger Opportunist"? Diese Charakterisierung wird ihm meiner Ansicht nach nicht gerecht. Wie die meisten S&S-Held*innen nach ihm ist auch Conan sehr wohl zu selbstlosem Heroismus fähig.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Was folgt ist ein kurzer Abriss der Geschichte des Subgenres, der bei ungefähr zwei Seiten Länge naturgemäß unvollständig sein muss. Recht erfreulich ist, dass dabei neben Fritz Leiber und Michael Moorcock auch <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2019/03/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">C.L. Moore</a>, </span><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2018/11/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank"><span style="font-size: small;">Clark Ashton Smith</span></a><span style="font-size: small;"><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2018/11/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank"> </a>und <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2021/12/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">Charles R. Saunders</a> erwähnt werden. Eher amüsant wirkt es, dass Anders und Strahan "Hyboria" und "Hyperborea" verwechseln. Was man freilich auch als erneuten Beleg dafür interpretieren könnte, dass ihre Vertrautheit mit Howards Werk vielleicht nicht gar so groß ist. Wirklich verärgert hat mich allerdings, dass sie im Zusammenhang mit der von Marion Zimmer Bradley in den 80er Jahren gestarteten Anthologien-Reihe <i>Sword and Sorceress </i>kommentarlos den Mythos nachplappern, den MZB im Vorwort zu deren erstem Band formuliert hatte. Sie habe das Unternehmen gestartet, <i>"[f]eeling that, C. L. Moore excepted, the subgenre was dominated by men and typified by some fairly reprehensible attitudes toward and depictions of women</i>". Damit wird nicht nur anderthalb Jahrzehnte "weiblicher" Sword & Sorcery -- angefangen mit Joanna Russ' Alyx-Geschichten über die Beiträge von Tanith Lee und C.J. Cherryh bis zu den Werken von Elizabeth A. Lynn und <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2020/09/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">Janrae Frank</a> -- unterschlagen, sondern auch die tatsächliche Vorreiterrolle von Jessica Amanda Salmonsons Anthologien <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2020/08/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">Amazons!</a> </i>und <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2021/04/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">Amazons 2</a> </i>verleugnet. Es nimmt den <i>Sword and Sorceress </i>- Anthos nichts von ihrer Bedeutung, wenn man anerkennt, dass sie in Wahrheit ein relativ spätes Produkt einer sehr viel längeren Entwicklung waren. <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Der historische Abriss endet erwartungsgemäß mit dem Triumph der High Fantasy in den 80ern, der die Sword & Sorcery in der Folgezeit zu einer Art Schattendasein verdammte. Doch in den letzten Jahren habe sich dies geändert. </span></div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>But recently, sword and sorcery has
been making a comeback. In the wake of George R. R. Martin, whose
Song of Ice and Fire series is notable for bringing a moral ambiguity
and gritty realism to the fantasy epic, a host of younger writers
have emerged to bring a “sword and sorcery sensibility” back to
the epic subgenre. Writers like Steven Erikson, Joe Abercrombie,
Scott Lynch, Tom Lloyd, David Anthony Durham, Brian Ruckley, James
Enge, Brent Weeks, and Patrick Rothfuss are pioneering a new kind of
fantasy, one that blends epic struggles with a gritty realism, where
good and evil mixes into realistic characters fraught with moral
ambiguities, and struggles between nations are not so one-sided as
they are colored by a new, politically savvy understanding.</blockquote></i>
</div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Lou Anders und Jonathan Strahan interpretieren die Grim & Gritty der 2000er als eine "moderne" Wiederbelebung der S&S. </span><span style="font-size: small;">Damit erklärt sich auch die etwas fragwürdige (oder zumindest einseitig-verkürzte) Charakterisierung des Subgenres, mit der ihr Vorwort beginnt. </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Genrehistorisch ist es zwar sicher nicht ganz falsch, die Grimdark auf die Heroic Fantasy zurückzuführen. Und einige der Bücher, an die Anders und Strahan gedacht haben mögen, würde auch ich dem Subgenre zurechnen. So vor allem Scott Lynchs <i>Gentleman Bastards</i> - Reihe, die eindeutig in der Tradition von Autoren wie Fritz Leiber und Steven Brust steht. (1) Dennoch sträube ich mich heftig dagegen, den Zynismus der Grim & Gritty mit einer "<i>sword and sorcery sensibility</i>" gleichzusetzen. (2)<br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Ob die Anthologie als Ganzes diese Perspektive widerspiegelt, kann ich nicht sagen, da ich mit der eigentlichen Lektüre noch am Anfang stehe. Ich bezweifele es allerdings, enthält der Band doch überraschend viele Beiträge altgedienter S&S-Veteran*innen wie </span><span style="font-size: small;">C.J. Cherryh, Glen Cook, Tanith Lee, Michael Moorcock und Michael Shea</span><span style="font-size: small;">. Diesen Blogpost wollte ich trotzdem jetzt schon einmal raushauen, weil ich mich lesetechnisch in nächster Zeit auf die Vorbereitung des diesjährigen Klassiker-Rereads mit Alessandra von <i><a href="https://fragmentansichten.com/" target="_blank">FragmentAnsichten</a> </i>konzentrieren werde und deshalb nicht weiß, wann ich mit <i>Swords & Dark Magic </i>zum Ende komme. Vor allem aber, weil die ersten beiden Stories der Antho -- Steven Eriksons <i>Goats of Glory </i>und Glen Cooks <i>Tides Elba </i>-- ein gerade in dieser Hinsicht sehr interessantes Paar darstellen.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Ich habe mich nie dazu durchringen können, mir einmal einen Band von Eriksons <i>Malazan Book of the Fallen </i>- Reihe vorzuknöpfen. Dazu schrecken mich Fantasy-Endlos-Epen inzwischen zu stark ab. Ich kann deshalb auch nicht sagen, ob <i>Goats of Glory</i> typisch für ihn ist. Aber die Story hat mich mit einem wirklich unangenehmen Gefühl zurückgelassen.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Ein kleiner Trupp von fünf Söldner*innen erreicht das armselige und halb ausgestorbene Dorf Glory. Kaum erspäht man sie in der Ferne, macht sich der ortsansässige Totengräber auch schon daran, mit seinem jugendlichen Gehilfen Snotty fünf frische Gruben auf dem Friedhof auszuheben. Auch die (noch unbeschrifteten) Grabsteine liegen bereits parat. Die ruppigen Neuankömmlinge kehren in Swillmans Schenke ein, wo sie nicht nur der ältlichen Prostituierten Slim begegnen, sondern auch erzählt bekommen, dass die zerfallene Burgruine über dem Dorf der geeignetste Ort wäre, um ein Nachtlager aufzuschlagen.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Für uns Lesende ist zu diesem Zeitpunkt klar, dass dort oben irgendeine tödliche Bedrohung lauert und die Dorfbewohner offenbar regelmäßig Durchreisende in ihr Verderben schicken, um anschließend die Leichen fleddern zu können.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Die überraschende Wernde kommt, wenn sich zeigt, dass die Fünf keineswegs blind in die Falle tappen, sondern augenblicklich in geübter Soldatenmanier nach einer geeigneten Gefechtsposition suchen. Als wenig später unzählige ausgehungerte Dämonen über die vermeintlich Chancenlosen herfallen, um sich endlich mal wieder an warmem Menschenfleisch zu laben, erwartet sie eine böse Überraschung. Die Fünf haben sich in ein unterirdisches Ganglabyrinth zurückgezogen, dessen verwinkelte Korridore und Kammern ihnen ausgezeichnete Möglichkeiten eröffnen, die sich aufsplitternde Horde der Angreifer nach und nach zu dezimieren. Was folgt ist eine lange Actionsequenz, die mich in ihrer Krassheit und dem zynischen Tonfall der Schilderung an einen Tarantino-Streifen erinnert hat. Nun habe ich zwar nichts gegen ein zünftiges Fantasygemetzel mit reichlich herumspritzendem Blut und hervorquillenden Eingeweiden, aber nach drei Seiten wird so was verdammt öde, selbst wenn man so gut zu schreiben versteht wie Steven Erikson. <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">An diesem Punkt der Geschichte konnte ich ein leichtes Gähnen nicht unterdrücken, zudem nichts darauf hindeutete, dass es noch eine weitere Wendung geben würde. Das wüste Gemetzel sollte nach der eher gemächlichen Gangart der ersten Hälfte offenbar der Clou des Ganzen sein. Doch es kommt noch schlimmer, denn dann versucht Erikson, besonders clever zu sein. Er wechselt die Perspektive und zeigt uns das Ende des Kampfes aus Sicht des "Teufelchens" ("Imp"), das die Dämonen angeführt hatte. Längst sind die Jäger zu den Gejagten geworden.</span></div><div style="text-align: justify;">
<div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div><blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>Whimpering, the imp picked its way
around yet another heap of demon corpses. Poor children! This was a
slaughter, a terrible, grievous, dreadful slaughter!</i></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>And now they were hunting the survivors
down – nowhere to hide! </i></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>Human stench everywhere, down every
passage, every twisting, turning corridor, every cursed chamber and
rank room. There was no telling where they were now, no telling what
vicious ambushes they’d set up.</i></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>The imp crouched, quivering, hugging
itself, and crooned its grief. Then it shook itself, drawing free its
tiny sword. Enough of these evil tunnels and warrens! To the ladder!
Flee this cruel place!</i></div></blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div><span style="font-size: small;">Natürlich gibt es kein Entkommen. Einer der Söldner schnappt sich das "Teufelchen", bricht ihm Arme und Beine und spießt es schließlich mit seinem eigenen Schwert auf. Die monströse Mutter der Kreatur, die wenig später auftaucht, um ihr Kind zu rächen, tappt in eine Falle. Es dauert Stunden, bis das Wesen unter dem ständigen Beschuss der Söldner*innen schließlich wimmernd sein Leben aushaucht.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Was mich an Eriksons erzählerischem Trick so sehr ärgert, ist weniger die Brutalität des Geschilderten als vielmehr das Manipulative. Zu Beginn der Sequenz gehört unsere Sympathie naturgemäß den fünf Krieger*innen. Wir haben sie in der ersten Hälfe der Geschiche etwas näher kennengelernt und sie erscheinen eindeutig als die Underdogs in der Situation -- out-numbered and out-gunned. Entsprechend positiv wird man reagieren, wenn sie die Lage zu wenden verstehen. Zumal die anschließenden Kampfszenen absichtlich so geschildert sind, dass wir die kaltblütige Kompetenz der Fünf cool finden sollen. Und dann lässt uns Erikson ins offene Messer laufen. Mit der Konsequenz, dass wir unsere vorherige Begeisterung abstoßend finden müssen. Denn das, was wir so cool gefunden haben, ist ja in Wirklichkeit ein blutiges Massaker, unsere Held*innen skrupellose Schlächter!</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Man könnte das für einen subversiven Kommentar auf die Gepflogenheiten der Heroic Fantasy halten. Doch ich sehe darin bloß einen billigen Trick auf Kosten der Leser*innen. Denn was soll uns damit gesagt werden? Dass Köpfen, Gliedmaßen abhacken und Bäuche aufschlitzen "in Wirklichkeit" nichts vergnügliches, sondern etwas ziemlich widerliches ist? Ich denke, das haben wir auch vorher schon gewusst. Und es muss uns nicht davon abhalten, trotzdem Spaß an der Schilderung fiktiver Gemetzel haben zu können. Oder dass es stets eine Frage der Perspektive ist, wer als Opfer und wer als Täter erscheint? Das wäre eine äußerst fragwürdige Botschaft. Zumal die Geschichte nichts wirklich tiefgründigeres über Gewalt zu sagen hat. Wo kommt sie her? Was macht sie aus den Menschen? </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Am Ende bleiben wir mit der nihilistischen "Erkenntnis" zurück, dass Menschen zu allen nur erdenklichen Untaten fähig sind und dabei stets "Gründe" finden werden, um diese vor sich und anderen zu rechtfertigen. Exemplarisch vorgeführt im Gedankengang des Totengräbers:</span></div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>Nobody invited any of this, so nobody
was to blame, not for anything. Just came down to making a living,
that’s all. People got the right to that, he figured. It wasn’t a
rule or anything like it, not some kingly law or natural truth. It
was just one of those ideas people said aloud as often as they could,
to make it more real and more true than it really was. When the fact
was, people got no rights to anything. Not a single thing, not air to
breathe, food to eat, ale to drink. Not the sweet smile between the
legs, not a warm body beside you at night. Not land to own, not even
a place to stand. But it made it easier, didn’t it, saying that
people got the right to a living, and honest hard work, like digging
graves and carving capstones, well, that earned just rewards because
that’s how things should be.</blockquote></i></div>
<div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Etwas anders schaut es bei Glen Cook aus.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Dessen Geschichten um die Soldaten der "Black Company", deren erste 1984 erschien, werden oft als einige der frühesten Vertreter (oder Vorreiter) der Grim & Gritty zitiert. Inwieweit ich dem zustimmen würde oder auch nicht, möchte ich jetzt nicht diskutieren. Das muss warten, bis ich mal dazu komme, mich auf dem Blog etwas ausführlicher den <i>Annals of the Black Company </i>zu widmen. Für den Moment sei bloß bemerkt, dass <i>Tides Elba </i>einen deutlich positiveren Eindruck bei mir hinterlassen hat als Steven Eriksons Story.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Die "Black Company" hat seit drei Monaten ihr Lager in der (nicht mehr ganz so) "freien" Stadt Aloe aufgeschlagen, ohne dass man sie in irgendwelche Gefechte geschickt hätte. Was ganz und gar nicht der Normalität entspricht. Wie Ich-Erzähler und Regimentsschreiber Croaker erstaunt feststellt: "<i>It’s been eighty-seven days since somebody tried to kill me</i>". Die Soldaten vertreiben sich ihre Zeit mit Kartenspiel und zotigen Unterhaltungen. Aber selbstredend kann dieser unnatürliche Zustand nicht ewig anhalten. Und als dann eines schönen Tages ein Fliegender Teppich am Himmel über der Stadt auftaucht, wissen Croaker und seine Kumpels sofort, dass schluss ist mit Schonzeit. Tatsächlich hat das magische Vehikel den "Limper" hierher getragen, einen besonders unerfreulichen Handlanger der "Lady", jener finsteren Zauberin, in deren Sold die "Black Company" steht. Die Clique um Croaker erhält den Befehl, eine angebliche Rebellenführerin namens Tides Elba ausfindig zu machen und zu arretieren, die sich irgendwo in der Umgebung von Aloe herumtreiben soll. Allerdings hat bislang keiner in der Truppe etwas von rebellischen Aktivitäten in der Region gehört. Und sie alle wissen, dass der "Limper" noch eine Rechnung mit der "Black Company" offen hat und sie liebend gern ins Verderben stürzen würde. Es gilt also entsprechend vorsichtig an diesen Auftrag heranzugehen.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Für alle, die nicht zuvor schon einmal Bekanntschaft mit der "Company" geschlossen haben, könnte der Einstieg in die Story etwas schwierig sein. Denn das Figurenensemble ist groß und unübersichtlich. Goblin, Otto, Elmo, One-Eye, Corey, Hagop, Silent -- keiner von ihnen wird groß vorgestellt. Sie sind einfach da und Teil der Handlung. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit wird z.B. auf vergangene Gefechte angespielt, die zum Verständnis der Beziehung zwischen unseren Helden und dem "Limper" und der "Lady" von Bedeutung sind. Aber ich schätze, derartiges sollte einen nicht gar zu sehr überraschen, wenn man eine Geschichte liest, die Teil eines erzählerischen Universums ist, das zu diesem Zeitpunkt bereits aus zehn Romanen bestand.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Sicher könnte man so manches an <i>Tides Elba </i>als "grimdark" bezeichnen. Unsere Protagonisten sind ziemlich zynische und illusionslose Berufssoldaten, ohne jeden Hang zu Idealismus oder "selbstlosem Heldentum". Was nicht heißt, dass sie alle völlig amoralische Egoisten wären. So sieht sich Croaker im Laufe der Ereignisse gezwungen, den selbstsüchtigen One-Eye in seine Schranken zu verweisen, da dessen Verhalten die ganze "Company" in Gefahr zu bringen droht. Doch über die Grenzen der eigenen Truppe reicht auch sein "Altruismus" nicht hinaus. Selbst als sich herausstellt, dass Tides Elba in Wirklichkeit gar keine Rebellin ist, sondern bloß aufgrund irgendwelcher magischer Verwandtschaftsverhältnisse (die ihr selbst gar nicht bewusst sind) eine Bedrohung für die "Lady" darstellt, spielt niemand auch nur mit dem Gedanken, der jungen Frau zur Flucht zu verhelfen. Auch wenn sie alle wissen, dass die Unschuldige ein denkbar grausiges Schicksal erwartet. Befehl ist nun einmal Befehl. Und ihnen allen ist bewusst, dass es mehr als unklug wäre, den Zorn der "Lady" heraufzubeschwören. Man darf sich bereits glücklich schätzem, wenn's einem gelungen ist, nebenbei dem "Limper" eins auszuwischen. Alles andere wäre dumm und vermessen. <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Warum ich dennoch so völlig anders auf die Geschichte reagiert habe als auf <i>Goats of Glory</i>? Sehr einfach. Anders als bei Steven Eriksons Story hatte ich hier nie den Eindruck, einem zynischen Autor gegenüberzustehen. Ebensowenig einem, der besonders clever zu sein versucht. An keiner Stelle hatte ich das Gefühl, Glen Cook wolle mir irgendwelche Pseudo-Wahrheiten über die "menschliche Natur" verkaufen. Der Zynismus in <i>Tides Elba </i>ist der Zynismus Croakers, des Erzählers, und der scheint mir bei einem abgebrühten Berufssoldaten, der schon unzählige blutige Schlachten hinter sich hat, völlig nachvollziehbar. Vertreter*innen der Grim & Gritty missbrauchen den Begriff des "Realismus" oft genug, um damit ihre eigene Misanthropie zu kaschieren. Hier jedoch erscheint er mir angebracht. <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Ob ich zum Rest der Geschichten aus <i>Swords & Dark Magic </i>noch einmal etwas schreiben werde, kann ich nicht versprechen. Das hängt halt auch davon ab, ob sie mir dafür interessant genug erscheinen. <br /></span></div><div><p><br /></p><p style="text-align: justify;">(1) Apropos: Mit <span style="font-size: small;"><i>Dzur </i>(2006) und <i>Jhegalaa </i>(2008) erschienen zu dieser Zeit auch zwei neue Romane von Brust. Doch aus irgendwelchen mir unverständlichen Gründen werden die <i>Vlad Taltos </i>- Bücher fast immer ignoriert, wenn es um Sword & Sorcery geht.</span></p><p style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">(2) Ob die Grim & Gritty ein eigenes Subgenre oder nicht vielmehr eine bestimmte Sichtweise darstellt, die sich in allen möglichen Genres finden lässt, ließe sich sicher kontrovers diskutieren. Wie Alessandra Reß weiland in einem ihrer <a href="https://www.tor-online.de/magazin/fantasy/grimdark-fantasy-alles-was-du-ueber-das-genre-wissen-musst" target="_blank">Artikel</a> für <i>TOR Online </i>geschrieben hat:<i> "</i></span><i>Auch wenn Grimdark inhaltlich oft der Low Fantasy ähnelt,
sogar als dessen Weiterentwicklung diskutiert wird, ist er
grundsätzlich in nahezu allen phantastischen Subgenres zu finden. Damit
wird er – ähnlich wie die Dark Fantasy – weniger durch seine
Handlungsstrukturen, sondern mehr durch die düster-brutale Grundstimmung
definiert.</i>" </p></div>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-74010165706269853082023-12-17T12:47:00.000-08:002023-12-17T13:31:03.981-08:00Reread-Gedanken<p style="text-align: justify;">Vor drei Tagen hat Alessandra im Rahmen ihres Throwback-KoFi-Adventskalenders (dessen bisherige Teile man auf ihrem Blog <i>FragmentAnsichten</i> <a href="https://fragmentansichten.com/2023/12/01/throwback-adventskalender-auf-ko-fi/" target="_blank">hier </a>aufgelistet findet) hinter <a href="https://ko-fi.com/post/Throwback-Turchen-14-Klassiker-K3K2S6VVG" target="_blank">Türchen 14</a> unter der Überschrift "Klassiker" u.a. ein paar Worte über unsere alljährlichen gemeinsamen <a href="https://www.blogger.com/blog/posts/7623898635863173913?q=label%3Areread" target="_blank">Rereads</a> verloren. Was mich sehr gefreut hat, bedeutet mir unsere kleine Tradition des regelmäßigen Gedankenaustausch doch viel und bereitet mir jedes Mal großen Spaß. Ihr Beitrag hat mich nicht nur dazu animiert, endlich mit der (Lese)vorbereitung für unsere nächste Diskussionsrunde zu beginnen. (Es wird ja auch wirklich langsam Zeit.) Er hat mich auch an eine kuriose Erkenntnis erinnert, die ich bei unserem allerersten Reread vor vier Jahren gemacht hatte. </p><p style="text-align: justify;">Dabei war es um Joy Chants kurzen Roman <i>Wenn Voiha erwacht </i>(<i>When Voiha Wakes</i>) gegangen (<a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2019/12/klassiker-wiederentdecken-ein-gesprach.html" target="_blank">Teil 1</a> / <a href="https://fragmentansichten.com/2019/12/16/klassiker-wiederentdecken/" target="_blank">Teil 2</a>). Meine letzte Lektüre des Buches lag damals über zehn Jahre zurück. Und ich war felsenfest überzeugt davon, dass eines seiner zentralen Motive der Übergang von einer eher kollektivistischen zu einer individualistischen Kultur war. Die Kunst als Ausdrucksform einer erwachenden menschlichen Persönlichkeit, die sich nicht länger primär als Teil einer von der Tradition geformten Gemeinschaft sieht. Doch als ich nun <i>Wenn Voiha erwacht </i>erneut las, musste ich zu meinem Erstaunen feststellen, dass es für eine derartige Interpretation kaum handfeste Belege im Text gab. Ganz offensichtlich hatte ich etwas in das Buch hineingelesen, was sich dort nicht wirklich befand. Eine eigenartige Erfahrung. Wie hatte das passieren können?</p><p style="text-align: justify;">Wäre es möglich, dass meine damalige Herangehensweise an Literatur dafür verantwortlich war? Besaß ich zu jener Zeit die Tendenz, in Büchern einen Widerhall meiner eigenen Weltanschauung finden zu wollen? Um sie auf diese Weise quasi vor mir selbst zu rechtfertigen?</p><p style="text-align: justify;">Ich denke, das könnte tatsächlich mit einer der Gründe gewesen sein. Und hoffe zugleich, dass das nicht länger der Fall ist. Womit ich nicht gesagt haben will, dass ich inzwischen "ideologisch unbeeinflusst" oder "neutral" an Literatur herangehen würde. Das tut niemand. Die Frage ist bloß, wie strukturiert und bewusst die "ideologische Linse" ist, durch die man ein Buch betrachtet. Die "Linse" selbst wird immer da sein. Aber im Idealfall dient sie dazu, den Blick für bestimmte Details und Zusammenhänge zu schärfen. Auf keinen Fall sollte sie zu einem Zerrbild führen, das dem Verlangen entsprungen ist, ein literarisches Werk in ein bestimmtes vorgefasstes Schema zu pressen oder für die eigene Ideologie zu vereinnahmen.<br /></p><p style="text-align: justify;">So gesehen bin ich besonders gespannt auf den nächsten Klassiker-Reread mit Alessandra. Denn auch von dem Werk, das wir uns diesmal vorgenommen haben, spukt eine ziemlich konkrete Interpretation in meinem Kopf herum. Wird sie sich als ebenso haltlos erweisen wie damals bei <i>Wenn Voiha erwacht</i>? Ich hoffe natürlich, dass dem nicht der Fall sein wird. Aber man wird abwarten müssen.</p><p style="text-align: justify;">Zugleich hat mich das aber auch auf die Idee gebracht, dass ich mich im nächsten Jahr außerdem mal an den persönlichen Reread eines Buches machen könnte, bei dem es ebenfalls so ausschaut: Naomi Mitchisons <i>Kornkönig und Frühlingsbraut </i>(<i>The Corn King and The Spring Queen</i>). In meinem Gedächtnis lebt dieser erstmals 1931 veröffentlichte und leider wohl ziemlich in Vergessenheit geratene Klassiker der historischen Phantastik nämlich als eine Art epische Allegorie auf die Menschheitsgeschichte fort -- von der Geburt der Klassengesellschaft bis zur Kommunistischen Revolution (und ihrem Scheitern). Und es würde mich ja schon interessieren, ob dieses Bild dem Roman tatsächlich gerecht wird. Mal ganz abgesehen davon, dass ich ihn als eine faszinierende Lektüre in Erinnerung habe, die aufzufrischen sich ohnehin lohnen würde. Auch habe ich das Gefühl, dass die schottische Schriftstellerin zu einer Gruppe von frühen Fantasyautorinnen gehört, die in der Szene immer noch viel zu wenig bekannt sind. Mit Anthologien wie <i>Sisters of Tomorrow</i>, <i>The Future is Female! </i>und <i>Rediscovery </i>ist es in den letzten Jahren zwar zu einer erfreulichen Wiederentdeckung früher Autorinnen der amerikanischen Science Fiction gekommen. Doch konzentrieren sich diese Bände fast völlig auf Stories, die in den einschlägigen Magazinen der 20er-60er Jahre veröffentlicht wurden, wobei der Blick kaum je über die Grenzen des SciFi-Genres (und der Vereinigten Staaten) hinausschweift. Das ist nicht als Kritik an Herausgeber*innen wie Lisa Yaszek und Gideon Marcus gemeint, die mit der Zusammenstellung dieser Anthologien großartige Arbeit geleistet haben. Doch naturgemäß bleiben dabei phantastische Autorinnen wie <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2016/07/ein-halb-vergessener-klassiker.html" target="_blank">Hope Mirrlees</a> (<i>Lud-in-the-Mist</i> [1926]), Sylvia Townsend Warner (<i>Lolly Willowes </i>[1926]), Evangeline Walton (<i>The Virgin and the Swine</i> [1936]) oder eben Naomi Mitchison ausgeblendet. Und daran sollte sich mal etwas ändern, finde ich. <br /></p>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-12934407350086043672023-11-24T11:10:00.000-08:002023-12-31T13:13:48.013-08:00Nachtrag zu Eleanor Scott<p style="text-align: justify;"><b>In meinem letzten <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2023/10/randalls-round-und-die-ursprunge-des.html" target="_blank">Blogpost</a> hatte ich angekündigt, dass ich mich in einem zweiten Beitrag den übrigen Geschichten aus <i>Randalls Round </i>zuwenden und dabei auch einen etwas genaueren Blick auf die Autorin Eleanor Scott werfen wolle. Erstaunlicherweise habe ich diesen Artikel dann sogar tatsächlich geschrieben. Hier ist er. </b> <br /></p><p style="text-align: justify;">Wie Dr. Vicky Margree, Verfasserin von <i><span class="book-title" id="scope_book_title" itemprop="name">British Women’s Short Supernatural Fiction, 1860–1930: </span></i><span class="book-title" id="scope_book_title" itemprop="name"><i>Our Own Ghostliness</i>, in ihrem <a href="https://www.mrjamespodcast.com/2023/05/episode-94-exploring-eleanor-scott-with-vicky-margree-and-dan-orrells/" target="_blank">Gespräch </a>mit Will Ross & Mike Taylor von <i>A Podcast to the Curious </i>erzählt,
ist unser Wissen um Eleanor Scotts Leben und ihre schriftstellerische
Karriere unglücklicherweise bruchstückhaft und ungenau. Zum einen, da
ihr Werk lange Zeit weitgehend in Vergessenheit geraten war. Zum
anderen, weil Helen Leys unter einer ganzen Reihe von Pseudonymen
veröffentlichte und die Zuordnung einiger Geschichten bis heute nicht
vollständig geklärt ist. So enthält z.B. die <i>British Library </i>- Ausgabe von <i>Randalls Round </i>im Anhang mit <i>Unburied Bane </i>und <i>The Menhir </i>zwei Stories, die unter dem Namen "N. Dennett" 1933/34 in Charles Birkins Anthologien-Reihe <i><a href="https://isfdb.org/cgi-bin/pe.cgi?30310+None" target="_blank">Creeps</a> </i>erschienen sind, doch von dem Experten Richard Dalby aufgrund stilistischer Ähnlichkeiten der Autorin zugesprochen wurden. </span></p><div style="text-align: justify;">Helen
Madeline Leys wurde 1892 als Tochter von John Kirkwood Leys und Ellen
(Holligan) Leys in Hampton Hill (Middlesex) geboren. Ihr Vater hatte
sich nach einer erfolglosen Karriere als Rechtsanwalt ("barrister") der
Schriftstellerei zugewandt und eine ganze Reihe recht erfolgreicher
"Sensationsromane" mit Titeln wie <i>The Black Terror </i>und <i>A Wolf in Sheep's Clothing </i>veröffentlicht.
Doch spielte ihre Mutter -- in Barbados geborene Tochter eines
Kolonialbeamten und allem Anschein nach eine sehr selbstbewusste
Persönlichkeit -- die wichtigere Rolle für ihre Erziehung. Zumal der
Vater bereits 1909 verstarb. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">John
Kirkwood Leys war einige Jahre vor seiner zweiten Heirat 1889 zum
Katholizismus konvertiert. Ein wichtiges Detail, war der tief in den
Traditionen des englischen Protestantismus verwurzelte Hass auf die
"Papisten" zu dieser Zeit doch immer noch sehr lebendig. Leys musste
nach seinem Übertritt zur römischen Kirche das Sorgerecht für seine
Kinder aus erster Ehe gerichtlich gegen die eigene Familie verteidigen.
Helen und ihre zwei Jahre ältere Schwester Mary wurden offenbar ganz im
Glauben ihres Vaters erzogen. Spuren dessen werden wir werden auch in
den Spukgeschichten wiederfinden.<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Ein Nachruf auf Mary Dorothy Rose (M.D.R.) Leys, der am 8. September 1967 in der <i>Times </i>erschien, <a href="https://www.wikitree.com/wiki/Leys-85" target="_blank">erwähnt</a>: "<i>the family was too poor to afford school fees</i>". Um so bemerkenswerter, dass es beiden Schwestern gelang, Zugang zu einer akademischen Ausbildung zu erlangen. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Mary konnte dank eines Stipendiums ab 1911 moderne Geschichte am<i> Somerville College</i> studieren, einem der ersten zwei Frauencolleges von Oxford, das anders als <i>Lady Margaret Hall </i>auch Nicht-Anglikanerinnen offen stand. Ab 1919 begann sie selbst Geschichte in der <i>Society of Oxford Home-Students </i>zu unterrichten, aus der später das <i>St. Anne's College </i>wurde. Ab 1938 war sie dort Vice-Principal. M..D.R. Leys war stark engagiert in der <a href="https://cv5test.catholic-heritage.net/Record.aspx?src=CalmView.Catalog&id=ABSI%2FWS%2F2" target="_blank"><i>Catholic Social Guild</i></a>.
Die 1909 gegründete Organisation hatte sich der Förderung einer
katholisch geprägten Sozialpolitik und Sozialwissenschaft verschrieben.
Seit 1921 unterhielt sie das <i>Catholic Workers College </i>in Oxford,
an dem Arbeiter eine Ausbildung im Sinne der katholischen Soziallehre
erhielten, mit dem erklärten Ziel, auf diese Weise eine Konkurrenz zur
sozialistisch ausgerichteten Führung der britischen Arbeiterbewegung
aufzubauen. M.D.R. Leys schrieb mehrere Bücher für die <i>Guild</i> und auch der Titel ihres ersten "professionell" verlegten Werkes -- <i>Men, Money and Markets </i>(1936) -- verrät sehr deutlich ihr Interesse an politisch-ökonomischen Fragen. In späteren Jahren verfasste sie u.a. eine <i>History of the English People </i>(1950), eine <i>History of London Life </i>(1958)
und eine Sozialgeschichte der Katholiken in England (1961), wobei sie
immer wieder mit ihrer Schwägerin, der Historikerin <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Rosamond_Joscelyne_Mitchell" target="_blank">Rosamond Joscelyne Mitchell</a>, zusammenarbeitete.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Helen
Leys' Karriere war nicht ganz so glanzvoll. Und leider sind die mir
zugänglichen Informationen über ihren akademischen wie beruflichen
Werdegang noch bruchstückhafter als bei ihrer Schwester. Auch sie
studierte am <i>Somerville College</i>. Vicky Magree erklärt, dass
sie zu einem der allerletzten Jahrgänge von Studentinnen gehört haben
muss, die keinen offiziellen Abschluss in Oxford machen konnten. Ihr
Studium glich zwar weitgehend dem ihrer männlichen Kommilitonen und sie
legten auch die selben Prüfungen ab, doch erhielten sie am Ende kein
Diplom. Selbst wenn sie bessere Leistungen erbrachten als sämtliche
männlichen Studenten ihres Jahrgangs, was wiederholt vorkam. Das änderte
sich erst 1920 nach<a href="https://www.history.ox.ac.uk/article/a-short-history-of-womens-education-at-the-university-of-oxford" target="_blank"> jahrzehntelangen Kämpfen und Reformbemühungen</a>. </div><div style="text-align: justify;">Anders
als ihre Schwester schlug Helen keine akademische Laufbahn ein, sondern
arbeitete zuerst als Lehrerin. Schon bald wechselte sie in die
Lehrerinnen-Ausbildung und wurde schließlich Direktorin ("Principal")
einer entsprechenden Lehranstalt in Oxford. Allerdings gibt das "England
and Wales Register" von 1939 ihren Beruf <a href="https://www.wikitree.com/wiki/Leys-89" target="_blank">offenbar</a> als "Travelling Lecturer" an. Was bedeuten könnte, dass sie diesen Posten inzwischen wieder aufgegeben hatte. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Das würde angesichts ihres ersten veröffentlichten Romans nicht überraschen. <i>War Among Ladies </i>erschien 1928 im Verlag von Ernest Benn. Das Buch zeichnet ein <a href="https://shinynewbooks.co.uk/war-among-ladies-by-eleanor-scott" target="_blank">denkbar düsteres Bild</a>
von Englands höheren Mädchenschulen und den sozialen Verhältnissen,
unter denen die dort arbeitenden Lehrerinnen zu leben gezwungen waren.
Dabei benutzte Helen Leys zum ersten Mal das Pseudonym Eleanor Scott,
vermutlich auch, um sich vor möglichen Folgen für ihre berufliche
Laufbahn zu schützen. Freilich war mit <i>The Room </i>eine der Geschichten aus <i>Randalls Round</i>, das ein Jahr später bei dem selben Verlag erschien, sechs Jahre zuvor bereits einmal unter ihrem richtigen Namen im <i>Cornhill Magazine </i>abgedruckt
worden, was sie im Vorwort zu dem Sammelband auch ausdrücklich erwähnt.
Mit etwas Mühe hätte man die Identität der Autorin also durchaus
ermitteln können.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Im selben Vorwort schreibt Eleanor Scott, die in dem Buch gesammelten Stories seien "<i>at different times and under all sorts of conditions</i>" geschrieben worden, doch "<i>all had their origin in dreams</i>". Mehr verrät sie uns leider nicht über ihre Entstehung. Kein Wort über literarische Einflüsse oder Vorbilder. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Scotts erneute "Wiederentdeckung"* nahm ihren Anfang 1987 mit dem Neuabdruck ihrer Story<i> Celui-Là </i>in der von Rosemary Pardoe und Richard Dalby herausgegebenen <i>Ghosts & Scholars </i>-Anthologie <i>Ghost Stories in the Tradition of M.R. James</i>.
Und auch wenn das sicher nicht die Absicht der beiden Herausgeber
gewesen war, rückte es die Schriftstellerin von Anfang an in eine etwas
unglückliche Position. Bis heute wird sie gar zu oft in erster Linie als
M.R. James - Epigonin gesehen. Was ihr ganz sicher nicht gerecht wird.
Auch wenn der Einfluss Montys auf einige ihrer Geschichten unverkennbar
ist. Was angesichts von dessen Popularität aber kaum überraschen dürfte.</div><p></p><p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgdjhaQbsuyFmNyx9oHowi9snFBE0YwPFQhLmVR_nT6j_9bR4OFBANF2du3SitMhCeFy9nisfPj6kLepawBEKEDhycFbvzOmz5G-vE_W7kdL2iSvlnigplceAD5fQC0bSja-fOBpXsKP9pHPo8X94j79QKS2WU_p9lbMKgaJNdflRoVRWVlat23zusX3g8/s600/randall06.jpg" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="600" data-original-width="410" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgdjhaQbsuyFmNyx9oHowi9snFBE0YwPFQhLmVR_nT6j_9bR4OFBANF2du3SitMhCeFy9nisfPj6kLepawBEKEDhycFbvzOmz5G-vE_W7kdL2iSvlnigplceAD5fQC0bSja-fOBpXsKP9pHPo8X94j79QKS2WU_p9lbMKgaJNdflRoVRWVlat23zusX3g8/w274-h400/randall06.jpg" width="274" /></a></div><br /><div style="text-align: justify;">Insbesondere zwei der in <i>Randalls Round </i>versammelten Stories besitzen einen sehr deutlichen James-Vibe. <i>The Twelve Apostles </i>erinnert stark an <i>The Treasure of Abbot Thomas</i>, während <i>Celui-Là </i>durch Setting und Atmosphäre Reminizenzen an <i>Oh Whistle And I'll Come To You, My Lad </i>wachruft. Aber selbst diese beiden sind mehr als bloß gelungene Pastiches. So beginnt <i>Twelve Apostles </i>mit
einem amerikanischen Millionär, der sich ein englisches Herrenhaus
kaufen will, aber darauf besteht, dass es in demselbigen gefälligst zu
spuken hat. Ohne Gespenst ist es ihm offenbar nicht "authentisch" genug.
Bei so einem Auftakt würde man vielleicht erwarten, eine Geschichte im
Stile von Oscar Wildes <i>Canterville Ghost </i>erzählt zu bekommen.
Doch der satirische Unterton verschwindet sehr schnell und im weiteren
Verlauf geht es dann um den Schatz eines Alchimisten aus
elisabethanischer Zeit, das Entschlüsseln kryptischer Informationen und
eine Monsterschnecke! Letztere könnte von E.F. Bensons <i>Negotium Perambulans </i>inspiriert
worden sein, aber die Kombination all dieser Elemente ist dennoch recht
originell. Auch fällt auf, dass der Protagonist sein Überleben am Ende
einem Kruzifix verdankt. So etwas ähnliches gibt es zwar auch in <i>Canon Alberic's Scrap-Book </i>von M.R James, aber da in <i>Celui-Là </i>die
Rettung gleichfalls von göttlicher Seite kommt, darf man darin wohl
mehr als eine bloße Genre-Konvention sehen. Zumal es hier dann sogar ein
katholischer Priester ist, der die übernatürliche Bedrohung mit seinen
Gebeten und Segenssprüchen zu bannen versteht. Und dass Protagonist
Maddox den bretonischen Pater, bei dem er zu Gast ist, zuvor als
"bäurisch", "ungebildet" und "abergläubisch" belächelt und nicht recht
ernstgenommen hat, verleiht dem Ganzen noch eine zusätzliche Note. Ich
denke, hier spielt auf jedenfall etwas vom religiösen Glauben der
Autorin selbst mit hinein. Und vielleicht auch von der Erfahrung, die
sie als Katholikin in einem so stark anglikanisch geprägten Umfeld wie
Oxford gemacht haben mag.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Personen
aus der universitären Welt von Oxford spielen in einer ganzen Reihe der
Geschichten eine wichtige Rolle. Dabei fällt auf, dass es sich dabei
anders als bei M.R. James nie um Dozenten oder ausgewachsene Gelehrte
handelt (außer in Nebenrollen), sondern stets um Mitglieder der
Studentenschaft. Darin spiegelt sich selbstverständlich die
unterschiedliche Erfahrung wider, die Autor und Autorin mit dem Leben an
der Universität gemacht hatten.<i> <br /></i></div><div style="text-align: justify;"><i> </i></div><div style="text-align: justify;"><i>The Room </i>ist
sicher die Erzählung, die mich am wenigsten angesprochen hat. Denn
genau genommen handelt es sich bei ihr nicht wirklich um eine
unheimliche Geschichte, auch wenn ein Zimmer, in dem es angeblich spuken
soll, eine wichtige Rolle darin spielt. Eine Clique von
Oxford-Studenten schließen eine Wette ab, nacheinander in besagtem
Zimmer zu übernachten und im Anschluss daran von ihren Erlebnissen zu
berichten. Und bis auf einen werden sie auch tatsächlich alle von
grauenhaften Visionen heimgesucht, die sie zutiefst erschüttert und
verstört zurücklassen. Doch diese Visionen sind eigentlich moralische
Lektionen. Im Grunde geht es in <i>The Room </i>darum, wie
unterschiedliche soziale Typen ihr Comeuppance erhalten. Und das ist
nicht der Typ Geschichte, den ich besonders spannend finden würde. Das
interessanteste an der Erzählung ist, dass sie uns einen kleinen
Einblick in Eleanor Scotts eigene Wertvorstellungen eröffnet. So
bekommen sowohl der hedonistische "Sensualist" als auch der fanatische
Frömmler, der am liebsten persönlich Gottes Strafe an allen Sündern
vollziehen würde, ihr Fett weg. Der einzige, der ungeschoren davon
kommt, ist der gutmütige und beinah etwas naiv-kindlich wirkende Reece.
Auffällig ist außerdem, dass sich eine der Diskussionen in der Clique am
Schicksal der Dienerin Lily entfacht, "<i>who used to wait at dinner</i>"
(im College?) und ihre Anstellung verloren hat, nachdem sie (vermutlich
von einem Studenten) geschwängert wurde. Das Ganze zeichnet das wenig
anziehende Bild einer Männergesellschaft, in der Frauen nur als Objekte
existieren -- des Mitleids, der Verachtung oder des sexuellen Begehrens.
Und natürlich spielt dabei auch ein Element des Klassen-Snobismus mit
hinein.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><i>The Room </i>ist
damit sicher das beste Beispiel für den kritischen Blick auf die
männliche Studentenschaft, den Vicky Magree in dem eingangs erwähnten
Gespräch hervorhebt. Allerdings fällt auf, dass das Bild, das Eleanor
Scott am Beginn von <i>The Old Lady </i>vom Milieu der Oxforder Studentinnen zeichnet, auch nicht unbedingt schmeichelhaft ist.</div><div style="text-align: justify;">Honor
Yorke, Protagonistin und Ich-Erzählerin der Geschichte, ist zwar noch
relativ neu an der Universität und gehört als Irin (und damit auch
Katholikin?) eigentlich zu einer Gruppe, der man nicht selten mit
Rassismus begegnet, scheint aber dennoch problemlos Aufnahme in die
"angesagten" Kreise gefunden zu haben. Mit ihrer Kommilitonin Maude
schließt sie eine ziemlich grausame Wette ab. Sie erklärt, dass es ihr
gelingen wird, sich mit der Außenseiterin Adela "anzufreunden", ihr
Vertrauen zu gewinnen und in den nächsten Semesterferien zu ihrer
Familie eingeladen zu werden. Adela ist extrem schüchtern, verängstigt
und verschlossen:</div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>She
looked permanently scared -- she hardly raised her voice above a
whisper, and her remarks, when audible, were merely hurried agreements
with whatever the last speaker had said. She was silent whenever
possible; her very movements were furtive and rapid, as if she had to go
through the meal against time, and secretly.</i> </blockquote>Maude nennt sie verächtlich "<i>that washed-out little dishcloth</i>".</div><div style="text-align: justify;">Ganz
wohl fühlt sich Honor zwar nicht damit, die so hilflos und ungeschickt
wirkende junge Frau emotional zu manipulieren, aber letztlich ist es ihr
wichtiger, sich gegenüber Maude zu beweisen. In der Tat gelingt es ihr recht schnell, mit Hilfe vorgetäuschten Interesses eine Art "Beziehung" zu Adela aufzubauen. Und mit einigen ziemlich durchschaubaren Manövern auch die gewünschte Einladung von deren mysteriösem "Vormund" ("<i>guardian</i>") zu erhalten. Allerdings scheint die neue "Freundin" über letzteres alles andere als erfreut zu sein.</div><div style="text-align: justify;">Honor vermutet zuerst, dass der (weibliche)) "Vormund" eine extrem autoritäre Persönlichkeit sein muss und darin auch der Grund für Adelas Mangel an Selbstbewusstsein liegen könnte. Doch die Wahrheit stellt sich als sehr viel gruseliger heraus. Die "alte Dame" ist eine Art Hexe, die alle fünf Jahre ein Menschenopfer durchführen muss, um sich ihre unnatürliche Langlebigkeit zu erhalten. Die Vormundschaft über Adela und ihre Brüder hat sie sich verschafft, um sich einen leicht zugänglichen und möglichst wehrlosen Nachschub zu sichern. Doch inzwischen ist der beinahe aufgebraucht. Am nächsten Mittsommer ist Adela an der Reihe. Wenn sie nicht einen Ersatz beschaffen kann ...</div><div style="text-align: justify;">Ich finde es schwer zu bestimmen, ob Honor inzwischen ehrliche freundschaftliche Gefühle für ihre Kommilitonin entwickelt hat. Der Text bleibt da offen für unterschiedliche Interpretationen. Doch auf jedenfall überlässt sie die junge Frau nicht einfach ihrem Schicksal und sucht das Weite. Obwohl ihr das durchaus möglich wäre. Vielmehr begibt sie sich in die irische Heimat und berät sich dort mit ihrem Bruder Conal und einem "<i>wise man</i>". Eine nette kleine Anspielung auf die irische Tradition der "Fear Feasa". Mit dem nötigen Wissen und tatkräftiger Unterstützung ausgestattet kehrt Honor zur Mittsommernacht zurück, um der "alten Dame" ein für alle mal das Handwerk zu legen. <br /></div><div style="text-align: justify;">Allein schon die beiden Hauptfiguren und ihre eigentümliche Beziehung machen <i>The Old Lady </i>zu einer der interesantesten Erzählungen in <i>Randalls Round</i>, auch wenn das Ende wie oft bei Eleanor Scott etwas hastig und antiklimaktisch wirkt. <br /></div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Vicky Magree vergleicht und kontrastiert <i>The Old Lady</i> mit <i>At Simmel Acres Farm</i>. Und auch wenn ich ihren Schlussfolgerungen nur bedingt zustimmen kann, macht das auf jedenfall Sinn, denn es existieren deutliche Parallelen zwischen den beiden Geschichten. Auch hier haben wir zwei Personen aus der Oxforder Studentenschaft, die eine eigenartige "Freundschaft" verbindet und die zusammen die Semesterferien verbringen, wobei eine von ihnen von finsteren Mächten aus der Vergangenheit ihrer Familie bedroht wird. </div><div style="text-align: justify;">Mit Norton und Markham haben wir es diesmal allerdings mit zwei männlichen Studenten zu tun, und auch ihre jeweilige Stellung in der sozialen Hierachie der Universität und damit die zwischen ihnen herrschende Dynamik ist im Grunde die umgekehrte. Ich-Erzähler Norton ist der Außenseitertyp. Er beschreibt sich selbst als "<i>dull and priggish</i>", erwähnt seine extreme Kurzsichtigkeit und mangelnde Sportlichkeit und erklärt: "<i>I haven't many friends of my own</i>". Markham hingegen ist das, was man im amerikanischen Jargon als "Jock" bezeichnen würde: "<i>[H]e was one of those large, vigorous people who live for Rugger </i>[Rugby] <i>and rowing</i>". Ihre Bekanntschaft basiert eigentlich bloß auf dem Umstand, dass sie Zimmernachbarn in ihrem College sind. Erst als Markham sich eine Sportverletzung zuzieht und längere Zeit das Bett hüten muss, kommen sich die beiden näher. Norton vermutet zwar, dass sein Kommilitone nur deshalb seine Gesellschaft sucht, weil er sich aufgrund seiner Invalidität unter den "<i>own hefty pals</i>" unwohl fühlt. Dennoch fühlt er sich offenbar geschmeichelt und sagt umgehend zu, als dieser ihn fragt, ob sie die Ferien gemeinsam verbringen wollen. <br /></div><div style="text-align: justify;">Also machen sie sich auf zu einem kleinen Dorf in den Cotswolds. Markhams Familie stammt aus dieser Gegend und offenbar hat er als Kind viel Zeit dort verbracht. Doch schon bei ihrer Ankunft wirkt er ungewöhnlich nervös und missmutig. Der ewig geduldige Norton entschuldigt das Verhalten seines "Freundes" wie stets mit dessen gehandicaptem Zustand. Und macht sich tagsdarauf umgehend auf die Suiche nach einem Ort, wo dieser zugleich die frische Luft genießen und sich körperlich schonen könnte. Und tatsächlich gibt es direkt neben dem Bauernhaus, in dem die beiden untergekommen sind, einen umfriedeten Garten. Allerdings scheint der bei den Einheimischen in einem etwas eigentümlichen Ruf zu stehen, weshalb ihn schon seit langem niemand mehr betreten hat. Norton lässt sich davon nicht abschrecken, und die Anlage ist zwar architektonisch etwas eigenartig, aber doch recht lauschig. Das eigenartigste Detail ist eine archaisch anmutende römische Büste, die in einer Nische steht, und vor der sich ein kleiner Brunnen befindet. </div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>The blank eye-sockets were rather large, oddly rounded at the corners, and had in consequence an expression of ruthlessness. The nose was too worn to be in any way remarkable, but the mouth had the most subtle expression -- at once cynical, suffering, cruel, undaunted and callous.</i> </blockquote>Schon bald zeigt sich, dass es wohl keine so gute Idee war, "Simmel Acres Plot" zu öffnen. Die Büste hat eine unheimliche Wirkung auf Markham. Sie weckt Erinnerungen in ihm, die er eigentlich überhaupt nicht haben dürfte und die irgendwie mit seinen Vorfahren zusammenhängen, über die er sagt: "<i>We come from these parts, you know ... used to have a big place in the eighteenth century, or something. Rather rips, I believe we were -- Hellfire Club and all that tosh ...</i>" Er bringt der Büste ein spöttisches "Trankopfer" dar. Und ganz allgemein wird sein Verhalten zunehmend erratisch. Erst hochfahrend, triumphierend und arrogant, dann melancholisch und verzweifelt. Norton hat das deutliche Gefühl, dass sein "Freund" in den Bann finsterer Mächte geraten ist.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Der "Hellfire Club" wird übrigens auch in <i>The Cure </i>erwähnt. Und während er hier zumindest als Hinweis auf die okkultistische (satanistische?) Vergangenheit von Markhams Familie dient, hat er dort keine richtige Funktion und passt nicht einmal wirklich zur Atmosphäre der Story. Für diese doppelte Nennung könnte es einen biographischen Hintergrund geben. Denn dem Zensus von 1911 <a href="https://www.wikitree.com/wiki/Leys-89" target="_blank">zufolge</a>, lebte Helen Leys damals zusammen mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern in "<i>Park View, Sands, High Wycombe, West Wycombe, Bucks</i>".
Also in der Nachbarschaft von Medmenham Abbey und der Höhlen von West
Wycombe, wo die Mitglieder von Sir Francis Dashfords "Order of the
Knights of St. Francis", dem man später den Namen "Hellfire Club"
verlieh, in den 1750er/60er Jahren ihre Zusammenkünfte abgehalten
hatten.* Schon im frühen 19. Jahrhundert wurden diese Örtlichkeiten zu
einer <a href="https://hellfiresecrets.wordpress.com/2013/09/02/ghosts-satanism-and-19th-century-tourism-at-west-wycombe/" target="_blank">Touristenattraktion</a>.
Auch hieß es schon bald, dass es dort spuken solle. Allerdings
konzentrierten sich die Geschichten, die man über den "Hellfire Club"
erzählte, lange Zeit auf die angeblichen sexuellen Ausschweifungen der Libertins.
Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhielten sie eine merklich
finsterere Färbung und man begann von satanistischen Ritualen zu
munkeln. Enstprechend veränderte sich auch der Charakter der
Gespenstergeschichten, die von "<i>local mystery mongers</i>" verbreitet wurden. Ich halte es nicht für so unwahrscheinlich, dass einige von ihnen auch der jungen Helen zu Ohren gekommen waren, weshalb sich der Name des berüchtigten "Clubs" möglicherweise besonders fest in ihr Gedächtnis eingeprägt hatte. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><i>The Old Lady</i> und <i>At Simmel Acres Farm</i> miteinander vergleichend, hebt Vicky Magree unter anderem den unterschiedlichen Charakter der Autoritäten hervor, an die sich die Protagonist*innen hilfesuchend wenden. Während Honor den Rat eines Vertreters volksmagischer (irischer) Traditionen einholt, sucht Norton am Ende die Unterstützung eines Oxford-Dons. Es stellt sich die Frage, welche Schlussfolgerungen man daraus ziehen soll. Wird damit eine "weiblich-intuitive" einer "männlich-rationalistischen" Herangehensweise gegenübergestellt? </div><div style="text-align: justify;">Anders als Honor gelingt es Norton nicht, seinen "Freund" zu retten. Besteht da ein Zusammenhang? Haben wir den gegensätzlichen Ausgang der beiden Geschichten irgendwie mit dem unterschiedlichen Geschlecht der beiden Hauptfiguren in Verbindung zu bringen?</div><div style="text-align: justify;">Ich muss zugeben, dass ich solchen Interpretationen eher skeptisch gegenüberstehe. Im Text selbst kann ich wenig finden, was dem als Grundlage dienen könnte. Norton zögert vielleicht etwas länger als Honor, bis er seine Rettungsaktion einleitet, aber das entspricht einfach seinem Charakter. Und ob der Universitätsgelehrte Markham hätte retten können oder nicht, wissen wir nicht, da die beiden schlicht zu spät in das kleine Dorf zurückkehren.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Insgesamt tue ich mich etwas schwer mit dem Ansatz von Vicky Magree (und Dan Orrells), die in Eleanor Scotts Geschichten einen "politischen", feministischen Subtext zu erkennen glauben. Von einigen wenigen Ausnahmen, wie bei <i>The Room</i>, einmal abgesehen, kann ich dafür kaum stichhaltige Indizien in <i>Randalls Round </i>entdecken. Natürlich dürfte die Sicht der Autorin von der Erfahrung, als Frau in einer extrem sexistischen Gesellschaft zu leben, mitgeprägt worden sein. Doch letztlich wissen wir einfach zu wenig über Helen Leys, um sagen zu können, ob sie daraus irgendwelche politischen Schlüsse zog -- und wenn, dann welche. Eine Lektüre von <i>War Among Ladies </i>wäre da vielleicht hilfreich. Aber auch Magree und Orrells scheinen den Roman nicht aus eigener Leseerfahrung zu kennen. Somerville College stand (zumindest vor dem 1. Weltkrieg) im Ruf, liberal und fortschrittlich zu sein. Chauvinistische Spötter nannten es gerne das "bluestocking college" und in den 1910ern positionierte es sich offen für das Frauenwahlrecht. Dass die Schriftstellerin mit entsprechenden politischen Theorien und Bewegungen vertraut war, wird man also mit einiger Sicherheit annehmen dürfen. Aber wie ihre eigene Einstellung zu diesen Fragen war, muss offen bleiben. Angesichts ihres katholischen Hintergrunds, mit dem sie anscheinend nie gebrochen hat, wird man wohl nichts gar zu radikales erwarten dürfen. Allerdings hat sie später zwei biographische Kinderbücher über <i>Adventurous Women </i>(1933) und <i>Heroic Women </i>(1939) geschrieben.<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Etwas überrascht hat mich, dass Vicky Magree und Dan Orrells in dem Podcast-Gespräch gerade die Geschichte aus <i>Randalls Round </i>kommentarlos übergehen, in der das Thema Frauenemanzipation am offensten angesprochen wird: <i>"Will Ye No' Come Back Again?".</i></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Annis Breck ist selbstständig, willensstark und eine (in bescheidenem Maßstab) erfolgreiche Geschäftsfrau mit einer Vergangenheit in der Suffragetten-Bewegung. Sie beschließt, ein "<i>hostel</i>" für junge Arbeiterinnen ("<i>working girls</i>") in Burley/Leeds einzurichten, und erwirbt dafür "Queen's Garth", ein Haus, von dem manche erzählen, das es dort spuken soll. Was der praktisch veranlagten Annis jedoch kein Kopfzerbrechen bereitet. <br /></div><div style="text-align: justify;">Es fällt mir nicht ganz leicht, zu bestimmen, was für ein Bild wir uns von der Protagonistin machen sollen. Was wir am Beginn der kurzen Geschichte über sie erfahren, stammt größtenteils "aus dem Mund" ihrer chauvinistischen Verächter. Und muss entsprechend skeptisch gesehen werden. </div><div style="text-align: justify;">Dasselbe gilt für das, was wir über die Geschichte von "Queen's Garth" zu hören bekommen:<i><blockquote>The
last of the original family, old Miss Campbell, was the only survivor
of a clan that had lived in the house ever since it was built in the
seventeenth century. They had apparently specialised in strong-minded
females, who had very occasionally condescended to marry, but had always
ruled with a rod of iron, having deep-seated suspicion of men and a
determination to keep them well under. How they had ever married at all
was a marvel; no doubt it had been entirely for practical, and never for
romantic, reasons.</blockquote></i> </div><div style="text-align: justify;">Ich denke schon, dass wir den Sexismus in der Charakterisierung der ehemaligen Bewohnerinnen als solchen erkennen sollen. Dennoch bin ich mir unsicher, wieviel hier die Stimme der männlichen Spötter und wieviel die der Erzählerin ist. Woran auf jedenfall kein Zweifel bestehen kann, ist, dass Annis Brick eine denkbar schlechte Meinung von Männern im allgemeinen hat. Das bekommen wir immer wieder auch aus ihrer Sicht erzählt. Ob sie das automatisch zur Karrikatur der "verbitterten, männerhassenden Feministin" macht? Schwer zu sagen. Dass ihre Bekannte Lucy Ferrars, "<i>an old friend of W.S.P.U. days</i>"** etwas lächerlich gezeichnet ist, lässt sich jedenfalls kaum leugnen. <br /></div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>Lucy was always getting up meetings and asking Annis to speak at them, and Annis was always irritatetd sooner or later by Lucy's absolute lack of the power to organise. Her meetings were never successful.</i> </blockquote>Annis ist sichtlich genervt von ihrer geschwätzigen und naiv-begeisterten Art und behandelt sie mit nur mühsam verborgener Verachtung. Selbst als sich ihre Gedanken den Mädchen zuwenden, die einmal in "Queen's Garth" wohnen sollen, sind diese wenig freundlich. Auch wenn sie dafür einmal mehr (und vielleicht nicht ganz zu unrecht) "die Männer" verantwortlich macht:</div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>Girls were what men had made them -- giddy, fickle, heartless. They had found that faith and loyalty and depth of feeling didn't pay -- thanks to men.</i> </blockquote>Nachdem Annis alleine in dem halb-renovierten Haus zurückgeblieben ist, kommt es schon bald zu einer Reihe unheimlicher Ereignisse. Aus dem Augenwinkel glaubt sie eine schmenhafte Gestalt wahrzunehmen. Dann ist ihr, als höre sie das leise Schluchzen eines Kindes (oder einer jungen Frau?). Beim Anblick der Sonnenuhr im Garten kommt ihr plötzlich der melancholische Vers "<i>Time flieth, hope dieth</i>" in den Sinn. Und tatsächlich findet sie eine verwitterte Inschrift desselben Inhalts auf dem Sockel. Im selben Augenblick überkommt sie das beunruhigende Gefühl, nicht länger allein hier zu sein. "<i>[S]he felt, as certainly as she had ever felt anything, that someone stood behind her, reading the words over her shoulder -- someone sneering, hating, despising her ...</i>" Der Eindruck vergeht zwar ebenso schnell, doch um ihre Nerven ist es immer schlechter bestellt. Schließlich hört sie die gespenstischen Klänge eines Spinetts, das eine ihr bekannte Melodie spielt. "<i>Will ye no' come back again?".</i> Eine bleierne Melancholie überkommt sie. Sie flieht in ihr Bett. Nur um etwas später mit einer Art verzweifelten Epiphanie wieder aufzuschrecken:</div><div style="text-align: justify;"><i></i></div><blockquote><div style="text-align: justify;"><i>What was it that had awakened her? Surely she had heard something. Was it a voice? A name, echoing in her ears? Or was it the spinet? -- "Will ye no' come back again?" "Time flieth, hope dieth." Yes -- and a girl -- a girl dressed in a frock of blue silk, patterned with tiny gay posies -- a girl at the spinet -- a girl by the sundial, tracing the sad old motto, while slow tears dropped on the stone slab -- a girl called Annis ...</i></div><div style="text-align: justify;"><i>The girl had her own face. She understood it now. And his name -- ah, how had she ever forgotten it? his name had been Richard ... </i></div></blockquote><div style="text-align: justify;"><i></i>Und mit diesen Worten endet die kurze Geschichte.</div><div style="text-align: justify;">Wie haben wir das alles zu interpretieren? Hat Annis Brick tatsächlich einmal in diesem Haus gelebt und all die unheimlichen Ereignisse waren bloß Ausdruck unterdrückter Erinnerungen? Oder geht hier tatsächlich der Geist einer anderen Annis um? Keins von beidem scheint mir eine wirklich befriedigende Erklärung zu sein. </div><div style="text-align: justify;">Ganz sicher jedoch soll uns das Ganze irgendetwas über die Persönlichkeit der Hauptfigur sagen. Aber was genau? Dass ihre tiefe Abneigung gegen Männer letztenendes auf eine enttäuschte Liebe aus ihrer Jugend zurückzuführen ist? Dazu würde passen, was sie früher in der Geschichte bei sich selbst gedacht hatte: "<i>Men! All alike! Just use women and throw them away -- forget they exist.</i>" Sollen wir darin dann auch den eigentlichen Beweggrund für ihr politisches Engagement und ihr Streben nach Unabhängikeit sehen? Und wenn dem so ist, will uns Eleanor Scott damit zugleich auch irgendetwas über die Frauenemanzipationsbewegung im allgemeinen sagen? Und wenn, was? Das Gefühl von Verzweifelung, das Annis gegen Ende immer mehr überkommt, legt zumindest nahe, dass wir in ihr eine zutiefst unglückliche Person sehen sollen. Will uns die Autorin damit sagen, dass eine Frau kein erfülltes Leben ohne einen Mann an ihrer Seite führen kann? Und dass das Streben nach Selbstständigkeit deshalb am Ende zu Unglück, Einsamkeit und Verzweifelung führen muss?</div><div style="text-align: justify;">Auch das könnte man dann natürlich noch unterschiedlich interpretieren. Eher wohlwollend im Sinne von: Die gesellschaftliche Ordnung und die sexistische Moral der Zeit erlaubten es einer Frau nicht, gleichzeitig ein selbstständiges Leben zu führen und in einer romantischen Beziehung zu sein. (Die Geschichte stellt männlichen Chauvinismus ja keineswegs positiv dar.) Oder aber: Das Streben nach Emanzipation mag zwar in Grenzen nachvollziehbar sein, verstößt letztenendes aber gegen die "weibliche Natur" und ihre tiefsten Bedürfnisse.<br /></div><div style="text-align: justify;">Doch ganz gleich wie man's dreht oder wendet. Am Ende hat <i>"Will Ye No' Come Back Again?" </i>einen ziemlich schalen Nachgeschmack bei mir hinterlassen. </div><div style="text-align: justify;"> <br /></div><div style="text-align: justify;">Es bleiben uns noch zwei Geschichten aus <i>Randalls Round</i>. <br /></div><div style="text-align: justify;"> <br /></div><div style="text-align: justify;"><i>The Tree </i>enthält zwar eine faszinierende Idee, wirkt aber eher
wie eine rasch hingeworfene Skizze: Ein Maler fällt unter den unheilvollen Einfluss einer
böartigen und rachsüchtigen Esche. Der Versuch seiner Ehefrau, den
Verfluchten zu retten, hat fatale Auswirkungen.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><i>The Cure </i>hatte ich bereits in meinem letzten Blogbeitrag als ein weiteres Beispiel für frühen Folk Horror erwähnt. Im Vergleich zu <i>Randalls Round </i>sind die Parallelen zu späteren Werken des Subgenres allerdings nicht so ausgeprägt. Auch wirkt die Geschichte etwas unfokussiert.</div><div style="text-align: justify;">Ich-Erzähler Spud wird von Freda, einer Freundin aus Kindheitstagen, darum gebeten, ihren Bruder Erik eine zeitlang bei sich aufzunehmen und ihm eine möglichst "unaufgeregte" Atmosphäre zu verschaffen, damit er sich von einer scheinbaren Nervenkrankheit erholen könne. Da Spud Landwirt (bzw. Gutsbesitzer) im ländlichen Sussex ist, sollte sein Wohnsitz Crow's Hall dafür eigentlich ideale Bedingungen bieten. Und da er ein zwar etwas ruppiger und nicht besonders fantasiebegabter, im Herzen aber gutmütiger Geselle ist, geht er umgehend auf ihre Bitte ein.</div><div style="text-align: justify;">Die Familie der Geschwister hat skandinavische Wurzeln. Erik, der anscheinend immer schon einen Hang zu "Fantastereien" hatte, entwickelte während seines Studiums in Oxford eine große Leidenschaft für nordische Folklore. Weshalb er sich im Anschluss daran nach Island aufmachte, "<i>to do reasearch into a dead life. Folklore and charms and dead religions and legends and things</i>". Dort muss irgendetwas geschehen sein, was ihn nervlich völlig zerrüttet zurückgelassen hat. Vermutlich im Zusammenhang mit dem nächtlichen Öffnen eines Hügelgrabs. Ein besonders obsessives Verhalten legt Erik im Zusammenhang mit einem Artefakt an den Tag, das er von seiner Expedition mitgebracht hat und nun in einer unscheinbaren Schachtel verborgen hält. Einerseits hütet er es eifersüchtig wie einen Schatz, andererseits scheint er es zu fürchten. Er selbst vergleicht sein Verhalten in einem ruhigeren Moment mit dem eines Alkoholikers.</div><div style="text-align: justify;">Unglücklicherweise erfahren wir nie, was sich in der Schachtel verbirgt. (Oder am Ende vielleicht doch?) Irgendwann wirft Erik sie während einer seiner Anfälle aus dem Fenster und sie wird nicht noch einmal erwähnt. Die Geschichte nimmt von diesem Punkt an eine deutlich andere Wendung. Isländische Hügelgräber spielen von nun an keine Rolle mehr. Was doch etwas irritiert. <br /></div><div style="text-align: justify;">Auch wenn die Wende nicht ganz unmotiviert erscheint. Spud ist zwar kaum die richtige Person, um Eriks Ängste zu verstehen, aber selbst ihm ist klar, dass sie mit dessen Obsession für den Norden verknüpft sind. Also nimmt er ihm das Versprechen ab, den ganzen "Island-Kram" erst mal hinter sich zu lassen. Er solle doch lieber versuchen, Frieden in der harmlosen Schönheit von Sussex zu finden: "<i>This isn't Iceland, you know. No icefields and barrows here. Only good farmed land and friendly country ...</i>" Erik geht darauf ein, auch wenn er dabei düster vor sich hin murmelt: "<i>It isn't only Iceland ... Its everywhere -- if you look ... But I wont't look. I'll chuck it. I will.</i>" Spud versteht natürlich nicht, was er damit meint. Aber für uns Lesende blitzt da erneut der Frazer'sche Grundgedanke der vergleichenden Mythologie auf, demzufolge sich hinter den Mythen und Bräuchen aller möglichen Kulturen im Grunde dieselben Ideen verbergen. Wenn Erik sich in der Folge immer mehr in die Geschichte der Region um Crow's Hall vertieft und unter dem Landvolk Nachforschungen darüber anstellt, "<i>why the valley behind Wether Down, where the mounds are, was called Kings Bottom"***</i>, ahnen wir deshalb auch, dass er nicht wirklich von seinen alten Obsessionen abgelassen hat. Dieselben dunklen Mächte, denen er in Island begegnet ist, ruhen auch unter den grünen Hügeln Englands.</div><div style="text-align: justify;">Trotz dieser Verknüpfung erscheint mir der Island-Part etwas überlang. Denn der spannendere Teil der Geschichte beginnt eigentlich erst jetzt. Er ist es auch, der die Verbindung zum Folk Horror schlägt. Interessanterweise verlieren wir Erik dabei für längere Zeit aus dem Auge. Nur einmal sehen wir ihn zusammen mit dem "Dorftrottel" Murky Glam auf dem Rand eines Dorfbrunnens hocken und wie in Trance in die Tiefe starren. Eine recht atmosphärische kleine Szene. Abgesehen davon hören wir nur von seinen ausgedehnten Streifzügen über die Hügel. Denn unser Erzähler hat viel zu viel mit dem Einbringen der Ernte zu tun, um sich noch groß um seinen wunderlichen Gast zu kümmern. </div><div style="text-align: justify;">Wenn wir dann erfahren, dass zu den Pflichten des Gutsbesitzers auch die Ausrichtung eines Erntedankfestes am 15. August gehört****, das mit dem Abbrennen eines großen "<i>bale-fire</i>" auf einem der Hügel von Kings Bottom ausklingt, ahnen wir vielleicht schon, in welche Richtung sich die Geschichte bewegt. Und wenn dann auch noch Spuds Fuhrmann Gibson davon erzählt, dass es alle sieben Jahre in Zusammenhang mit diesem Feuer zu einem mysteriösen Todesfall gekommen sein soll, kann eigentlich kaum mehr ein Zweifel bestehen: "<i>'Old folks they say it's the toll taken by <b>him</b>'. He jerked his thumb up at the mound.</i>" Es dürfte keine Überraschung sein, zu erfahren, wer diesmal das Opfer sein wird.</div><div style="text-align: justify;">Der Geschichte fehlt ein wenig die enge Anbindung an reale Formen des Brauchtums, wie wir sie in <i>Randalls Round </i>gesehen haben. Und für mein Gefühl ist durch das Islandmotiv nicht wirklich etwas dazugewonnen. Eriks Obsession hätte ebensogut von Anfang an englischer Folklore gehören können. Alles in allem ist <i>The Cure </i>die deutlich schwächere Story, wenn auch genrehistorisch sicher immer noch sehr spannend.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Insgesamt betrachtet war der Sammelband für mich eine zwar interessante, aber nicht überwältigende Lektüre. (<i>Randalls Round </i>selbst hatte ich vorher ja schon anderswo gelesen). Möglicherweise hat Helen Leys unter dem Pseudonym "P.R. Shore" außerdem noch zwei Kriminalromane mit den Titeln <i>The Bolt </i>(1929) und <i>The Death Film </i>(1932) geschrieben. Hunterprozentig sicher scheint die Autorschaft da nicht zu sein. Zu Horror oder Weird Fiction ist sie jedoch wohl nie wieder zurückgekehrt, wenn man von der möglichen Ausnahme der zwei zu Beginn genannten <span class="book-title" id="scope_book_title" itemprop="name">"N. Dennett" - Stories absieht.<br /></span></div><div style="text-align: justify;"> <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><p><br /></p>* Dashfords "Orden" war nur eine der im 18. Jahrhundert bestehenden Vereinigungen "freigeistiger" Vertreter (und teilweise auch Vertreterinnen) der Elite, denen man den Namen "Hellfire Club" verlieh. Von diesen aber sicher die bekannteste.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">** Die 1903 gegründete und von Emmeline und Christabel Pankhurst geführte<i> Women's Social and Political Union </i>sollte anfangs zwar hauptsächlich die Interessen von Arbeiterinnen vertreten, verwandelte sich aber schon bald in die bedeutendste und militanteste bürgerliche Suffragetten - Organisation, die sich fast völlig auf den Kampf um das Frauenwahlrecht konzentrierte. Die Kampagne der W.S.P.U. erreichte ihren Höhepunkt mit der Massendemonstration vom 21. Juni 1908 im Hyde Park. In der Folge wandte sie sich verstärkt "radikalen" Taktiken wie Hungerstreiks, Brandanschlägen etc. zu. Ihr unrühmliches Ende kam mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs. Die W.S.P.U. verwandelte sich in eine jingoistische Propagandavereinigung im Dienste des britischen Imperialismus, um sich 1917 schließlich offiziell aufzulösen.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">*** Ich bin mir nicht sicher, ob damit der reale Hügel <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Wether_Down" target="_blank">Wether Down</a> gemeint ist, welcher sich allerdings in Hampshire erhebt. Über "Kings Bottom" habe ich jedenfall nichts in Erfahrung bringen können. Aber immerhin scheint es in der näheren Umgebung ein Hügelgrab zu geben.<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">**** Der Text spricht von "<i>Lammas Night</i>", aber Lammas/Loaf Mass ist eigentlich der 1. August. <br /></div><p></p>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-81055892968641698862023-10-31T12:46:00.009-07:002023-11-02T13:54:35.409-07:00"Randalls Round" und die Ursprünge des Folk Horror<div><div style="text-align: justify;">Anfang des Jahres erreichte mich nach Monaten des Wartens endlich der von Richard Wells zusammengestellte und illustrierte Band <i><a href="https://www.amazon.de/-/en/Richard-Wells/dp/1800181825/ref=sr_1_1?crid=1WEKUVJHSZPKX&keywords=damnable+tales&qid=1697793446&sprefix=damnable+tales%2Caps%2C118&sr=8-1" target="_blank">Damnable Tales - A Folk Horror Anthology</a></i>. Er enthält dreiundzwanzig Geschichten, die jeweils mit einem wirklich exquisiten Linolschnitt versehen sind. Allein schon für letztere lohnt sich die Anschaffung.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Allerdings drängt sich beim Herumblättern die Frage auf, durch was genau sich diese Stories als "Folk Horror" qualifizieren, finden sich unter ihnen doch u.a. solche Klassiker wie Edith Nesbits <i>Man-Size in Marble</i>, Arthur Machens <i>The Shining Pyramid</i>, M.R. James' <i>The Ash-Tree</i>, Sakis <i>The Music on the Hill </i>und Walter de la Mares <i>All Hallows</i>. Das Vorwort von Benjamin Myers ist in dieser Hinsicht wenig hilfreich. Ausgehend von einem demoralisiert-dystopischen Bild der Gegenwart interpretiert es das wiedererwachte Interesse am "Folk Horror" als einen Ausdruck nostalgischer Sehnsucht nach einer "simpleren Zeit". Dabei versucht es gar nicht erst, eine klare Definition für das Subgenre zu liefern. Einzig eine besondere Beziehung zur "ländlichen Welt" wird vage angedeutet:</div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>They take place in worlds we recognize as once-removed from our realities. These are settings of our ancestors, and therefore are still carried somwhere deep within us now: remote villages and darkened lanes, lonely woodlands, obscure country houses and crumbling cemeteries. Places where the crepusculuar light is eternally fading and in which the inanimate or the dormant is slowly stirring.</i> </blockquote>Allerdings muss ich gestehen, dass es mir selbst sehr schwerfällt, konkret zu beschreiben, was "Folk Horror" in meinen Augen eigentlich genau ist. Mein spontanes Gefühl spricht zwar dagegen, dem Subgenre Werke des "goldenen Zeitalters" der viktorianischen und edwardianischen Geistergeschichte hinzuzuzählen, aber ich schließe nicht aus, dass das ein unbegründetes Vorurteil ist.<br /></div><p style="text-align: justify;"></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjQlqvjyN7Ai5hTokfNjkEGRhHffE4o2uVSclZ73H4h1t5UVwDv6s-kdn7GeVDHzEkMfWUfqYrjXXGU_ZPKU6omvZw0V9me9173RMv4_buSsnxXWztuTpacH_5977C98Lwxjn2pw8LqQT8D9lfrG3gwj80iNMX7P_SNfmTAdqhLxLdfVnS-_bY_Aps0JRs/s1575/damnable01.jpeg" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1575" data-original-width="1024" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjQlqvjyN7Ai5hTokfNjkEGRhHffE4o2uVSclZ73H4h1t5UVwDv6s-kdn7GeVDHzEkMfWUfqYrjXXGU_ZPKU6omvZw0V9me9173RMv4_buSsnxXWztuTpacH_5977C98Lwxjn2pw8LqQT8D9lfrG3gwj80iNMX7P_SNfmTAdqhLxLdfVnS-_bY_Aps0JRs/w260-h400/damnable01.jpeg" width="260" /></a></div><br /></div><div style="text-align: justify;">Der Begriff "Folk Horror" tauchte allem Anschein nach das erste Mal 1970 in einem <a href="https://www.horrorhomeroom.com/wp-content/uploads/2021/04/Folk-Horror-Study-from-Hemdale-Kine-Weekly-1970.pdf" target="_blank">kurzen Artikel</a> von Rod Cooper über die Dreharbeiten zu Piers Haggards <i>The Blood on Satan's Claw </i>(zu diesem Zeitpunkt noch <i>The Devil's Touch </i>genannt) auf, der in dem britischen Magazin <i>Kine Weekly </i>erschien.
Ob Cooper ihn selbst geprägt oder irgendwo anders aufgeschnappt hatte,
lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Weitere Verbreitung fand er
jedenfalls vorerst nicht. Allerdings benutzte Haggard selbst ihn 2004 in einem Interview mit <i>Fangoria</i>. Und von dort dürfte er auch in den zweiten Teil von Mark Gatiss' 2010 ausgestrahlter BBC4-Doku <i>A History of Horror </i>gelangt sein. Hiervon ausgehend begann er sich dann rasch in Genre- und Filmkreisen auszubreiten.<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Gatiss benutzte den Begriff zur Charakterisierung einer Handvoll britischer Horrorfilme der späten 60er und frühen 70er, deren Gemeinsamkeiten er so beschrieb: "<i>Amongst these are a loose collection of films which we might call
folk horror. They shared a common obsession with the British landscape,
its folklore and superstitions.</i>" Konkret ging es dabei um Michael Reeves' <i>Witchfinder General </i>(1968), Piers Haggards <i>The Blood on Satan's Claw </i>(1971) und Robin Hardys <i>The Wicker Man </i>(1973), die deshalb bis heute gerne als die "Unholy Trinity" des Genres bezeichnet werden. Folk Horror erschien damit zu Anfang nicht nur als ein primär filmisches, sondern auch als ein genuin britisches Phänomen. Zudem als eines, das erst in den späten 60er Jahren entstanden war.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Gatiss war es nicht darum gegangen, ein neues Subgenre zu prägen. Doch einmal in Verwendung war es naheliegend, den Begriff "Folk Horror" auf eine Reihe von britischen TV-Produktionen der selben Ära anzuwenden, die klare motivische Ähnlichkeiten mit der "Ur-Trio" aufweisen, wie die Alan Garner - Adaption <i>The Owl Service </i>(1969/70), <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2018/02/robin-redbreast-und-john-bowens.html" target="_blank"><i>Robin Redbreast</i></a> (1970), <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2012/10/happy-day_25.html" target="_blank">Children of the Stones</a> </i>(1976), das <i>Doctor Who </i>- Serial <i>The Dæmons</i> (1971) oder einige der klassischen M.R. James - Adaptionen der BBC wie Jonathan Millers <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2012/04/die-geister-der-klassengesellschaft.html" target="_blank">Whistle And I'll Come To You</a> </i>(1968) oder Lawrence Gordon Clarks <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2013/08/viermal-festlicher-grusel.html" target="_blank">A Warning to the Curious</a> </i>(1972) und <i>The Ash Tree </i>(1975). Ähnliches galt für einige weitere Kinofilme wie <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2013/03/der-fluch-einer-verrotteten-ordnung_9.html" target="_blank">Cry of the Banshee</a> </i>(1970) und <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2014/06/sooner-than-you-think-i.html" target="_blank">The Witches</a> </i>(1966). So weit war das alles noch relativ unproblematisch. Doch bereits die Aufnahme von J. Lee Thompsons <i>The Eye of the Devil </i>(1966) in den "Kanon" verletzt einige der ursprünglichen Kriterien. Die motivischen Parallelen zu <i>The Wicker Man </i>und <i>Robin Redbreast </i>sind zwar offensichtlich, doch obwohl auch dieser Film eine britische Produktion war, spielt die Handlung in Südfrankreich. Einige der Szenen wurden zwar in England gedreht, aber die zentrale Rolle, die der Weinbau in der Geschichte spielt, gibt ihm ein dezidiert "unenglisches" Flair.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Je gebräulicher der Begriff wurde, desto "offener" wurde er auch. Man denke nur an das sog. "Folk Horror Revival" der letzten zehn Jahre. Ben Wheatleys <i>A Field in England </i>(2013) fügt sich noch relativ gut dem ursprünglichen Konzept ein. Doch andere bekannte Beispiele wie Robert Eggers' <i>The Witch </i>(2015), Lukas Feigelfelds <i>Hagazussa </i>(2017),<i> </i>David Bruckners <i>The Ritual </i>(2017) oder Ari Asters <i>Midsommar </i>(2019) verlassen gänzlich den Boden Englands und seiner Folklore. Es braucht also eine allgemeiner gefasste Definition, wenn der Begriff nicht völlig verschwommen und beliebig werden soll.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Schon im September 2014 hatte Adam Scovell auf der ersten "Folk Horror Conference" an der <i>Queens University </i>in Belfast in einem Vortrag ein solches Definitionsmodell vorgestellt. Er nannte es die <a href="https://celluloidwickerman.com/2014/09/25/the-folk-horror-chain/" target="_blank">"Folk Horror Chain"</a>. Vier miteinander verknüpfte und aufeinander aufbauende motivische Elemente, die zusammengenommen das Phänomen "Folk Horror" beschreiben sollten, aber zugleich als eine Art Skala dienen konnten, um den Grad der Verwandtschaft einzelner Werke zum Subgenre zu bestimmen.</div><div style="text-align: justify;"><ol><li>Die Bedeutung von Landschaft und ländlichem Setting; <br /></li><li>Sich daraus ableitend die Isoliertheit einer dort ansässigen menschlichen Gemeinschaft;</li><li>Aus dieser ergibt sich wiederum ein in dieser Gemeinschaft herrschendes eigenartiges und "moralisch verzerrtes" ("<i>morally skewed</i>") Wertesystem;</li><li>Dieses Wertesystem findet seinen Ausdruck schließlich in einer dramatischen "Manifestation", bei der es sich um eine blutige Gewalttat, ein Opferritual oder die Beschwörung übernatürlicher Mächte handeln kann.<br /></li></ol></div><div style="text-align: justify;">Diese weitergespannte Definition erlaubt es ihm, auch Werke aus anderen Kulturkreisen, wie etwa Kaneto Shindos Filme <i>Onibaba </i>(1964) und <i>Kuroneko </i>(1968), unter den Begriff "Folk Horror" zu fassen. Und selbst einige völlig unerwartete Kandidaten wie Tobe Hoppers <i>The Texas Chainsaw Massacre </i>(1974) könnte man auf diese Weise dem Subgenre zurechnen.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Wie schon gesagt, bin ich mir selbst unsicher, wie man "Folk Horror" am besten definieren könnte. Scovells Ansatz scheint mir zwar ganz gut geeignet, dennoch frage ich mich, ob es wirklich soviel Sinn macht, Filme wie <i>The Texas Chainsaw Massacre </i>oder <i>The Blair Witch Project </i>(1999) durch die Folk Horror - Linse zu betrachten. Eröffnet sich dadurch tatsächlich ein neuer Zugang zu diesen Werken, der mit einem Erkenntnisgewinn verbunden ist? Ich bin mir nicht sicher. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Eine weitergefasste Definition des Subgenres ist sicher notwendig. Dennoch muss es nicht falsch sein, die "ursprünglichen" Folk Horror - Werke auch und vor allem im britischen Kontext ihrer Zeit zu betrachten. Dann erweisen sie sich nämlich als Teil einer sehr viel allgemeineren kulturellen Strömung. Einer verstärkten Hinwendung zu ländlichen Szenarien und der in ihr manifestierten (oder begrabenen) Geschichte, die man vor allem in den 70er Jahren beobachten kann. In seinem Artikel <i><a href="https://www.bfi.org.uk/sight-and-sound/features/pattern-under-plough-old-weird-britain-film" target="_blank">The pattern under the plough</a> </i>verknüpft Rob Young diese Tendenz mit dem Begriff des "old, weird Britain". Der Folk Horror lässt sich damit in ein filmisches Umfeld einfügen, das so unterschiedliche Werke umfasst wie Derek Jarmans <i>A Journey to Avebury </i>(1972), Alan Clarke & David Rudkins <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2013/01/englands-green-pleasant-land.html" target="_blank">Penda's Fen</a> </i>(1974), Peter Halls <i>Akenfield </i>(1974), David Gladwells <i>Requiem for a Village </i>(1975), Kevin Brownlows <i>Winstanley </i>(1975) und sogar die HTV-Serie <i>Arthur of the Britons </i>(1972/73) mit ihrer erdig-dörflichen Version der Artussage.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Die Konfrontation zwischen Stadt und Land war vor dem Hintergrund des Modernisierungsschubs der Nachkriegszeit und der damit einhergehenden immer weiteren Zersetzung traditioneller ländlicher Lebensformen und Gemeinschaften natürlich schon seit längerem ein Thema nicht nur in der filmischen Kunst gewesen. Wenn dieser Motivkomplex in den 70er Jahren eine besondere Intensität erreichte, lag dies an den politischen Entwicklungen der Zeit. </div><div style="text-align: justify;">Die 60er Jahre waren eine Ära der Reformen gewesen. Der Lebensstandard breiterer Schichten der arbeitenden Bevölkerung hatte sich merklich verbessert. Doch das Versprechen einer "zweiten industriellen Revolution", die anders als ihre Vorgängerin im Dienste der Allgemeinheit stehen sollte, wie es Labour-Führer Harold Wilson 1963 in Scarborough exemplarisch<a href="http://www.britishpoliticalspeech.org/speech-archive.htm?speech=165" target="_blank"> formuliert </a>hatte, war nicht in Erfüllung gegangen. Das Jahrzehnt endete vielmehr mit einem Ausbruch gewaltiger Klassenkämpfe, die ihren Höhepunkt 1974 mit dem Sturz der Tory-Regierung von Edward Heath erreichten. Was folgte war keine radikale gesellschaftliche Umwälzung, sondern eine sich qualvoll dahinschleppende allgemeine Krise. Wie es David Evans-Powell in seinem Artikel <i><a href="https://www.horrifiedmagazine.co.uk/television/haunted-landscapes-in-british-1970s-television/" target="_blank">Ghosts from the past, ghosts from the future: Haunted landscapes in 1970s British Television</a></i> beschreibt: "<i>It saw the country beset by strikes,
industrial malaise, states of emergency, and anxieties about social
permissiveness. Concerns about the sustainability of society and
culture – the basic elements of fuel, food, heat and light – were
raised by rampant inflation and rolling blackouts.</i>"
Labour verwaltete das ganze Elend und war offensichtlich unfähig, einen progressiven Ausweg zu eröffnen. Die dadurch hervorgerufene Verunsicherung fand ihren Ausdruck nicht allein in der Stärkung konservativer Tendenzen, die dann in der Thatcher-Ära zu ihrer ebenso vollen wie hässlichen Blüte gelangen sollten. Auch unter vielen von denen, die der bürgerlichen Ordnung kritisch gegenüberstanden, machte sich eine immer tiefere Skepsis gegenüber der Moderne, Technik, Industrie und "Fortschritt" breit. Unter diesen Umständen war es naheliegend, dass viele Künstler*innen ihren Blick vermehrt auf die (untergehende) Welt des ländlichen England richteten. Was nicht notwendigerweise ein nostalgisch geprägtes Ausweichen vor den Herausforderungen der Gegenwart bedeuten musste.
</div><div style="text-align: justify;">Brownlows <i>Winstanley </i>über den frühkommunistischen Vordenker der
Englischen Revolution und die Digger-Bewegung sticht in seinerm offenen Radikalismus sicher besonders hervor. Er steht noch ganz in der Tradition der rebellischen Counter Culture der 60er Jahre. Bezeichnenderweise wird der Anführer der anarchistischen Ranter von Aktivist <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Sid_Rawle" target="_blank">Sid Rawle</a>, dem "König der Hippies", gespielt. Aber der Film stellt keine einsame Ausnahme dar. Don Taylors <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2012/04/die-geister-der-klassengesellschaft.html" target="_blank">The Exorcism</a> </i>(1972) und John Bowens <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2018/02/robin-redbreast-und-john-bowens.html" target="_blank">A Photograph</a> </i>(1977) lassen sich meines Erachtens zwar nicht wirklich dem Folk Horror zurechnen, aber in beiden spielt das Aufeinandertreffen städtischer und ländlicher Welt eine wichtige Rolle, wobei ganz offen Klassenfragen thematisiert werden. Eher lehrstückhaft geht es in <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2019/02/pessimismus-utopie-in-groteskem-gewand.html" target="_blank">Stargazy on Zummerdown</a> </i>(1978) von Michael Furgeson & John Fletcher zu. Und Dorothea Brookings Kinderserie <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2012/10/ein-blindes-madchen-weie-pferde-und.html" target="_blank"><i>The Moon Stallion</i> </a>(1978), die sich ausgiebigst in Mythos und Folklore bedient, macht gleichfalls keinen Hehl aus ihrer politischen Botschaft. Das in meinen Augen gelungenste und faszinierendste Beispiel, das ich kenne, ist jedoch sicher David Rudkin & Alan Clarkes vielschichtige Phantastik-Meisterwerk <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2013/01/englands-green-pleasant-land.html" target="_blank">Penda's Fen</a> </i>(1974).</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Natürlich kann man nicht alle Vertreter dieser kulturellen Strömung über einen Kamm scheren. Aber auf die eine oder andere Weise scheinen sie mir alle etwas von der gesellschaftlichen Verunsicherung der Zeit widerzuspiegeln. Und es macht Sinn, die ursprünglichen Folk Horror - Filme ebenfalls unter diesem Blickwinkel zu betrachten. Adam Scovells Essay<i> <a href="https://celluloidwickerman.com/2016/08/08/rurality-in-folk-horror-and-the-films-of-david-gladwell/" target="_blank">Rurality in Folk Horror and the Films of David Gladwell</a> </i>enthält diesbezüglich einige sehr interessante Ideen und Beobachtungen. Wenn derselbe Scovell allerdings<i> </i>über<i> Witchfinder General </i><a href="https://celluloidwickerman.com/2014/09/25/the-folk-horror-chain/" target="_blank">schreibt</a>, "<i>Matthew Hopkins’ vile actions</i>" seien "<i>only really [...] possible in small communities isolated by the vast East Anglian broads</i>", scheint mir das eine einseitige Fokussierung im Interesse seines Definitionsmodells der "Folk Horror Chain" zu sein. Die ländliche Isoliertheit ist sicher ein wichtiges Element, aber meiner Ansicht nach wird das blutige Geschehen in Reeves' Film vor allem in den Kontext des Englischen Bürgerkriegs gestellt. Wie ich vor Jahren schon einmal in einem <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2012/12/horror-im-zeitalter-von-englands.html" target="_blank">Blogpost</a> etwas ausführlicher dargelegt habe, halte ich es nicht für einen Zufall, dass sowohl <i>Witchfinder General </i>als auch <i>Blood on Satan's Claw </i>im 17. Jahrhundert angesiedelt sind:</div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>In der Geschichte Englands war dieses Jahrhundert eine Ära tiefer
Umwälzungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens – von
Ökonomie, Politik und Religion bis hin zu Essgewohnheiten und
Kleidermoden. Wie Christopher Hill in seinem Buch <b>The Century of Revolution</b> sehr
anschaulich dargelegt hat, vollzog sich in ihm die Geburt des modernen
bürgerlichen England mit vielen seiner charakteristischen Züge. Und wie
jede Epoche revolutionärer Kämpfe und Konvulsionen war auch diese eine
Zeit großer Verunsicherung, in der Institutionen und Wertvorstellungen,
die für Jahrhunderte als unantastbar gegolten hatten, quasi über Nacht
umgestürzt wurden. Coleridge sprach von der "grand crisis of morals, religion and government". Um
bloß das offensichtlichste Beispiel zu nennen: Die Hinrichtung eines
Königs von Gottes Gnaden im Januar 1649 bedeutete den blutigen Bruch mit
einer uralten politischen und religiösen Tradition. Die Welt schien aus
dem Lot geraten, und eine neue gesellschaftliche, moralische und
geistige Ordnung musste sich erst allmählich herausbilden und
stabilisieren.</blockquote></i>Wie bewusst diese Verbindung den Machern der beiden Filme war, kann ich nicht sagen, aber dass viele Menschen im Großbritannien der späten 60er und der 70er Jahre das Gefühl hatten, in einer vergleichbar chaotischen Umbruchszeit zu leben, ist sicher nicht von der Hand zu weisen und scheint mir wichtig zum besseren Verständnis des ursprünglichen Folk Horror.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Auf welche Weise das Gefühl gesellschaftlicher Verunsicherung auch im dritten Bestandteil der "Unholy Trinity", dem in der Gegenwart angesiedelten <i>Wicker Man</i>, zum Ausdruck kommt, ist eine Frage, die ich vielleicht ein andermal ausführlicher diskutieren werde. Wie oft bei Kunstwerken, für die ich eine tiefe persönliche Bewunderung empfinde, schrecke ich auch bei Robin Hardys Film davor zurück, ihn hier im Detail zu besprechen. Zu groß ist die Befürchtung, ihm dabei nicht gerecht zu werden oder nicht ausreichend gut vermitteln zu können, was ich an ihm so großartig finde. Doch auf jedenfall ist <i>The Wicker Man </i>das vielleicht eindrücklichste Beispiel für ein Element, das sich zwar nicht in allen Folk Horror - Filmen findet, mir aber doch eine weitere äußerst wichtige Facette des Subgenres zu sein scheint: Der Rückgriff auf authentische (oder zumindest authentisch wirkende) folkloristische Elemente, wobei stets die Überzeugung mitschwingt, dass in diesem Brauchtum die Riten und Wertvorstellungen einer fernen Vergangenheit fortleben würden.* <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Damit knüpfen Filme wie <i>The Wicker Man </i>oder auch <i>Robin Redbreast </i>an ältere, hauptsächlich literarische Traditionen an.** Das älteste mir bekannte Beispiel dafür ist die 1929 erschienene Kurzgeschichte <i>Randalls Round </i>von Eleanor Scott. Aus mehreren Gründen lohnt es sich, einen Blick in diesen "Urtext" des Folk Horror zu werfen.</div><div><p style="text-align: justify;"></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjpfpOf0QH2PXjQyGCiFST0d4gE4-LU3xVDqfeccSWXP1gnq7Td-rC-SbSV5jvA_GeJJ1689-ma_tTUG85M7bUcbnM_3dWDI3unYd08nWC98-JAZV0e4A4DchphjCQNyOoajye9JC-VIgoC5UglLxt-SM7fwNRNifGH7q5Jec0td2JzxeLF1j5YGPujFjw/s883/randall04.jpg" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="883" data-original-width="605" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjpfpOf0QH2PXjQyGCiFST0d4gE4-LU3xVDqfeccSWXP1gnq7Td-rC-SbSV5jvA_GeJJ1689-ma_tTUG85M7bUcbnM_3dWDI3unYd08nWC98-JAZV0e4A4DchphjCQNyOoajye9JC-VIgoC5UglLxt-SM7fwNRNifGH7q5Jec0td2JzxeLF1j5YGPujFjw/w274-h400/randall04.jpg" width="274" /></a></div><br /></div><div style="text-align: justify;">Für Jahrzehnte war die Geschichte (wie auch das Gesamtwerk der Autorin) ziemlich in Vergessenheit geraten und nur schwer zugänglich. Bloß Hugh Lamb hatte sie 1975 noch einmal in seiner Anthologie <i><a href="https://archive.org/details/TheThrillOfHorror1975LennySEXciter/mode/2up" target="_blank">The Thrill of Horror</a> </i>abgedruckt. Das hat sich inzwischen erfreulicherweise geändert. Neuausgaben des gleichnamigen Sammelbandes von 1929 sind bei <i>Ash-Tree Press</i>, <i>Oleander Press </i>und im Rahmen der <i>British Library Tales of the Weird </i>erschienen. Außerdem ist die Story auch Teil der anfangs erwähnten <i>Damnable Tales</i>. Und im letzten Jahr ist sogar eine deutsche Übersetzung unter dem Titel <i>Der Volkstanz </i>in <i>Fantastic Pulp 3 </i>und <a href="https://defms.blogspot.com/2022/05/zwielicht-17.html" target="_blank"><i>Zwielicht </i>#17 </a>erschienen.*** <br /></div><div><p></p><div style="text-align: justify;">Die Geschichte beginnt mit einem Gespräch zwischen zwei Oxford-Studenten über Folklore und Folkloristik. Heyling hält das ganze "<i>folk-song and dance business</i>" für "<i>pretty complete rot</i>". Doch sein Kumpel Mortlake wendet ein, dass vielleicht doch etwas mehr dahinter stecken könnte: "<i>People who know say that it's the remains of a religious cult -- sacrificial rites and that.</i>"</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Diese Eröffnungsszene verdeutlicht sofort dreierlei.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Zuerst einmal, dass die Geschichte vor dem Hintergrund des wiedererwachten Interesses an allerlei Formen des Brauchtums entstanden ist, die man in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Großbritannien beobachten kann. Mortlake benutzt ganz ausdrücklich den Begriff "<i>revival</i>". An einer späteren Stelle werden dann die "<i>Headington Mummers</i>" erwähnt, womit vermutlich die Headington Quarry - Morris-Tänzer aus Oxford gemeint sind, die eine wichtige Rolle in der Frühphase der Bewegung gespielt hatten. Es war eine ihrer Aufführungen am Boxing Day 1899 gewesen, die <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Cecil_Sharp" target="_blank">Cecil Sharp</a> dazu inspirierte, mit dem Sammeln und Aufzeichnen der alten Melodien und Tanzfiguren zu beginnen, wobei ihm deren Musiker William Kimber anfangs als Hauptquelle diente. Ab 1905 bemühte Sharp sich dann zusammen mit <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Mary_Neal" target="_blank">Mary Neal</a> auch um eine aktive Wiederbelebung der Volkstanz-Traditionen. Zwei Jahre später erschien der erste Band seines <i><a href="https://www.gutenberg.org/files/12926/12926-h/12926-h.htm#Page_46" target="_blank">Morris Book</a></i>. Nachdem er sich mit Neal überworfen hatte, war er 1911 führend an der Gründung der <i>English Folk Dance Society </i>beteiligt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Mortlakes Kommentar verknüpft das Ganze außerdem mit der Idee, dass in Morris-Tänzen, Mummery und anderen Arten des Brauchtums uralte, vorchristliche Kultformen fortleben würden. Eine Vorstellung, die ursprünglich zwar kein fester Bestandteil der Revival-Bewegung gewesen war, sich jedoch bald sehr großer Beliebtheit erfreute. Ihr Ursprung liegt in Edward Tylers 1871 erschienenem Buch <i><a href="https://www.gutenberg.org/ebooks/author/4841" target="_blank">Primtive Culture</a></i>. Zu größerer Popularität gelangte sie aber vor allem durch James George Frazers monumentale Studie <i><a href="https://www.gutenberg.org/ebooks/author/1241" target="_blank">The Golden Bough</a> </i>(1890/1900/1915). In der ersten Auflage des <i>Morris Book </i>hatte Sharp den Ursprung der Volkstänze noch auf das 14. Jahrhundert und die Ära Edwards III. zurückgeführt. In der zweiten<a href="http://www.open.ac.uk/blogs/religious-studies/?p=845" target="_blank"> vertrat</a> er dann die Ansicht, ihre Wurzeln lägen vielmehr in "<i>one of the seasonal pagan observances prevalent amongst primitive communities</i>". Ein Grund für diese Übernahme frazer'schen Gedankenguts könnte gewesen sein, dass diese Sichtweise Sharps eigenen, extrem nationalistischen Zielsetzungen entgegenkam. Er sah im Brauchtum vor allem einen Ausdruck unverfälschter "<i>Englishness</i>" und wollte mit dessen Wiederbelebung zur Stärkung eines "gesunden Nationalbewusstseins" (in einer Ära verstärkter imperialistischer Konflilkte am Vorabend des 1. Weltkrieges) beitragen. Da musste es gelegen erscheinen, wenn man die Geburt der Morris-Tänze in eine nebulöse "Urzeit" zurückverlegen konnte, statt in ihnen mittelalterliche Importe aus Frankreich, Spanien oder Marokko zu sehen. Doch wie dem auch sei, für den Folk Horror ist diese Verbindung jedenfalls von zentraler Bedeutung, umgibt sie die andernfalls wohl bloß "quaint" wirkenden Tänze und Festtagsbräuche doch mit einer Art numinosen Aura. <i>The Wicker Man </i>enthält <a href="https://yeoldewitchcraftshoppe.co.uk/2020/03/21/how-the-golden-bough-inspired-the-wicker-man/" target="_blank">zahlreiche Motive</a> aus <i>The Golden Bough </i>und in <i>Robin Redbreast </i>wird das Buch sogar ganz ausdrücklich erwähnt. Eleanor Scott bezieht sich zwar nicht explizit auf Frazer. Aber das "<i>very famous book on folklore</i>", das Heyling im Verlauf seiner Abenteuer zu Rate zieht, weist eine klare Verrwandtschaft mit <i>The Golden Bough </i>auf: "<i>There were many accounts of village games and 'feasts', all traced in a sober and scholarly fashion to some barbaric, primitve rite.</i>" Vor allem in dieser Hinsicht qualifiziert sich <i>Randalls Round </i>damit als ein "Urtext" des Folk Horror.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Hinzu kommt noch, dass mit dem einleitenden Gespräch auch der soziale Hintergrund des Protagonisten Heyling etabliert wird. Wenn er sich wenig später in das kleine Dorf Randalls in den Cotswolds aufmacht, erscheint er damit als Urtyp der im Subgenre so geläufigen Figur einer aus der urbanen Welt stammenden Person, die in eine "hinterwäldlerische" Gemeinde kommt und Zeuge des dortigen unheimlichen Treibens wird.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Mortlake hatte bereits angedeutet, dass man in in dem Dorf angeblich einen ganz eigentümlichen Brauch oder Tanz zelebriere, der "Randalls Round" genannt werde. Und tatsächlich dauert es nicht lange und Heyling, der sich in dem örtlichen Wirtshaus <i>The Flaming Hand </i>einquartiert hat, vernimmt von der Gasse her die Stimmen singender Kinder: </div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>He reflected that Guy Fawkes’ Day was
not due yet, and that in any case the tune they sang was not the
formless huddle usually produced on that august occasion. This was a
real melody -- rather an odd, plaintive air, ending with an abrupt
drop that pleased his ear. Little as he knew of folk-lore, and much
as he despised it, Heyling could not but recognise that this was a
genuine folk air, and a very attractive one.
</blockquote></i></div><div style="text-align: justify;">Wenig später ertönt die selbe Melodie auf einer Flöte gespielt, derweil sich die erwachsenen Einwohner auf dem Dorfplatz zu versammeln scheinen. Neugierig geworden beobachtet Heyling durch das Fenster seines Zimmers die Geschehnisse: In der Mitte des Platzes hat man einen Pfahl aufgepflanzt, der zwar an einen Maibaum denken lässt, aber einen deutlich andersgearteten Schmuck trägt: </div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>[I]nstead of garlands and ribbons, this
pole had flung over it the shaggy hide of some creature like an ox.
Heyling could just see the blunt heavy head with its short thick
horns.
</blockquote></i></div><div style="text-align: justify;">Eine Gruppe von Tänzern tritt auf. Und auch wenn wir an dieser Stelle eindeutig an Morris-Tänze denken sollen, besitzt das Ganze doch eine leicht gespenstische und unheildrohende Atmopshäre:</div><div style="text-align: justify;"><i></i></div><blockquote><div style="text-align: justify;"><i>They took hands in a ring, facing
outwards; then, with their hands lifted, they began to move slowly
round, counter-clockwise. Memory stirred faintly, [...[ „That’s
the Back Ring. It’s supposed to be symbolic of death – a survival
of a time when a dead victim lay in the middle and the dancers turned
away from him.“ </i></div></blockquote><div style="text-align: justify;"><i></i>Dieser Eindruck verstärkt sich noch, als zwei weitere Personen in den Kreis der Tänzer treten. Ein Mann in einer Stiermaske und eine von Kopf bis Fuß in weiße Leinentücher gehüllte Gestalt unbestimmbaren Geschlechtes. Das Ritual erreicht seinen Höhepunkt und abrupten Abschluss, als der Maskenträger an dem Pfahl rüttelt und das daran befestigte "Totem" auf den oder die Verhüllte herabfällt.</div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>It gave a horrid impression – as if
the creature hanging limp on the pole had suddenly come to life, and
with one swift, terrible movement had engulfed and devoured the
helpless victim standing passively before it.
</blockquote></i></div><div style="text-align: justify;">Einen Augenblick lang ist Heyling ernsthaft schockiert, doch findet er sehr schnell zu seinem blasierten Selbst zurück. Allerdings ist seine Neugier nun endgültig geweckt. Er sucht in dem schon erwähnten Folkloristik-Buch, das ihm Mortlake mitgegeben hat, nach Informationen über "Randalls Round". Der entsprechende Eintrag ist kurz und ungenau, stellt aber eine Verbindung zwischen dem Volkstanz und einem nahe gelegenen steinzeitlichen Hügelgrab her. Dort soll das Ritual ursprünglich zelebriert worden sein. Ein Besuch der örtlichen "<i>Guildhall</i>" fördert weitere Informationen zu Tage. In den alten Aufzeichnungen findet Heyling einen knappen Bericht über einen Gerichtsprozess aus dem frühen 17. Jahrhundert, in dem ein gewisser Jonathan Beale Anklage wegen Hexerei gegen einige Mitglieder der Dorfgemeinde erhebt, nachdem sein Sohn an Halloween spurlos verschwunden ist. </div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>Jno. Beale didd openlie declare and
state that ye sd. Son Frauncis hadd been led away by Warlockes in y
Daunce (for his Ring, ye wh. he hadd long wome, was found in ye
Fielde wh. ye wot of) and hadd by them beene done to Deathe in y r
Abhominable Practicinges. </blockquote></i>Zu irgendwelchen Verurteilungen kam es offenbar nie. Ein späterer Eintrag aus der Zeit des Commonwealth (also der republikanischen Regierung von Oliver Cromwell) berichtet davon, dass die Regierung gegen "<i>ye Lewd Games and Dauncyng, ye wh. are Service to Sathanas and a moste strong Abhominatioun to ye Lorde</i>" vorgegangen sei. <br /></div><div style="text-align: justify;">Das auch hier das 17. Jahrhundert als Bezugspunkt herangezogen wird, ist zwar auffällig, hat meines Erachtens aber andere Gründe als bei den späteren Folk Horror - Filmen. Zum einen wird damit eine Verbindung zur Hochzeit des Hexenwahns geschlagen, zum anderen war das Regime Cromwells in der Tat berüchtigt dafür, allerlei volkstümliche Festivitäten als "unchristlich" und "götzendienerisch" unterdrückt zu haben. <br /></div><div style="text-align: justify;">Jedenfalls realisiert Heyling erst an diesem Punkt in der Geschichte, dass er zufälligerweise genau an Halloween in Randalls angekommen ist. Weitere Schlüsse zieht er allerdings nicht aus seiner Recherche. Vielmehr kommt er auf die verwegene Idee, dem Hügelgrab einen Besuch abzustatten, um dort ein bisschen "Hobbyarchäologie" (wir würden heute Raubgrabung dazu sagen) zu betreiben. Und da ihm der Wirt des "Flaming Hand", der sich auch als Besitzer des betreffenden Landstücks entpuppt, sehr deutlich zu verstehen gibt, dass ein derartiges Unternehmen nicht den Segen der Dorfbewohner bekommen wird, beschließt er, seine Expedition nächtens durchzuführen.</div><div style="text-align: justify;">Unglücklicherweise tauchen zu genau dem Zeitpunkt, als er sich hinausschleichen will, eine Reihe von Männern in dem Wirthaus auf, nur um es etwas später mit geschwärzten Gesichtern wieder zu verlassen. Auch das hält ihn nicht dauerhaft von seinem Vorhaben ab. Hätte ihm aber eigentlich verraten müssen, was ihn schließlich an dem nächtlichen Hügelgrab erwartet: Die "authentische" Version von "Randalls Round" und die grausige Erkenntnis, für was das bizarre "Stiertotem" in Wahrheit steht. </div><div style="text-align: justify;">Nach dieser Nacht dürfte Heyling wohl für immer von seiner herablassenden Haltung gegenüber Volksbräuchen geheilt sein.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Der (ziemlich effektive, weil bloß andeutungsweise beschriebene) Auftritt eines leibhaftigen Ungeheuers auf dem Höhepunkt der Handlung, unterscheidet <i>Randalls Round </i>deutlich von späteren Folk Horror - Werken wie <i>The Wicker Man </i>oder <i>Robin Redbreast</i>, die ganz ohne irgendwelche übernatürlichen Zutaten auskommen. Aber davon einmal abgesehen, enthält Eleanor Scotts Geschichte in der Tat bereits erstaunlich viele Elemente des Subgenres. Ihre besondere Stärke besteht in der von Anfang an leicht verstörenden Atmosphäre des abgelegenen Dorfes und in der engen Anlehnung an Versatzstücke realer Folklore. Selbst die geschwärzten Gesichter sind tatsächlichen Morris-Tanz - Traditionen entnommen, und das Stier-Motiv könnte auf den <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/The_Broad_(folk_custom)" target="_blank">"The Broad"</a> genannten volkstümlichen Brauch zurückgehen, der in Teilen der Cotswolds bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein gepflegt wurde -- wenn auch an Weihnachten und nicht an Halloween. </div><div style="text-align: justify;">Was <i>Randalls Round </i>neben dem Monster noch vom späteren Folk Horror abhebt, ist, dass der Protagonist nicht unmittelbar in die unheimlichen Ereignisse verstrickt wird. Heyling endet nicht selbst als das Opfer wie Sergeant Howie in <i>The Wicker Man </i>oder wird zum ungewollten Mitwirkenden der Opferzeremonie wie Norah in <i>Robin Redbreast.</i> Er bleibt bloßer Beobachter und kommt am Ende zumindest physisch ungeschoren davon. Damit einher geht auch, dass Heyling eine reichlich blasse Gestalt bleibt. Er ist zwar als Karrikatur eines bornierten "Rationalisten" angelegt, doch eigentlich hat die Geschichte nicht wirklich etwas zu diesem Thema zu sagen. Während spätere Folk Horror - Werke vergleichbare Szenarien dazu benutzen werden, um sich (auch) mit sozialen/kulturellen/moralischen Fragen auseinanderzusetzen, bleibt <i>Randalls Round </i>in dieser Hinsicht relativ substanzlos. Dennoch gebührt der Geschichte ganz sicher ein Ehrenplatz in den Annalen des Subgenres.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Mit <i>The Cure </i>enthält Eleanor Scotts Sammelband von 1929 noch eine weitere Story, die man als frühen Folk Horror charakterisieren könnte. Auch wenn die Parallelen dort nicht ganz so augenfällig sind. Ob <i>Randalls Round </i>einen direkten Einfluss auf die spätere Entwicklung hatte, entzieht sich meiner Kenntnis. Dem Vorwort zur Ausgabe der <i>British Library </i>entnehme ich, dass dem Büchlein seinerzeit kein großer kommerzieller Erfolg beschieden war. Ungefähr ein Jahrzehnt später würde H.R. Wakefield mit <i>The First Sheaf </i>eine weitere Geschichte veröffentlichen, die man zu den frühen Vorläufern des Subgenres zählen kann. Vielleicht lagen diese Motive in den 20er/30er Jahren also einfach irgendwie "in der Luft"? Ganz so wie später in den 60er/70er Jahren?</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Mein letztes Wort zum Thema Folk Horror wird dieser Blogpost sicher nicht sein. Auch möchte ich bei Gelegenheit noch einen kurzen Beitrag über die restlichen Spukgeschichten von Eleanor Scott nachliefern, in dem ich dann auch etwas genauer auf die Schriftstellerin selbst eingehen werde. Doch für heute ist erst einmal schluss. Schließlich soll das hier an Halloween erscheinen -- wie sich's gehört.<br /></div><p></p><p></p><i> </i><br /><p></p></div><div> </div><div style="text-align: justify;">* Mit dem wunderbaren <a href="https://www.youtube.com/playlist?list=PL597ABA2642EDE493" target="_blank">Soundtrack</a> von Paul Giovanni ist <i>The Wicker Man </i>auch der einzige der drei Filme, der direkt an das musikalische Folk Revival der Zeit anknüpft. <br /></div><div> </div><div style="text-align: justify;">** Immer mal wieder stößt man auf die These, Benjamin Christensens <i>Häxan </i>aus dem Jahre 1922 ließe sich als "Urfilm" des Folk Horror betrachten. Dem kann ich mich nicht so recht anschließen, wie man auch meiner alten <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2016/04/haxan.html" target="_blank">Besprechung</a> des dänischen Stummfilms entnehmen kann.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">*** Wer sie sich lieber vorlesen lassen will, sei auf <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2019/10/great-library-of-dreams-63-randalls.html" target="_blank">Episode 63</a> von Jim Moons <i>From the Great Library of Dreams </i>verwiesen. <br /></div>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-53617136190047712082023-10-02T11:46:00.004-07:002024-01-14T05:22:48.726-08:00Phantastische Reiseempfehlung: Die "Lands of Dream"<div><p style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Wie manchen aus meiner erlauchten Leserschaft vielleicht bereits bekannt ist, habe ich kaum Beziehungen zur Welt der Computerspiele. Dabei gehöre ich zu der Generation, die in den 80er Jahren am heimischen C64 einige der frühesten Entwicklungsstufen dieses Mediums live miterleben durfte. Und damals habe ich auch in der Tat etliche Stunden mit so Sachen wie <i>Boulder Dash</i>, <i>Paradroid, Last Ninja </i>oder <i>Defender of the Crown </i>verbracht. Doch später habe ich nie wieder dahin zurück gefunden. Abgesehen von einem halben Jahr oder so, während dessen mir das obsessive Spielen von <i>Might & Magic VII </i>dabei geholfen hat, einige der finstersten Untiefen meiner Depression durchzustehen.</span></p><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Vor diesem Hintergrund mag es etwas überraschen, dass ich hier heute eine kleine Reihe von Spielen vorstellen will. Allerdings sollte ich vielleicht erklärend hinzufügen, dass ich die <a href="http://landsofdream.net/" target="_blank">"Lands of Dream"</a> von Jonas und Verena Kyratzes eher als illustrierte und mit Musik unterlegte interaktive Erzählungen rezipiert habe. Auch wenn sie formal betrachtet sicher klassische Point-and-Click-Adventures sind. Wobei der Game-Aspekt (im Sinne einer Herausforderung) aber meist sehr untergeordnet ist. In diesen Werken geht es vor allem um die Geschichten und um die Erkundung einer phantastischen Welt.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Ich weiß nicht mehr genau, wie und wann ich zum ersten Mal auf den griechisch-deutschen Autor und Game Designer gestoßen bin. Doch auf jedenfall fühlte ich mich Jonas Kyratzes von Beginn an sehr stark verbunden. Nicht dass ich jemals persönlichen Kontakt zu ihm gehabt hätte. Aber in weltanschaulich-politischer Hinsicht ist er jemand, der mir ausgesprochen nahe steht. Was verdammt selten vorkommt. Kyratzes ist Sozialist und Marxist im klassischen Sinne, auch wenn es ihm dank der gewaltigen Begriffsverwirrung, die schon seit längerem in "linken" Kreisen herrscht, zunehmend <a href="http://www.jonas-kyratzes.net/2020/05/06/socialism-without-socialism/" target="_blank">schwerfällt</a>, sich öffentlich als ein solcher zu identifizieren. Was ich sehr gut nachempfinden kann. Genauso wie seine tiefe Frustration mit vielem von dem, was heutzutage als "links" gilt. </span><span style="font-size: small;">Wohlgemerkt geht es dabei
nicht um Fragen der "ideologischen Reinheit". Vielmehr
repräsentiert das aktuell in "linken" Kreisen vorherrschende Denken in
vielerei Hinsicht das genaue Gegenteil von dem, was einmal mit
Sozialismus gemeint war. (1) </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Ich habe lange darüber nachgegrübelt, wie eingehend ich diese Frage behandeln soll, habe Texte geschrieben, diese wieder verworfen, lange die Wand angestarrt usw. Letztenendes habe ich mich dazu entschieden, auf eine detaillierte Darlegung meiner Meinungsverschiedenheiten mit den aktuell in der "Linken" dominierenden ideologischen Strömungen zu verzichten. Denn wenn das Ganze mehr als eine Polemik sein sollte (und wozu wäre die gut gewesen?), hätte ich einen seitenlangen Aufsatz schreiben müssen. Nur um am Ende vermutlich auch dann missverstanden zu werden. Und mal ehrlich: Das hier wird ohnehin kaum jemand lesen, also wozu sich die Mühe machen?</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Um den Geist der "Lands of Dream" zu verstehen, ist es jedoch wichtig sich darüber im Klaren zu sein, dass für Kyratzes das sozialistische Ideal auf engste verbunden ist mit einem tiefen Humanismus, einem quasi-prometheischen Glauben an das positive Potenzial der Menschheit. Das beinhaltet sowohl eine deutliche Ablehnung der heute so verbreiteten Misanthropie, die "den Menschen" für die aktuelle gesellschaftliche Krise verantwortlich macht, als auch der postmodern-demoralisierten Sicht der Geschichte, die in dieser bloß eine sinnlose Aneinanderreihung mehr oder weniger unerfreulicher Ereignisse sieht, wenn sie nicht gleich die gesamte menschliche Kultur und Zvilisation zu einem bedauernswerten Irrweg erklärt. </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Ein mindestens ebenso wichtiger Bestandteil dieses Humanismus ist das Bestreben, das Verbindende zwischen uns Menschen ins Zentrum zu rücken. Sozialistischer Internationalismus hat zum Ziel das Niederreißen aller künstlichen Grenzen und Scheidewände, die uns trennen, und die Vereinigung der Menschheit im Kampf um eine neue Gesellschaftsordnung, in der endlich alle Formen von Bigotterie und Diskriminierung absterben werden, weil ihnen die materielle Grundlage entzogen wurde. Doch gerade an diesem Punkt kollidiert der klassische Sozialsmus mit der in der heutigen "Linken" vorherrschenden Ideologie, die man mangels einer besseren Alternative wohl gezwungen ist als "Identitätspolitik" zu bezeichnen. (2) </span><span style="font-size: small;">Statt
all die künstlichen Kategorien von Gender, Nationalität,
ethno-kultureller Zugehörigkeit, "Rasse" etc. zu zerschlagen, die
letztenendes nur dazu dienen, uns zu spalten und den Fortbestand des
Systems zu sichern, unter dem wir alle leiden, werden immer
kleinteiligere "Identitäten" geprägt, über die wir uns und andere
definieren sollen, und diesen wird zugleich eine immer größere
moralisch-politische Bedeutung und Macht verliehen. </span><span style="font-size: small;">Um Kyratzes' Essay <i><a href="http://www.jonas-kyratzes.net/2015/12/06/the-end-of-nationalism/" target="_blank">The End of Nationalism</a> </i>zu zitieren: "</span><i>It
promotes the separation of people into increasingly tiny categories,
and defends these categories as if they carried all the moral weight in
the world</i>" <span style="font-size: small;"> Tatsächlich reproduziert dieses Denken in vielerlei Hinsicht Form und Inhalt des althergebrachten Nationalismus unter neuen Vorzeichen. Dass an viele dieser "Identitäten" sehr reale Formen von Diskriminierung oder Unterdrückung geknüpft sind, ist natürlich unbestritten. Doch das ändert nichts daran, dass diese Ideologie letztenendes nur dazu beiträgt, eine tatsächliche Überwindung der Ursachen sozialer Ungleichheit zu verhindern.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span><span style="font-size: small;"></span><span style="font-size: small;">Dass es früher oder später zu einer Auseinandersetzung zwischen Jonas Kyratzes und Teilen des "linken" Flügels der Indiegame-Szene kommen musste, war vermutlich unvermeidlich. Und wer die in diesen Kreisen leider gar zu oft herrschenden Umgangsformen kennt, wird sich nicht wundern, dass es sich dabei nicht um eine sachliche Debatte handelte, sondern der Autor & Designer umgehend zum "Rassisten", "Sexisten" etc. erklärt und mit persönlichen Beschimpfungen und Verleumdungen überhäuft wurde. Wenigstens führte dies dazu, dass er 2013 sein <a href="http://www.jonas-kyratzes.net/2013/11/09/principles/" target="_blank">Statement of Principles</a> veröffentlichte, das eine ganz gute Zusammenfassung seiner politischen Überzeugungen darstellt und dem ich mich weitgehend anschließen würde. <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span><br /></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Aufgrund seiner engen Beziehung zu Griechenland (wo er inzwischen wohl auch wieder lebt) konnte Kyratzes zudem auch abseits der kulturellen Sphäre sehr bittere Erfahrungen mit der heutigen "Linken" in Gestalt von <i>Syriza</i> machen. Deren Wahlsieg im Januar 2015 wurde von der internationalen "Linken" ja lautstark als ein inspirierendes Vorbild für eine Wiederauferstehung "radikaler" Politik gefeiert. Doch was dann folgte war ein Verrat von historischen Ausmaßen, der die arbeitende Bevölkerung des Landes in unbeschreibliches Elend und völlige Hoffnungslosigkeit gestürzt hat. Damit bereitete die Regierung von Alexis Tsipras den Boden für die Rückkehr der erzreaktionären, völlig verrotteten <i>Nea Dimokratia</i> an die Macht. Auf den anschließenden Kollaps der Partei reagierte diese mit einem weiteren Rechtsruck, der seinen vorläufigen Höhepunkt vor kurzem mit der Wahl des ehemaligen <i>Goldman Sachs </i>- Bankers Stefanos Kasselakis zum Parteivorsitzenden erreicht hat. Der Aufstieg und Fall von <i>Syriza </i>bietet krassestes Anschauungsmaterial für den völligen Bankrott des sozialdemokratischen Reformismus. Und wird wohl gerade deswegen im offiziellen "linken" Diskurs lieber mit Schweigen übergangen. (3) <br /></span></div><p></p><div style="text-align: justify;">Es wäre gelogen, wollte ich behaupten, dass diese politisch-weltanschauliche Verwandtschaft keine Rolle dabei spielen würde, weshalb ich so große Sympathie für die Arbeiten der Kyratzes empfinde. Aber es ist nicht der einzige oder wichtigste Punkt. Denn auch wenn die "Lands of Dream" - Spiele eine ganze Reihe politischer Motive enthalten, sind sie doch alles andere als Agitprop. Kyratzes hält wenig von "politischer" Kunst. Zum einen, weil sie sich meist in langweiliger Didaktik erschöpft. Zum anderen, weil die Vermischung von Kunst und Politik seiner Ansicht nach weitergehende Gefahren in sich birgt, wie er in seinem Essay <i><a href="http://www.jonas-kyratzes.net/2016/11/12/art-is-not-politics/" target="_blank">Art Is Not Politics</a> </i>darlegt. Was wiederum nicht bedeutet, dass er einer gewollt "apolitischen" Kunst das Wort reden würde: "<i>None of that is to say that art should not engage with the political.
You can’t transcend anything if you don’t know where you are; art must
be deeply rooted in historical context, in the ongoing life of the human
species in this strange universe we inhabit.</i>" Aber Kunst sollte mehr sein als das Predigen der eigenen Ideologie.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Was also sind denn nun die "Lands of Dream"? </div><div style="text-align: justify;">Kyratzes hat es in einem <a href="https://boardgamegeek.com/blogpost/21121/indie-developer-focus-jonas-and-verena-kyratzes" target="_blank">Interview</a> einmal so beschrieben: <br /></div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>The Lands of Dream are the world of
imagination, where everything imagined is real, as are many things
that have yet to be imagined... but not everything is quite as you
would expect it to be. It's a world as beautiful and dangerous as the
human imagination, though I should point out that it's not simply
some trite metaphor *for* the human imagination. </blockquote></i> Unmittelbare Inspiration stammte, wie der Name ja schon vermuten lässt, von Lord Dunsany und H.P. Lovecrafts Dreamlands. Ein weiterer großer Einfluss, der sich aber erst im Laufe der Zeit so richtig entfaltete, war das Werk von William Blake, den Kyratzes zu seinen Lieblingsdichtern zählt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;">Konkrete Gestalt angenommen haben die "Lands of Dream" im Zusammenspiel von Text und Bild. In einem<a href="http://gnomeslair.blogspot.com/2012/01/oneiric-jonas-kyratzes-interview.html" target="_blank"> Gespräch</a> mit Konstantinos Dimopoulos hat der Autor die Kooperation des Künstlerpaares einmal so geschildert:</div><blockquote><i>It's never exactly the same: sometimes I come up with a story and Verena
draws an image for it, sometimes Verena draws an image and I come up
with a story for it. We always talk and exchange ideas; we influence
each other, and the result always bears traces of both of us. It's an
organic process, like having a child. </i> </blockquote>Man könnte
versucht sein, den Zeichenstil von Verena Kyratzes als "naiv" zu
bezeichnen, aber die an Kinderbuch-Illustrationen gemahnende Ästhetik
ist sehr bewusst gewählt. Sie soll eine Art "magisches" Gefühl in den Spielenden wachrufen. In den<a href="http://www.jonas-kyratzes.net/2013/02/21/ithaka-of-the-clouds-now-on-indiegogo/" target="_blank"> Worten</a> der Künstlerin: "<i>Just like you felt when you were a child and you turned the page of your fairy story, there is always this feeling of this could go anywhere. This transports you to a place where your disbelief is completely suspended.</i>" Außerdem tragen die Illustrationen viel zum Humor der Geschichten bei, der nicht allein der Auflockerung dient, sondern ein wichtiger Bestandteil des Humanismus ist, von dem die "Lands of Dream" durchtränkt sind.<i> </i>Denn zu diesem gehört es auch, die absurden und lächerlichen Aspekte der menschlichen Existenz zu bejahen.</div><div style="text-align: justify;"> <br /></div></div><div></div><div style="text-align: justify;">Dieser humanistische Geist findet seinen Ausdruck auch in dem wiederholt auftauchenden Motiv von "Mischwesen" und "<i>hybridity</i>", wie Kyratzes sich <a href="http://ontologicalgeek.com/idylls-under-threat-an-interview-with-jonas-kyratzes/" target="_blank">ausdrückt</a>., die als phantastisch verfremdete Darstellung einer sehr menschlichen Realität gelesen werden können</div><div style="text-align: justify;"><div><i><blockquote>I think hybridity is present everywhere,
and always has been. The idea that anything in our history or culture is
“pure” or “authentic” is absurd. It’s not just that cultures aren’t
monolithic, it’s that the very concept of clearly-defined cultures
separated by precise borders is laughable to anyone who’s actually
examined it. Humanity is one big wonderful mess, always has been, always
will be. Those who attempt to perpetuate these mythological categories
are promoting not only a highly reactionary ideology, but also one that
is totally contrary to where the very cultural elements they treasure
originate.</blockquote></i> </div></div><div style="text-align: justify;">Ein besonders offensichtliches Beispiel dafür ist die Figur des Bürgermeisters der kleinen Siedlung Oddness Standing in <i>The Book of Living Magic</i>. Stanfred Gembottom ist ein "gnarf" -- halb Gnom, halb Zwerg ("dwarf"). Wenn man ihn danach fragt, antwortet er: "<i>I've heard various people, mostly academics of course, claim to be a gnarf is a heavy burden and that I should be struggling with issues of identity.</i>" Doch Stanfred geht ganz selbstverständlich damit um. Letztenendes ist er er selbst, ein Individuum -- das alleine zählt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Was nun nicht bedeutet, dass die "Lands of Dream" eine Märchenwelt ohne Konflikte und Probleme wären. Sie mögen auf den ersten Blick exzentrisch-idyllisch wirken, aber als "Welt der menschlichen Imagination" enthalten sie natürlich auch deren finsteren Teil. Außerdem existieren auch in diesem Reich Mächte von Tyrannei, Unterdrückung und Ausbeutung, die Glück und Freiheit seiner Bewohner*innen bedrohen. Odile Strik von der Website <i><a href="http://ontologicalgeek.com/idylls-under-threat-an-interview-with-jonas-kyratzes/" target="_blank">The Ontological Geek</a> </i>hat die Atmosphäre der Spiele deshalb einmal als "<i>idylls under threat</i>" beschrieben. Was Jonas Kyratzes durchaus zustimmend so kommentiert hat: <br /></div><div><div style="text-align: justify;"><div><i><blockquote>I think “idyll under threat” is pretty much
the definition of life. We’re all these incredibly fragile beings, in
an astoundingly beautiful yet uncaring world, trying to find moments of
meaning and happiness before the end. Civilization itself is an attempt
to prolong and defend those moments, but it’s always under threat -- by
nature, by humanity, by entropy. Doubly so these days, as we’re
witnessing the painful and messy collapse of an entire system.</blockquote></i></div></div><p style="text-align: justify;">
</p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhQ_3oAUC6Ga8gb5jRG4513rDTHVGS0MvrdZok5jJFfCErEtdDUcXHSdKrGY7KGp5QKNLyARDlUu--i5ie5FxfeP0Tu-SlCTfI_EuwlE4GOIKHfWo_rphePIkZYWxZ6961sbh8SJENxwRvADmmgrqPrnN8AYpOR8bFdsS0EsymBhhTKgKh5IQsW0r_0BFE/s1000/bafkreicplryqqpuojiaev7ujkasa64ktzgyxqkltpyzovvvwywxbvio54u.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1000" data-original-width="996" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhQ_3oAUC6Ga8gb5jRG4513rDTHVGS0MvrdZok5jJFfCErEtdDUcXHSdKrGY7KGp5QKNLyARDlUu--i5ie5FxfeP0Tu-SlCTfI_EuwlE4GOIKHfWo_rphePIkZYWxZ6961sbh8SJENxwRvADmmgrqPrnN8AYpOR8bFdsS0EsymBhhTKgKh5IQsW0r_0BFE/s320/bafkreicplryqqpuojiaev7ujkasa64ktzgyxqkltpyzovvvwywxbvio54u.jpg" width="319" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><span style="font-size: small;"><b><i>The Sea Will Claim Everything<br /></i></b></span></td></tr></tbody></table><p style="text-align: justify;"></p><div style="text-align: justify;">Bevor wir uns den einzelnen Spielen zuwenden, sollte ich wohl vorausschicken, dass ich den umfangreichsten Teil der "Lands of Dream" -- <i><a href="http://landsofdream.net/games/the-sea-will-claim-everything/" target="_blank">The Sea Will Claim Everything</a> </i>--
leider immer noch nicht aus eigener Anschauung kenne. Der Grund dafür
ist nicht, dass man den im Unterschied zu den übrigen Spielen nicht
kostenlos bekommen kann. Ich würde ohne zu zögern auch den doppelten
Preis dafür zahlen. Aber dummerweise verfüge ich nachwievor über keine
technische Möglichkeit, solche Online-Einkäufe zu tätigen. Was sich
hoffentlich in absehbarer Zukunft ändern wird. Dann werde ich vielleicht
noch einmal einen kleinen Blogpost dazu einschieben. Für den Moment
kann ich nur auf den grandiosen Soundtrack hinweisen, den Chris
Christodoulou für das Spiel komponiert hat und den man sich auf <a href="https://www.youtube.com/watch?v=xDIyHGMY5Cg&list=PLD3CA417B2AABEFBE&index=1" target="_blank">Youtube </a>und <a href="https://soundcloud.com/chrischristodouloumusic/sets/the-sea-will-claim-everything" target="_blank">Soundcloud</a> anhören kann. </div><div style="text-align: justify;"><i><br /></i></div><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjckMzycAsPJc7B2zROS6_-RcqeQPd1CiXfMqjtiWMjHp6YmOR5tuMGYO-JqhCOZLQobfaDoY-AEaJIvPneHSdnADtu001khmJOtRyEISMOzk-n5upY5gvYxhEfelQjowZMenR3IAKWr6wlZWoadj1Abwg0zJk-huAYKdrnF2MCQaSlKCGg-cOyEzHcuNc/s557/desert_6.png" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="557" data-original-width="478" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjckMzycAsPJc7B2zROS6_-RcqeQPd1CiXfMqjtiWMjHp6YmOR5tuMGYO-JqhCOZLQobfaDoY-AEaJIvPneHSdnADtu001khmJOtRyEISMOzk-n5upY5gvYxhEfelQjowZMenR3IAKWr6wlZWoadj1Abwg0zJk-huAYKdrnF2MCQaSlKCGg-cOyEzHcuNc/s320/desert_6.png" width="275" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><span style="font-size: small;"><b><i>The Strange and Somewhat Sinister Tale of the House at Desert Bridge<br /></i></b></span></td></tr></tbody></table><p></p><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;"><i><a href="http://landsofdream.net/games/the-strange-and-somewhat-sinister-tale-of-the-house-at-desert-bridge/" target="_blank">The Strange and Somewhat Sinister Tale of the House at Desert Bridge</a> </i>ist
nicht nur das ältetste der "Lands of Dream" - Spiele, von den hier besprochenen enthält es auch
den größten Anteil an klassischen Spiel-Mechaniken, sprich Rätseln und
anderen Herausforderungen. Im Vergleich
zu typischen Point-and-Click - Adventures mag deren Dichte und Komplexität immer noch relativ niedrig
sein, hat aber ausgereicht, um dazu zu führen, dass es mir bis heute
noch nicht gelungen ist, das Ende zu erreichen, weil ich einfach zu doof
bin, ein bestimmtes Passwort zu finden. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Worum
geht es in dem Spiel? Man wird von dem Sprechenden Bilderrahmen Harold
in die "Lands of Dream" und das titelgebende Haus in der Wüste gerufen.
Dessen Besitzer Old Man Bill ist auf mysteriöse Weise verschwunden. Die
übrigen Bewohner*innen machen sich große Sorgen um sein Wohlergehen und
bitten uns um Hilfe. Also beginnt man, das Haus zu erkunden und nach
Wegen zu suchen, um in das anfangs unzugängliche obere Stockwerk zu
gelangen, wo sich Old Man Bills Studier- und Schlafzimmer befinden.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Im Verlauf dessen stoßen wir auf allerlei
kuriose alchimistische und technische Gerätschaften; zwei Riesenhamster
und eine Giraffe, die für die Stromversorgung des Hauses verantwortlich sind; einen
naiv-freundlichen Dinosaurier, der im Garten lebt und politische
Diskussionen mit der uralten Schildkröte Zathras (4) führt; eine Gruppe von
Pilzen, die wie Ted und Bill aus <i>Bill & Ted's Excellent Adventure </i>reden;
ein paranoides Weißes Kaninchen, das sich ständig verfolgt fühlt, den
Kater Squiggles, der sich (selbstverständlich) für den absoluten
Herrscher seiner kleinen Welt und die vollkommenste Kreatur im Universum
hält (5), und vieles andere mehr.<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Eine
der besonderen Eigenheiten aller "Lands of Dream" - Spiele ist, dass
ein Gutteil des Vergnügens darin besteht, diese exzentrisch-phantastische Welt zu erkunden, ohne dabei an das Erreichen des "Spielziels" zu denken. Fast alle Gegenstände,
Pflanzen, Tiere etc. lassen sich "anklicken". Die kurzen Texte, die
daraufhin erscheinen, enthalten so gut wie nie "nützliche"
Informationen, aber sie werden einem in den meisten Fällen zumindest ein
Schmunzeln entlocken. Besonders hübsch sind die Titel der Bücher, von
denen sich vor allem im <i>House at Desert Bridge </i>ziemlich viele
befinden: Kurioser Quatsch, absichtlich schlechte Wortspiele,
Anspielungen auf real existierende Bücher oder Autoren usw. Für die
eigentliche "Handlung" oder das "Bewältigen der Aufgabe" ist all das ohne Belang. Interesselose Neugier und der Spaß an den Details --
darum geht es hier. Daneben eröffnen uns vor allem die Buchtitel aber
auch einen Einblick in den Ideenkosmos, der dieser Welt zugrundeliegt.
Sowohl mit der Nennung von Namen wie William Blake, Chesterton, Mary
& Percy Shelley, Marx, Tolkien, Lord Dunsany etc. Als auch mit der
Verspottung von Frankfurter Schule und Postmodernismus.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">"Worldbuilding"
im geläufigen Sinne gibt es in <i>House at Desert Bridge </i>hingegen wenig. Wir hören zwar zum ersten
Mal von Katsouli, dem Reich der Katzen, und einigen anderen Regionen der
"Lands of Dream". Aber größeres Gewicht besitzen eigentlich nur zwei
Namen: </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Zum
einen Oneiropolis, die "Stadt der Träume". Als der Ort, an dem sich
alle Wesen, Ideen, Kulturen in Freiheit miteinander vermischen und
zusammen leben ist die Hauptstadt der "Lands of Dream" die Verkörperung
des im besten Sinne kosmopolitischen Ideals der Kyratzes. Kein
absurd-harmonisches Utopia ohne Konflikte, aber die ultimative Absage an
alles Kleingeistige und Trennende. Wie der Autor in einem <a href="http://ontologicalgeek.com/idylls-under-threat-an-interview-with-jonas-kyratzes/" target="_blank">Interview</a> mit Odile Strik einmal erklärt hat: <br /></div><div style="text-align: justify;">
<div style="margin-bottom: 0cm;"><i><blockquote>[T]he main point of the City of Dreams is
that it represents what we aspire to, what the struggle is all about.
Can this come about on Earth? Yeah, I think so. Not easily; it
is, without a doubt, the most difficult challenge in human
history. On the other hand, I don’t think we’re that far
from it already. We have the tools to build a better system --
largely, in fact, due to previous systems. And I’m not talking
about all of us becoming friends, holding hands and singing Kumbaya.
It’s not about personal change. That is, after all, why it’s
a city, not an individual state of being.</blockquote></i></div>
</div><div style="text-align: justify;">Doch wie wir gegen Ende des Spiels erfahren droht dieser Metropole eine furchtbare Gefahr. Darum auch das "<i>Somewhat Sinister</i>"
im Titel. Der finstere
Urizen hat seine Armeen gegen Oneiropolis in Marsch gesetzt. Wer William Blakes
Dichtung und Mythologie kennt, wird sich an den Namen der "bösen"
Gott-Figur erinnern, die dort u.a. eine tyrannische, einseitig
verstandene Rationalität verkörpert. Jonas Kyratzes hat sie aufgegriffen und um eigene Aspekte erweitert.<br /></div><div style="text-align: justify;"><div><blockquote><i><a href="http://ontologicalgeek.com/idylls-under-threat-an-interview-with-jonas-kyratzes/" target="_blank">The funny thing </a>about all this Blakean mythology is that when we started making <b>Desert Bridge</b> [...] it wasn’t there. I’d used a lot of Blakean imagery in a couple of previous games (<b>The Great Machine</b>: <b>A Fragment</b></i> <i>and</i> <i><b>The Museum of Broken Memories</b></i>)<i>, but I always thought of those as a separate thing. But as we were making <b>Desert Bridge</b>,
I realized Urizen was there, and marching on Oneiropolis. It’s just how
it was. So it’s really been more of an exploratory process. Somehow the
figure of this fallen, authoritarian Demiurge struck a chord with me.</i></blockquote> In allen Spielen taucht Urizen als jene
Macht auf, die die "Lands of Dream" bedroht. Sein Name steht für
Ausbeutung, Unterdrückung, Entfremdung und Entmenschlichung. <br /></div><div> </div><div>Die <a href="https://soundcloud.com/helen-trevillion/sets/the-strange-and-somewhat" target="_blank">Musik</a> zu <i>The Strange and Somewhat Sinister Tale of the House at Desert Bridge </i>stammt von Helen Trevillion. <br /></div></div></div><div style="text-align: justify;"> <br /></div><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiezJSw51Z853NaoOwkXuWkxmSYkEqf-B-MNMjiOoqNF1SHpU0WoPM6wG6qiuJe3yLCzOc5UbQ_aLuoD45iFlGHDlZv32TwI7Re05E1fcYvYYjizCJecQA4rrJjddzGgJRgqcCJnhxA0rgBcP44WIDjEWh1IMre3LAGCPovHMYiH6LRz9Fk34iHtlPJeOk/s597/Screenshot%202023-07-30%20at%2021-25-56%20The%20Book%20of%20Living%20Magic.png" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="548" data-original-width="597" height="294" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiezJSw51Z853NaoOwkXuWkxmSYkEqf-B-MNMjiOoqNF1SHpU0WoPM6wG6qiuJe3yLCzOc5UbQ_aLuoD45iFlGHDlZv32TwI7Re05E1fcYvYYjizCJecQA4rrJjddzGgJRgqcCJnhxA0rgBcP44WIDjEWh1IMre3LAGCPovHMYiH6LRz9Fk34iHtlPJeOk/s320/Screenshot%202023-07-30%20at%2021-25-56%20The%20Book%20of%20Living%20Magic.png" width="320" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><span style="font-size: small;"><b><i>The Book of Living Magic<br /></i></b></span></td></tr></tbody></table><p></p><div style="text-align: justify;">Anders als in den übrigen "Lands of Dream" - Geschichten spielen wir in <i><a href="http://landsofdream.net/games/the-book-of-living-magic/" target="_blank">The Book of Living Magic</a> </i>nicht uns selbst, sondern eine vorgegebene Figur. Raven Locks Smith wächst in der Stadt "Dull" auf, "<i>a big city, full of skyscrapers and dirt and rats and banking institutes and motivational speakers, but not much else.</i>"
(Die Nachbarstädte tragen so charmante Namen wie
"Ghastly-upon-Tedious", "Borington", "Blahfurt" und "Pretentia"). Ihren
unglücklichen Namen verdankt das Mädchen ihren Ex-Hippie-Eltern, die
längst alle ihre alten Träume begraben haben und für Mr. Urizen, den
Bürgermeister der Stadt, arbeiten. Freilich werfen sie immer noch sehr
gerne mit Floskeln von "individueller Selbstverwirklichung" um sich, als
ihre Tochter sich in dieser grauen Welt mehr und mehr gefangen und
verloren vorkommt. Hilfreich ist das nicht. Doch dann träumt Raven eines
Nachts vom "Book of Living Magic". Und mit diesem Traum kommt ein
Versprechen von Freiheit. Und so macht sie sich tagsdarauf auf in die
"Lands of Dream", um den Folianten zu finden. Das Spiel ist ihre Queste.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Gemeinsam
mit Raven lernen wir das kleine Dorf Oddness Standing und benachbarte
Örtlichkeiten wie den "Pool of Tranquility", den "Wood of the
Monsterbeast" und den (großartig weirden) "Forest of the Eyeballs"
kennen. Dabei treffen wir auf eine ganze Reihe wunderlich-liebenswerter
Gestalten wie das wanderlustige Schaf Provatica, den philosophierenden
Affen Ookbert Appeldoorn (6), die Hexe Baba Yaga (die kein Haus auf
Hühnerbeinen besitzt, sondern selbst ein Huhn ist) und den Fabulous
Screech, einen Kater, der einen Zirkus mit "gezähmten Menschen" leitet. Sehr schnell wird klar, dass sich das "Book of Living Magic" im Tempel der Mutantenpriester von Gloop befindet. Doch sieht es so aus, als ob wir uns auf dem Weg dorthin dem "Evil Doctor McSelfish" stellen müssten, von dessen zahllosen Untaten wir immer wieder erzählt bekommen.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><i>The Book of Living Magic </i>besitzt einen stark märchenhaften Charakter.<i> </i>Viele der vermeintlichen Ungeheuer und Bösewichter, denen wir begegnen, entpuppen sich am Ende als recht nette Gesellen, aber das macht die Welt des Spiels nicht zu einem harmlos-freundlichen Idyll. Ab und an erhaschen wir einen Blick auf bedrohliche und unmenschliche Gewalten im Hintergrund. Wir werden nie direkt mit ihnen konfrontiert. Wohl auch, weil sie nicht auf dem Weg einer individuellen Heldinnenreise besiegt werden könnten. Ein besonders eindringliches Beispiel dafür ist das Schicksal des Roboters Primus, dem wir in der Schenke von Oddness Standing begegnen. Ursprünglich als eine Art Bauarbeiter konstruiert, wurde er nach der Machtübernahme durch ein neues Regime zu einem Soldaten umfunktioniert. Seine Kriegserfahrungen haben ihm nicht nur ein Bein gekostet, sondern ihn auch in tiefe Depressionen gestürzt. Zwar ist ihm die Flucht aus der Armee gelungen, doch seinen Erinnerungen kann er nicht entkommen. Wir können ihm in einer Art Sidequest (die bezeichnenderweise zum Erreichen des "Spielziels" nicht notwendig ist), ein einmalig magisches Erlebnis bescheren, dessen Schönheit ihn aus seiner Apathie reißt. Doch dann bekommen wir zu lesen:</div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>Even when they finally caught up with him -- as they always do -- and reshaped him in their image, they found that there was one bit they could never take away from him.</i> </blockquote></div><div style="text-align: justify;">Ich finde diese Stelle ungeheuer pointiert und berührend. Die Handlungen einzelner sind nicht bedeutungslos. Was wir für Primus getan haben, besitzt einen bleibenden Wert. Aber Imperien und Gesellschaftssysteme können auf diese Weise nicht bezwungen oder gestürzt werden.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Wenn es Raven schließlich gelingt, den Tempel der Mutantenpriester zu erreichen, erweist sich das "Book of Living Magic" übrigens nicht als ein Zauberbuch im klassischen Sinne. Unsere Heldin wird nicht zur mächtigen Magierin. Ebensowenig ist der Foliant eine Metapher für Fantasie à la der <i>Unendlichen Geschichte</i>, was man bei dem Szenario ja vielleicht hätte vermuten können. Vielmehr handelt es sich um ein Geschichts- und Geschichtenbuch. Vor Raven eröffnet sich das gewaltige Panorama der Menschheit, all der unzähligen vorangegangenen Generationen mit ihrem Schaffen und ihren Kämpfen, ihren Siegen und Niederlagen, ihren Freuden und ihrem Schmerz. Und die Befreiung, die am Ende ihrer Queste auf sie wartet, besteht darin, sich bewusst zu werden, dass sie selbst Teil all dessen ist: </div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>She learned of love and death, of war and peace and revolution; she saw the tides of history before her, and herself as part of that greatest of all adventures. And for the first time, she felt free. <br /></blockquote></i></div><div style="text-align: justify;">Auch hier wurde der <a href="https://soundcloud.com/helen-trevillion/sets/the-book-of-living-magic" target="_blank">Soundtrack</a> von Helen Trevillion komponiert. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiJlwx5L1ee5vWxDFxERWBgcUA_13fEdPSICxg0m7aqIB7Jvs0OrzXQoP31-F2nk0IY7JZqjRYfM8uWgeghf95hiNKH9TJzpsv4-ZQ6DbhrE5-RqtYl3KYvJaoYhhE6bKz01jZ0q3Yh7ThHiq4A92c4FD6EzEjs8GQy6pQubixUGrLdvm2d55073M9ZSBQ/s480/2b9adc26-abfb-11ed-8a97-02420a00012d.webp" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="440" data-original-width="480" height="293" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiJlwx5L1ee5vWxDFxERWBgcUA_13fEdPSICxg0m7aqIB7Jvs0OrzXQoP31-F2nk0IY7JZqjRYfM8uWgeghf95hiNKH9TJzpsv4-ZQ6DbhrE5-RqtYl3KYvJaoYhhE6bKz01jZ0q3Yh7ThHiq4A92c4FD6EzEjs8GQy6pQubixUGrLdvm2d55073M9ZSBQ/s320/2b9adc26-abfb-11ed-8a97-02420a00012d.webp" width="320" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><span style="font-size: small;"><b><i>The Fabulous Screech<br /></i></b></span></td></tr></tbody></table><p></p><div style="text-align: justify;">Das vignettartige Spiel <i><a href="http://landsofdream.net/games/the-fabulous-screech/" target="_blank">The Fabulous Screech</a> </i>bildet eine Art Anhang zu <i>The Book of Living Magic</i>. Nicht in thematischer Hinsicht, aber wir kehren darin nach Oddness Standing zurück, um der letzten diesjährigen Vorstellung im Zirkus des Katers beizuwohnen. Was wir in dem Zelt zu sehen bekommen sind allerdings keine dressierten Menschen, die Kunststückchen aufführen. Vielmehr begleiten wir Screech auf magische Weise durch sein Leben. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Das Spiel besteht aus drei Szenarien. Im ersten treffen wir den Kater in seiner Kindheit, als er noch ein kleines und etwas verlorenes Kätzchen war, und klauen für ihn den "fabulösen Hut" (sein späteres Markenzeichen) aus Gottes himmlischem Wolkenschloss. Im zweiten begegnen wir dem nunmehr erwachsenen Screech in der Hölle, in die er für ein Rendezvous mit seiner geliebten "Kellerkatze" ("Basement Cat") hinabgestiegen ist. Wir helfen ihm, in die Burg des Teufels zu gelangen, denn bekanntlich haben Katzen so ihre Probleme mit Türen. (7) Im dritten Szenario schließlich besuchen wir Screech auf seinem Sterbebett.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Obwohl das Ganze wunderbar putzig daherkommt, endet es doch auf einer tief melancholischen Note. Schon das kosmische Szenario von Himmel und Hölle, so spielerisch-humorvoll es auch gezeichnet ist, weist darauf hin, dass es hier (auch) um existenziellere Fragen geht, könnte zusätzlich aber auch eine Anspielung auf William Blakes' <i><a href="https://www.gutenberg.org/files/45315/45315-h/45315-h.htm" target="_blank">The Marriage of Heaven and Hell</a> </i>sein.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Kyratzes gehört nicht zu den Marxisten, die glauben, der Sozialismus werde auf wundersame Weise alle Fragen der menschlichen Existenz und unserer Beziehung zum Universum lösen. Militanten Atheisten à la Richard Dawkins steht er sogar ausgesprochewn kritisch gegenüber. Religion ist für ihn zwar nur eine der Formen, in denen wir Menschen uns mit diesen Fragen auseinandersetzen, doch die Fragen selbst -- unser Verlangen nach "Sinn" -- sind für ihn unauflöslicher Teil unseres Wesens. (8) </div><div style="text-align: justify;">Und so gehören u.a. Tod und Vergänglichkeit zu den Themen, mit denen er sich immer wieder in seinem Werk bechäftigt. Dabei geht es ihm nicht allein darum, dass wir unsere Existenz (und die aller anderen) aufgrund ihrer Kürze und Zerbrechlichkeit besonders wertschätzen sollten. Der Tod stellt für ihn einen unauflöslichen Widerspruch dar. Einerseits ist er nun einmal Teil des Lebens. Dem können wir nicht entkommen. Wir und alle, die wir lieben, werden eines Tages aufhören zu existieren. Doch zugleich ist es uns unmöglich, dies vollständig zu akzeptieren. Etwas in uns wird den Tod immer für eine Ungerechtigkeit, für einen bitteren Affront halten. Auflösen kann man diesen Widerspruch nicht, nur sich ihm stellen. (9) <br /></div><div style="text-align: justify;">In <i>The Fabulous Screech </i>ist diese Thematik in verhältnismäßig milder (aber nicht versöhnlicher!) Form dargestellt. Sehr viel schärfer wird sie in der fünften Episode von Kyratzes' Hörspiel <a href="https://gospelsoftheflood.com/" target="_blank"><i>Gospels of the Flood</i></a> behandelt. </div><p></p><p style="text-align: justify;">PS: Die "Spielelemente" sind minimal, aber immerhin darf man in der Hölle einen bürokratischen deutschen Totenkopf ("Herrn Schädel") verkloppen. Und das macht Spaß. <br /></p><p></p><p></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjT-h2zPmPVX94VH154OW8KhXy5Ui3Bph0-UgKCCvLo1ygw4PCC72MFtRE-Fngf4K_0oGjFkACmU219gP_Qr-Nvx7FM4lYIe5joTAzPvJLTMs-UFwLpxBlsa4xJJVTMsSOWCsR15MvCpCZMZLDRua1KfjsrUnU-oGb2L5C9bSreT6wgurNIOAqVhUBHlHA/s600/screenshot1_small.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="450" data-original-width="600" height="300" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjT-h2zPmPVX94VH154OW8KhXy5Ui3Bph0-UgKCCvLo1ygw4PCC72MFtRE-Fngf4K_0oGjFkACmU219gP_Qr-Nvx7FM4lYIe5joTAzPvJLTMs-UFwLpxBlsa4xJJVTMsSOWCsR15MvCpCZMZLDRua1KfjsrUnU-oGb2L5C9bSreT6wgurNIOAqVhUBHlHA/w400-h300/screenshot1_small.jpg" width="400" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><span style="font-size: small;"><b><i>A Postcard From Afthonia<br /></i></b></span></td></tr></tbody></table><p></p><div style="text-align: justify;"><i><a href="http://landsofdream.net/games/a-postcard-from-afthonia/" target="_blank">A Postcard From Afthonia</a> </i>bildet in ähnlicher Weise einen Anhang zu <i>The Sea Will Claim Everything</i>. Die Beziehung zwischen den beiden ist allerdings deutlich enger. In dieser Vignette kehrt man nicht nur zum selben Schauplatz zurück. Die Handlung setzt offenbar auch mehr oder weniger direkt nach dem Ende des vorangegangenen Spiels ein.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Nun habe ich dieses, wie schon gesagt, noch nicht selber spielen können. Doch ist <i>The Sea Will Claim Everything </i>stark beeinflusst von<i> </i>den politischen Ereignissen der frühen 2010er, als die "Troika" (EU, EZB & IWF) unter Federführung der deutschen Regierung Griechenland in neokolonialer Manier ein "Sparprogramm" und einen Ausverkauf nationalen Eigentums aufzwang, die soziale Verwüstungen nach sich zogen, wie man sie bislang nur aus Kriegszeiten gekannt hatte. Ein Zustand, der im Grunde bis heute anhält, nur dass die Medien nicht länger darüber berichten. Eine zusätzliche Inspiration war die Ägyptische Revolution von 2011/12. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Das Spiel endet mit einem Aufstand der Bewohner der "Fortunate Isles" gegen die Schergen Urizens. <i>A Postcard From Afthonia </i>setzt unmittelbar nach dieser Revolution ein. </div><div style="text-align: justify;">Der erste Sieg ist zwar errungen, doch die Lage ist nachwievor bedrohlich. Denn wie alle Unterdrücker und Ausbeuter zu allen Zeiten ist auch Urizen nicht bereit, seine Macht einfach aus den Händen zu geben. Auf dem Meer um die Inseln tobt nun der Krieg zwischen den Aufständischen und der Interventionsstreitmacht des Tyrannen. Und niemand kann mit Gewissheit sagen, wie dieser Kampf ausgehen wird.</div><div style="text-align: justify;">Viele der Figuren, denen wir in dieser Vignette begegnen, dürften wohl bereits in <i>The Sea Will Claim Everything </i>vorgekommen sein. So auch die Katze Katerina und der Hund Kyon, denen die Taverne <i>Antigone </i>in Afthonia auf der "Isle of the Sun" gehört. Die beiden erwarten die Geburt ihres ersten Kindes -- ein widernatürliches Unding in den Augen Urizens, da ein solches Mischwesen ein Verstoß gegen sein Gesetz darstellt, alles und jeden in scharf abgrenzbare Kategorien einteilen zu können. Das macht den werdenden Eltern natürlich nichts aus. Dennoch bitten sie uns, die Pythia aufzusuchen, damit das Orakel einen Blick in die Zukunft ihrer Tochter wirft. Denn die Zeiten sind unsicher und so war es früher Sitte unter den Bewohnern der "Fortunate Isles".<br /></div><div style="text-align: justify;">Sehr schnell wird klar, dass wir aufgrund des Krieges nicht einfach auf die Insel des Orakels übersetzen können. Wir müssen uns also auf die Suche nach einem anderen Weg begeben. Dabei lernen wir erneut eine ganze Reihe charmant-eigenwilliger Figuren kennen (oder begegnen ihnen wieder), so u.a. einen nachdenklichen Baum, eine Working Class - Ziege, einen flugscheuen Storchenkapitän, einen freundlichen Zyklopen und eine tiefseetauchende Giraffe. Der allgemeine Tonfall der Gespräche, die wir mit diesen führen, ist freilich etwas ernster als etwa in <i>The Book of Living Magic</i>. Was nicht weiter verwundert. Sie alle machen sich ihre Gedanken über Revolution und Krieg.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Der "spieltechnische" Anteil ist zwar etwas größer als in <i>The Fabulous Screech</i>, dennoch fällt es letztlich nicht schwer, den Weg zur Insel des Orakels zu finden. Die Pythia hat derweil beschlossen, ihr Quasi-Exil aufzugeben, da sie zu der Überzeugung gelangt ist, dass ihr Platz unter den für eine bessere Zukunft kämpfenden Bewohnern der "Fortunate Isles" ist. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Doch bevor sie sich auf den Weg macht, erzählt sie uns noch, was sie Katerina und Kyon prophezeien wird. Und dieses Ende von <i>A Postcard From Afthonia </i>ist für mich einfach unglaublich stark und berührend. Weshalb ich es hier auch in Gänze zitieren möchte. In solchen besonderen Momenten verleiht Jonas Kyratzes seiner Sprache eine poetische Qualität von beeindruckender Schönheit. <i><br /></i></div><div style="text-align: justify;"><i></i></div><blockquote><div style="text-align: justify;"><i>When I arrive I will speak to Kyon and
Katerina. They will ask me to predict the future of their child, and I
will tell them what is meant to be.</i> <br /></div></blockquote><blockquote><div style="text-align: justify;"><i>I
will say: your daughter will grow wise and strong. She will have the
loyalty of the dog and the cunning of the cat. She will have beauty and
grace, and eyes that see only truth. She will know fear, but she will be
brave.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>She
will dance with the Prince of Flowers and Wine; she will laugh at the
Emperor of Sleep; the clouds themselves will worship her, and the summer
breeze will sing her name when she runs in the sand with her friends.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Her
days will be endless, her nights full of mystery; when she sleeps under
the stars, the sea will whisper in her ears, and she will sail to
islands where none have set foot before.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>That is what is meant to be.</i> <br /></div></blockquote><blockquote><div style="text-align: justify;"><i>But the world is not as it should be.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Perhaps
she will never dance with the Prince of Flowers and Wine. Perhaps she
will never sleep under the stars. Perhaps she will fall, here, in this
war. Perhaps her heart will break.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>You may not be able to stop this. You may not be able to save her. The world is bigger than you.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>All
you can do is love her; love her, no matter what the years assault you
with. Love her through fear and pain, and petty squabbles; love her
through wars, and rebellions, and death. For all these will come whether
you love or not.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>And if the day comes when you must pick up a sword to defend her future, knowing that there will be a price: do not be afraid.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>In the end, all roads converge in the city of dreams.</i></div></blockquote><div style="text-align: justify;"><i></i></div><p style="text-align: justify;">"But the world is not as it should be" ... "The world is bigger than you" ... Beide Sätze jagen mir (im Kontext der Geschichte) immer noch Schauer über den Rücken. Erst recht in Kombination mit der <a href="https://www.youtube.com/watch?v=v5pHC0eVHIk" target="_blank">Musik</a> von Chris Christodoulou.<br /></p><p style="text-align: justify;"></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgYAW7vrWkwEYACXOLnXl6CojbawqFuXi6xFqUZjHkLPxAOKb9SpRBi0Pf6tzrvCr3dxIaGp-lmjF6_hVuUKe2HiA1PhiNJH5p0XFSek1pxGbPlHvfRllgOcfDMa9lTcQRoHwPqBOSR5m4DGWw7TueqmIc3wjp612ohHoWgNGE7e3LuHsJN0UDzw5kVjK4/s638/Screenshot%202023-09-18%20at%2010-30-28%20The%20Matter%20of%20the%20Great%20Red%20Dragon.png" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="447" data-original-width="638" height="280" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgYAW7vrWkwEYACXOLnXl6CojbawqFuXi6xFqUZjHkLPxAOKb9SpRBi0Pf6tzrvCr3dxIaGp-lmjF6_hVuUKe2HiA1PhiNJH5p0XFSek1pxGbPlHvfRllgOcfDMa9lTcQRoHwPqBOSR5m4DGWw7TueqmIc3wjp612ohHoWgNGE7e3LuHsJN0UDzw5kVjK4/w400-h280/Screenshot%202023-09-18%20at%2010-30-28%20The%20Matter%20of%20the%20Great%20Red%20Dragon.png" width="400" /></a></div><br /></div><div style="text-align: justify;">Ein weiterer Bestandteil der "Lands of Dream" ist das Twine-Adventure <i><a href="http://landsofdream.net/games/the-matter-of-the-great-red-dragon/" target="_blank">The Matter of the Great Red Dragon</a></i>, das 2014 für die von Richard Goodness (10) organisierte, zeitlich begrenzte Online-Ausstellung <i>Fear of Twine </i>entstand.</div><p></p><div style="text-align: justify;">Alle hundert Jahre steigt der Große Rote Drache aus den "Clawed Mountains" herab, um Tod und Zerstörung über das "Land of Plenty" und seine Bewohner zu bringen. Und alle hundert Jahre stellen sich ihm sieben Held*innen am "Gate of the Burnt Trees" zum Kampf. Wir sind eine/r dieser Sieben. Unter Anleitung des <a href="http://landsofdream.net/the-oneiropolis-compendium/sinjil-aegidius/" target="_blank">Echsen-Schamanen Sinjil</a> begeben wir uns auf eine Reise durch Raum und Zeit, um uns auf die Konfrontation mit dem mythischen Ungeheuer vorzubereiten. Doch als wir schließlich das "Gate of the Burnt Trees" erreichen, erwartet uns eine böse Überraschung.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Als Twine-Spiel fehlt <i>The Matter of the Great Red Dragon </i>natürlich die Synergie, die in den übrigen "Lands of Dream" - Abenteuern aus der Kombination von Text, Illustrationen und Musik entsteht und einen Gutteil ihres Reizes ausmacht. Dennoch lohnt es sich, das kurze Text-Adventure einmal durchzuspielen. Nicht nur stattet man dabei einigen schon bekannten Örtlichkeiten wie Oddness Standing und der Isle of Stars einen erneuten Besuch ab, was irgendwie nett ist. Von allen hier besprochenen Spielen ist <i>The Matter of the Great Red Dragon </i>auch das am offensten "politische". Im Finale vielleicht sogar ein bisschen zu offen. Mit "politisch" meine ich hier allerdings keinen Aufruf zur Weltrevolution. Das Spiel stellt vielmehr eine recht interessante Auseinandersetzung mit der Idee des Heldentums dar. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Dabei handelt es sich nicht um den x-ten Versuch, dieselbe zu "dekonstruieren". Tatsächlich ist eher das Gegenteil der Fall. Was wiederum nicht heißt, dass Kyratzes versuchen würde, einfach das traditionelle Helden<b>bild</b> zu restistituieren. Ihm geht es vielmehr um die <b>Idee</b> des Helden als einer Person, die zu selbstlosem Handeln und großen Opfern im Dienste einer Sache bereit ist, welche universellen Charakter besitzt und nicht auf seinen/ihren persönlichen und subjektiven Befindlichkeiten beruht. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Die dominierenden philosophischen Strömungen der letzten Jahrzehnte haben diese Idee massivst untergraben. Zum Teil sogar aggressiv bekämpft. Was anfangs vielleicht einmal berechtigte und notwendige Kritik an bestimmten überkommenen Helden<b>bildern</b> war, ist in vielen Fällen zu zynischem Nihilismus degeneriert. (11) Popkulturell führte dies zur Geburt eines neuen "Helden"typus: </div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>Assassins who kill for gold, rogues
whose methods are as foul as those of their opponents, mercenaries
who have renounced the very notion of valour - only these are
considered to be true to the nature of the world.</blockquote></i> </div><div style="text-align: justify;">Die Grim & Gritty - Masche halt. Doch das ist nur ein Punkt. Nicht zufällig besteht ein wichtiger Teil unserer Queste in <i>The Matter of the Great Red Dragon</i> darin, eine Schlacht, die vor Urzeiten stattgefunden hat, unmittelbar und persönlich nachzuerleben. Die Person, durch deren Augen wir diese Ereignisse sehen, fällt bei dem Versuch, anderen die Flucht zu ermöglichen. Doch wie wir im Nachhinein erfahren, wurden die Angreifer am Ende tatsächlich zurückgeschlagen. Später können wir in einer Klosterbibliothek nach weiteren Informationen über dieses historische Ereignis suchen:</div><div style="text-align: justify;">
<div><i></i></div><blockquote><div><i>Neither the city nor its heroes are
remembered anywhere in these lands, not even on the Isle of the Stars
itself. Perhaps you could find some ancient tome somewhere in the
great libraries of Oneiropolis - if the stories are true, you might
even meet some of the lost city's inhabitants - but to most of the
world, the past is dust.</i></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>And yet, you feel, it mattered.</i></div></blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div>So wie ich das sehe, geht es hier nicht allein darum, dass uns die Ereignisse der Vergangenheit als Inspiration dienen können, sondern -- wie schon beim Ende von <i>The Book of Living Magic</i> -- um die Sinnhaftigkeit von Geschichte. Die Entwicklung der Menschheit ist keine bloße Aneinanderreihung bedeutungsloser Ereignisse. Kyratzes bezieht hier Position gegen die postmoderne Sicht der Geschichte, die dieser jeden Sinn abspricht und zusammen mit der
Fortschrittsidee auch die Bedeutung aller (revolutionären) Kämpfe (und
Siege) der Vergangenheit entwertet. </div><div style="text-align: justify;">Zu dieser Entwertung gehört auch, dass deren
Protagonist*innen "demontiert" werden, indem man ihnen selbstsüchtige
Motive unterstellt und ihre persönlichen (und oft historisch bedingten)
Schwächen oder Unzulänglichkeiten hervorhebt, um sie moralisch verdammen
zu können. Im Grunde also eine weitere Art fehlgeleiteter "Helden-Dekonstruktion". In letzter Konsequenz dient diese Philosophie dazu, den
Glauben sowohl an die Sinnhaftigkeit individuellen poltischen Handelns
als auch an die bloße Möglichkeit kollektiv erkämpfter radikaler
Veränderung zu negieren. Damit dient sie ganz unmittelbar der
Aufrechterhaltung des Status Quo. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Selbstverständlich werden diese philosophischen und politischen Zusammenhänge in <i>The Matter of the Red Dragon </i>nie offen angesprochen. <b>Sooo</b> "unverhüllt" kommt die "Botschaft" denn doch nicht daher. Das ist bloß meine Interpretation, basierend auf dem, was mir von Kyratzes' Weltsicht bekannt ist. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Aus demselben Grund denke ich, dass wenn es gegen Ende des Spiels heißt, Helden und Drachen seien zu "<i>relics of an age when the world extended beyond one's self</i>" geworden, damit kein moralisches Urteil über die vermeintliche "Selbstsüchtigkeit" der heutigen Menschen intendiert ist. Vielmehr scheint es mir auch an dieser Stelle um philosophisch-politische Fragen zu gehen. Genauer gesagt, um die auch und gerade in "linken" Kreisen vorherrschende Geistesströmung, die das Subjekt (als Träger einer "Identität") völlig ins Zentrum rückt und zur Basis nicht nur des politischen Handelns, sondern sogar der Weltwahrnehmung macht.</div><div style="text-align: justify;">Möglicherweise steckt darin sogar eine subtile Kritik an der (damaligen) "Twine-Kultur". Denn wie Richard Goodness 2014 in einem <a href="https://www.ephemeralobjects.org/2014/04/14/facing-the-fear-of-twine/" target="_blank">Interview</a> zu <i>Fear of Twine </i>erzählt hat, wurde Twine in der "Szene" oft als Medium zum Erzählen sehr persönlicher, mehr oder minder autobiographischer Stories verwendet. Für sich genommen natürlich völlig legitim, doch merkt er kritisch an: <br /></div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>Every subculture eventually becomes a
culture, and comes up with its own strictures, and I don’t
necessarily agree that aesthetically all of these works are so great.
And I don’t agree with some of the philosophical things behind some
of them. There is a way to write a personal story that universalizes
something, and there’s a way to write a personal story that martyrs
yourself, and I see more of the second category. </blockquote></i></div><p></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjYpmv1RBKP85uQwgYLSPQhKmgTbWjrrz379vtv9MPCiMelHE_QSbtlv5wYhfog0qhBcmgh8xJJkxsRh9ADWm5R8h9DxZCo1BIeJxsXzmyLliefZl5OoSaelzVqa2EXmMiltg9zS7lfTBGfJ0BVE88Rkfr3ddw0g_ACsLP3CKSt9s21tg--IJfdoa1uk1o/s600/Pegassus.jpg" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="436" data-original-width="600" height="233" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjYpmv1RBKP85uQwgYLSPQhKmgTbWjrrz379vtv9MPCiMelHE_QSbtlv5wYhfog0qhBcmgh8xJJkxsRh9ADWm5R8h9DxZCo1BIeJxsXzmyLliefZl5OoSaelzVqa2EXmMiltg9zS7lfTBGfJ0BVE88Rkfr3ddw0g_ACsLP3CKSt9s21tg--IJfdoa1uk1o/s320/Pegassus.jpg" width="320" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><span style="font-size: small;"><b>Der Pegassus aus dem <i>Oneiropolis Compendium</i> <i><br /></i></b></span></td></tr></tbody></table><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Werden wir je in den Genuss weiterer "Lands of Dream" - Spiele kommen? Das scheint mir inzwischen sehr unsicher geworden zu sein. Vor nunmehr bereits zehn Jahren planten Jonas & Verena Kyratzes die Geschichte zweier schwuler Trolle und ihrer Reise zu der mythischen Stadt <a href="http://www.jonas-kyratzes.net/2013/02/21/ithaka-of-the-clouds-now-on-indiegogo/" target="_blank"><i>Ithaka of the Clouds</i></a><i> </i>zu erzählen, die u.a. von <span><a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Constantine_P._Cavafy" target="_blank">Konstantinos Kavafis</a>' Poesie </span> inspiriert gewesen wäre. Doch das Projekt gelangte nie zur Vollendung und verwandelte sich später in ein (geplantes) Spiel mit dem Titel <a href="http://www.jonas-kyratzes.net/2016/11/01/towards-the-council/" target="_blank"><i>The Council of Crows</i></a>. Die Arbeit daran zog sich über viele Jahre hin und war offenbar immer wieder von Rückschlägen und ungewollten Unterbrechungen gekennzeichnet. Vor anderthalb Jahren war <a href="http://www.jonas-kyratzes.net/2022/03/03/updating-soon/" target="_blank">zum letzten Mal</a> etwas von <i>The Council of Crows </i>zu hören. Mangelnde Zeit dürfte das Hauptproblem bei der Fertigstellung sein. Und da die beiden inzwischen relativ regelmäßig auch an "professionellen" Projekten mitarbeiten, wird sich daran sicher nichts geändert haben. Eher im Gegenteil. Wir können nur hoffen, dass es uns dennoch irgendwann möglich sein wird, das verschneite Dorf Fifth Pumpkin zu besuchen. Und uns bis dahin weiterhin in Geduld üben.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Allerdings gibt es neben den Spielen zumindest noch eine weitere Möglichkeit, um einen Blick in die "Lands of Dream" zu werfen: Das<a href="http://landsofdream.net/the-oneiropolis-compendium/" target="_blank"> <i>Oneiropolis Compendium</i></a>, eine Sammlung kurzer Geschichten und Illustrationen zu so faszinierenden Themen wie z.B. dem <a href="http://landsofdream.net/the-oneiropolis-compendium/the-world-mushroom/" target="_blank">World Mushroom</a>, <a href="http://landsofdream.net/the-oneiropolis-compendium/herbert-the-mutant-radical-goat/" target="_blank">Herbert the Mutant Radical Goat</a>, <a href="http://landsofdream.net/the-oneiropolis-compendium/lynx-awakening/" target="_blank">Lynx Awakening</a>, dem<a href="http://landsofdream.net/the-oneiropolis-compendium/the-cellingo/" target="_blank"> Cellingo</a>, <a href="http://landsofdream.net/the-oneiropolis-compendium/murch-the-necromancer/" target="_blank">Murch the Necromancer</a>, <a href="http://landsofdream.net/the-oneiropolis-compendium/billy-the-squid/" target="_blank">Billy the Squid</a> und dem <a href="http://landsofdream.net/the-oneiropolis-compendium/the-pegassus/" target="_blank">Pegassus</a>.<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Natürlich ist es sehr erfreulich, dass Jonas & Verena Kyratzes mit ihrer Arbeit an Computerspielen inzwischen etwas mehr Geld verdienen als vor zehn Jahren. Und einige <a href="http://www.jonas-kyratzes.net/games/" target="_blank">der "professionellen" Titel</a> klingen durchaus interessant. Das gilt vor allem für <i>The Talos Principle </i>und dessen<a href="https://www.engadget.com/talos-principle-2-and-the-quiet-subversion-of-optimistic-sci-fi-160014360.html" target="_blank"> Sequel</a>, das wohl in Kürze erscheinen wird. (12) Aber ich fürchte, mein weitgehendes Desinteresse an den Mechaniken solcher Spiele stellt eine zu große Barriere für mich dar, ganz gleich wie spannend und inspirierend ich die in ihnen enthaltenen Ideen und Motive vermutlich auch finden würde. Abseits der "Lands of Dream" bleibt das Hörspiel <i><a href="https://gospelsoftheflood.com/" target="_blank">Gospels of the Flood</a> </i>damit das einzige Werk von Kyratzes, das mir wirklich zugänglich ist. Die Erzählung über Glaube und Zweifel angesichts der scheinbaren Apokalypse zeichnet sich durch sprachliche Schönheit, Intelligenz und eine tiefe Humanität aus. Sollte es dem Autor tatsächlich gelingen, noch einmal ein ähnliches Projekt auf die Beine zu stellen, würde mich das sehr freuen und ich wäre umgehend zur Stelle. Aber die "Lands of Dream" besitzen halt ihren ganz eigenen Charme. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Nun denn, zumindest kann ich mich ja noch auf <i>The Sea Will Claim Everything </i>freuen ... </div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;"><br /></div><br /><p style="text-align: justify;">(1)<i> </i>Mein Eindruck ist, dass anders als im anglo-amerikanischen Raum hierzulande der Begriff "Sozialismus" in solchen Diskursen eher selten verwendet wird. Vermutlich weil die Assoziation mit dem stalinistischen Regime der DDR immer noch zu stark ist. Es wird dann entweder auf die vage Bezeichnung "Antikapitalismus" ausgewichen oder man kokettiert mit dem Anarchismus. In der politischen Praxis scheint das allerdings meist auf wenig mehr als eine Unterstützung der Grünen Partei hinauszulaufen, die mit "Antikapitalismus" ungefähr so viel zu tun hat wie der deutsche Fleischer-Verband mit veganer Ernährung. </p><p style="text-align: justify;">(2) "Identity Politics" ist kein rechtes Schlagwort. Der Begriff wurde erstmals in den später 70er Jahren vom feministischen<a href="https://web.archive.org/web/20170224021117/http://circuitous.org/scraps/combahee.html" target="_blank"> Combahee River Collective</a> geprägt. Dennoch würde ich es vorziehen, einen anderen zu verwenden, aber ich wüsste nicht welchen. Und irgendwie müssen wir diese politisch-philosophische Strömung ja bezeichnen.</p><p style="text-align: justify;">(3) In <a href="https://bungacast.com/2020/11/24/161-gaming-politics-ft-jonas-kyratzes/" target="_blank">Episode 161</a> ("Gaming & Politics") des <i>Aufhebunga Bunga </i>- Podcasts schildert Jonas Kyratzes sehr eindringlich die katastrophalen Ausmaße und Folgen des Verrats von <i>Syriza</i>.<i> </i> <br /></p><p style="text-align: justify;">(4) Yep, Kyratzes ist ein großer Bewunderer von <i>Babylon 5</i>. Vor einem Jahr führten er und Casey Muratori ein <a href="https://www.youtube.com/playlist?list=PL_YwbbfQvuUldy_ntwzLXjuC-wXcYNW-8" target="_blank">langes, fünfteiliges Gespräch</a> über J. Michael Straczynskis SciFi-Serie, in dem auch viele der für mich wichtigen Aspekte von Kyratzes' Weltanschauung zur Sprache kommen., <br /></p><p style="text-align: justify;">(5)<i> </i>"<i>I am Emperor Squiggles the Magnificent, Lord of the Room and Owner of the Bathroom Keys. I know the secrets of the universe and the supernatural order of existence. And I'm hungry! Meow! Hungry! Meooow!</i>"</p><p style="text-align: justify;">(6) Im für die "Lands of Dream" typischen Stil erzählt Ookbert: "<i>I follow in the tradition of Adriaan Koerbagh and Baruch Spinoza, Balthasar Bekker and Behaard Hersenen</i>". Drei Vertreter der Radikalen Aufklärung und ein Wortwitz (Behaard Hersenen = Behaartes Gehirn). <br /></p><p style="text-align: justify;">(7) "<i>Ah, doors, bane of my life. It is said the Devil himself invented them, did you know that? I shouldn't be surprised if he did. I crossed lakes of burning lava, jumped across infinite chasms to get here, but who could have expected a door?</i>"</p><p style="text-align: justify;">(8) Natürlich steht er der (organisierten) Religion dennoch in vielen Punkten äußerst kritisch gegenüber. Vgl. zu dem ganzen Themenkomplex seinen Essay <i><a href="http://www.jonas-kyratzes.net/2012/08/01/the-spirit-of-the-whole-socialism-and-religion/" target="_blank">The Spirit of the Whole: Socialism and Religion</a></i> <br /></p><p style="text-align: justify;">(9) Eine ähnliche Auseinandersetzung mit dem Tod findet sich in Abbas Kiarostamis großartigem Film <i>Der Wind wird uns tragen </i>(2000). Was für mich kein Zufall ist, war das iranische Kino der 1990er/2000er doch einer der wenigen Orte, an denen mir in jüngerer Vergangenheit ein vergleichbar starker Humanismus begegnet ist.<br /></p><p style="text-align: justify;">(10) <a href="https://richardgoodness.wordpress.com/" target="_blank">Richard Goodness</a> selbst scheint kaum mehr online aktiv zu sein. Doch sein eigenwilliges Twine-Adventure <a href="https://ifarchive.org/if-archive/games/competition2015/TOMBs%20of%20Reschette/TOMBs_of_Reschette.html" target="_blank"><i>Tombs of Reschette </i></a>ist glücklicherweise immer noch zugänglich. </p><p style="text-align: justify;">(11) Als sich z.B. in den 80er Jahren Pat Mills & Kevin O'Neill mit <i>Marshal Law </i>sowie Alan Moore & Dave Gibbons mit <i>Watchmen </i>daran
machten, das Superhelden-Genre zu dekonstruieren, war ihre Motivation
dafür sicher eine begrüßenswerte. Aber in der weiteren Entwicklung wurde dieses vermeintliche "Erwachsenwerden" der Comics sehr rasch zur Rechtfertigung für eine als "Realismus" kaschierte Misanthropie. Ähnliches lässt sich in beinah allen Bereichen der Kultur beobachten. Irgendwann möchte ich diese Thematik mal etwas genauer am Beispiel der Entwicklung, die von der Sword & Sorcery der Mitt - 80er zur Grim & Gritty geführt hat, untersuchen.<br /></p><p style="text-align: justify;">(12) Auf <i>Electron Dance </i>kann man sich ein <a href="https://www.electrondance.com/the-talos-principle-2-interview/" target="_blank">Interview</a> mit Jonas & Verena Kyratzes, Davor Hunski & Davor Tomicic über <i>The Talos Principle 2 </i>anschauen. <br /></p>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-52303596314653776632023-09-04T12:29:00.001-07:002023-09-25T02:00:06.615-07:00 Fragmentarisches<div style="text-align: justify;">Vorgestern jährte sich zum fünfzigsten Mal der Todestag von J.R.R. Tolkien. Nun muss ich gestehen, dass meine letzte eingehendere Beschäftigung mit dessen Werk inzwischen weit über ein Jahrzehnt zurück liegt. Der <i>Herr der Ringe </i>und <i>Das Silmarillion </i>waren zwar immens wichtige Werke für meinen ursprünglichen Einstieg in die Phantastik, aber inzwischen sind sie doch stark in den Hintergrund getreten. Auch wenn ich von Zeit zu Zeit immer noch das Verlangen verspüre, sie mal wieder in die Hand zu nehmen und aufzuschlagen. Doch wie dem auch sei, auf jedenfall wäre ich nicht in der Lage gewesen, zu diesem Jubiläum irgendwelche originären Gedanken über das Werk des "Professors" zu Papier zu bringen. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Doch glücklicherweise bin ich im Besitz eines 218 Seiten starken Manuskripts, das vor Urzeiten einmal als polemischer Kommentar zu Peter Jacksons Filmen begonnen worden war, um später zu einer allgemeineren Betrachtung über Tolkien weiterzuwuchern und schließlich unvollendet liegen zu bleiben. Fertigschreiben werde ich das Ding sicher nie mehr. Doch dafür eignet sich das etwas unübersichtliche Konvolut vorzüglich als Steinbruch, aus dem man einzelne Abschnitte raushacken und ohne großen zusätzlichen Aufwand hier präsentieren kann. Das habe ich in der Vergangenheit schon mehrfach getan. Weshalb die für solche Unternehmungen am ehesten verwendbaren Passagen nun auch allmählich zur Neige gehen. Jedenfalls wenn man dabei auf größere Überarbeitungen verzichten will. Dennoch hoffe ich, dass auch das nun folgende Fragmentstück noch einen einigermaßen lesbaren Beitrag abgibt. <br />
</div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;"><div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><br /></div>
<span style="font-size: large;"><b>* * *</b></span> <br /></div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Eine interessante Frage
ist, ob sich Spuren von Tolkiens Antimodernismus auch in den ästhetischen
Ideen finden lassen, die er in seinem Essay <i>Über Märchen
</i>dargelegt hat und die so etwas wie die theoretische Fundierung
seines Werkes darstellen. Dabei soll uns von den drei
Hauptfunktionen, die er dort der phantastischen oder märchenhaften
Literatur zuschreibt, vorrerst nur die "Wiederherstellung"
("restoration") interessieren. Hinter dem Begriff steht offenbar
der Wunsch nach der Rückkehr zu einem verlorengegangenen, vermutlich
als "natürlich" angesehenen Zustand, was allein ihm bereits ein
konservatives Flair verleiht. Doch betrachten wir uns zuerst einmal,
was Tolkien genau über die anvisierte ‘Wiederherstellung’ zu
sagen hat: </div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;"><i></i><blockquote><i>Wir sollten von neuem das Grün ansehen und von
neuem überrascht (aber nicht geblendet) werden durch Blau, Gelb und
Rot. Wir sollten dem Kentauren und dem Drachen begegnen und dann
vielleicht plötzlich, wie die Schafhirten des Altertums, der Schafe,
Hunde und Pferde gewahr werden – und der Wölfe. Diese Heilung zu
erzielen, helfen uns die Märchen.</i> </blockquote></div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Es gelte, die Dinge wieder </div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;"><i></i><blockquote><i>so zu sehen, wie sie uns zugedacht sind (oder waren) – als
von uns selber unabhängige Dinge. In jedem Falle müssen wir unsere
Brillen putzen, damit die Dinge frei werden vom trüben Schleier der
Abnutzung und Gewöhnung – frei von unserem Besitz. [...] Verblaßt
oder zur schlechten Gewohnheit geworden ist uns dasjenige, das wir
rechtlich oder seelisch in Besitz genommen haben. Von diesen
Gesichtern sagen wir, wir würden sie kennen. Sie sind </i><i>gleichsam zu etwas
geworden, das uns einmal durch sein Glitzern, seine Form oder Farbe
gereizt hat, auf das wir die Hände gelegt, das wir erworben, in der
Truhe weggeschlossen und dann nicht mehr angeschaut haben. [...] Die
schöpferische Phantasie [...] kann die Truhe aufbrechen und alle
Wertsachen, die darin weggeschlossen waren, davonfliegen lassen wie
Vögel aus dem Käfig. Aus allen Juwelen werden Blumen und Flammen,
und wir erfahren, daß alles, was wir besaßen (oder wußten), stark
und gefährlich war, frei und ungezähmt, daß es nicht wirklich
sicher an der Kette lag – ebensowenig eins mit uns wie unser eigen. </i>(1)<br /></blockquote><p>
</p><p align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Die phantastische
Literatur soll also den durch zu lange Gewöhnung glanzlos und banal
gewordenen Dingen der uns umgebenden Welt etwas von ihrer
Lebendigkeit und Faszinationskraft zurückgeben, indem sie sie uns
erneut in ihrer ursprünglichen "Wildheit" und Unabhängigkeit
vor Augen führt.
</p>
<p align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Man kann dieses "Programm" unterschiedlich interpretieren und beurteilen. Ich
denke, dass es einige durchaus erwägenswerte Gedanken enthält,
zugleich aber die Gefahr in sich birgt, dem Vorschub zu leisten, was
ich die "Oh, wie schön ist Panama" - Illusion nennen möchte –
dem Irrglauben, es genüge, die Welt unter einem neuen Blickwinkel zu
betrachten, und schon wäre alles in Ordnung. Man denke z.B. an
Chestertons gefährliche Bemerkung: „<i>Höchst wahrscheinlich sind
wir immer noch in Eden. Nur unsere Augen haben sich verändert.</i>“ (2) Nicht dass Tolkien unter "Wiederherstellung" eine solche
Aussöhnung mit den herrschenden Zuständen mittels Perspektivwechsel
verstanden hätte, aber ich fürchte, manche könnten ihn in diesem
Sinne fehlinterpretieren.</p>
<p align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">In unserem Zusammenhang
sehr viel wichtiger ist jedoch, dass das Objekt der phantastischen
Literatur für Tolkien offenbar nicht das Fremdartige und Niegesehene
war, sondern ganz im Gegenteil das eigentlich Altbekannte:
„<i>[T]atsächlich handeln die Märchen (oder die besseren unter
ihnen) hauptsächlich von einfachen, elementaren Dingen, die von der
Phantasie noch unberührt sind.</i>" (3) Und in der Tat wirkt Mittelerde im Vergleich etwa zu Lord Dunsanys Traumlanden, die in tausend Farben zu
schillern und von fremdartigen Düften umweht zu sein scheinen,
ausgesprochen unexotisch. Das Stadttor von Minas Tirith besteht nicht
aus einem einzigen Stück Elfenbein, wie dasjenige von Perdóndaris
an den Ufern des Yann, und solch bizarre Dinge wären hier auch
völlig Fehl am Platze. Der tiefere Grund dafür ist uns bereits
bekannt. Arda sollte seinem Schöpfer als eine Art geistiger
Ersatzheimat und als ein Refugium inmitten der verhassten Moderne
dienen, aus-gestattet „<i>mit einem heimischen Anhauch ... vom
Himmel und der Erde des Nordwestens</i>“ (4) Tolkiens Welt umgibt zwar ein mythischer und märchenhafter Zauber,
aber sie ist nicht dem Verlangen nach dem Unbekannten entsprungen,
sondern soll letztenendes Gewohntes und Geliebtes "wiederhergestellt", d.h. vom Schmutz und den Verunstaltungen der
Moderne gereinigt, heraufbeschwören. </p><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">
<p align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Bezeichnenderweise geht
dem Abschnitt über die "Wiederherstellung" in
<i>Über Märchen </i>eine kaum verhüllte Polemik gegen den
Modernismus in der Malerei voraus. Dem Überdruss an den
‘natürlichen’ Farben und Formen dürften wir nämlich
keinesfalls zu entkommen versuchen, </p><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;"><i></i><blockquote><i>indem wir uns ins
absichtlich Grobe, Ungeschlachte oder Widerwärtige flüchten oder
indem wir alle Dinge sei es einschwärzen, sei es unerbittlich grell
färben; auch nicht, indem wir die Farben so lange mischen, bis alle
feinen Schattierungen in einer einzigen Trübe enden, oder die
Gestalten phantastisch ineinanderschlingen, bis zur Albernheit und
bis zum Delirium.</i> </blockquote></div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Den Surrealismus bezeichnete Tolkien
ausdrücklich als "krankhaft", „<i>den Empfindungen bei hohem
Fieber ähnlich [...], wenn der Geist, mit einer beängstigenden
Fruchtbarkeit und Geläufigkeit im Bilden von Gestalten, unheimliche
oder groteske Formen in allen sichtbaren Gegenständen um sich her
wahrnimmt.</i>“ (5)<br /></div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Mit seiner Idee der "Wiederherstellung" wandte er sich also nicht
nur gegen eine banalisierte Sicht der Welt, sondern grenzte sich
zugleich von einer bestimmten Spielart des Phantastischen ab, die mit
dem Modernismus verbunden war, sich u.a. der Stilmittel der
Groteske und der Ästhetik des Hässlichen bediente und die zu ihren literarischen Vorläufern Künstler wie Edgar Allen
Poe, Charles Baudelaire und Lautréamont zählen konnte.</div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">
<p align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Enthält der Begriff der "Wiederherstellung" also bereits in dieser Hinsicht ein konservatives Element, muss man sich zudem fragen, ob die von Tolkien
behauptete "Freiheit" der Dinge nicht zum Teil eine der
Zivilisationsmüdigkeit entsprungene Illusion ist. Sind diese denn
wirklich auf keine Weise „<i>eins mit uns</i>“ oder<i> </i>„<i>unser
eigen</i>“? Die uns umgebende Umwelt – auch die "natürliche"
– ist doch in Wahrheit in ihrer heutigen Form das Produkt einer
jahrtausendelangen Wechselbeziehung zwischen der Natur und den in ihr
lebenden Menschen. Wie z.B. könnten wir die von Tolkien erwähnten
Tiere in vollem Sinne als "frei und ungezähmt" betrachten? Nicht
nur der Hund, sondern auch jene Pferde und Schafe, denen wir in
unseren Breiten begegnen, sind ja das Ergebnis der Domestizierung
durch den Menschen. Und gehört nicht auch gerade dies zu ihrem "wahren" Wesen? Ebenso können wir z.B. die vielbesungenen "grünen Hügel von England" in ihrem "wahren" Charakter nur
begreifen in Verbindung mit den unzähligen Generationen von Bauern
und Bäuerinnen, die den Boden Albions bestellt und seine Landschaft
geformt haben. Die Vorstellung einer "unberührten Natur" ist in
den allermeisten Fällen reine Romantik.</p><p align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Wenden wir uns nun von
der ästhetischen Theorie zur schriftstellerischen Praxis, so zeigt
uns der <i>Herr der Ringe</i>, dass Tolkien diesen Zusammenhang
zumindest intuitiv sehr gut begriffen hatte, ganz gleich, was er in
<i>Über Märchen </i>dazu schrieb. Die stimmungsvollen
Landschaftsbeschreibungen gehören ohne Zweifel zu den stärksten
Seiten des Romans, doch einer im eigentlichen Sinne "unberührten
Natur" begegnen wir in Mittelerde nur sehr selten. Vergessen wir
nicht, dass einstmals „<i>ein Eichhörnchen von Baum zu Baum hüpfen
konnte von dem Land, das heute das Auenland ist, nach Dunland
westlich von Isengart</i>“<i>
</i>(6) Dann kamen die Númenórer und holzten die Wälder ab, um ihre
gewaltigen Flotten bauen zu können, und so entstand das Heideland
von Eriador, durch das sich die Gefährten im ersten Band bewegen.
Selbst die Wälder von Lothlórien sind nicht auf natürliche Weise
entstanden. Die Mallorn-Bäume waren nicht heimisch an den Ufern des
Anduin, sondern wurden von den Hochelben dorthin gebracht. (7) <br /></p><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Die Faszination, die von Tolkiens Landschaftsschilderungen ausgeht,
basiert fast immer auf ihrer Verknüpfung mit der menschlichen (oder
elbischen) Geschichte. Wie Matthew David Surridge in seinem
außerordentlich lesenswerten Essay über den <i>Herr der Ringe
</i>schreibt: „<i>The land fuses history and geography. [...] The
physical world is shaped by the past, by the men of the past; and it
slips into poetry, into words. [...] For Men, the land becomes
memory.</i>“
(8) Beispiele dafür finden sich in Hülle und Fülle. Da wäre etwa die
alte Gemarkung in der Nähe der Hügelgräberhöhen, die die Hobbits
aus der Ferne irrtümlich für den Verlauf der Großen Straße
gehalten hatten: </div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;"><i></i><blockquote><i>Die dunkle Linie, die sie gesehen hatten, war
nicht eine Baumreihe, sondern eine Reihe Büsche, und sie standen am
Rande eines tiefen Grabens mit einer steilen Böschung auf der
gegen-überliegenden Seite. Tom sagte, das sei einstmals die Grenze
eines Königreiches gewesen, aber vor sehr langer Zeit. Ihm schien
dabei irgend etwas Trauriges einzufallen, und er wollte nicht viel
darüber sagen.</i> </blockquote></div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Ich erinnere mich noch, wie mir bei der
allerersten Lektüre dieser Passage ein Schauer über den Rücken
lief. Dass Tolkien sich an dieser Stelle mit einer bloßen Andeutung
begnügt und nicht einmal die Namen der beiden Reiche – Arthedain
und Cardolan – erwähnt, steigert noch den atmosphärischen Gehalt
der Szene. Einen anderen, aber nicht weniger effektvollen, Weg
schlägt er im Falle der Wetterberge ein. </div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;"><i></i><blockquote><i>Die Berge kamen
näher. Sie bildeten einen wellenförmigen Kamm, oft erhoben sie sich
fast bis zu tausend Fuß Höhe, und hier und da fielen sie wieder ab
zu niedrigen Schluchten oder Pässen, die in das östliche Land
dahinter führten. Auf dem Grat der Bergkette konnten die Hobbits
etwas erkennen, das wie Reste von grünbewachsenen Wällen und Gräben
aussah, und in den Schluchten standen noch die Ruinen alter
Steinbauten.</i> </blockquote></div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Einmal mehr wird uns der Eindruck
einer langen und bewegten Historie vermittelt, die sich der
Landschaft aufgeprägt hat. Diesmal jedoch wird dieses Panorama zum
Anlass genommen für Aragorns Erzählung vom Letzten Bund, der sich
wiederum Sams Lied über Gil-galad anschließt. Der Charakter des
Landes wird verknüpft mit Sage und Poesie. Weitere Beispiele sind
u.a. die Emyn Muil, die verfallene Heerstraße in Ithilien, Dunharg
mit seinen Puckelmännern oder das Steinkarren-Tal. Die vielleicht
eindrucksvollste Demonstration der Verknüpfung von Land und
Geschichte bietet jedoch die Region von Hulsten, in der sich einst
das Elbenreich von Eregion befand. Oberflächlich bertrachtet finden
sich kaum Spuren der früheren Besiedlung. Bloß von den
umherliegenden Felsblöcken heißt es: <i></i><blockquote><i>Viele sahen aus, als ob
sie von Hand bearbeitet worden seien, obwohl sie jetzt
durcheinandergeworfen und in Trümmern in einer unwirtlichen, kahlen
Landschaft lagen.</i>“ Legolas aber sagt: „<i>[D[ie Elben dieses
Landes [gehörten] zu einem Volk, das uns, den Waldelben, fremd war,
und die Bäume und das Gras erinnern sich ihrer nicht mehr. Nur höre
ich, wie die Steine um sie klagen: </i>tief gruben sie uns aus aus,
schön verarbeiteten sie uns, hoch bauten sie uns; aber sie sind
fort. <i>Vor langer Zeit suchten sie die Anfurten.</i>“
(9) </blockquote></div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Nun sind die Elben natürlich ein ganz besonderes Völkchen, aber die
Idee, dass das Land die Erinnerung an seine einstigen Bewohner in
sich trägt, lässt sich auf alle Teile des <i>Herr der Ringe
</i>übertragen.</div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Allerdings verdeutlicht
gerade Hulsten besonders schön, dass der mit der Landschaft
verbundene Eindruck historischer Tiefe, den Tolkien auf so
kunstvolle Weise hervorzurufen versteht, praktisch immer mit der für
den <i>Herr der Ringe </i>so typischen Melancholie, der Trauer um die
verlorene Schönheit früherer Zeiten, einhergeht. Wollte ich meinen
Eindruck von der Grundatmosphäre des Romans in ein Bild fassen, so
sähe ich die noch winterliche, braune Hügel- und Heidelandschaft
von Eregion vor mir, durch die die Gefährten nach Süden wandern.
Hier und da erhebt sich ein eigentümlich geformter, schwarzer
Felsblock, und über allem wölbt sich ein blass-blauer, kalter
Himmel. Nichts rührt sich, bis auf die neun langsam
dahinmarschierenden Gestalten. Nur in der Ferne ziehen einige Krähen
ihre Kreise, kaum mehr als eine Gruppe schwarzer Flecken in der
frostigen Helle ...
<p align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Es kann mitunter sehr
schön sein, sich in solch ein melancholische Panorama zu vertiefen.
Aber es ist kein erschöpfendes Abbild des Lebens in seiner bunten
Vielfalt und Veränderlichkeit, wie es die "Wiederherstellung"
eigentlich verlangen würde. </p><p align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">
</p><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">Und damit kommen wir zu
einem weiteren kritischen Punkt. Es kann nämlich sehr wohl
bezweifelt werden, ob Tolkiens literarischer Stil tatsächlich geeignet ist, den
Dingen ihre Frische zurückzugeben. Ob er sie nicht vielmehr in mit
mythischen Ornamenten in dunklem Gold und bleichem Silber verzierte
Museumsstücke verwandelt. Die Dinge faszinieren uns dann am
stärksten, wenn wir sie in ihrer Lebendigkeit erfassen. Leben aber
bedeutet Bewegung und Wandel. Tolkiens Sprache und seine Bilderwelt
hingegen sind größtenteil bar jeder Dynamik. Sie sind mal elegisch,
mal episch, mal von archaischer Strenge, nie aber von saftiger
Sinnlichkeit. Und ich denke, dass ist kein Zufall. Tolkien lebte in einer Ära gewaltiger sozialer, politischer und kultureller
Umwälzungen, aber er stand ihnen mit unversöhnlicher Feindschaft
gegen-über. Aus diesem Gefühl heraus schuf er seine Geschichten.
Sein literarisches Werk gleicht einem mächtigen Deich, der eine
heranbrausende Sturmflut abwehren soll. Die Welt seiner Mythologie
ist deshalb eine durch und durch statische Welt. Bewegung erscheint
beinahe ausschließlich als Bedrohung, so wie in der großartigen
Szene, in der Frodo vom Hochsitz des Sehens auf Amon Hen aus die Welt
überblickt: </div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;"><i><blockquote>[W]ohin er auch schaute, überall sah er Anzeichen
des Krieges. Das Nebelgebirge wimmelte wie ein Ameisenhaufen: aus
tausend Höhlen strömten Orks heraus. Unter den Zweigen von
Düsterwald war ein tödlicher Kampf zwischen Elben und Menschen und
wilden Tieren entbrannt. Das Land der Beorninger stand in Flammen;
eine Wolke hing über Moria; an den Grenzen von Lórien stieg Rauch
auf. Reiter galoppierten über das Gras von Rohan; Wölfe ergossen
sich aus Isengart. Von den Anfurten in Harad stachen Kriegsschiffe in
See; und aus dem Osten zogen endlos Menschen heran: Schwertträger,
Lanzenträger, Bogenschützen zu Pferde, Streitwagen von Anführern
und beladene Karren. Die ganze Streitmacht des Dunklen Herrschers war
in Bewegung. (10)</blockquote></i><br /><i></i></div>
<span style="font-size: large;"><b>* * *</b></span><p align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;"> <br /></p> <br /></div></div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;"><br /></div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;">(1) J.R.R. Tolkien: <i>Über Märchen</i>. In:
Ders.: <i>Die Ungeheuer und ihre Kritiker</i>. S. 187ff.</div><div align="JUSTIFY" style="margin-bottom: 0cm;"><p>(2) G. K. Chesterton: <i>Verteidigung
des Unsinns</i>. S. 46. Im ursprünglichen Text hatte es zuvor eine etwas längere Passage gegeben, in der Tolkiens Weltsicht mit der Chestertons verglichen wurde. Deshalb kommt der hier als Beispiel vor.<br /></p><p>(3) J.R.R. Tolkien: <i>Über Märchen</i>. In:
Ders.: <i>Die Ungeheuer und ihre Kritiker</i>. S. 189.</p><p>(4) Brief an Milton Waldman [1951]. In: J.R.R.
Tolkien: <i>Briefe</i>. Nr. 131. S. 192.</p><p>(5) J.R.R. Tolkien: <i>Über Märchen</i>. In:
Ders.: <i>Die Ungeheuer und ihre Kritiker</i>. S. 187; 205.</p><p>(6) J.R.R. Tolkien: <i>Der Herr der Ringe</i>. Bd.
I. S. 322.</p><p>(7) Zur Charakterisierung der einzig
wirklich "wilden" Wälder greift Tolkien ironischerweise zur
Methode ihrer Anthropomorphisierung in Gestalt des Alten Weidenmannes
bzw. der Ents und Huorns.</p><p>(8) Matthew David Surridge: <a href="http://blackgate.com/2011/05/15/the-lord-of-the-rings-a-personal-reading-part-two/" target="_blank"><i>The Lord of the Rings</i>: A Personal Reading, Part Two</a>. </p><p>(9) J.R.R. Tolkien: <i>Der Herr der Ringe</i>. Bd.
I. S. 184; 229; 347; 345.</p><p>(10) Ebd. Bd. I. S. 483.</p>
</div></div></div>
Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-63257188825757090092023-09-01T03:53:00.005-07:002023-10-25T01:45:25.087-07:00"This is the Werewolf Break"<p></p><div style="text-align: justify;">Auf <i>The Beast Must Die </i>wurde ich zum ersten Mal so richtig aufmerksam, als <i><a href="https://hypnogoria.blogspot.com/" target="_blank">Hypnogorias</a> </i>unvergleichlicher Mr. Jim Moon vor acht Jahren beim <i><a href="https://www.podomatic.com/podcasts/explodinghelicopter/episodes/2015-10-03T04_47_52-07_00" target="_blank">Exploding Helicopter Podcast </a></i>zu Gast war, um über diesen 1974 in die Kinos gelangten <i>Amicus </i>- Streifen zu sprechen. Was er und sein Gastgeber dabei zu sagen hatten, klang verführerisch bizarr. Doch erst vor kurzem hatte ich Gelegenheit, mir selbst ein Bild von diesem Kuriosum zu machen.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Zum Zeitpunkt seiner Produktion lag der klassische Brit-Horror wie er durch <i>Hammer Studios </i>und <i>Amicus Productions </i>repräsentiert wurde, in den letzten Zügen. Schon George A. Romeros <i>Night of the Living Dead </i>hatte 1968 den Gezeitenwandel im Genre angekündigt. Die endgültige Wasserscheide bildete das Jahr 1973 mit dem Erscheinen und gewaltigen Erfolg von William Friedkins <i>The Exorcist</i>. Die Radikalität des Umbruchs wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass im selben Jahr wie <i>The Beast Must Die </i>auch Tobe Hoopers <i>The Texas Chainsaw Massacre </i>in die Kinos kam.</div><div style="text-align: justify;">Natürlich gaben sich die britischen Horrorschmieden nicht einfach geschlagen. <i> </i></div><div style="text-align: justify;"><i>Hammer </i>versuchte dem Einbruch seines Marktes zuerst mit etwas mehr Blut und nackten Brüsten wie in <i>The Vampire Lovers </i>(1970) entgegenzuwirken; versetzte daraufhin Dracula ins Swinging London der Gegenwart (<i>Dracula AD 1972 </i>und <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2013/05/im-herbst-von-hammer.html" target="_blank"><i>Satanic Rites of Dracula</i></a>), um schließlich so grandios verrückte Flicks wie <i>The Legend of the 7 Golden Vampires </i>(1974) in die Welt zu setzen, der in Kooperation mit den Shaw Brothers entstand und bei dem Christopher Lee endgültig die Nase voll hatte und sich weigerte, erneut den Fürsten der Finsternis zu spielen. Keine dieser Strategien hatte bleibenden Erfolg.*<br /></div><div style="text-align: justify;">Beim kleinen Bruder <i>Amicus </i>schaute die Sache ein bisschen anders aus. Im Vergleich zum "gothic horror", der die Spezialität von <i>Hammer </i>(wenn auch bei weitem nicht deren ausschließliche Domäne) gewesen war, bewahrten sich deren Portmanteau - Streifen à la <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2018/05/you-were-mean-and-cruel-right-from.html" target="_blank">Tales from the Crypt </a></i>(1972) oder <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2012/07/and-pulls-him-apart-in-amusing-ironic.html" target="_blank">The Vault of Horror</a> </i>(1973) ihre Popularität ein wenig länger. Und als sich auch bei diesen das Ende abzuzeichnen begann, änderten Milton Subotsky & Max Rosenberg rasch den Kurs und steuerten ihr Schiff mit der legendären Edgar Rice Burroughs - Doug McClure - Gummi-Dinos - Trilogie <i>The Land That Time Forgot </i>(1974),<a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2018/03/auf-nach-pellucidar.html" target="_blank"> </a><i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2018/03/auf-nach-pellucidar.html" target="_blank">At the Earth's Core</a> </i>(1976) und <i>The People That Time Forgot </i>(1977) in andere Gefilde. Was den Untergang des Unternehmens zumindest etwas hinauszuzögern vermochte.<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">1974 war das letzte Horror-Jahr bei <i>Amicus</i>. <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2012/05/offers-you-cannot-resist.html" target="_blank">From Beyond the Grave</a> </i>war noch einmal ein typischer Anthologien-Streifen, dessen Episoden diesmal auf Kurzgeschichten des damals sehr populären R. Chetwynd-Hayes basierten. Der mit AIP (<i>American International Pictures</i>) koproduzierte <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2014/04/vampire-in-amerika-vii-count-yorga.html" target="_blank">Madhouse</a> </i>hingegen lässt sich bei aller Abstrusität beinah als Meta-Kommentar auf den Wandel im Genre und die Karriere seines Stars Vincent Price interpretieren. <i>The Beast Must Die </i>liegt irgendwo dazwischen. Man merkt dem Flick sehr deutlich an, dass er auf die Veränderungen im Publikumsgeschmack zu reagieren versucht, aber er reflektiert nicht darüber. Kim Newman beschreibt ihn in <i>Nightmare Movies </i>als "<i>mindless, trashy fun of the first order</i>" (1) und das trifft es recht gut.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Das Drehbuch von Michael Winder basiert auf James Blishs Story <i>There Shall Be No Darkness</i>, die erstmals im April 1950 in <i><a href="https://archive.org/details/Thrilling_Wonder_Stories_v36n01_1950-04/" target="_blank">Thrilling Wonder Stories</a> </i>erschienen war. Gar zu viel haben Vorlage und Film allerdings nicht miteinander gemein -- die Grundidee, die Teilnehmer*innen einer Upper Class - Party mit einem Werwolf zu konfrontieren, sowie die Namen der Beteiligten. Das wichtigste Element, das Winder der Story entnommen hat, ist die pseudowissenschaftliche Erklärung für Lykanthropie. Der Werwolf ist kein übernatürliches Geschöpf der Finsternis oder Träger eines Fluches, sondern das Opfer einer sehr seltenen Hormonstörung, mit der auch die tödliche Wirkung von Silber "erklärt" wird. (2) Eine solche "Verwissenschaftlichung" ist heute nichts mehr ungewöhnliches, aber 1974 dürfte es zumindest im Film eine ziemlich innovative Darstellung gewesen sein. Wenn auch keine nie zuvor dagewesene, wie wir noch sehen werden.<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Aber das ist nicht das wirklich ungewöhnliche an <i>The Beast Must Die</i>. Bevor die Handlung startet bekommen wir nämlich folgendes erzählt (& gezeigt): <br /></div><div style="text-align: left;"><i></i></div><blockquote><div style="text-align: left;"><i>This film is a detective story -- </i></div><div style="text-align: left;"><i>in which you are the detective. </i></div><div style="text-align: left;"><i>The question is not "Who is the murderer?'" -- </i></div><div style="text-align: left;"><i>But "Who is the werewolf?"</i></div><div style="text-align: left;"><i>After all the clues have been shown --</i></div><div style="text-align: left;"><i>You will get a chance to give your answer. </i></div></blockquote><div style="text-align: justify;">Der Film ist ein Werwolf - Whodunit! Und dazu auch noch ein interaktives! Wie man sich das vorzustellen hat? Sehr einfach: Vor dem großen Finale stoppt die Handlung plötzlich und wir haben dreißig Sekunden Zeit, zu erraten, wer von den Verdächtigen denn nun der lykanthropische Killer ist. Die "legendäre" Werewolf Break ...<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><iframe allowfullscreen="" class="BLOG_video_class" height="266" src="https://www.youtube.com/embed/ipkfNqjncRA" width="320" youtube-src-id="ipkfNqjncRA"></iframe></div><br />Es wäre interessant zu wissen, wie das de facto 1974 in den Kinos ausgesehen hat. Haben die Leute da laut irgendwelche Namen gebrüllt? Wetten mit ihren Nachbar'innen abgeschlossen? Oder waren sie bloß genauso irritiert, wie es die meisten heutigen Betrachter*innen sein dürften?</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Kino-Gimmicks dieser Art hatten im B-Movie-Geschäft durchaus Tradition. Ihr absoluter Großmeister war William Castle gewesen, der Ende der 50er / Anfang der 60er sein Publikum mit so neckischen Späßen wie einer $1000 - Lebensversicherung im Falle von "<i>death by fright</i>" (bei <i>Macabre </i>[1958]), über die Köpfe der Zuschauer*innen durch die Lüfte sausenden Plastikskeletten (bei <i>House on Haunted Hill </i>[1959]), vibrierenden Kinosesseln (bei <i>The Tingler </i>[1959]) oder "Geisterbrillen" (bei <i>13 Ghosts </i>[1960]) unterhielt, wobei er diesen Gimmicks so putzig-pompöse Namen wie "Emergo", "Percepto" oder "Illusion-O" verlieh. Der "Werewolf Break" am nächsten kommen die "Fright Break" und die "Punishment Poll", die Castle in seine Filme <i>Homicidal </i>(1961) und <i>Mr. Sardonicus </i>(1961) einbaute. Bei der ersteren wurde die Handlung gleichfalls unterbrochen, hier allerdings um den Zuschauenden 45 Sekunden Zeit zu geben, das Kino zu verlassen, bei voller Rückerstattung des Ticketpreises (was allerdings schon bald durch die Einführung der "Coward's Corner" erschwert wurde). Bei der letzteren konnte das Publikum darüber abstimmen, welches Ende der Film (und Baron Sardonicus) nehmen sollte (auch wenn bis heute starke Zweifel daran bestehen, dass tatsächlich zwei unterschiedliche Versionen gedreht worden waren). (3)<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">William Castles Glanzzeit war bloß von kurzer Dauer gewesen. Sein letzter Gimmick, die mit Sicherheitsgurten versehenen "Shock Seats" für <i>I Saw What You Did</i>, wurde 1965 schon gar nicht mehr wirklich in irgendwelchen Kinos installiert. Wenn Subotsky & Rosenberg diese Traditionen ein Jahrzehnt später für <i>The Beast Must Die </i>wiederzubeleben versuchten, wirkt dies deshalb auch eher wie ein Griff in die Mottenkiste. Und nicht wie die innovative Idee als die <i>Amicus </i>die "Werewolf Break" zu verkaufen versuchte. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Dem tatsächlichen Zeitgeist der frühen 70er näher kommt die zweite Besonderheit des Filmes.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Ursprünglich sollte Robert Quarry die Hauptrolle des Tom Newcliffe spielen. Ich habe mich vor einer halben Ewigkeit im Zusammenhang mit den <i>Count Yorga </i>- Filmen schon einmal etwas <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2014/04/vampire-in-amerika-vii-count-yorga.html" target="_blank">eingehender</a> mit dieser leicht tragischen Schauspielerpersönlichkeit beschäftigt. AIP, die sich vor ähnliche Probleme gestellt sahen wie ihre britischen Kollegen, versuchten ihn Anfang der 70er als Nachfolger für ihren hauseigenen Horror-Star Vincent Price aufzubauen, weil ihnen dieser inzwischen zu kostspielig geworden war. Doch war Quarry letztenendes nur eine sehr kurze Karriere im Genre beschieden, da man in der Chefetage der legendären amerikanischen B-Movie-Schmiede schon bald zu der Überzeugung gelangte, dass sich Horror nicht länger bezahlt machte, und man stattdessen lieber auf das explosionsartig aufblühende Blaxploitation-Genre umsattelte. </div><div style="text-align: justify;">Im Übergang vom einen zum anderen produzierte AIP dabei den Kultklassiker <i>Blacula </i>(1972) und dessen Sequel <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2014/04/vampire-in-amerika-vi-scream-blacula.html" target="_blank">Scream, Blacula, Scream</a> </i>(1973). Ungefähr zur gleichen Zeit erschien auch <i>Blackenstein </i>(1973) in den amerikanischen Kinos. <br /></div><div style="text-align: justify;">Ob man sich bei <i>Amicus </i>von diesem Trend inspirieren ließ, weiß ich nicht. Auf die Idee, Quarry zu engagieren, war man möglicherweise im Vorfeld der Produktion von <i>Madhouse </i>gekommen, in dem dieser mitspielte. Doch relativ kurzfristig entschied man sich um und besetzte die Hauptrolle stattdessen mit Calvin Lockhart, der zu diesem Zeitpunkt vor allem für die Rolle des "Reverend" Deke O'Malley aus Ossie Davis' <i>Cotton Comes to Harlem </i>(1970) bekannt war. Einem Streifen also, der nicht selten als ein Proto-Blaxploitation-Film beschrieben wird. </div><div style="text-align: justify;">In den 90ern erschien <i>The Beast Must Die </i>als VHS unter dem Titel <i>Black Werewolf </i>und mit einem großartig reißerischen Cover, das man sich <a href="https://www.blackhorrormovies.com/beastmustdie/" target="_blank">hier </a>auf <i>Black Horror Movies </i>anschauen kann.<i> </i>Aber im Grunde wäre es irreführend, den Film in die Nähe des Blaxploitation-Horrors zu rücken. Er war ja auch nicht als solcher geschrieben worden. Einzig der von Douglas Gamley, dem "Hauskomponisten" von <i>Amicus</i>, kreierte Soundtrack versucht streckenweise derartige Vibes zu wecken. Doch der Dialog ist völlig frei von dem für Blaxplotation typischen (und manchmal arg grenzwertigen) Slang. Und die Figur des weltmännischen Multimillionärs Tom Newcliffe ist meilenweit entfernt von den Archetypen des Genres.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Dennoch fügt die Besetzung der Hauptrolle mit Calvin Lockhart dem Film an manchen Stellen ein eigenes Element hinzu. Und das vermutlich völlig unbeabsichtigt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Das zeigt sich bereits in der überlangen Eröffnungssequenz, in der wir miterleben, wie Newcliffe von paramilitärisch anmutenden Typen durch einen mit Beobachtungskameras und Mikrophonen gespickten Wald gehetzt wird, während der von Anton Diffring, dem "ewigen Nazi" des britischen Films und Fernsehens, gespielte Pavel seinen Verfolgern aus einer Kommandozentrale heraus über Funk Anweisungen erteilt. Hätte es zuvor nicht den kuriosen Prolog über eine interaktive Detektivgeschichte mit Werwolf gegeben, man könnte beim Anblick eines schwarzen Mannes, auf den eine Horde weißer "Milizionäre" Jagd zu machen scheint, leicht auf den Gedanken kommen, dass einen ein völlig anders gearteter Film erwarten würde. Etwa eine mit Motiven von Rassismus angereicherte Version von <i>The Most Dangerous Game </i>à la Ernest Dickersons <i>Surviving the Game </i>(1994). Doch dann stellt sich heraus, dass das Ganze nur eine Art Probelauf war, mit dem Newcliffe das Sicherheitssystem testen wollte, dass er von Pavel auf seinem riesigen Anwesen hat installieren lassen. Denn der passionierte Großwildjäger hat vor, an diesem Wochenende eine ganz besonders gefährliche Beute zu erlegen ... Womit die eigentliche Handlung beginnen kann.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Newcliffe hat eine Gruppe mondäner Bekannter in sein Landhaus eingeladen: den avantgardistischen Maler Paul Foote (Tom Chadboh), den in Ungnade gefallenen Diplomaten Arthur Bennington (Charles Gray) sowie den Pianisten Jan Gilmore (Michael Gambon) und seine Frau Davina (Claran Madden). Mit von der Partie sind außerdem seine Ehefrau Caroline (Marlene Clark) und der exzentrische Dr. Lundgren (Peter Cushing). Schon bei ihrem ersten Zusammentreffen erklärt Newcliffe seinen Gästen ganz unumwunden, dass er davon überzeugt sei, dass es sich bei einem von ihnen um einen Werwolf handle. Und er außerdem fest vorhabe, den Lykanthropen seiner Trophäensammlung hinzuzufügen. Dummerweise ist er sich nicht sicher, wer genau von den Versammelten das Monster ist. Aber mit Hilfe von Vollmondlicht, allerlei Silbergerät und eigens gezüchtetem "Wolfsbane" wird man das früher oder später schon herausfinden ...</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Selbstverständlich erweist sich die Sache als nicht ganz so einfach. Und so finden sich die Unglücklichen schon bald in der unangenehmen Lage wieder, dass besagter Werwolf (gespielt von einem Hund in Pelzmantel) sie nacheinander in blutige Stücke reißt, ohne dass Newcliffe der Enthüllung seiner Identität irgendwie näher gekommen wäre.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Über die eigentliche Handlung muss man nicht viel Worte verlieren. <i>The Beast Must Die </i>ist im Grunde ein "Old Dark House" - Mystery ohne altes Haus, aber dafür mit Werwolf. Der entsprechende Plot ist leidlich unterhaltsam, aber ohne größere Überraschungen in Szene gesetzt. Spaß machen vor allem die zum Teil recht eigenwilligen Figuren, wofür in erster Linie die Riege talentierter Schauspieler verantwortlich ist, mit denen Regisseur Paul Annett arbeiten konnte. </div><div style="text-align: justify;">Anton Diffring spielt Technikspezialist Pavel als einen abgeklärten Pragmatiker, der seinen Auftraggeber zwar offensichtlich für völlig übergeschnappt hält, der aber bereit ist mitzuspielen, weil das Geld stimmt, und es sich derweil vor seinen Überwachungsmonitoren gemütlich macht.</div><div style="text-align: justify;">Charles Gray (Genrefilm-Fans u.a. als Mocata in <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2015/05/duell-der-charismatiker.html" target="_blank">The Devil Rides Out</a></i>, Mycroft Holmes in <i>The Seven-Percent-Solution </i>und "The Criminologist" in der <i>Rocky Horror Picture Show </i>bekannt) macht den Ex-Diplomaten Bennington mit seiner herablassenden, immer leicht naserümpfenden Art zu einem genuin unsympathischen Gesellen.</div><div style="text-align: justify;">Peter Cushing gibt den Ersatz - Van Helsing Dr. Lundgren, der die entscheidenden Vorträge über die wahre Natur des Werwolfismus halten darf, als einen etwas wunderlich wirkenden Exzentriker (mit absurd klingendem, pseudo-dänischem [?] Akzent), bei dem man das leichte Gefühl hat, dass seine Verbindung zur Realität auch nicht mit mehr die allerstabilste ist. Ganz wunderbar die Szene, in der Newcliffes Gäste eine silberne Patrone in den Mund nehmen müssen, um zu beweisen, dass sie nicht der Werwolf sind. Wobei Lundgren das Projektil vorher und nachher aufs akkurateste mit seinem Taschentuch säubert. <br /></div><div style="text-align: justify;">Tom Chadbohs hippiehafter Maler Paul Foote (der auch schon mal Menschenfleisch gegessen hat, weil's ein "Kick" war) ist vor allem ein Red Herring auf Beinen, aber auch recht unterhaltsam.</div><div style="text-align: justify;">Wirklich blass bleiben eigentlich nur Michael Gambons Jan und (leider leider) die beiden Frauenfiguren. Marlene Clarks Caroline hat zwar etwas mehr Charakter, doch der äußert sich nur in Reaktion auf das Verhalten ihres Ehemannes.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Und der gute Newcliffe ist denn auch tatsächlich eine recht interessante Figur. Der Selfmade-Millionär stammt aus ärmlichsten Verhältnissen und ist fest davon überzeugt, dass es einzig sein unerbittlicher Wille und seine kompromisslose Zielstrebigkeit waren, die es ihm ermöglichten, aus dem tiefsten Elend zu den goldenen Gipfeln der Gesellschaft aufzusteigen. Was aus dem Munde eines schwarzen Schauspielers doch noch eine zusätzliche Nuance erhält. Für seine ehemaligen Leidensgenoss*innen aus den Slums hat er bloß Verachtung übrig. Seine übergroße Leidenschaft für die Jagd erscheint als eine Ausdrucksform dieses unbedingten Aufstiegswillens. Und könnte es einen größeren Triumph geben, als eine Beute zu erlegen, von der die meisten nicht einmal glauben würden, dass sie überhaupt existiert? Kein Wunder also, dass Newcliffe im Laufe der Ereignisse immer fanatischere Züge annimmt. Nicht nur sabotiert er kaltblütig alle "Fluchtversuche" seiner "Gäste" und kappt alle Verbindungen zur Außenwelt, selbst als sich die Leichen zu türmen beginnen, lässt er nicht von seinem momomanisch anvisierten Ziel ab. Davon kann ihn auch Caroline nicht abbringen, der es zunehmend schwer fällt, in dem Getriebenen den Mann wiederzuerkennen, den sie liebt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Diese Charakterisierung des Protagonisten macht das wirklich finstere Ende des Films zu mehr als bloß einem fiesen Twist in EC-Comics-Tradition. Es wirkt folgerichtig. Womit ich nicht gesagt haben will, dass <i>The Beast Must Die </i>ein irgendwie profunder Film wäre. Er bleibt "<i>trashy fun</i>", ist aber vielleicht doch nicht völlig "<i>mindless</i>".</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">PS: In guter alter Tradition brachte mich die Beschäftigung mit <i>The Beast Must Die </i>außerdem noch auf einige Rechercheabwege. Denn so eigenwillig die Idee eines Werwolf - Whodunit auch klingen mag, der Streifen war keineswegs der erste Vertreter seiner Art. Schon 1942 hatte <i>20th Century Fox </i>in Reaktion auf den Erfolg von <i>The Wolf Man </i>einen Film produziert, der ein lykanthropisches Ungeheuer mit Elementen einer Detektivgeschichte verwebt. </div><div style="text-align: justify;">Das beste an <i>The Undying Monster </i>ist Lucien Ballards Cinematographie. Der Film enthält eine ganze Reihe interessant komponierter Einstellungen und stimmungsvoller Szenen. Die Story um den Familienfluch der aristokratischen Hammond-Sippe wirkt dagegen nicht unbedingt fesselnd. Beachtung verdient allerdings, dass Lykanthropie auch hier als eine biologische (Erb)krankheit dargestellt wird, ohne allen übernatürlichen Firlefanz.</div><div style="text-align: justify;">Das Drehbuch von Lillie Hayward & Michel Jacoby basiert auf dem gleichnamigen, 1922 erschienen Roman der britischen Autorin Jessie Douglas Kerruish. Wirft man einen Blick in diese Vorlage, so erscheint der Film in einem besonders ungünstigen Licht. (4) Natürlich ist die Geschichte dort länger und komplizierter. Vor allem aber ist die übersinnlich begabte okkulte Detektivin Luna Bartendale, genannt "The White Witch", die eigentliche Heldin. In der Filmversion wurde sie durch einen rationalistischen Scotland Yard - Typen ersetzt. Und als wäre das noch nicht genug, wurde dem auch noch eine weibliche "Comic Relief" - Figur zur Seite gestellt, bei der es schwerfällt, sie anders als eine bewusste Parodie auf die ursprüngliche Heldin zu lesen. </div><div style="text-align: justify;">Erschien dem Hollywood der frühen 40er die Vorstellung einer kompetenten Horror-Heldin wirklich so unvorstellbar, dass es nicht ausreichte, sie aus ihrer eigenen Geschichte rauszuschreiben? Man musste sie zusätzlich auch noch verspotten?</div><div style="text-align: justify;">Dabei war Luna Bartendale keineswegs ein Unikum unter den okkulten Detektiven. Schon zwei Jahre vor <i>The Undying Monster </i>waren<i> </i>auf den Seiten des britischen <i>Blue Magazine </i>die <a href="http://digital.library.upenn.edu/women/scrymsour/crerar/crerar.html" target="_blank">Abenteuer von Shiela Crerar, "Psychic Detective"</a> erschienen. Und in einer von denen hatte es Ella M. Scrymsours Heldin doch tatsächlich auch mit einem Werwolf zu tun bekommen! </div><div style="text-align: justify;"> <br /></div><p style="text-align: justify;"><br /></p><p>(1) Kim Newman: <i>Nightmare Movies. A Critical History of the Horror Film, 1968-88</i>. S. 20.</p><p style="text-align: justify;">(2) Interessanterweise enthält die Story mit dem Motiv des Pentagramms, das die künftigen Opfer des Werwolfs kennzeichnet, aber auch einen direkten Rückgriff auf den <i>Universal </i>- Klassiker <i>The Wolf Man </i>(1941)<i>. </i><br /></p><p style="text-align: justify;">(3) Wer etwas mehr über die wunderbare Welt der Kino-Gimmicks erfahren will sei auf die <a href="http://thelasthorrorpodcast.com/podcast/art-movie-gimmick/" target="_blank">entsprechende Episode</a> von Chris Browns <i>Last Horror Podcast </i>verwiesen. <br /></p><p style="text-align: justify;">(4) Eine Version von <i>The Undying Monster </i>findet sich in der <a href="https://archive.org/details/Famous_Fantastic_Mysteries_v07_n04_1946-06.Popular_cape1736_edit/" target="_blank">Juniausgabe 1946</a> von Mary Gnaedingers <i>Famous Fantastic Mysteries</i>, geschmückt mit ganz prachtvollen Illustrationen von Lawrence Sterne Stevens.<i> </i><br /></p>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-49975691189541003212023-08-13T11:22:00.007-07:002023-08-14T13:32:05.098-07:00Phantastisches Potpourri<p style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Real Life lässt mir zur Zeit leider nicht die Muße und Energie, um an irgendwelchen längeren Texten für den Blog zu arbeiten. Und alles spricht dafür, dass sich das auch diesen Monat nicht ändern wird. Doch damit die Spinnenweben hier nicht völlig die Überhand gewinnen, dachte ich mir, es wäre vielleicht ganz nett, wenn ich mich zur Abwechselung einmal an etwas kürzeren Kommentaren zu einigen Phantastik-Sachen versuchen würde, die ich in letzter Zeit gelesen oder gesehen habe.</span></p><p style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></p><p style="text-align: justify;"><b><span style="font-size: large;"><i>Doctor Who</i> <span>– Die Sylvester McCoy - Ära </span></span><span style="font-size: medium;"><span> </span></span></b> <br /></p><p style="text-align: justify;">Ulkigerweise ist es noch gar nicht so lange her, dass ich in einer E-Mail-Korrespondenz erklärt habe, dass ich nur alle halbe Jahre oder so Lust auf <i>Doctor Who </i>bekommen und mir dann ein paar der alten Serials anschauen würde, um der Tardis daraufhin für die nächsten sechs Monate wieder Ade zu sagen. Und jetzt habe ich mich stattdessen in kürzester Zeit durch die Ära des Siebten Doktors (1987-89) gebinget.</p><div style="text-align: justify;">Ich hatte erwartet, dass die Serie gegen Ende ihrer klassischen Laufzeit stark abbauen würde. Schließlich wird man sie ja kaum ohne Grund 1989 abgesetzt haben. Und tatsächlich enthalten die drei Staffeln viel Mittelmäßiges. Aber auch einige echte Highlights. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Sylvester McCoys Inkarnation des Doctors war mir jedenfalls sehr sympathisch. Anfangs wirkt das Nebeneinander beinah clownesk anmutender und dann wieder sehr ernster Momente zwar etwas unausgeglichen, aber das gibt sich mit der Zeit. Und im Grunde fand ich es sogar ganz nett, dass der Siebte Doctor anfangs manchmal geradezu durch seine Abenteuer stolpert, mitunter sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Eher abgeturnt hat es mich dagegen, dass in einigen der späteren Serials wie <i>Silver Nemesis </i>Szenen aufzutauchen beginnen, die andeuten, dass er kein gewöhnlicher Time Lord, sondern eine sehr viel mächtigere und mysteriösere Gestalt ist. Eine Idee, die in anderer Form in "New Who" wieder aufgegriffen wurde. Was ich persönlich für einen großen Fehler halte. Ich finde es sehr viel ansprechender, wenn der Doctor einfach ein leicht anarchische Typ ist, der aus Neugier und Spaß durch Raum und Zeit reist, um zwischendurch in Not geratenen Leuten zu helfen, weil er ein gutes Herz (oder zwei) hat. Halbgötter und SciFi-Erlösergestalten sind nicht nach meinem Geschmack.</div><div style="text-align: justify;">Sophie Aldreds Quasi-Punkmädchen Ace mit ihrer Respektlosigkeit und ihrer Vorliebe dafür, Sachen in die Luft zu sprengen, ist als Companion sehr einnehmend. Und es wäre schön gewesen, wenn wir die Chance gehabt hätten, im Laufe der Zeit noch mehr über ihre Hintergrundsgeschichte zu erfahren. Die wenigen kurzen Einblicke, die wir erhalten, sind jedenfalls recht interessant und tragen mit dazu bei, Ace im Unterschied zu früheren Companions als eine Figur erscheinen zu lassen, die sich entwickelt und verändert.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Leider sind die Drehbücher wie gesagt von eher durchwachsener Qualität. </div><div style="text-align: justify;">Zwei von ihnen stammen aus der Feder von Ben Aaronovitch, der heute vor allem für seine <i>Rivers of London </i>- Bücher bekannt sein dürfte. <i> </i></div><div style="text-align: justify;"><i>Remembrance of the Daleks </i>war mir streckenweise zu selbstreferentiell. Das geht so weit, dass wir in dieser 1964 spielenden Geschichte im Fernsehen die (angedeutete) Ausstrahlung der allerersten <i>Doctor Who </i>- Episode <i>An Unearthly Child </i>zu sehen bekommen! Eine nebenbei hingeworfene Anspielung auf Nigel Kneales Quatermass fand ich hingegen recht nett. Insgesamt wirkt das Serial wie ein endgültiger Abschied von den Daleks. Ähnliches gilt für Kevin Clarkes <i>Silver Nemesis </i>und die Cybermen. Und an sich wäre es vielleicht gar keine so schlechte Idee gewesen, diese bekanntesten <i>Doctor Who </i>- Bösewichter auf Dauer loszuwerden, Aber da die Serie ein Jahr später ohnehin eingestellt wurde, hatte das keine echten Auswirkungen.</div><div style="text-align: justify;">Aaronovitchs zweiter Beitrag <i>Battlefield </i>enthält zwar einige neckische Elemente. Wer kann schon arthurischen Rittern, die mit Laserpistolen in der Gegend herumschießen, widerstehen? Und vor allem die Konfrontation zwischen dem pensionierten Lethbridge-Stewart (Nicholas Courtney) und seiner Nachfolgerin Brigadier Winifred Bambeta (Angela Bruce) hat Charme. Doch die Story selbst wirkt leider etwas wirr und unausgegoren.</div><div style="text-align: justify;">Dasselbe Problem hatte ich mit Ian Briggs <i>The Curse of Fenric </i>und<i> </i>Marc Platts <i>Ghost Light. </i>Besonders frustrierend fand ich es bei letzterem, da ich von der ersten Hälfte eigentlich recht angetan war. Das Serial hat nicht nur eine hübsch weirde Atmosphäre und bietet einige Einblicke in Ace' Backstory, es steckt auch voller erst einmal spannend wirkender Motive und Ideen, die im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um Darwins Evolutionstheorie im Viktorianischen Zeitalter zu stehen scheinen. Zwischendurch hatte ich außerdem das Gefühl, die Geschichte könnte sich in eine von H.G. Wells' <i>The Island of Dr. Moreau </i>inspirierte Richtung entwickeln. Doch am Ende erwies sich das alles als falsch. Keine der Ideen wird wirklich konsequent durchgeführt und in der zweiten Hälfte beginnt das Ganze mehr und mehr auseinanderzufallen. Zurück bleibt ein schaler Nachgeschmack.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Wie steht's aber nun um die Highlights?</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Zugegebenermaßen ist die Auflösung von Stephen Wyatts <i>Paradise Towers</i> ähnlich unbefriedigend. Dennoch hatte ich sehr viel mehr Spaß mit dem Serial. Wofür in erster Linie das Setting und die Figuren verantwortlich waren. </div><div style="text-align: justify;">Die Geschichte spielt in einem gigantischen, jedoch ziemlich heruntergekommenem Wohnkomplex, in den vor Zeiten die gesamte weibliche Zivilbevölkerung des Planeten umgesiedelt wurde, nachdem man die Männer in den Krieg geschickt hatte. Seitdem ist jeder Kontakt zur Außenwelt abgebrochen. Das riesige Gebäude wird bevölkert von rivalisierenden Mädchengangs (den "Kangs"), die einen eigenen Slang entwickelt haben und deren Mitglieder Namen wie "Fire Escape" (Julie Brennon) und "Bin Liner" (Annabel Yuersha) tragen; ältlichen "Rezzies" ("Residents"), von denen einige inzwischen dem Kannibalismus frönen; dem selbsterklärten "Superhelden" und "Manly Man" Pex (Howard Cooke), den niemand ernst nimmt; sowie den faschistoiden "Caretakern", die für "Ordnung" sorgen sollen und dabei blind einem absurd komplexen Regelwerk mit unzähligen Paragraphen und Unterparagraphen gehorchen. Sie alle leben in ständiger Angst vor den mörderischen "Putzrobotern", die von einer mysteriösen Höllenmaschine im verbotenen Kellergeschoss kontrolliert werden, mit der der Chief Caretaker (Richard Briers) eine heimliche Übereinkunft getroffen hat.</div><div style="text-align: justify;">Die Auflösung der Geschichte entschärft zwar fast völlig das sozialkritische Moment, dennoch habe ich in dem Szenario einen deutlichen Kommentar auf den gesellschaftlichen Verfall und wachsenden Autoritarismus der Thatcher-Ära gesehen.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Dass sich im <i>Doctor Who </i>der 80er Jahre lange nicht mehr so viele sozialkritische Untertöne finden wie <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2023/04/doctor-who-red-hulke.html" target="_blank">ein Jahrzehnt zuvor</a>, hat sicher eine Reihe von Gründen. Überraschend ist es jedoch nicht, wenn man sich die politische Atmosphäre der Zeit vergegenwärtigt. Zwar ging den Tories die Rechtsentwicklung der BBC bei weitem nicht schnell und weit genug,<i> </i>aber die ultrareaktionäre Wende, die mit dem Regierungsantritt Margaret Thatchers 1979 eingesetzt hatte, hinterließ auch in der "offiziellen" Kultur deutliche Spuren. Ganz abtöten ließ sich der antiautoriäre Funken, der stets im Herzen des Franchises gebrannt hatte, freilich nicht. Und in den wenigen Fällen, in denen ein <i>Doctor Who </i>- Serial der Sylvester McCoy - Ära wieder einmal deutlicher politische Themen aufgriff, war die oppositionelle Haltung gegenüber dem Regime der Eisernen Lady unüberhörbar. Einem <a href="https://www.telegraph.co.uk/culture/tvandradio/doctor-who/7235547/Doctor-Who-had-anti-Thatcher-agenda.html" target="_blank"><i>Daily Telegraph </i>- Artikel</a> von 2010, zufolge soll Script Editor Andrew Cartmel bei seinem Antritt 1986 auf die
Frage des Produzenten John Nathan-Turner, was er mit seiner Arbeit an <i>Doctor Who </i>zu erreichen hoffe, gar geantwortet haben: "<i>I'd like to overthrow the government</i>". Und McCoy selbst hat einmal erklärt: "<i>Our feeling was that Margaret Thatcher
was far more terrifying than any monster the Doctor had encountered</i>". (1) Am deutlichsten tritt dies in Graeme Currys <i>The Happiness Patrol </i>(1988) zutage.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Die Bevölkerung der Kolonie Terra Alpha lebt unter der tyrannischen Herrschaft von Helen A (Sheila Hancock), die jedweden Ausdruck von Traurigkeit, Unzufriedenheit oder Melancholie zu einem Verbrechen erklärt hat. Unter der Parole "Happiness Will Prevail" ist oberflächliche Fröhlichkeit zur Pflicht aller geworden. Abweichendes Verhalten wird mit dem Tode bestraft. <br /></div><div style="text-align: justify;">Um ehrlich zu sein, ist <i>The Happiness Parol</i> mindestens ebenso wirr wie einige der oben erwähnten Serials, aber da das Ganze den Look und Vibe eines absurden Theaterstücks besitzt, hat mich das in diesem Fall nicht weiter gestört. Im Gegenteil, hier passt das. Das ganze Szenario ist einfach grandios durchgeknallt. Als Illustration mag ausreichen, dass Helen A.'s bevorzugter Scharfrichter der grotesk-robotische Kandyman ist, der seine Opfer in Sirup ertränkt.</div><div style="text-align: justify;">Die Figur der Despotin soll zweifelsohne Thatcher-Assoziationen hervorrufen. Ihr Regime ist allerdings keine simple Eins-zu-Eins - Allegorie auf die Toryregierung. Weshalb einige Kommentator*innen sogar so weit gegangen sind, den aktuell-politischen Inhalt des Serials ganz zu leugnen. Was ich für völlig verfehlt halte. In <i>The Happiness Patrol </i>geht es um Konformismus und Autoritarismus. Beides ohne Zweifel Aspekte des Regimes der Eisernen Lady. Und die Demonstrationszüge der als "Dronen" bezeichneten Arbeiter*innen, die einem Begräbniszug gleichend durch die Straßen der Metropole marschieren, sollen ohne Zweifel Reminiszenzen an den großen Bergarbeiterstreik von 1984/85 wecken und wirken zugleich wie eine Vorwegnahme der <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Poll_tax_riots" target="_blank">"Anti - Poll Tax" - Demonstrationen</a> von 1990.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Mein absoluter Favorit, <i>The Greatest Show in the Galaxy</i>, stammt erneut von Stephen Wyatt. Die Geschichte um einen intergalaktischen Zirkus, in dem die unglücklichen (und nicht ganz freiwilligen) Akteure drei ewig gelangweilte Götter, die die Gestalt einer verwöhnten Spießerfamilie angenommen haben, unterhalten müssen und bei Misserfolg exekutiert werden, ist großartig grotesk-surreal in Szene gesetzt. Streckenweise erreicht das beinah alptraumhafte Qualität oder erinnert an die besten Zeiten von Terry Gilliam. Auch lässt sich das Ganze als Parabel auf den Untergang der Ideale der Counter Culture interpretieren. Was 1988 vielleicht nicht mehr das aktuellste Thema war, mich aber dennoch berührt hat. Denn als Beispiel für das unausweichliche Scheitern jeder Bohème-Revolte besitzt das Schicksal der Hippies ja eine gewisse Zeitlosigkeit.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Beide Serials demonstrieren, wie man die mit dem geringen Budget der Serie einhergehenden Einschränkungen zum eigenen Vorteil wenden kann, wenn man auf eine "realistische" Ästhetik verzichtet.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Der allerletzte Beitrag zum klassischen <i>Doctor Who</i>, der Dreiteiler <i>Survival</i> (1989), wurde von Rona Munro geschrieben, die später u..a. auch für die Drehbücher von Ken Loachs <i>Ladybird, Ladybird </i>(1994) und Max Färberböcks<i><b> </b>Aimée & Jaguar</i> (1999) verantwortlich zeichnete. </div><div style="text-align: justify;">Nicht der schlechteste Abschluss, auch wenn das Serial unverkennbare Schwächen besitzt. Immerhin statten wir dabei Ace' Heimatort, einer trostlosen, englischen Kleinstadt, einen Besuch ab und lernen endlich auch ihre ehemals beste Freundin Shreela (Sakuntala Ramanee) persönlich kennen, von der wir zuvor bereits erfahren hatten, dass die Wohnung ihrer Familie Ziel eines rassistischen Brandanschlags geworden war. Die Figur von "Sergeant" Paterson (Julian Holloway), der den frustrierten örtlichen Jugendlichen Fitness & Selbstverteidigung beibringt und ihnen dabei gleichzeitig eine martialisch-sozialdarwinistischee Weltsicht ("survival of the fittest") einzutrichtern versucht, ist eindeutig als ein Kommentar auf die "dog-eat-dog" - "Moral" der Thatcher-Ära gedacht. Was auf nicht ganz geglückte Weise mit einem Plot um außerirdische "Gepard-Menschen" verknüpft wird, die ganz für die Jagd leben. Und der Master (Anthony Ainley) hat auch noch einen letzten Auftritt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: medium;"><b> </b></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: large;"><b>Red Sonja - <i>Endithors Tochter</i></b></span></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Nachdem mich <i>Die Hölle lacht </i>so <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2023/05/eine-hyrkanische-uberraschung.html" target="_blank">angenehm unterhalten</a> hatte, dauerte es nicht lange, bis ich mir auch den vierten der sechs von David C. Smith & Richard L. Tierney geschriebenen Romane über die Abenteuer des hyrkanischen She-Devils vornahm. Und die Lektüre erfüllte mich doch wirklich mit dem berauschenden Gefühl, dass die von Band zu Band immer besser werden und sich dabei zugleich immer weiter von den abgeschmackten Klischees entfernen, die man mit dieser Figur verbinden könnte. In <i>Endithors Tochter </i>(<i>Endithor's Daughter</i>) trägt Sonja vielleicht am deutlichsten die Züge der "Working Class - Heldin", die Smith einmal in einem Interview beschrieben hat. Dabei wird die von Roy Thomas ererbte Hintergrundsgeschichte mit ihren unerfreulicheren Elementen (Vergewaltigung, Göttererscheinung & "Keuschheitsschwur") nicht einmal mehr pro forma erwähnt, wie das in <i>Die Hölle lacht </i>noch geschehen war. </div><div style="text-align: justify;">Die gesamte Handlung spielt in der Stadt Shadizar. Sonja, die sich hier eigentlich nur für ein paar Tage amüsieren und zugleich nach einem neuen Söldnerinnenjob Ausschau halten will, wird eher zufällig in die blutigen Auseinandersetzungen zwischen einigen der ortsansässigen Adeligen hineingezogen. Der mächtige Lord Nalor hat seinen Rivalen Endithor unter dem Vorwand der Hexerei hinrichten lassen. Dessen Tochter sucht nun nach Rache, wobei sie sich selbst der schwarzen Künste bedient. All das könnte unserer Heldin völlig gleichgültig sein, zumals sie ihre Verachtung für die Aristokraten recht unverblümt zur Schau stellt, wenn nicht ein Bekannter von ihr in das Ganze verstrickt würde und Nalor außerdem einen Vampir als Verbündeten hätte. Als dann auch noch einer der Straßenjungen, mit denen sie sich angefreundet hat, von dem Untoten ermordet wird, kann sie nicht länger die unbeteiligte Beobachterin spielen. Ob Endithors Tochter, die im Zuge ihres magischen Rachefeldzugs immer größere Teile ihrer Menschlichkeit einbüßt, dabei eher potenzielle Verbündete oder zusätzliche Gegnerin ist, bleibt fast bis zum Ende offen.</div><div style="text-align: justify;">Leider scheint es Band 5: <i>Der Prinz der Hölle </i>(<i>Against the Prince of Hell</i>) darauf abgesehen zu haben, meinen positiven Eindruck zu widerlegen. Das Szenario wirkt wie eine wiederaufgewärmte Version von Band 1: <i>Der Ring von Ikribu</i>, dem bislang <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2022/05/ein-ring-sie-zu-ja-was-eigentlich.html" target="_blank">schwächsten Teil </a>der Reihe. Und der Text weist da selbst ausdrücklich drauf hin! Aber das ist nur der Anfang der inhaltlichen wie strukturellen Probleme, die ich mit dem Roman habe. Falls ich ihn doch noch irgendwann fertiglesen sollte, werde ich einen etwas ausführlicheren Kommentar dazu abgeben. Für den Moment mag es reichen zu erwähnen, dass von Seite Eins an das ganze "Keuschheitsgelübde" - Gedöns eine Wiederauferstehung erfährt und die Bösewichter ein kushitischer (also schwarzer) Hexer und eine böse Bisexuelle sind ... </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: large;"><b><i>Conspiracy of Ravens</i></b></span></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Ich bin dem Comics-Autoren-Paar Leah Moore & John Reppion zum ersten Mal in Zusammenhang mit ihrer zweibändigen Adaption klassischer M.R. James - Geschichten <i>Ghost Stories of an Antiquary </i>begegnet. (2) Moore ist außerdem eine der Autorinnen des von Gail Simone zusammengestellten Bandes <i>Legends of Red Sonja</i> (den ich hier eigentlich auch mal etwas ausführlicher vorstellen könnte). Von der YA-Story <i>Conspiracy of Ravens</i>, die die beiden zusammen mit der Zeichnerin Sally Jane Thompson kreiert haben, hörte ich zum ersten Mal vor Jahren im Rahmen <a href="https://www.mrjamespodcast.com/2018/10/episode-67-through-a-glass-darkly-conference-report/" target="_blank">eines kurzen Interviews</a> des stets hörenswerten <i>A Podcast to the Curious</i>. Reppion beschreibt sie dort etwas flapsig als eine Geschichte über "<i>a </i><i>magical girl super-hero team, kind of</i>", in der es um "<i>flying around, super-powers, birds, myths, magic</i>" gehe. Vor kurzem hatte ich endlich Gelegenheit, mir den Band einmal selbst vorzunehmen. </div><div style="text-align: justify;">Die fünfzehnjährige Anne erbt überraschend den viktorianischen Landsitz einer Tante, von deren Existenz sie bis dahin überhaupt nichts gewusst hatte. Ihre geschiedenen Eltern, die beide aus beruflichen Gründen die meiste Zeit in Übersee verbringen, derweil ihre Tochter in einem Internat untergebracht ist, drängen sie dazu, umgehend dem Verkauf des alten Herrenhauses zuzustimmen. Aber Anne zögert, zumal es schon bald zu äußerst mysteriösen Ereignissen kommt, die ganz offenbar mit der unverhofften Erbschaft im Zusammenhang stehen. Gemeinsam mit ihrer Geek-Freundin Binky (die nur dank eines Stipendiums dieselbe teure Schule besucht) macht sie sich daran, das Geheimnis von Ravenhall zu lüften. Wie sich herausstellt, ist Anne eines von fünf Mädchen, die dazu ausersehen sind, die Nachfolge eines viktorianischen Superheldinnen-Teams anzutreten, das hier einst sein Hauptquartier hatte. Jedes seiner Mitglieder besaß eine Art Totem-Vogel und mit ihm verbundene außergewöhnliche Kräfte. Annes Vogel ist der Rabe. Aber so cool es auch ist, plötzlich eine freundliche Roboter-Assistentin zu haben oder in einer Wolke von Raben durch die Gegend fliegen zu können, dauert es nicht lange, bis auch einige Bösewichter aus der Vergangenheit des Teams auftauchen. Ein Grund mehr, schnellstmöglich die übrigen vier Mädchen ausfindig zu machen und "The Dissimulation" ernsthaft wieder zum Leben zu erwecken.</div><div style="text-align: justify;">Wirklich umgehauen hat mich <i>Conspiracy of Ravens </i>jetzt zwar nicht, aber sehr charmant ist der Band ohne Frage. Und ich mochte die nie aufdringlich präsentierten Real Life - Elemente am Rande des phantastischen Abenteuers. Binkys Status als "<i>scholarship nerd</i>" und das damit verbundene Stigma; Annes Eltern, die ihre Tochter immer wieder dazu benutzen, ihre eigenen Konflikte auszufechten; die ärmlichen Verhältnisse, unter denen Jenny (eine weitere der jungen Superheldinnen) zusammen mit ihrem Bruder und ihrem alleinerziehenden Vater lebt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><b><span style="font-size: large;"> </span></b></div><div style="text-align: justify;"><b><span style="font-size: large;"><i>The Horse of the Invisible</i></span></b> <br /></div><div style="text-align: justify;"><div> </div><div>Bis vor kurzem war ich der festen Überzeugung, dass es keinerlei Filmadaptionen der Geschichten um <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2013/04/william-hope-hodgson.html" target="_blank">William Hope Hodgsons</a> okkulten Detektiv Thomas Carnacki gibt. Doch dann machte mich ein Tweet von <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/" target="_blank">Jim Moon</a> auf die Existenz der 1971/73 ausgestrahlten ITV-Anthologie <i>The Rivals of Sherlock Holmes </i>aufmerksam. In zwei Staffeln und 26 Episoden dürfen wir dort die Abenteuer aller möglichen viktorianischen und edwardianischen Detektive miterleben, deren Erlebnisse ungefähr zeitgleich mit denen von Arthur Conan Doyles berühmtem Großmeister des deduktiven Denkens zu Papier gebracht wurden. Die Vielfalt der Ermittler (inklusive dreier Frauen) ist zweifelsohne faszinierend, allerdings wird man in den Episoden unweigerlich auch auf Elemente stoßen, die bei heutigen Betrachter*innen ein leichtes Unwohlsein hervorrufen könnten. Die Bezeichnung "Gypsy" für eine der Heldinnen ist da noch eher harmlos, zumal Fergus Humes <i><a href="http://gutenberg.net.au/ebooks06/0606101h.html" target="_blank">Hagar of the Pawn-Shop</a> </i>zumindest in der TV-Adaption von <i>The Mystery of the Amber Beads </i>eine ausnehmend sympathische Figur und völlig frei von irgendwelchen stereotypen Zügen ist. Etwas unangenehmer wird es da schon mit der Charakterisierung irischer Republikaner, russischer Revolutionäre oder der Bevölkerung Haitis, denen man in einigen der anderen Episoden begegnet. Nun, ich schätze dererlei ist angesichts der literarischen Quellen unausweichlich und findet sich ja z.B. auch in der von mir hochgeschätzten <i>Sherlock Holmes </i>- Serie mit Jeremy Brett. Wirklich überrascht hat mich allerdings, dass die fünfte Episode der ersten Staffel doch tatsächlich ein Carnacki-Abenteuer, genauer gesagt <i>The Horse of the Invisible</i>, ist. Und der Ghost-Finder dabei von niemand anderem als dem großen Donald Pleasence gespielt wird. Viel zu sagen habe ich über das 50 Minuten lange Filmchen freilich nicht. Inhaltlich hält es sich erstaunlich eng an die <a href="https://www.gutenberg.org/cache/epub/10832/pg10832-images.html#id_2H_4_0004" target="_blank">literarische Vorlage</a>. Auffällig ist allerdings, dass Pleasence seinem Carnacki eine gewisse "social awkwardness" verleiht. Eine interessante Entscheidung und nicht ohne Reiz. Persönlich mag ich den Ghost-Finder ja vor allem deshalb, weil er so etwas wie der "moderate Skeptiker" unter den klassischen okkulten Detektiven ist, der nicht von vornherein alles auf übernatürliche Kräfte zurückführt. Und außerdem nie einen Hehl aus seiner eigenen Angst macht.</div><div> </div><p><span style="font-size: large;"><b><i>Sultana's Dream</i></b></span> <br /></p><div>Wo ich zum ersten Mal auf den Titel der 1905 im <i>Indian Ladies' Magazine </i>veröffentlichen feministischen Utopie von <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Begum_Rokeya" target="_blank">Rokeya Sakhawat Hossain</a><b> </b>gestoßen bin, weiß ich nicht mehr. Möglicherweise in einem Beitrag auf <a href="http://strangehorizons.com/" target="_blank"><i>Strange Horizons</i></a>? Jedenfalls hat es beschämend lang gedauert, bis ich mir die kurze Erzählung einmal tatsächlich zu Gemüte geführt habe. Dabei ist es wirklich nicht schwer, eine <a href="https://en.wikisource.org/wiki/Sultana%27s_Dream" target="_blank">Version</a> des Textes im Internet zu finden. </div><div>Eine ernsthaftere Auseinandersetzung mit der Erzählung, die diese sicher verdient hätte, würde u.a. eine eingehendere Beschäftigung mit dem Leben der Autorin und den sozialen und politischen Verhältnissen im Bengalen des beginnenden 20. Jahrhunderts voraussetzen. Da ich das momentan nicht leisten kann, muss ich mich auf ein paar spontane erste Eindrücke beschränken.</div><div>Der Inhalt der Geschichte ist schnell zusammengefasst. Die Ich-Erzäherin erhält eines Nachts Besuch von einer geheimnisvollen Fremden, die sie in das wundersame matriarchalische "Ladyland" entführt, in dem die traditionellen Geschlechterrollen auf den Kopf gestellt wurden: Alle öffentlichen Posten sind von Frauen besetzt, während die Männer daheim im <i><a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Zenana" target="_blank">zenana</a> </i>(~Harem) hocken. Das Reich ist ein blühendes Gartenparadies voller Frieden und Harmonie. Verbrechen und Gewalt sind unbekannt. Im Stile vieler klassischer Utopien besteht der Großteil der Erzählung aus einer Beschreibung der sozialen, technologischen und politischen Verhältnisse in "Ladyland", sowie aus einem kurzen Abriss der historischen Entwicklungen, die zu diesem idyllischen Zustand geführt haben.</div><div>Man kann sich leicht vorstellen, wie provokant <i>Sultana's Dream </i>zum Zeitpunkt seines Erscheinens gewirkt haben muss. Und einige interessante Ideen enthält die Erzählung ganz zweifellos. </div><div>So legt Rokeya Sakhawat Hossain zwar viel Gewicht auf Bildung und Wissenschaft (letztenendes waren es die Errungenschaften der Universitätsgelehrtinnen, die die Gründung von "Ladyland" ermöglichten), stellt ihr Utopia aber nicht als eine zeitgenössische Industriegesellschaft dar. Vielmehr ist die Industrie der Vergangenheit mit all ihrem Schmutz und ihrer Zerstörung verschwunden, da die Wirtschaft des Reiches völlig auf der Nutzung von Solarenergie basiert. Die Form, in der das geschieht, ist freilich ziemlich fantastisch und hat nichts mit unseren heutigen Technologien zu tun. Ebenso wie die "Wassergewinnung aus der Atmosphäre" und das "Wetterkontrollsystem", mit denen "Ladyland" dank dem Erfindungsreichtum seiner Wissenschaftlerinnen gesegnet ist, wirkt das ein wenig wie "herbeigezauberte" Lösungen für gesellschaftliche Probleme. Doch zumindest bildet <i>Sultana's Dream </i>damit einen interessanten Gegensatz zu den technokratischen Utopien eines Edward Bellamy oder H.G. Wells.</div>Sehr nett auch die Erwiederung auf das unter "aufgeklärten" männlichen Chauvinisten der Zeit beliebte vulgärmaterialistische Argument, dass die Gehirne der Männer "<i>bigger and heavier than women's</i>" seien und damit deren Überlegenheit unter Beweis stellen würden: "<i>Yes, but what of that? An elephant also
has got a bigger and heavier brain than a man has. Yet man can
enchain elephants and employ them, according to their own wishes.</i>"</div><div style="text-align: justify;">Allerdings kann ich nicht umhin, auch auf einige sehr signifikante Schwächen von Rokeya Sakhawat Hossains Vision hinzuweisen. Abgesehen von der Umkehrung der Geschlechterrollen scheint sich nämlich nichts an der sozialen Ordnung des Reiches geändert zu haben. Nicht nur ist "Ladyland" weiterhin eine Monarchie, die Erzählung geht auch mit keinem Wort auf Eigentumsformen und Besitzverhältnisse ein. Die Klassenstruktur der Gesellschaft dürfte sich demnach nicht verändert haben, Reichtum und Armut noch genauso wie unter dem Patriarchat vorhanden sein. Gesellschaftliche Probleme wie Verbrechen, Gewalt und Bürokratismus haben sich hingegen wundersamer Weise in Luft aufgelöst, weil ihre einzige Wurzel offenbar in der "triebhaften" Natur der Männer bestand.</div><div style="text-align: justify;">Was mir denn doch etwas arg simplistisch erscheint.</div><div style="text-align: justify;">Abschließend möchte ich noch auf die <a href="https://umma.umich.edu/exhibitions/2020/oh-honey-a-queer-reading-of-the-collection/chitra-ganesh/sultanas-dream" target="_blank">siebenundzwanzig Linolschnitte</a> hinweisen, die die Künstlerin Chitra Ganesh inspiriert von <i>Sultana's Dream </i>geschaffen hat und von denen ich ehrlicherweise sagen muss, dass sie beeindruckender auf mich gewirkt haben als die eigentliche Erzählung. <br /></div><p style="text-align: justify;">Damit ist das Ende dieses Potpourris erreicht. Ich habe in letzter Zeit zwar auch mal wieder in Robbie Morrisons zwischen 1997 und 2012 auf den Seiten von <i>2000 AD </i>erschienenen Comics-Zyklus <i>Nikolai Dante </i>reingeblättert und außerdem damit begonnen, meine Bekanntschaft mit der erstmals 1984-86 bei ITV ausgestrahlten TV-Serie <i>Robin of Sherwood </i>zu erneuern, an die ich nur noch ganz vage Kindheitserinnerungen hatte. Doch beide haben eine etwas ausführlichere Besprechung verdient. Und wer weiß, vielleicht komme ich ja sogar irgendwann dazu, diese zu schreiben.<br /></p><p style="text-align: justify;"><br /></p><p>(1) Dass der Artikel das Ganze als eine Verschwörung subversiver Elemente darstellt, die <i>Doctor Who </i>infiltrierten, entspricht den Traditionen des konservativen britischen Gossenjournalismus.</p><p>(2) Der gute Mr. Jim Moon hat die beiden Bände<a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2016/11/microgoria-38-new-arrivals-at-great_19.html" target="_blank"> hier </a>und <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2017/10/microgoria-47-not-for-nervous.html" target="_blank">hier</a> besprochen.<br /></p><p> </p>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-70871237598591931442023-07-09T11:48:00.016-07:002023-07-19T13:03:24.763-07:00Die Sache mit den Sagas (1/2)<div style="text-align: justify;">Fragt man nach den literarischen Wurzeln der Sword & Sorcery, so wird man zuallererst an Swashbuckler und historische Abenteuergeschichten denken -- von solchen Klassikern wie Alexandre Dumas' <i lang="fr">Les Trois Mousquetaires </i><span lang="fr">(<i>Die drei Musketiere</i>) oder Rafael Sabatinis <i>Scaramouche </i>und <i>Captain Blood </i>bis zu den Pulp-Stories von Harold Lamb (<i>Khlit the Cossack</i>) und Talbot Mundy (<i>Tros of Samothrace</i>). Eine weitere wichtige Rolle spielten zweifelsohne "Lost Civilization" - Romane wie H. Rider Haggards <i>King Solomon's Mines </i>und <i>She </i>oder Pierre Benoits <i>Atlantide</i> (1) sowie Edgar Rice Burroughs' Planetary Romances à la <i>John Carter of Mars</i>.</span><span lang="fr"> <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span lang="fr"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span lang="fr">Doch </span>in seinem Buch <i>Flame and Crimson: A History of Sword-and-Sorcery </i>greift Brian Murphy noch sehr viel weiter zurück und vertritt die Ansicht, dass daneben auch die altnordischen Sagas eine wichtige Inspirationsquelle für das Subgenre gewesen seien.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Tatsächlich bekundeten viele der frühen Vertreter der S&S ihre Faszination für die Mythologie und Literatur des alten Nordens. Murphy führt folgende Beispiele an:<br /></div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>At the same time Fritz Leiber and collaborator Harry Otto Fischer were dreaming up the characters of Fafhrd and the Gray Mouser and exchanging ideas via letters they were reading Norse myth; Leiber says both were "steeped" in it.</blockquote></i></div><div style="text-align: justify;">und</div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>Michael Moorcock states that "from a very early age I was reading Norse legends and any books I could find about Norse stories." </i>(2)</blockquote><i> </i></div><div style="text-align: justify;">Allerdings fällt auf, dass in keinem der beiden Fälle ausdrücklich von den Sagas die Rede ist. Die Formulierungen legen sogar nahe, dass wir in erster Linie an die mythologischen Erzählungen der <i>Edda </i>denken sollen. (3) Auch Robert E. Howard spricht in einem Brief an Lovecraft vom August 1931 ausdrücklich von "<i>Sagas of Norse <b>gods and heroes</b></i>", die ihn faszinieren würden (4). Damit könnten zwar konkrete Texte wie die <i>Välsunga Saga </i>gemeint sein, in denen Götter und Heroen interagieren, aber der Kontext lässt eher vermuten, dass Howard mit dieser Formulierung die germanische Mythologie im allgemeinen bezeichnen wollte, verleiht er im Anschluss daran doch seiner Wut über die gewaltsame Christianisierung durch Karl den Großen Ausdruck.</div><div style="text-align: justify;">Angesichts dessen scheint mir zumindest Murphys Idee, die Sword & Sorcery in die Traditionslinie der Sagas, die High Fantasy in die der Edda zu stellen, fragwürdig (5). Eine solche im Rückblick konstruierte Dichotomie wirkt zwar griffig und elegant, verwirrt meiner Meinung nach aber eher die tatsächlichen Zusammenhänge, anstatt sie zu erhellen.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Doch auf solche allgemeinen Betrachtungen will ich im Moment ohnehin erst einmal verzichten und mich stattdessen in diesem ersten Beitrag ausschließlich auf Robert E. Howard als den Gründervater der Sword & Sorcery konzentrieren. </div><div style="text-align: justify;">Dessen Begeisterung für die Sagas (und nicht nur allgemein für die "nordische Mythologie") steht außer Frage. Schwieriger fällt es, zu bestimmen, welche genau er wohl in Gänze gelesen haben mag. Drei
Sagas werden in seiner Korrespondenz namentlich erwähnt: Die <i>Grettis saga</i>, die <span><i>Njáls saga </i>und die <i>Heimskringla</i>. Doch kann man nicht automatisch davon ausgehen, dass er Zugang zu vollständigen Übersetzungen aller drei gehabt hätte. </span>Soweit sich
das noch <a href="https://howardhistory.com/the-robert-e-howard-bookshelf/" target="_blank">nachprüfen</a> lässt, war keine von ihnen Bestandteil seiner persönlichen Bibliothek.<br /><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Im Mai 1926, einen Monat nachdem seine Erzählung<i> Wolfshead</i> in <i>Weird Tales</i> erschienen war, druckte das "Unique Magazine" in seiner Leserbriefsparte "The Eyrie" folgende Nachricht von Howard ab:<br /></div><div style="text-align: justify;"><i></i><i><blockquote>Robert E. Howard, author of <b>Wolfshead</b>, suggests the old Norse sagas as a
rich field for our series of reprints. "The Saga of Grettir the
Outlaw," he writes, "while told in plain, almost homely language,
reaches the peak of horror. You will recall the terrific, night-long
battle between the outlaw and the vampire, who had self been slain by
the Powers of Darkness." (6) </blockquote></i>Über den genauen Hintergrund dieses Leserbriefes <a href="https://howardhistory.com/2019/09/06/new-howard-letter/" target="_blank">scheint</a> nichts bekannt zu sein. In seinem Artikel <i><a href="https://dmrbooks.com/test-blog/2021/12/15/not-lost-in-translation-the-influence-of-old-norse-saga-and-myth-on-robert-e-howard-and-sword-and-sorcery" target="_blank">(Not) Lost in Translation</a> </i>stellt Brian Murphy die Vermutung an, Howard könnte die Saga in der <a href="https://archive.org/details/sagaofgrettirstr00highuoft/mode/1up" target="_blank">Übersetzung von George Ainslie Hight</a> gelesen haben, "<i>that by this time would have flooded the markets
of England and North America. First published in 1914, its clear style,
free of the archaisms of Morris and other earlier translations, made it
popular and enduring.</i>" Möglich ist das natürlich, wirklich belegen lässt es sich allerdings nicht. (7) Und auch wenn Howard den Eindruck erweckt, als habe er die gesamte Saga gelesen, muss das nicht notwendigerweise stimmen, wie unser nächstes Beispiel zeigt. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Als er im Juni 1931 versuchte, seine Story <i>The Spears of Clontarf </i>an das Magazin <i>Soldiers of Fortune </i>zu verkaufen, <a href="https://howardhistory.com/the-robert-e-howard-bookshelf/#j009" target="_blank">schrieb</a> er dem Herausgeber Harry Bates: <br /></div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>In gathering material for this story I have
drawn on such sources as Joyce’s "History of Gaelic Ireland", "The Saga
of Burnt Nial" Spenser’s "View of the State of Ireland", "The Wars of
the Gaels with the Galls" and other histories.</blockquote></i></div>Doch Rusty Burke erklärt in seinem Mega-Artikel <i>The Robert E. Howard Bookshelf</i>: "<i>It appears likely that Joyce was actually Howard’s source for material
from all of these, as he repeats Joyce’s rather idiosyncratic versions
of the titles</i>". Bezüglich der <span><i>Njáls saga </i>im Speziellen<i> </i><a href="https://howardhistory.com/the-robert-e-howard-bookshelf/#s002" target="_blank">merkt er an</a>, dass die Kapitel "</span><i>'The Danish Wars' and, in particular, 'The Battle of
Clontarf,' make extensive use of 'The Saga or Story of Burnt Nial,
translated by Sir George Webbe Dasent'</i>".</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">An dieser Stelle ist es denk ich wichtig, sich klarzumachen, wie schwierig es für Howard war, spezielle Lektüre in die Finger zu bekommen. Der Ölboom der 20er Jahre hatte seiner Heimatstadt Cross Plains zwar ein neues Gefängnis und eine "Chamber of Commerce" beschert, aber weder einen Buchladen noch gar eine öffentliche Bücherei. Die nächstgelegen Bibliothek befand sich im gut 50km entfernten Brownwood. Andere Zugriffswege existierten zwar, waren aber rar und kompliziert. Wie Mark Finn in seiner Howard-Biographie <i>Blood & Thunder </i>schreibt:</div><div style="text-align: justify;"><blockquote><i>As he got older, Robert bought books from bookstores when he found them, and solicited mail order business from places like Von Bloom's in Waco, Texas. For the interminable stretches of time when Robert had neither car nor access to books, his only choice of reading material was magazines. </i>(8) </blockquote>Howards reges Interesse an der Sagaliteratur und allem "Nordischen" steht außer Frage. Und in solchen Fällen war er stets bereit, viel Energie zu investieren, um Zugang zu entsprechender Literatur zu bekommen. Dennoch sollten wir uns immer bewusst sein, unter welchen Beschränkungen der Autor im ländlichen Texas der 20er und frühen 30er lebte und arbeitete. Zwar gelang es ihm offenbar über die Jahre einige Sagas -- auszugsweise oder vollständig -- zu lesen. Aber ich denke, man darf davon ausgehen, dass seine Vorstellung von den Wikingern und ihrer Kultur mindestens ebenso stark von anderen Quellen geprägt worden war. Geschichten von grimmigen Nordleuten waren schließlich schon seit längerem fester Bestandteil der Abenetuerliteratur. So hatte z.B. H. Rider Haggard mit dem 1891 erschienen<a href="https://gutenberg.org/cache/epub/2721/pg2721-images.html" target="_blank"> <i>Eric Brighteyes </i></a>einen Roman geschrieben, den er selbst als "<i>a romance founded on the Icelandic sagas</i>" beschrieben hatte. Und auch in den Pulps hatten sie immer mal wieder einen Auftritt. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">In einem Brief an Lovecraft erzählte Howard 1933 von seiner ersten Begegnung mit der Welt der Magazine: <br /></div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>I well remember the first [magazine] I ever bought. I was fifteen
years old; I bought it one summer night when a wild restlessness in me
would not let me keep still, and I had exhausted all the reading
material in the place. I'll never forget the thrill it gave me. Somehow
it never had occured to me before that I could buy a magazine. It was an
<b>Adventure</b>. I still have the copy. After that I bought <b>Adventure</b>
fo many years, though at times it cramped my resources to pay the
price. It came out three times a month, then ... I skimped and saved
from one magazine to the next; I'd buy one copy and have it charged, and
when the next issue was out, I'd pay for the one for which I owed, and
have the other one charged, and so on. So I generally owed for one, but
only one.</i> (9) </blockquote></div><div style="text-align: justify;">Aller Wahrscheinichkeit nach war das 1921 gewesen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das von Arthur Sullivant Hoffman herausgegebene Magazin zwar noch nicht auf dem Zenit seiner Popularität, aber spätestens drei Jahre später war <i>Adventure </i>"<i>without question the most
important 'pulp' magazine in the world. Three issues were being
published per month, and its circulation was numbered in the
hundreds of thousands.</i>" (10) Wir wissen nicht genau, wie lange Howard regelmäßiger Leser blieb, aber der Einfluss von <i>Adventure </i>auf sein Werk ist unbestreitbar. Auch versuchte er im Laufe seiner Karriere immer wieder, dort eigene Stories unterzubringen. Wenn auch ohne Erfolg. Ein kurzer Blick in das Magazin scheint mir deshalb auch in unserem Zusammenhang geboten. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Dass Wikinger von früh an ihren Platz in der Heldengallerie von <i>Adventure </i>hatten, belegt George Wrights <a href="http://www.luminist.org/archives/PU/ADV_1912_11_L.jpg" target="_blank">prächtiges Cover</a> für die Novemberausgabe 1912. Über die Jahre zierten dann immer mal wieder Bilder von Drachenschiffen und bärtigen Nordmännern das Magazin. (11) Doch ironischerweise bezieht sich keine dieser Illustrationen auf den umfangreichen Geschichtenzyklus von Arthur D. Howden Smith, der zwischen 1923 und '25 auf den Seiten von <i>Adventure </i>erschien: <i><a href="http://www.philsp.com/homeville/gfi/l00043.htm#A1" target="_blank">Swain the Viking</a></i>. Dieser umfasste am Ende sechzehn Stories, und wir dürfen wohl mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass Howard zumindest mit einigen von ihnen vertraut war, auch wenn er Swain anscheinend nie in seiner Korrespondenz erwähnte. (12)</div><div style="text-align: justify;"> <br /></div><div style="text-align: justify;"><a href="https://pulpflakes.blogspot.com/2012/12/arthur-d-howden-smith-journalist.html" target="_blank">Arthur D. Howden Smith</a> (1888-1945) war eine ziemlich schillernde Persönlichkeit. Die Herausgeber von <i>Adventure </i>liebten es, wenn sie ihre Autoren als "echte Abenteurer" präsentieren konnten, die sich in fernen und "exotischen" Ländern herumgetrieben und dabei "dem Tod ins Auge geschaut" hatten. Und auf Smith traf diese Beschreibung recht gut zu. </div><div style="text-align: justify;">Mit siebzehn Jahren hatte er eine Lehrzeit bei der <i>New York Evening Post </i>begonnen. Doch nachdem er im Café mit einigen Immigranten vom Balkan ins Gespräch gekommen war, beschloss er spontan, nach Südosteuropa zu reisen, um am Kampf der Mazedonen und Bulgaren gegen das Osmanische Reich teilzunehmen. In der bulgarischen Hauptstadt Sofia angekommen, gelang es ihm tatsächlich Kontakt zu einigen Führern des rechten Flügels der <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Internal_Macedonian_Revolutionary_Organization" target="_blank">IMRO</a> (<i>Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation</i>) aufzunehmen. Über deren Vermittlung schloss er sich einem Partisanentrupp ("Cheta") an, mit dem er drei Monate lang durchs Gebirge zog und an einer ganzen Reihe von Scharmützeln mit türkischen Truppen teilnahm. Nach seiner Rückkehr in die Heimat verarbeitete er seine Erlebnisse zu dem 1908 bei <i>G.P. Putnam's Sons </i>veröffentlichten Buch<span style="font-size: small;"><i> </i></span><a href="https://archive.org/details/fightingturkinb00smitgoog" target="_blank"><span class="breaker-breaker" itemprop="name" style="font-weight: normal;"><span style="font-size: small;"><i>Fighting the Turk in the Balkans</i></span></span></a>. </div><div style="text-align: justify;">Smith arbeitete zwar bis 1920 als Journalist für die <i>New York Evening Post </i>und den <i>New York Globe</i>, doch begann er bereits 1911/12 Artikel und Stories an <i>Adventure </i>zu verkaufen. Und nicht zufällig war einer seiner ersten Beiträge eine dreiteilige Serie mit dem Titel <i>Fighting the Turks in Macedonia</i>.</div><div style="text-align: justify;">Smith startete seine Schriftstellerkarriere zwar mit Kriegsgeschichten (wie der <i>Miles McConaughy </i>- Reihe), sattelte aber schon bald auf historische Abenteuer um. Seine erfolgreichsten Serien waren <i><a href="https://archive.org/details/portobellogold0000unse" target="_blank">Porto Bello Gold</a> </i>(1924), ein von Robert Louis Stevensons Erben offiziell abgesegnetes Prequel zu <i>Treasure Island</i>, und <i><a href="https://archive.org/details/greymaidensword00smitrich" target="_blank">Grey Maiden </a></i>(1929), die Geschichte eines Schwertes, die sich von der Antike bis ins Elisabethanische England erstreckt. Wohl ein bisschen so was wie die mit Klinge versehene Extremversion von Anthony Manns <i>Winchester '73</i>. Beide erschienen 1924 bzw. 1929 auch gesammelt in Buchform. Dieses Privileg genoss <i>Swain </i>zwar nicht (13), doch dass auch er bei der Leserschaft von <i>Adventure </i>sehr populär gewesen sein muss, zeigt sich u.a. darin, dass Smith sich gedrängt fühlte, ihn in den 40er Jahren für mehrere Geschichten wiederzubleben.</div><div style="text-align: justify;">Ähnlich wie Harold Lambs Khlit der Kosake, dessen Abenteuer im selben Magazin erschienen und mit dem ich mich weiland<a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2018/10/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank"> hier</a> schon einmal etwas eingehender beschäftigt habe, trägt auch Swain eine Reihe von Zügen, die er mit den klassischen S&S-Held*innen späterer Zeiten gemein hat. Er ist impulsiv, stolz und eigensinnig, ein überragender Krieger, aber zugleich umsichtig, trickreich und schlau. Am Ende der ersten Geschichte<a href="https://en.wikisource.org/wiki/Swain%27s_Stone" target="_blank"> <i>Swain's Stone </i></a>wird er als junger Mann in die Verbannung geschickt, nachdem er einen mächtigen Gefolgsmann des herrschenden Jarls der Orkneys im Streit erschlagen hat. Aber das stärkt nur noch seinen unabhängigen Geist. Wie er zu Beginn von <i><a href="https://en.wikisource.org/wiki/Swain%27s_Vengeance" target="_blank">Swain's Vengeance </a></i>erklärt: "<i>I am my own master, and shall be, so long as Jarl Paul's writ of outlawry runs against me. I have <b>Deathbringer</b> </i>[sein Drachenschiff] <i>and a crew of stout carls and the world to roam.</i>" Diese Einstellung behält er im Grunde durch alle seine Abenteuer hindurch bei. Wie es in <i><a href="https://pulpflakes.blogspot.com/2013/12/arthur-d-howden-smiths-swain-viking-in.html" target="_blank">Swain's End</a> </i>von ihm heißt: "<i>Swain was never bound by law or creed, if it was not to his advantage to be</i>". Außenseitertum, Unabhängigkeit und Mangel an Respekt für die herrschenden Autoritäten. All das verbindet Swain mit einem typischen S&S - Helden. Doch anders als die meisten von diesen zerreißt er seine Bindungen an die Gesellschaft, der er entstammt, nicht vollständig. Im Gegensatz zu seinem Erzfeind Olvir Rosta wird er nicht zum ruhelosen Plünderer auf endloser Wiking-Fahrt. Vielmehr beendet er seine Karriere als mächtiger Grundbesitzer mit entscheidendem Einfluss auf die politischen Geschicke der Orkneys. Auch wenn er sich dabei stets seine Selbstständigkeit bewahrt.</div><div style="text-align: justify;">Wenn der Zyklus Howard tatsächlich beeinflusst haben sollte, wäre das in
erster Linie bloß ein weiteres Beispiel für die Rolle, die die
historische Abenteuergeschichte bei der Entstehung der Sword &
Sorcery gespielt hat. Doch zumindest auf vermittelte Weise würde damit
auch eine weitere Verbindung zu den Sagas geschlagen. Denn Smith
entwickelte die Figur seines Helden auf Grundlage der (wohl
historischen) Gestalt des <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Sweyn_Asleifsson" target="_blank">Sweyn Asleifsson</a> aus der<a href="https://www.sacred-texts.com/neu/ice/is3/index.htm" target="_blank"> </a><i><a href="https://www.sacred-texts.com/neu/ice/is3/index.htm" target="_blank">Orkneyinga Saga</a> </i>des 13. Jahrhunderts<i>, </i>auch wenn er sich dabei natürlich manche Freiheiten erlaubte.<i> </i><br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Arthur D. Howden Smiths Einfluss auf Howard muss hypothetisch bleiben. Für eine andere Quelle, die sein Bild vom "nordischen Geist" entscheidend mitformte, gilt das hingegen nicht. Wir wissen, wie stark ihn die Lektüre von G.K. Chestertons umfangreichem Gedicht <i><a href="https://www.gutenberg.org/files/1719/1719-h/1719-h.htm" target="_blank">The Ballad of the White Horse</a> </i>beeindruckte. In Briefen an seinen Freund Tevis Clyde Smith kommt er mehrfach darauf zu sprechen. (14) Auch stellte er Zitate aus dem epischen Werk wiederholt eigenen Stories voran. Es inspirierte ihn nicht nur zu dem kleinen Gedicht<a href="https://war-poetry.livejournal.com/1296691.html" target="_blank"> <i>The Harp of Alfred</i></a>, sondern auch zu einem eigenen "Versepos" mit dem Titel <a href="http://onanunderwood5.blogspot.com/2016/02/an-overview-of-robert-e-howards-poem.html" target="_blank"><i>The Ballad of King Geraint</i></a>. </div><div style="text-align: justify;">Für Chesterton verkörperte die Schlacht von Ethandun (Edington) zwischen dem angelsächsischen König Alfred (dem Großen) von Wessex und den Dänen unter König Guthrum den Kampf zwischen "<i>Christian civilization</i>" und "<i>heathen nihilism</i>". Es ist nicht anzunehmen, dass für Howard darin die primäre Anziehungskraft des Gedichtes bestand. Auch wenn sich ein ähnliches Motiv erstaunlicherweise in seinen Geschichten über die Schlacht von Clontarf findet. In erster Linie dürften ihn das "Nordische" und die Schilderung der Schlacht selbst angesprochen haben. Ironischerweise hatte J.R.R. Tolkien folgendes über <i>The Ballad of the White Horse </i>zu sagen: </div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>The brilliant smash and glitter of the words and phrases (when they
come off, and are not mere loud colours) cannot disguise the fact that
G. K. C. knew nothing whatever about the 'North', heathen or Christian.</i> (15) </blockquote></div><div style="text-align: justify;">Sei dem wie ihm sei, auf jedenfall sollten wir stets bedenken, dass Howards Rezeption altnordischer Literatur durch eine Linse geschah, die u.a. durch seine übrige Lektüre mitgeformt worden war. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Doch inwieweit besteht nun tatsächlich eine Verbindung zwischen ihr und der Geburt der Sword & Sorcery? Ich denke, das lässt sich am besten anhand dessen zeigen, was Howard über die dritte namentlich in seiner Korrespondenz erwähnte Saga, zu sagen hatte -- die <i>Heimskringla</i>. Sie selbst kann zwar keine signifikante Rolle bei der Entstehung des Subgenres gespielt haben, da sie ihm erst 1935, ein Jahr vor seinem Tod, in die Hände fiel. Doch was er in einem <a href="https://howardhistory.com/the-robert-e-howard-bookshelf/#s047" target="_blank">Brief an H.P. Lovecraft</a> vom Juli desselben Jahres über das Werk schreibt, ist dennoch äußerst erhellend:<br /></div><div><p></p><p style="text-align: justify;"><i></i></p><div style="text-align: justify;"><blockquote><i>By the way, I recently got hold of a book that ought to be read by all
writers who strive after realism, and by every man with a drop of Nordic
blood in his veins — the "Heimskringla" of Snorre Sturlason. Reading
his sagas of the Norse people, I felt more strongly than ever my
instinctive kinship with them, and the kinship between them and frontier
people of America. In many ways the Norsemen figuring in this history
more resemble the American pioneers of the West more than any other
European people I have ever read about. The main difference, as far as I
could see, was that the Norsemen were more prone to break their pledged
word than were the frontiersmen.</i></blockquote></div><p></p><div style="text-align: justify;">Indem Howard die Nordleute der <i>Heimskringla </i>mit den Pionieren der amerikanischen Frontier verglich, machte er sie zu einem Teil seiner nicht enden wollenden Diskussion mit Lovecraft über die Vorzüge von Barbarei bzw. Zivilisation. </div><div style="text-align: justify;">Dem Gentleman von Providence war letztere das höchste Gut. Eine gesellschaftliche Ordnung, die es einer feinsinnigen und kultivierten Elite erlaubt, frei von körperlicher Mühsal zu existieren und sich ganz Kunst, Philosophie und Wissenschaft zu widmen. Für "Two Gun" Bob hingegen verkörperte die Zivilisation in erster Linie Repression und Entmenschlichung. Ihr stellte er ein Ideal persönlicher Freiheit entgegen, das er sowohl in der alten Frontier als auch in allerlei "barbarischen" Kulturen verkörpert sah. Und diese Weltsicht ist integraler Bestandteil der howard'schen Sword & Sorcery. Dies ist der Kontext, in dem es in meinen Augen am ehesten Sinn macht, von einer Verbindung zwischen den Sagas und dem Subgenre zu sprechen. Noch deutlicher zeigt das folgender Brief an Lovecraft vom März 1933: <br /></div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>You say the attraction of a barbaric life could not exist without the perspective of civilization. Yet (if we call the Vikings barbarians) do you not think that they found their life good without that perspective? The sagas hum with self-glorification, with praise of "the whale path", and the glory of the foray. Dull, mindless clods, mere hulks of inert, dead matter? I can not agree there. Such men as Eric the Red, Leif the Lucky, Hrolf the Ganger, Hengist -- they could not have been feeble jelly-like organism groping blindly through the scum of primordial life. They were alive, they stung, burned, tingled with Life -- life raw and violent doubtless, but Life, just the same, and worthy to be classed with the best effort of the intellectual side of man. </i>(16)</blockquote><i> </i>Die Art, in der Howard hier die Wikinger charakterisiert, erinnert sehr deutlich an Conans berühmten Monolog aus der im August 1932 geschriebenen Geschichte <i>Queen of the Black Coast</i>, in dem der Cimmerier allen metaphysischen Spekulationen eine Absage erteilt und seine eigene Lebensphilosophie darlegt:<br /></div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>I have known many gods. He who denies them is as
blind as he who trusts them too deeply. I seek not beyond death. It may be the
blackness averred by the Nemedian skeptics, or Crom's realm of ice and cloud, or
the snowy plains and vaulted halls of the Nordheimer's Valhalla. I know not, nor
do I care. Let me live deep while I live; let me know the rich juices of red
meat and stinging wine on my palate, the hot embrace of white arms, the mad
exultation of battle when the blue blades flame and crimson, and I am content.
Let teachers and priests and philosophers brood over questions of reality and
illusion. I know this: if life is illusion, then I am no less an illusion, and
being thus, the illusion is real to me. I live, I burn with life, I love, I
slay, and am content.</blockquote></i></div><div style="text-align: justify;">Was Howard für sich aus den Sagas bezog, war also vor allem eine Bestätigung seiner Weltanschauung. Inwieweit er damit Geist und Inhalt der altnordischen Erzählungen gerecht wurde, ist von zweitrangiger Bedeutung. Weshalb ich diese Frage hier auch gar nicht erst diskutieren will. Die Wurzeln seines Weltbildes lagen ohnehin anderswo: Zum einen in den Geschichten vom texanischen Frontierleben, mit denen er aufgewachsen war. Zum anderen in den heftigen gesellschaftlichen Umwälzungen, die mit dem Ölboom der 20er Jahre einhergingen und das Antlitz von Kleinstädten wie Cross Plains radikal veränderten. Sie waren es, die das Bild jener "Zivilisation" prägten, die er so leidenschaftlich verachtete. Wie er im Dezember 1935 an Lovecraft schrieb:</div><div style="text-align: justify;">
<p style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></p><blockquote><i>Every corporation that has ever come
into the Southwest bent solely on looting the region’s people and
resources has waved a banner of "progress and civilization."
[...] Because we were tired of seeing corporations located in other
sections grab huge monopolies on resources which they sucked dry and
departed with bulging money-bags, leaving a devastated land behind
them [...] That the capitalist looters should throw a smoke-screen of
claims for progress and civilization and advancement is not
surprizing; as with professional soldiers, dictators and
imperialists, it is their favorite slogan.</i> (17)
</blockquote><p></p>
</div><div style="text-align: justify;">Hinzu kamen sicher noch persönlich-psychologische Gründe, die seine tiefe Abneigung gegen jede Form von Autorität schürten.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Werfen wir einen Blick in Howards literarisches Werk, so finden wir eine Reihe von Gedichten, in denen Wikinger der südländischen "Zivilisation" entgegengestellt und dabei zugleich mit dem Motiv der "Freiheit" verknüpft werden. So heißt es z.B. in <i><a href="https://intothevoid.wordpress.com/2006/12/29/the-song-of-horsas-galley/" target="_blank">The Song of Horsa's Galley</a></i>:
<blockquote><p style="margin-bottom: 0cm;"><i>Out of the dark of the misty north<br />We
come like shapes of gloom<br />To harry again the Southland men<br />And
trample the arms of Rome.</i></p>
<p style="margin-bottom: 0cm;"><i>The ravens circle above our prows<br />And
our chant is the song of the sea.<br />They hear our oars by a thousand
shores<br /></i></p><div style="text-align: left;"><i>And they know that the North is free.</i></div></blockquote></div><div style="text-align: justify;">Noch eindringlicher geschieht dies in <i><a href="https://thesilverkey.blogspot.com/2023/02/the-rhyme-of-viking-path-robert-e-howard.html" target="_blank">The Rhyme of the Viking-Path</a></i>. Das lyrische Ich ist ein Wikinger, der nach einer unglücklich verlaufenen Schlacht vor Mikligard (Byzanz) in Gefangenschaft gerät. Von den "Griechen" wird er erst zum Galeerensklaven gemacht, dann in der Levante an irgendeinen muslimischen Gutsbesitzer verkauft. Doch weder Ketten noch Peitsche können seinen Willen brechen. Als ihm schließlich die Flucht gelingt, schwört er, grausame Rache an seinen Unterdrückern und ihrer "verweichlichten" Kultur zu nehmen: <br /></div><div style="text-align: justify;">
<div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div><blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>Oh, East of sands and moon-lit gulf,</i></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>Your blood is thin, your gods are few; </i></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>You could not break the Northern wolf</i></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>And now the wolf has turned on you.</i></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i> </i></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>Now fires that light the coast of Spain</i></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>Fling shadows on the Moorish strand; </i></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>Masters, your slave has come again, </i></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>With torch and axe in his red hand!</i></div></blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div>In seinen Abenteuer- und Sword & Sorcery - Geschichten suchen wir allerdings weitgehend vergeblich nach Wikinger-Protagonisten. Das mag überraschen, ist aber leicht zu erklären. Howard sah sich selbst als ein Nachkomme der "schwarzen Iren" und identifizierte sich sehr stark mit seinem "keltischen Erbe". Weshalb denn auch viele seiner Helden irischer Herkunft sind: Cormac FitzGeoffrey, Turlogh Dubh O'Brien, Cormac Mac Art. Selbst Conan ist ja eine Art Proto-Kelte. Ironischerweise führt das dazu, dass Nordleute in einigen dieser Geschichten nicht nur nicht die Helden, sondern vielmehr die verhassten Widersacher sind. So macht sich etwa Turlogh O'Brien in <i>The Dark Man </i>auf, die entführte irische Prinzessin Moira aus den Klauen des dänischen "Seekönigs" Thorfel zu befreien, und die Story endet mit einem blutigen Massaker, das kein einziger der Wikinger überlebt. Noch deutlicher gilt das für Howards Geschichte(n) über die Schlacht von Clontarf, wurde das 1014 in der Nähe von Dublin ausgetragene Gefecht in irisch-nationalistischer Sicht doch als Befreiung von der "dänischen Fremdherrschaft" gefeiert. (18) Selbst in dem am ehesten als Wikinger-Geschichten zu bezeichnenden Zyklus um Cormac Mac Art ist der eigentliche Held ein Ire, wenn auch "rechte Hand" und engster Berater des hünenhaften Dänen Wulfhere Skull-Splitter. (19)<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Die große Ausnahme bildet der James Allison - Zyklus. Zumindest in gewisser Hinsicht. Auf jedenfall sind diese Geschichten wohl am stärksten von dem durchtränkt, was Howard als "nordischen Geist" bezeichnet hätte. Auch eröffnen sie einen besonders pointierten Einblick in seine Vorstellung vom ewigen Ringen zwischen Zivilisation und Barbarei -- einschließlich der eher unangenehmen Aspekte dieser Geschichtsphilosophie.</div><div style="text-align: justify;">Im Herbst 1930 schrieb Howard in einem <a href="https://howardhistory.com/the-robert-e-howard-bookshelf/#l019" target="_blank">Brief</a> an seinen Freund Harold Preece: "<i>[Jack] London’s <b>The Star Rover</b> is a book that I’ve read and re-read for years, and that generally goes to my head like wine</i>". Als er sich ca. anderthalb Jahre später daran machte, den ersten Teil des späteren Zyklus, <i>The Marchers of Valhalla, </i>zu schreiben, ließ er sich dabei stark von Londons Roman inspirieren. Ganz wie dessen Protagonist Darrell Stending flieht auch James Allison aus einer unerträglich erscheinenden Gegenwart in die Erinnerungen an frühere Inkarnationen, durchlebt noch einmal die Abenteuer vergangener Leben. Der Unterschied ist freilich, dass Londons Protagonist dabei der Hölle des amerikanischen Gefängnissystems und regelmäßger Folter zu entkommen sucht, während Allison dank körperlicher Gebrechen unter einer untätigen Existenz in einer staubig-öden texanischen Kleinstadt leidet. Sowohl Howards Faszination für <i>Star-Rover </i>als auch die deutlich anders gelagerte "unerträgliche" Situation, in die er seinen eigenen Helden stellt, sagt eine Menge über ihn aus. <br /></div><div style="text-align: justify;">Dass Figuren durch ihre "Rassenzgehörigkeit" charakterisiert werden, ist bei Howard ganz allgemein keine Seltenheit. Dies entsprach sowohl den persönlichen Überzeugungen des Autors als auch den Konventionen der zeitgenössischen Pulpliteratur. Doch sticht das rassenideologische Element bei den James Allison - Geschichten besonders stark ins Auge. Was zumindets bei mir ein gewisses Unbehagen ausgelöst hat. In <i>The Valley of the Worm </i>erklärt der Protagonist in Bezug auf seine vergangenen Existenzen: "<i>I have never been any but a man
of that restless race men once called Nordheimr and later Aryans,
and today name by many names and designations.</i>" Im Unterschied zu den allermeisten Helden Howards sind Allisons frühere Inkarnationen denn auch tatsächlich blonde, blauäugige Barbaren mit einer schier übermenschlichen Physis. Und zumindest der Ich-Erzähler lässt keinen Zweifel daran, dass er die arische Rasse für überlegen hält. </div><div style="text-align: justify;">Zwar tragen die Helden des Zyklus Namen wie Niord, Hialmar und Hunwulf, aber sie sind nicht wirklich Wikinger. Die Geschichten spielen vielmehr in einer mythischen Urzeit, die noch sehr viel weiter zurückliegt als das Hyborian Age und in der Mammutherden und Säbelzahntiger durch Savanne und Dschungel streifen. Obwohl Schwerter und Äxte geschwungen werden, haben die Szenarien doch manches mit den "Steinzeitabenteuern" gemein, die ein gängiges Pulpgenre der Zeit waren und zu denen auch Howards erste veröffentlichte Story <i>Spear and Fang </i>gehört hatte. Wenn dennoch Elemente der germanischen Mythologie wie Asgard, Jötunheim und Ragnarök in den Geschichten auftauchen, so stets mit dem Hinweis, das sich hinter diesen Namen reale Orte und Ereignisse verbergen, die erst in späteren Jahrhunderten zu Götter- und Heldensagen umgedeutet worden seien. "<i>Legends are distorted shadows of pre-existent realities</i>". </div><div style="text-align: justify;">Dem urzeitlichen Setting gemäß erscheint auch das "Barbarentum" hier in einer besonders "unverfälschten" und brutalen Form. In sozialdarwinistischer Manier beschreibt Howard die Morgendämmerung der Menschheit als ein Zeitalter, "<i>in which each tribe and each
human fought tooth and fang from birth to death, and neither gave
nor expected mercy</i>". Seine Arier (oder "<i>Æsir</i>") sind ein umherwanderndes Volk von Eroberern: "<i>Our trail was laid in blood
and embers through many lands. We were the slayers and ravishers,
striding sword in hand across the world</i>". Selbst das mit dem "Barbarentum" verknüpfte Ideal des ungebrochenen Individualismus drückt sich in dieser Welt auf reichlich blutige Weise aus, wenn Hialmars Volk in <i>Marchers of Valhalla </i>gegen die Armee des "zivilisierten" Stadtstaats von Khemu kämpft:</div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>Who said that the ordered discipline of a degenerate civilization can match the sheer ferocity of the barbarism? They strove to fight as a unit; we fought as individuals, rushing headlong against their spears, hacking like madmen. Their entire first rank went down beneath our whistling swords, and the ranks behind crushed back and wavered as the warriors felt the brute impact of our incredible strength.</blockquote></i> Inwieweit man in diesen Schilderungen eine Verherrlichung roher Gewalt oder den Versuch einer ungeschönten Darstellung "primtiver" Zeiten sehen will, sei jedem selbst überlassen. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Von größerem Interesse für uns ist, dass insbesondere <i>The Valley of the Worm </i>ein "nordisches" Element enthält, das über reine Äußerlichkeiten und bloßes Name-dropping hinausgeht. Schon ganz zu Beginn wird der Kampf des Helden Niord gegen das cthulhuide Wurmgott-Monster, mit dem die Story endet, als der reale Ursprung der Drachentötersagen bezeichnet, die in späteren Zeiten u.a. über Beowulf erzählt wurden. Und ganz wie der Held des angelsächsischen Heldenliedes findet auch er dabei den Tod, erschlägt aber zugleich das Ungeheuer. Diese Mischung aus Triumph und Untergang ("<i>I knew that I had won,
even in defeat.</i>") atmet in der Tat etwas vom Geist dessen, was Tolkien den "<i>nordischen Mut</i>" nannte, den "<i>ungebrochenen Willen</i>" angesichts einer "<i>unvermeidlichen, aber niemals hingenommenen Niederlage</i>". (20) </div><div style="text-align: justify;">In <i><a href="https://repository.lboro.ac.uk/articles/Revivifying_the_Ur-text_a_reconstruction_of_sword-_-sorcery_as_a_literary_form/9327695/files/16935233.pdf" target="_blank">Revivifying the Ur-Text: A Reconstruction of Sword-&-Sorcery as a Literary Form</a> </i>stellt Philip Emery die Hypothese auf, dass <i>Beowulf </i>eine der Initial-Inspirationen für Howards Sword & Sorcery gewesen sein könnte. Dass diese Idee extrem spekulativ ist, gesteht er selbst ein. Und tatsächlich ließen sich dafür wohl noch weniger konkrete Belege finden als für den Einfluss der Sagas. Aber auch ich halte es für denkbar, dass das epische Gedicht zumindest insofern eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Subgenres gespielt hat, als es das erste Werk war, in dem Howard dem "nordischen Geist" begegnet war. In einem <a href="https://howardhistory.com/the-robert-e-howard-bookshelf/#b015" target="_blank">Brief an Lovecraft</a> erklärt er ausdrücklich, <i>Beowulf </i>sei<i> </i>"<i>the first Nordic folk-tale I ever read</i>" gewesen. Und das alleine wäre bereits von einiger Bedeutung. <br /></div></div><div><div style="text-align: left;"><div style="text-align: left;"></div><div style="text-align: justify;">Leider habe ich keinen Zugriff auf Rusty Burkes Essay <i>Night Falls on Asgard</i>, der 2014 als Einleitung zu dem Sammelband <i><a href="https://reh.world/howardworks/hardcovers/swords-of-the-north/" target="_blank">Swords of the North</a> </i>erschien. Doch Autor Vincent Darlage <a href="https://www.goodreads.com/topic/show/2125598-swords-of-the-north" target="_blank">fasst </a>den Inhalt so zusammen: </div></div><div style="text-align: left;">
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"></p><div style="text-align: justify;"><blockquote><i>Rusty Burke puts forth that this
collection highlights how REH's version of history is rooted in "The
Northern Thing," which is a darkness-defying worldview,
mythology, and history of the ancient Germanic and Norse peoples. He
also shows that Tolkien was deeply influenced by the same worldview.
Basically, even though the protagonists usually win, there is always
the sense that it is a short run victory, and in the long run the
darkness will win, bringing loss and defeat for the cultures
involved.
</i></blockquote></div><p></p>
</div><div style="text-align: justify;">Da steckt viel wahres drin. Welchen Einfluss diese "nordische" Weltsicht tatsächlich auf Tolkien (und vor ihm William Morris) hatte, werde ich im zweiten Teil dieses Beitrags etwas genauer unter die Lupe nehmen. Doch dass sich ein derartiges Motiv des "heroischen Pessimismus" in vielen Howard - Geschichten findet, ist unzweifelbar richtig. Sei es Bran Mak Morns letztlich hoffnungsloser Kampf gegen die römischen Invasoren in <i>Worms of the Earth</i>; <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2015/05/men-shall-die-for-this.html" target="_blank">Solomon Kanes </a>hilflos-blutiger Rachefeldzug gegen die monströsen <i>akaanas </i>in <i>Wings in the Night</i>; oder Turlogh O'Briens melancholische Betrachtungen angesichts des eponymischen Idols in <i>The Dark Man</i>:<br /></div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>"You were a king once, Dark Man," he said to the silent image. "Mayhap you
were a god and reigned over all the world. Your people passed -- as mine
are passing. Surely you were a king of the Flint People, the race whom my
Celtic ancestors destroyed. Well -- we have had our day, and we, too, are
passing. These Danes who lie at your feet -- they are the conquerors now.
They must have their day -- but they too will pass."</blockquote></i> </div><div style="text-align: justify;">Ob Howard die Sagas (oder der <i>Beowulf</i>) dabei als direkte Inspirationsquelle dienten, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber auf jedenfall wäre ich in diesem Zusammenhang am ehesten geneigt, zusammen mit Brian Murphy von einem "<i>northern-ness of spirit</i>" (21) zu sprechen. </div><div style="text-align: justify;"> <br /></div><div style="text-align: justify;">Ich denke, es gab zwei Hauptgründe, warum Howard sich so stark von dieser Weltsicht angesprochen fühlte. Der eine war persönlicher, der andere ideologischer Natur.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Alles spricht dafür, dass der Schriftsteller Zeit seines Lebens unter Depressionen litt, die schließlich tragischerweise die Oberhand gewannen und zu seinem Selbstmord führten. Die genauen Wurzeln seines Leidens werden wir wohl nie mit letzter Sicherheit ausmachen können, nur dass L. Sprague de Camp mit seinem obsessiven Freudianismus sicher zu kurz gegriffen hat. Schon im Alter von 19 Jahren deutete er in einem Brief an seinen Freund Tevis Clyde Smith an, dass ihn mitunter suizidale Gedanken überkamen: "<i>Truett said my letter was like the product of a soul close to the bottom of its rope. How close, and in what manner, neither of you dream.</i>" (22) Ich habe keine Ahnung, wann er das Gedicht <i><a href="https://en.wikisource.org/wiki/The_Tempter" target="_blank">The Tempter</a> </i>schrieb (veröffentlicht wurde es erst nach seinem Tod), aber es liest sich ebenso berührend wie verstörend, wenn man um das schließliche Schicksal des Verfassers weiß.</div><div style="text-align: justify;"></div><blockquote><div style="text-align: justify;"><i>I was weary of tide breasting,</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Weary of the world's behesting,</i></div><div style="text-align: justify;"><i>And I lusted for the resting</i></div><div style="text-align: justify;"><i>As a lover for his bride.</i></div><div style="text-align: justify;"><i> </i></div><div style="text-align: justify;"><i>And my soul tugged at its moorings</i></div><div style="text-align: justify;"><i>And it whispered, "Set me free.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>"I am weary of this battle,</i></div><div style="text-align: justify;"><i>"Of this world of human cattle,</i></div><div style="text-align: justify;"><i>"All this dreary noise and
prattle.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>"This you owe to me."</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Long I sat and long I pondered,</i></div><div style="text-align: justify;"><i>On the life that I had squandered,</i></div><div style="text-align: justify;"><i>O'er the paths that I had wandered</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Never free.</i></div><div style="text-align: justify;"><i> </i></div><div style="text-align: justify;"><i>In the shadow panorama</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Passed life's struggles and its fray.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>And my soul tugged with new vigor,</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Huger grew the phantom's figure,</i></div><div style="text-align: justify;"><i>As I slowly tugged the trigger
</i></div></blockquote><div style="text-align: justify;"></div><div style="text-align: justify;">Ich finde es gut nachvollziehbar, dass jemand, der zu einer derartigen Gemütsverfassung neigte, etwas ihm verwandtes in einer Philosophie erblickte, die von einer Art universalem Pessimismus geprägt war, doch zugleich jene feierte, die sich durch diese düstere Perspektive nicht brechen lassen, sondern ihr mit stolz erhobenem Haupt begegnen. Womit ich nicht gesagt haben will, dass eine solche Geisteshaltung eine gute Art sei, mit Depressionen fertig zu werden. Aber die Zeit und das gesellschaftliche Umfeld, in denen Howard lebte, zwangen ihn dazu, auf sich allein gestellt nach Wegen zu suchen, wie er mit seiner "Schwermütigkeit" umgehen sollte. Und was er im Oktober 1930 an Harold Preece schrieb, scheint mir für ein solches Gefühl innerer Verwandtschaft zu sprechen:<br /></div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>All that is deep and gloomy and Norse in me rises in my blood. I would go east into the sunshine and the nodding palm trees, but I bide and the dream of the twilight of the gods is on me, and the dreams of cold and misty lands and the ancient pessimism of the Vikings. It seems to me, especially in the autumn, that one vagrant Danish strain that is mine, predominates over all my Gaelic blood. </i>(23) </blockquote></div><div style="text-align: justify;">Der zweite Grund lag meines Erachtens in der historischen Machtlosigkeit seines individualistischen Ideals von Freiheit, in dem sich sein Aufbegehren gegen die vom Ölboom geprägte kapitalistische Gesellschaft des Texas der 20er und 30er Jahre ausdrückte:</div><div style="text-align: justify;"><i></i></div><blockquote><div style="text-align: justify;"><i>In the last analysis, I reckon, I have but a single conviction or ideal, or whateverthehell it might be called: individual liberty. It's the only thing that matters a damn. I'd rather be a naked savage, shivering, starving, freezing, hunted by wild beasts and enemies, but free to go and come, with the range of the earth to roam, than the fattest, richest, most bedecked slave in a golden palace with the crystal fountains, silken divans, and ivory-bosomed dancing girls of Haroun al Raschid. With that nameless black man I could say:</i></div><div style="text-align: justify;"><i>"Freedom, freedom,</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Freedom over me --</i></div><div style="text-align: justify;"><i>And before I'd be a slave,</i></div><div style="text-align: justify;"><i>I'd lie down in my grave</i></div><div style="text-align: justify;"><i>And go up to my God and be free!" </i>(24)</div></blockquote><div style="text-align: justify;">Die romantisch verklärte Ära der amerikanischen Frontier verkörperte für ihn (fälschlicherweise) diese Freiheit. Aber er gab sich nicht der Illusion hin, dass eine Rückkehr zu diesem gesellschaftlichen Zustand möglich wäre. Ebensowenig glaubte er, dass eine solche Freiheit in neuer Form durch das kollektive Streben der Menschen erkämpft werden könnte. Das isolierte Individuum, ganz gleich wie ungezähmt und willensstark es auch sein mag, erweist sich jedoch in letzter Konsequenz als machtlos gegenüber den gesellschaftlichen Kräften, die unsere Wirklichkeit formen. Kein Wunder also, dass Howards Ideal sehr häufig mit einer Art stolzen Hoffnungslosigkeit einherging:</div><div style="text-align: justify;"><i></i></div><blockquote><div style="text-align: justify;"><i>It is the individual mainly which draws me -- the struggling, blundering, passionate insect vainly striving against the river of Life and seeking to divert the channel of events to suit himself -- breaking his fangs on the iron collar of Fate and sinking into final defeat with the froth of a curse on his lips. </i>(25) <br /></div><div style="text-align: left;"></div></blockquote><div style="text-align: justify;">Stimme ich Brian Murphys These von einer Verbindung zwischen Sagaliteratur und Sword & Sorcery am Ende also doch zu? Bedingt. Ich denke, im Werk von Robert E. Howard lässt sich durchaus etwas finden, was man als "nordischen Geist" bezeichnen könnte. Allerdings dürfte er dafür neben den Sagas noch eine ganze Reihe anderer Inspirationsquellen gehabt haben. Vor allem jedoch denke ich, dass man diese Einschätzung nicht so einfach auf das gesamte Subgenre ausweiten kann. </div><div style="text-align: justify;">Ganz allgemein lassen sich viele der Probleme, die ich mit <i>Flame and Crimson </i>habe, darauf zurückführen, dass Murphy die Sword & Sorcery für meinen Geschmack zu stark unter dem Howard - Blickwinkel betrachtet. Seine Definition des Subgenres basiert fast völlig auf den Kull- und Conan-Geschichten. Was dazu führt, dass er Werke anderer Autor*innen mitunter etwas gewaltsam in dieses vorgefasste Schema zu pressen versucht, während er ganze Teilbereiche der Sword & Sorcery, die sich gar zu weit von ihm entfernen, entweder nur flüchtig behandelt oder gleich ganz ignoriert. Der "nordische Geist" ist ein gutes Beispiel dafür. Bei Howard mag er sich finden, doch als ein allgemeines Merkmal der S&S würde ich ihn sicher nicht bezeichnen.</div><div style="text-align: justify;">Insgesamt finde ich Murphys Überlegungen zu den Sagas zwar interessant, aber ich habe ds Gefühl, dass er die Bedeutung der Berührungspunkte, die zwischen ihnen und der S&S bestehen, deutlich überschätzt. Vielleicht auch deshalb, weil er selbst so viel <a href="https://www.blackgate.com/2010/09/02/in-the-grip-of-the-northern-thing-my-top-10-northern-inspired-stories/" target="_blank">für das übrig hat</a>, was Lin Carter "The Northern Thing" nannte. Wenn er z.B. schreibt, Howard habe "<i>Icelandic saga-age realism</i>" in die Fantasy eingeführt, berührt er damit zwar einen wichtigen Punkt. Ein "erdiger Realismus" ist auch in meinen Augen eines der Kernmerkmale der Sword & Sorcery. Ob man dafür allerdings den Einfluss der Sagas verantwortlich machen muss, scheint mir eher fragwürdig. Eine sehr viel größere Bedeutung dürfte da meines Erachtens der mündlichen Tradition der Frontier-Erzählungen zukommen, denen Howard von Kindesbeinen an fasziniert gelauscht hatte, wann immer sich ihm die Möglichkeit dazu bot. Und auch für die zentrale Rolle, die dem Außenseitertypus in der Sword & Sorcery zukommt, muss man nicht auf das Vorbild der Sagas zurückgreifen. In den historischen Abenteuerstories der Pulps finden sich genug Vorläufer ähnlichen Charakters.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Ironischerweise findet sich in dem Werk, das Murphy als bedeutendstes Beispiel für die Verwandtschaft von Saga und Sword & Sorcery anführt, Poul Andersons <i>The Broken Sword</i>, nur wenig von dem "erdigen" Realismus, der die beiden tatsächlich verbindet. Doch darauf werden wir ausführlich im zweiten Teil dieses Beitrags zu sprechen kommen.<br /></div><div style="text-align: justify;"> <br /></div><div style="text-align: left;"><br /></div><div style="text-align: left;"> </div><p style="text-align: left;">(1) Allerdings hat Howard selbst Benoits Roman <a href="https://howardhistory.com/the-robert-e-howard-bookshelf/#b014" target="_blank">offenbar</a> nie gelesen. <br /></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(2) Brian Murphy: <i>Flame and Crimson</i>. S. 35.</span></span></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(3) Fritz Leiber lässt in der Fafhrd & The Grey Mouser - Erzählung <i>Rime Isle</i>, die in einer Art Island von Nehwon spielt, dann ja sogar Odin und Loki auftreten. Allerdings erscheinen die beiden Götter dabei in keinem besonders positiven Licht und die ganze Geschichte liest sich eher wie eine Kritik am mythisch-heroischen Weltbild.</span></span></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(4) Zit. nach: Ebd. S. 35.</span></span></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(5) Vgl. ebd. S. 34.<br /></span></span></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(6) <a href="https://archive.org/details/WeirdTalesV07N05192605/mode/1up" target="_blank"><i>Weird Tales</i>, Mai 1926</a>. S. 715.</span></span></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(7) Ich finde es auffällig, dass Howard nicht den Titel von Hights Übersetzung "The Saga of Grettir the Strong" verwendet<i>, </i>zumal<i> Grettir the Outlaw </i>der Titel einer populären <a href="https://www.gutenberg.org/files/48622/48622-h/48622-h.html#of-grettir-s-return" target="_blank">Nacherzählung</a> von S. Baring-Gould war. Sollte er auf diesem Weg zu der Saga gelangt sein?<br /></span></span></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(8) </span></span><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">Mark Finn: <i>Blood & Thunder. The Life & Art of Robert E. Howard</i>. S. 50.</span></span></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(9) Zit. nach: Ebd. S. 51.</span></span></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(10) </span></span>Richard Bleiler: <a href="http://www.philsp.com/articles/magazines/adventure.html" target="_blank"><i>A History of Adventure Magazine</i></a>. </p><p style="text-align: justify;">(11) <a href="http://www.luminist.org/archives/PU/ADV_1918_01_18_L.jpg" target="_blank">18. Januar 1918</a> (Dwight Franklin); <a href="http://www.luminist.org/archives/PU/ADV_1920_07_03_L.jpg" target="_blank">3. Juli 1920</a> (James Reynolds); <a href="http://www.luminist.org/archives/PU/ADV_1921_09_03_L.jpg" target="_blank">3. September 1921</a> (Edgar F. Wittmack); <a href="http://www.luminist.org/archives/PU/ADV_1923_07_20_L.jpg" target="_blank">20. Juli 1923</a> (Edgar F. Wittmack);<a href="http://www.luminist.org/archives/PU/ADV_1924_09_20_L.jpg" target="_blank"> 20. September 1924</a> (Frank Eltonhead); <a href="http://www.philsp.com/data/images/a/adventure_193807.jpg" target="_blank">3. Juli 1938 </a>(William F. Soare).</p><p style="text-align: justify;">(12) Ich weiß nicht, ob es was zu bedeuten hat, aber mir ist aufgefallen, dass man in Geschichten beider dem altnordischen Wort <span><i>skáli</i> (=Halle) in der etwas verwirrenden Schreibart "Skalli" begegnet. Sollte da der eine vom anderen abgeschrieben haben? </span></p><p style="text-align: justify;"><span>(13) <a href="https://dmrbooks.com/print-books?category=DMR+Books" target="_blank"><i>DMR Books</i></a> ist gerade dabei, den gesamten Zyklus in vier Bänden herauszugeben. Die ersten drei sind bereits erschienen.<i><br /></i></span></p><p style="text-align: justify;"><span>(14) Soweit sich das rekonstruieren lässt, war das Gedicht auch Thema in seiner <a href="https://deepcuts.blog/2021/09/29/her-letters-to-robert-e-howard-catherine-lucille-moore/" target="_blank">Korrespondenz mit C.L. Moore</a>.</span></p><p style="text-align: justify;"><span>(15) Leider habe ich momentan keinen Zugriff auf meinen Tolkien-Briefeband und muss daher nach <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/The_Ballad_of_the_White_Horse" target="_blank">Wikipedia</a> zitieren. <br /></span></p><p style="text-align: justify;"><span>(16) Zit. nach: </span><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">Brian Murphy: <i>Flame and Crimson</i>. S. 36.</span></span></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(17) Zit. nach: Steve Tompkins: <a href="http://robert-e-howard.org/VGNNws02.html" target="_blank"><i>The Shortest Distance Between Two Towers</i></a>.</span></span></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(18) Nachdem <i>Spears of Clontarf </i>abgelehnt worden war, fügte er der Story einige übernatürliche Elemente hinzu und versuchte sie als <i>The Grey God Passes </i>an <i>Weird Tales </i>zu verkaufen. Gleichfalls ohne Erfolg. Daraufhin verarbeitete er das Material zu einer in der Gegenwart angesiedelten Horrorgeschichte mit dem Titel <i>The Cairn on the Headland</i>, die er schließlich bei <i>Strange Tales </i>unterbrachte. Aus eigener Leseerfahrung kenne ich nur diese letzte Version. <br /></span></span></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(19) </span></span>Angesichts
von Howards Keltenbegeisterung wäre es natürlich interessant zu wissen,
ob er je Gelegenheit hatte, Übersetzungen altirischer Heldenepik zu
lesen. <span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">In seiner im September 1929 im Amateur-Magazin <i>The Junto</i> abgedruckten Story <a href="https://en.wikisource.org/wiki/Musings_of_a_Moron" target="_blank"><i>Musings of a Moron</i></a> findet sich zwar die Zeile: "</span></span><i>I recited the seventy-five lost books of the Tain Bo Cualnge in a dreary voice without a single stop</i>",
aber das bedeutet selbstverständlich nicht, dass Howard das Epos vom
Rinderraub tatsächlich gelesen hätte. Der einzige andere Hinweis, den
ich finden konnte, ist die Existenz eines kurzen <a href="https://reh.world/stories/untitled-story-i-said-chuchulain/" target="_blank">Story-Fragments</a>, das offenbar mit den Worten einsetzt: "<i>'I', said Chuchulain, 'was a man, at least.'</i>"<br /></p><p style="text-align: justify;">(20) <span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">J.R.R. Tolkien:<i> Beowulf: Die Ungeheuer und ihre Kritiker.</i> In: Ders.:<i> Die Ungeheuer und ihre Kritiker. Gesammelte Aufsätze</i>. S. 40 und 37.<br /></span></span></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(21) </span></span><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">Brian Murphy: <i>Flame and Crimson</i>. S. 32.</span></span></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(22) Zit. nach: Todd B. Vick: <i>Rogues & Renegades. The Life and Legacy of Robert E. Howard</i>. S. 74.</span></span></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(23) Zit. nach: </span></span><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">Brian Murphy: <i>Flame and Crimson</i>. S. 35.</span></span></p><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(24) Zit. nach: Todd B. Vick: <i>Rogues & Renegades</i>. S. 113. </span></span><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga"> </span></span></p></div><div><p style="text-align: justify;"><span title="Middle Irish (900-1200)-language text"><span lang="mga">(25) Zit. nach: Brian Murphy: <i>Flame and Crimson</i>. S. 76.<i><br /></i></span></span></p></div>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-1271646773483779332023-05-14T12:14:00.002-07:002023-05-14T16:26:36.594-07:00Eine hyrkanische Überraschung<div style="text-align: justify;">Eigentlich stehen gerade ganz andere Bücher auf meinem "Leseplan", aber da es mich vor ein paar Wochen nach einer simplen und unterhaltsamen Lektüre für nebenbei verlangte, griff ich kurzentschlossen zum dritten der sechs <i>Red Sonja </i>- Romane, die ich mir in ihrer deutschen Übersetzung (von Lore Strasser) letztes Jahr im Zuge meiner Beschäftigung mit Richard L. Tierney besorgt hatte. Und was soll ich sagen? -- Ich war angenehm überrascht!</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Um keine falschen Vorstellungen aufkommen zu lassen: <i>Die Hölle lacht </i>(<i>When Hell Laughs</i>) ist sicher keine "große Literatur". Aber das sollte man von so einem Roman ja auch nicht erwarten. Eine nicht unwichtige Rolle für den guten Eindruck, den das Buch auf mich gemacht hat, spielte außerdem ganz sicher der Umstand, dass die Erinnerung an<a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2023/03/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank"> </a><i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2023/03/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">Raven - Swordsmistress of Chaos</a> </i>noch relativ frisch in meinem Gedächtnis war. Und es macht ja durchaus Sinn, die beiden miteinander zu vergleichen. Beide sind Pulp - Sword & Sorcery mit einer schwertschwingenden Heldin. Auch die Bücher von Richard L. Tierney und David C. Smith erheben nicht den Anspruch, mehr als das zu sein. Ebensowenig wurden sie mit irgendeiner bewusst "progressiven" oder feministischen Zielsetzung geschrieben. Smith hat seine Herangehensweise an die Figur der Heldin<a href="https://dmrbooks.com/test-blog/2019/8/14/david-c-smith-the-dmr-interview-part-one" target="_blank"> einmal </a>wie folgt geschildert:<br /></div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>What I am proudest about, regarding the Sonjas, is that I was very aware
that we were writing stories about a strong woman character, and I
loved that idea. I like strong women; I like intelligent women; those
are the types of women who raised me and whom I grew up around,
basically country people and working class people, regular folks. They’d
been raised during the Great Depression and lived through World War II.
My dad and his brothers had fought overseas in wartime. They all knew
what the world was made of. This is how I grew up. So I considered Sonja
to be the kind of good-looking redhead country woman who could walk
into a truck stop, put down as many beers as any guy, beat him at arm
wrestling, and kick the ass of any trucker who tried to go too far with
her. </i> </blockquote></div><div style="text-align: justify;">Dieses Bild von Sonja als Working Class - Heldin reichte offenbar vollkommen aus, um eine ähnlich aufdringliche Sexualisierung der Figur, wie wir sie in <i>Raven</i> gesehen haben, zu verhindern. Was keine Selbstverständlichkeit ist, wenn man bedenkt, dass die Bücher ihre Existenz der Popularität der von Frank Thorne gezeichneten Comics verdankten. Und wie ich selbst weiland in meinem großen <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2022/02/feuer-blut-fell-bikinis.html" target="_blank">"Fell-Bikini-Beitrag"</a> geschrieben habe:</div><div style="text-align: justify;"><blockquote><i>Dass Red Sonja -- insbesondere in der Gestalt, die ihr Frank Thorne zwischen 1975 und '77 verlieh, nicht nur Teil dieser Tradition </i>(der Blech-Bikini-Maiden aus den Pulps)<i>, sondern auch einflussreich in der weiteren Entwicklung</i> <i>des Typus der "sexy Amazone" war, steht außer Frage. Esteban Maroto, der ihr als erster den Chainmail Bikini verpasste, hat einmal erzählt, es sei eine ausdrückliche Order von Stan Lee gewesen, der Figur den größtmöglichen "Sex Appeal" zu verleihen: "</i>In his own words: 'Show as much skin as possible.'<i>" Und nachdem Marvel die Solo-Serie 1977 eingestellt und Thorne seinen Abschied von der "Mainstream"-Comics-Industrie genommen hatte, schuf der Zeichner nicht zufällig mit Ghita of Alizzar seine eigene Sword & Sorcery - Heldin, deren Abenteuer dann einen unverblümt erotischen Charakter besaßen.</i></blockquote><i></i>Smith & Tierney entschieden sich sehr bewusst dazu, mit dieser Tradition zu brechen. Und da man ihnen von Seiten des Verlags (<i>Ace Books</i>) ziemlich große Freiheiten ließ, fühlten sie sich bei ihrem dritten Roman offenbar sicher genug, um selbst das äußere Zeichen dessen loszuwerden -- den Chainmail Bikini. Dabei verspotteten sie zugleich einige der mit der "ikonischen Rüstung" verbundenen Klischees. So habe ich es zumindest aufgefasst.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Doch bevor ich erkläre, was damit gemeint ist, erst einmal eine kurze Plot-Zusammenfassung:</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Die im Fluss Shirki gelegene Insel Os Harku ist Verbannungsort für alle Arten von Verbrechern aus dem aquilonischen Reich. Eine der Rotten, zu denen sich die Verbannten zusammengeschlossen haben, wird von dem hünenhaften Vanir Urdus angeführt. Als Urdus den Fehler begeht, den shemitischen Hexer Athu, der zu seiner Gruppe gehört, vor aller Augen grausam zu demütigen, verschreibt dieser seine Seele einer finsteren Gottheit, um blutige Rache nehmen zu können. Dabei nutzt er das Verlangen seiner Schicksalsgenossen aus, der Insel um jeden Preis entfliehen zun wollen.</div><div style="text-align: justify;">Derweil amüsiert sich Sonja damit, auf einer Vergnügungsbarke den Shirki herunterzuschippern und die mitfahrenden Aristos, Edeldamen und Pfeffersäcke mit ihrem skandalösen Auftreten zu schockieren. Dabei hat sie sich auch einen Verehrer in Gestalt des Hohen Richters Lord Sir Desmos eingefangen, den sie (für einen Adeligen) zwar ganz nett, aber auch recht irritierend findet.</div><div style="text-align: justify;">Wie das Schicksal es will, ist es natürlich genau dieses Schiff, das in das von Athu heraufbeschworene Unwetter gerät und an der Küste von Os Harku auf Grund läuft, um allsogleich von Urdus' wilder Bande geentert zu werden. Den folgenden Kampf überleben nur Kapitän Tio, Sonja und Desmos, denen es gelingt, sich mit einem Beiboot davonzumachen, nachdem ein Sieg unmöglich erscheint. Letzterer verdankt sein Überleben freilich ganz der tatkräftigen Unterstützung unserer Heldin. </div><div style="text-align: justify;">Als die drei tags darauf an Bord der Kriegsgaleere des aquilonischen Oberst Hubarthis in die Gewässer um die Insel der Verbannten zurückkehren, ergeht es ihnen nicht viel besser. Urdus gelingt es mit einem semi-selbstmörderischen Manöver das Schlachtenglück auf seine Seite zu zwingen und am Ende ist Tio tot und Sonja, Desmos, Hubarthis und die überlebenden Soldaten Gefangene.</div><div style="text-align: justify;">Der Jubel der Verbannten ist allerdings etwas voreilig, denn das Ufer, das sie schon bald in der gekaperten und halbzerstörten Galeere erreichen, ist nicht das Festland, wie sie fälschlicherweise annehmen. Dank Athus dunkler Magie befinden sie sich nachwievor auf der verdammten Insel. Und haben jetzt nicht mal mehr ein seetüchtiges Gefährt. Der Hexer hat derweil munter Blut und Lebensessenz der zahlreichen Erschlagenen (gleich ob "Freund" oder Feind) in einer Holztruhe eingesammelt, um sich für sein großes "Lehmwerk" bereit zu machen.* Und natürlich dauert es auch nicht lange, bis weitere aquilonische Truppen auf der Insel landen.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Zu Beginn der Erzählung trägt Sonja noch (wie in den ersten beiden Büchern auch) den Chainmail - Bikini. Doch als es zum ersten großen Kampf an Bord der Luxusbarke kommt, wird er ihr inmitten des wilden Handgemenges im wahrsten Sinne des Wortes vom Leib gerissen. Als ich an diesem Punkt meiner Lektüre angelangt war und sich klar abzuzeichnen begann, was da gerade passiert, hätte ich am liebsten laut aufgeschrien: >Oh nein! Bitte nicht das!< Um so überraschter war ich dann, als Sonjas Nacktheit im weiteren Verlauf der Szene weder zum Anlass für eine sexualisierte Beschreibung ihres Körpers genommen, noch mit Motiven drohender sexueller Gewalt verbunden wird. Und als sich dann auch noch herausstellte, dass das Ganze eigentlich nur passiert, damit unsere Heldin im Anschluss daran endlich in eine praktikablere Rüstung schlüpfen kann, erschien mir die Szene im Rückblick gar wie eine deutliche Verspottung sexploitation-lastiger S&S à la <i>Raven</i>. Denn ich denke, Smith & Tierney waren sich vollauf bewusst, dass sie bei vielen Genrelesern der Zeit ganz bestimmte Erwartungen wecken würden, wenn sie schreiben, dass einer von Sonjas Gegnern während des Kampfgetümmels "<i>den Schnallenverschluß ihres Mieders zu fassen</i>" bekommt. Erwartungen, die sie dann nicht nur nicht erfüllen, sondern denen sie in gewisser Weise auch noch eine symbolische Ohrfeige verpassen, indem sie in der Folge den Chainmail Bikini ganz und für immer über Bord werfen. Nicht ohne zuvor die glaubwürdigste Herkunftsgeschichte für die absurde "Rüstung" präsentiert zu haben, die mir je untergekommen ist. Denn wie Sonja Tio erzählt, hatte ursprünglich ein lüsterner Despot, in dessen Hände sie (kurzzeitig) gefallen war, den Bikini anfertigen lassen, um die Kriegerin damit zu verhöhnen. Natürlich überlebte der Widerling seinen derben Spaß nicht lange, und Sonja trug "<i>diesen Witz von einer Rüstung</i>" danach "<i>allein aus Freude daran, es einem Mann heimzuzahlen, der sich darüber lustig machte</i>". Was auf mich wie ein zusätzlicher spöttischer Hieb gegen die alte Pulp-Tradition der Amazone im Blech-BH gewirkt hat.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Was hab ich sonst noch so über das Buch zu sagen? <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Verglichen mit dem ersten <i>Red Sonja </i>- Roman <i>Der Ring von Ikribu</i>, den ich vor einem Jahr <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2022/05/ein-ring-sie-zu-ja-was-eigentlich.html" target="_blank">hier</a> besprochen habe, ist das Szenario von <i>Die Hölle lacht </i>hübsch low-key. Fast die gesamte Handlung spielt sich in einem überschaubaren Areal der Insel ab und beteiligt sind nicht mehr als ein paar Dutzend Menschen. Obwohl sich im Hintergrund auch hier drohend die Gestalt irgendeines finsteren "Älteren Gottes" erhebt, bleibt dessen Präsenz schemenhaft. Es geht nicht um welterschütternde Bedrohungen oder Ereignisse. Was mir gefallen hat. </div><div style="text-align: justify;">Auf lange Sicht hätte Athu zwar das Potenzial, zu einer wirklich dämonischen Gestalt heranzuwachsen, aber davon ist er noch weit entfernt. Mehrfach reflektiert er darüber, wie ihn jeder Schritt auf seinem Weg weiter von der eigenen Humanität entfremdet; wie er andere Menschen nicht länger als Seinesgleichen wahrnimmt und die eigenen menschlichen Emotionen und Triebe immer größere Verachtung, ja Ekel, in ihm wachrufen. Am Ende der Geschichte streift er dann im wahrsten Sinne des Wortes seine "menschliche Hülle" ab und wird zu einem echten Monster, aber selbst dann ist er noch lange kein regelrechter "Dark Lord".</div><div style="text-align: justify;">Der zweite Antagonist Urdus ist eine gänzlich "bodenständige" und dabei sogar überraschend differenzierte Figur. Handelt es sich bei ihm einerseits zwar ganz fraglos um einen ziemlich brutalen, skrupellosen und tyrannischen Gesellen, verfügt er andererseits doch über echte Führungsqualitäten und scheint sich ehrlich dazu verpflichtet zu fühlen, den Mitgliedern seiner Bande einen Weg in die Freiheit zu bahnen. Weshalb zumindest einige von ihnen echte Loyalität gegenüber ihm empfinden.</div><div style="text-align: justify;">Auch die Figuren auf "aquilonischer" Seite sind bei aller Skizzenhaftigkeit der Zeichnung doch recht lebendig wirkende Gestalten.</div><div style="text-align: justify;">Meine vielleicht größte Enttäuschung war der frühe Tod von Tio. Zwischen ihm und Sonja besteht ein beinah kumpelhaftes Verhältnis, das viel damit zu tun hat, dass sie der gleichen sozialen Schicht entstammen, während sich um sie herum Edelleute und Offiziere tummeln. Ich mochte den unverkrampften Umgang, den die beiden miteinander pflegen, und den humorvollen Ton, den sie dabei oft anschlagen. Aber vermutlich wollten Tierney & Smith das Ensemble möglichst klein halten und den Fokus ganz auf Sonjas Beziehung zu Desmos legen. Deshalb der frühe Abgang des Kapitäns.</div><div style="text-align: justify;">Und es ist nicht so, als besäße die Gestalt des Hohen Richters nicht ebenfalls ihren Reiz. Erfreulicherweise tritt seine anfängliche Verliebtheit rasch in den Hintergrund und die Geschichte konzentriert sich stattdessen auf seine inneren Konflikte. Ursprünglich ein großer Eiferer für die "Gerechtigkeit", die er mit "dem Gesetz" identifizierte, verurteilte er seinen eigenen Bruder, der einen politischen Mord begangen hatte, zur lebenslangen Verbannung nach Os Harku. Seitdem quälen ihn Schuldgefühle und Selbstzweifel. Auch ist er sich zumindest partiell bewusst geworden, dass er als Richter weniger der Repräsentant hehrer Ideale als vielmehr ein Rädchen in einer reichlich korrupten Maschinerie ist. Was ihn an Sonja anzieht ist ihre anarchische Geisteshaltung, ihre Verachtung für Regeln und "gute Sitte". Der Moment innerer Emanzipation, den Desmos im Laufe der Erzählung erfährt, wirkt allerdings weniger befreiend als vielmehr verstörend, besteht er doch in einem ohne Skrupel und Gewissensbisse begangenen Akt blutiger Gewalt. Und am Ende kehrt er zurück in seine Welt der Bürokraten und Edelleute. Vielleicht etwas reifer und einsichtiger geworden, aber nicht von Grund auf gewandelt.</div><div style="text-align: justify;">Und dann ist da noch Major Thobis. Als Anführer des zweiten Soldatentrupps, der auf die Insel kommt, spielt er zwar eine nicht unwichtige Rolle, da sich Sonja, Hubarthis & die anderen ohne sein Eingreifen kaum hätten befreien können. Aber im Grunde ist er eine bloße Nebenfigur und interagiert nie wirklich mit unseren Hauptheld*innen. Dennoch verleihen ihm Smith & Tierney einen wirklichen menschlichen Charakter. Ganz und gar nicht zum Soldaten geboren, wäre er eigentlich lieber Schreiber geblieben. Doch der Offiziersposten ist deutlich besser bezahlt und wenn er sparsam genug ist, könnte er sich nach seiner Pensionierung vielleicht ein kleines Landgut kaufen. ("<i>Thobis liebte das Gärtnern.</i>") Allerdings hegt er den Verdacht, dass der Freund, der ihm die Stellung bei der Armee besorgt hat, eine Affäre mit seiner Frau hat. Haben die beiden das Ganze am Ende eingefädelt, um ihn loszuwerden? Doch so sehr ihn dieser Gedanke auch quält, wirkt er nicht eigentlich verbittert oder fatalistisch. Er will nicht sterben. Und auch wenn das seinem Naturell nicht wirklich entspricht, erweist er sich als ein fähiger, umsichtiger und mutiger Offizier. Wenn er dann schließlich doch ums Leben kommt, wirkt das erstaunlich berührend. Zumal seine Todesszene so ganz und gar nicht dem Blood & Thunder entspricht, das man bei einem solchen Buch vielleicht erwarten würde, sondern auf morbide Art geradezu zärtlich-poetisch klingt. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, hier in Länge zu zitieren:</div><div style="text-align: justify;"><i></i></div><blockquote><div style="text-align: justify;"><i>Aus dem Augenwinkel sah er durch einen einfallenden Sonnenstrahl eine flüchtige Bewegung. Er hörte ein Geräusch und spürte einen heftigen Schlag auf den Rücken. Dann wurde er fast sanft nach vorn geschoben, und als sein Kopf nach unten zuckte, sah er die Spitze eines Pfeils und ein kurzes Stück des Schaftes unmittelbar unterhalb des Brustkorbs aus dem Leib ragen.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Staunend starrte er darauf. In diesem kurzen Moment erschien es ihm merkwürdig, daß er den Laut gehört hatte, ehe er Schmerz empfand.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Unendlich langsam schien die Zeit zu vergehen. Das erste Blut quoll aus der Wunde und rann an ihm entlang auf den Moosboden.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Da erst spürte er den Schmerz.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>[...]</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Er stürzte nach vorn. Die Welt wurde schwarz, außer dem Fleckchen Waldboden, das noch in seinem Blickfeld war und das ihn anzuspringen schien.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>[...]</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Er sah nur ein winziges Stück des Waldbodens, ein verwelktes braunes Blatt, auf dem drei Wassertropfen glitzerten. Das Blatt war so nah, daß es fast seinen Augapfel zu berühren schien, trotzdem sah er es ganz deutlich.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Dann wurde das Blatt schwarz und zwei der Wassertropfen verschwammen.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Thobis hörte keine Vögel, aber ein würziger Duft schlug in seine Nase. Der Duft fruchtbarer Erde. Der Duft, den er aus dem Garten seines Vaters kannte.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Der Duft seiner Frau.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Er würgte. Er sah seine Frau in dem dritten Wassertropfen. Sie lächelte ihn an, so wie damals, ehe sie verheiratet gewesen waren. Wieder würgte er, als Blut aus seinen Mundwinkeln sickerte und der Schmerz ihn zusammenzuschnüren schien. Der letzte Wassertropfen verdunkelte sich ...</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Thobis versuchte, sich zu bewegen -- konnte es nicht. Er fing zu weinen an.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Der Tropfen verschwamm ...</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Das Bild seiner Frau verschwand. Er schrie nach ihr.</i></div><div style="text-align: justify;"><i>Der Tropfen war nicht mehr. </i></div></blockquote><div style="text-align: justify;"><i></i>Als ich im Rahmen meiner epischen Blogserie über Tierneys <i>Simon of Gitta </i>- Geschichten zu <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2022/08/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">The Soul of Kephri</a> </i>gelangte, interpretierte ich diese Story u.a. als kritische Auseinandersetzung mit Robert E. Howards Ideen über Barbarei und Zivilisation. Etwas ähnliches findet sich auch am Ende von <i>Die Hölle lacht</i>. Wenn Desmos und Sonja zum Abschied in irgendeiner Taverne ein Bier trinken und sich über die zurückliegenden gemeinsamen Abenteuer unterhalten, kommt die Rede dabei auch auf Sonjas tiefe Abneigung gegen Regeln und Gesetze. Zuerst missversteht sie den Richter:</div><div style="text-align: justify;"><i></i></div><blockquote><div style="text-align: justify;"><i>"Ihr haßt das Ganze, nicht wahr?"</i></div><div style="text-align: justify;"><i>"Was? Die Städte? Nein, die mag ich. Man kann in den Städten genauso wild und frei sein wie in der Steppe, wenn man will. Es ist eine Sache der inneren Einstellung.</i>"</div></blockquote><div style="text-align: justify;">In den <i>Conan </i>- Geschichten verkörpert die Stadt stets die "Zivilisation" und damit auch die Heuchelei, Doppelzüngigkeit und Dekadenz, die Howard mit derselben idetifizierte und denen er sein Ideal des "Barbaren" entgegenstellte. Dem wird hier implizit eine Absage erteilt. Tierney & Smith greifen zwar das anarchische Element der howard'schen Sword & Sorcery auf. Ihre Sonja hat nichts übrig für eine von Artistos und Bürokraten beherrschte Ordnung. Und wenn sie sich nicht einfach von ihren Trieben beherrschen lässt, so weil sie sich selbst zu kontrollieren versteht, nicht weil sie sich irgendwelchen Gesetzen unterordnen würde: "<i>Ich halte mich selbst in Zucht, Desmos, und gestatte es niemand anderem.</i>" Doch verbinden sie diesen widerständischen Gestus ganz ausdrücklich nicht mit irgendeiner äußerst fragwürdigen Philosophie über die Tugenden des "barbarischen" Daseins. Bei ihnen hat er eher etwas von einem individualistischen Anarchismus. </div><div style="text-align: justify;"><i> </i></div><div style="text-align: justify;">Noch einmal: <i>Die Hölle lacht </i>ist "simple" Pulp - Sword & Sorcery. Nicht mehr. Aber Pulp - Sword & Sorcery wie sie mir gefällt. <br /></div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;"> <br /></div><div style="text-align: justify;"> <br /></div><div style="text-align: justify;"> <br /></div><p style="text-align: justify;"> * Dass sich Athus mysteriöses Werk am Ende als eine Art monströser Golem erweist, könnte einem vielleicht etwas unangenehm aufstoßen. Schließlich ist der Zauberer ein Shemit. Ob man darin Spuren von Antisemitismus erkennen will, muss wohl jede/r für sich selbst entscheiden. Was die Traditionen angeht, an die Tierney & Smith hier anknüpfen, verweise ich auf Bobby Deries ausführlichen Essay <i><a href="https://deepcuts.blog/2022/04/06/deeper-cut-conan-and-the-shemites-robert-e-howard-and-antisemitism/" target="_blank">Conan and the Shemites: Robert E. Howard and Antisemitism</a></i>. <br /></p><p> </p>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-48556526308424303632023-04-30T16:03:00.078-07:002023-05-10T10:33:18.365-07:00Doctor Who & "Red" Hulke<div style="text-align: justify;">Als ich mich vor dreieinhalb Jahren im Rahmen einer <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2020/10/willkommen-bord-der-liberator-s03e08.html" target="_blank">Besprechung </a>der <i>Blake's 7 </i>- Episode <i>Rumours of Death </i>etwas ausführlicher mit Leben & Werk von Drehbuchautor & Script Editor Chris Boucher beschäftigte, ging ich dabei natürlich auch auf dessen Beitrag zu <i>Doctor Who </i>ein. Und erklärte in diesem Zusammenhang, dass meine Kenntnis des Franchises sehr beschränkt sei und ich wohl nie zu einem "<i>echten Whovianer</i>" werden würde. Tatsächlich habe ich mich auch in der Zwischenzeit nicht bemüßigt gefühlt, meine Bekanntschaft mit "New Who" (ab 2005) großartig auszubauen. Doch vor allem frühen Teilen der "klassischen" Serie (1963-89) statte ich immer mal wieder recht gerne einen Besuch ab. Und würde mich inzwischen durchaus als Fan bezeichnen. Erweisen sich viele der alten Serials bei unvoreingenommener Betrachtung doch als erstaunlich intelligent und sympathisch. In den letzten Wochen habe ich mich vor allem in der Ära des Dritten Doctors (1970-73) herumgetrieben. Dabei stolperte ich im <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Colony_in_Space" target="_blank">Wikipedia-Eintrag</a> zu <i>Colony in Space </i>über die Bemerkung, dass Autor Malcolm Hulke ein "<i>former Communist Party of Great Britain member</i>" gewesen sei. Was selbstredend sofort mein Interesse weckte. Erfreulicherweise fand ich wenig später Michael Herberts ausführlichen Artikel <i><a href="https://web.archive.org/web/20190904174631/https://fantasiesofpossibility.wordpress.com/2016/03/17/doctor-who-and-the-communist-the-work-and-politics-of-malcolm-hulke/" target="_blank">Doctor Who and the Communist: The work and politics of Malcolm Hulke</a></i>. Diesem habe ich die meisten der im Folgenden angeführten Details über die Beziehung zwischen dem Autor und der Partei entnommen.(1) Allerdings identifiziert Herbert in seinem Essay ganz selbstverständlich die KP und ihre Politik mit "Kommunismus". Leider immer noch eine weit verbreitete Gewohnheit, wenn es um stalinistische Organisationen, Regime oder Strömungen geht. Weshalb ich es für angebracht hielt, meinen eigenen Abriss von Hulkes Leben mit einem etwas kritischeren Blick auf die Geschichte der britischen KP zu verknüpfen. Im Anschluss daran betrachten wir uns dann aber auch die von ihm (mit)geschriebenen <i>Doctor Who </i>- Serials ...<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Geboren 1924 wuchs Malcolm "Mac" Hulke offenbar unter Verhältnissen von Armut und ökonomischer Unsicherheit auf. Wie er vierzig Jahre später in einem Radio-Interview mit <a href="http://www.britishtelevisiondrama.org.uk/?p=869" target="_blank">Tony Parks </a>erzählte: "<i>[I was] being brought up rather oddly, with countless moves to avoid creditors and bailiffs</i>". Erst nach dem Tod seiner alleinerziehenden Mutter Marian 1945 erfuhr er auf etwas peinliche Weise, dass er ein uneheliches Kind war -- zu dieser Zeit immer noch ein sehr ernstes soziales Stigma. 1973 erzählte er davon in einem Artikel für den <i>Observer</i>:</div><div style="text-align: justify;">
<div style="margin-bottom: 0cm;"><i><blockquote>One day when I was 21 I decided to
track down my father’s relatives to find out why my recently dead
mother always told me never to go near them. This well-to-do couple I
found in a vast St John’s Wood flat offered me afternoon tea. As
she poured, the lady I thought was my aunt said, ‘Well, where do
you think you fit into our family?’. I explained I was the son of
her long-dead brother and mentioned when I was born. “That’s
quite impossible”, she said, because my brother died two years
before then. Do you take sugar? I never called again. It isn’t nice
to go round shocking innocent house-holders. When you’re
illegitimate you feel completely alone…We are the totally silent
minority.</blockquote></i>
</div>Wenn er bereit war, über diesen Aspekt seines Privatlebens in der Öffentlichkeit zu sprechen, so weil er damit einen Beitrag zur Destigmatisierung leisten wollte. Abgesehen davon hielt er sich in dieser Hinsicht stets stark zurück. Weshalb insgesamt wenig über seine Jugend bekannt zu sein scheint.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Als Hulke 1943 seinen Gestellungsbefehl erhielt, ersuchte er darum, als Kriegsdienstverweigerer ("Conscientious Objector") anerkannt zu werden. Was jedoch abgelehnt wurde. Ein interessantes Detail, ist Antimilitarismus doch eines der durchgehenden Themen seiner <i>Doctor Who </i>- Serials. Leider wissen wir nicht, welche politischen Überzeugungen er zu dieser Zeit hegte. Auf jedenfall verbrachte Hulke die nächsten Jahre in der Royal Navy. Erst nach dem Ende des Krieges schloss er sich dann der Kommunistischen Partei an. Wie er in einem Brief an die Parteiführung später erklärte, geschah dies nicht, weil er deren Programm studiert oder sich eingehender mit dem Marxismus beschäftigt hätte. Grund war vielmehr, dass er <i>"just met lot of Russian POWs in Norway, </i>[and] <i>because the Soviet army had just then rolled back the Germans</i>."</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Die führende Rolle, die die Rote Armee bei der Niederwerfung des Dritten Reiches gespielt hatte, steigerte naturgemäß das Ansehen, das die Sowjetunion und die ihr untergebenen KPs in der unmittelbaren Nachkriegszeit bei vielen genossen. Hulke war sicher nicht der einzige, dessen Beitritt hierdurch motiviert wurde. Doch halte ich es für wichtig, sich klar zu machen, dass die Organisation, der er sich anschloss, schon seit langem nicht mehr die legitime Verteterin des revolutionären Marxismus war.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Im Unterschied zu den meisten anderen der Dritten Internationale angehörigen Parteien hatte sich bei der britischen KP die völlige Unterwerfung unter die Direktiven Stalins und der sowjetischen Führung Mitte der 20er Jahre ohne größere innerparteiliche Kämpfe vollzogen. Seitdem folgte sie in servilem Gehorsam der von Moskau diktierten politischen Linie, deren wilde Zick-Zacks hauptsächlich von den außenpolitischen Interessen der sowjetischen Bürokratie bestimmt wurden. Die intellektuell und moralisch verrottete Atmosphäre, die sich dadurch in ihr ausbreitete, zeigte sich überdeutlich in der <a href="https://www.marxists.org/archive/pearce/1958/03/trials.html" target="_blank">Reaktion auf die Moskauer Schauprozesse </a>(1936/37). Die KP und ihr intellektueller Anhang bejubelten das Blutbad, das Stalin unter den Alten Bolschewiken anrichtete, als glanzvolles Beispiel sowjetischer Rechtsprechung und plapperten auch die absurdesten Lügen nach, die im Zuge der Hetzkampagne gegen Leo Trotzki in Umlauf gebracht wurden. Das erbärmliche Schauspiel dürfte George Orwell mit manch Inspirationen für seinen ein Jahrzehnt später entstandenen Roman <i>Nineteen Eighty-Four </i>versorgt haben. (2)<br /></div><div style="text-align: justify;">Nach dem Überfall Nazideutschlands auf die UdSSR 1941 wurden die Stalinisten zu begeisterten Unterstützern der Kriegskoalition und nutzten ihren Einfluss in der Arbeiterbewegung dazu, den Klassenkampf um jeden Preis zu unterdrücken. (3) Wann immer es dennoch zu Streiks kam, diffamierten sie diese als Machenschaften faschistischer Agenten, wobei sich ihre <a href="https://www.marxists.org/history/international/comintern/sections/britain/clear-them-out/index.htm" target="_blank">wüstesten Verleumdungen</a> erneut gegen die Trotzkisten richteten, obwohl deren Rolle in den Arbeitskämpfen eher marginal war. </div><div style="text-align: justify;">Trotzdem konnte die KP von der allgemeinen Radikalisierung der arbeitenden Bevölkerung gegen Ende des Krieges in bescheidenem Maße profitieren. Die Wahlen von 1945 bescherten ihr zum ersten und einzigen Mal zwei Parlamentssitze. Ihre politische Linie aber war von nun an völlig national-reformistisch. Und das war selbstverständlich kein Zufall. Stalin hatte keinerlei Interesse an revolutionären Umwälzungen in Europa. Der Diktator und die bürokratische Kaste, an deren Spitze er stand, fürchteten vielmehr alle selbstständigen Regungen der Arbeiterklasse. Und so erhielten die KPs in Westeuropa die Order, dabei zu helfen, die durch Faschismus und Krieg zerrüttete bürgerliche Ordnung zu restabilisieren. Am offensten geschah dies in Italien und Frankreich, wo die Kommunistischen Parteien (auch dank der Rolle, die sie im antifaschistischen Widerstand gespielt hatten) über eine echte Massenbasis verfügten und 1945 in bürgerliche Koalitionsregierungen eintraten. Für ein solches Manöver war die britische Partei nicht bedeutend genug, aber im Inhalt war die von ihr vertretene Politik dieselbe. Das änderte sich auch nicht mit Anbruch des Kalten Krieges. Das 1951 verabschiedete Parteiprogramm <i><a href="https://www.marxists.org/history/international/comintern/sections/britain/brs/1951/51.htm" target="_blank">The British Road to Socialism</a> </i>verband eine Liste von mehr oder minder radikalen Reformforderungen mit einem nachgerade grotesk wirkenden Nationalismus. (4) Eines seiner Hauptpunkte war der "Kampf für nationale Unabhängigkeit" -- so als sei Großbritannien eine unterdrückte Nation oder Halb-Kolonie geworden. Ganz wie bei den glühenden Friedensparolen, die am Anfang des Programmes standen, ging es dabei letztlich nur um eine außenpolitische Reorientierung, die England aus dem Orbit der USA lösen sollte. Doch war diese Perspektive durchaus geeignet, verbitterte Vertreter*innen der bürgerlichen Mittelschicht (oder sogar der Elite) anzusprechen, die den Niedergang des britischen Imperialismus und die wachsende Abhängigkeit von Amerika als nationale Schmach empfanden.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">All das führte freilich nicht dazu, dass die KP nun in den Klub der "respektablen" Parteien aufgenommen worden wäre. Wie weit sie sich auch von ihren revolutionären Ursprüngen entfernt haben mochte, in den Augen des Establishments verkörperte sie immer noch eine Herausforderung gegen die bürgerliche Ordnung. Und wurde entsprechend behandelt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Ebenso gab es unter denen, die sich ihr anschlossen, fraglos viele, die ehrlich überzeugt davon waren, mit ihr für eine bessere Welt zu kämpfen. Malcolm Hulke war sicher einer von diesen. Wenn ich etwas ausführlicher auf die stalinistische Degeneration der KP eingegangen bin, dann nicht um den Idealismus des künftigen Autors in Frage zu stellen. Aber ich denke, zum Verständnis seiner alles andere als konfliktfreien Beziehungen zur KP, ist es notwendig, sich über den tatsächlichen politischen Chartakter der Partei im Klaren zu sein.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Die ersten Jahre nach dem Krieg lebte Hulke in London. Eigenen Aussagen zufolge war er u.a. an Hausbesetzungen ("squatting") und dem großen Savoy-Streik von 1946 beteiligt. Schließlich arbeitete er sogar eine Zeit lang als Schreibkraft im Hauptquartier der KP in King Street. Diesen Posten verlor er allerdings bald wieder, nachdem er den Fehler begangen hatte, von dort aus das Innenministerium ("Home Office") anzurufen. Dabei waren seine Beweggründe völlig harmlos gewesen. Aufgrund seiner unehelichen Herkunft und des Fehlens einer Geburtsurkunde war er nämlich gezwungen, allerlei bürokratische Hürden zu überwinden, um an eine offiziell verbriefte britische Staatsbürgerschaft zu gelangen. Doch den Parteifunktionären reichte dies offenbar nicht als "Entschuldigung". Ironischerweise begann der Inlandsgeheimdienst MI5 um die selbe Zeit herum, den "gefährlichen Kommunisten" Hulke unter Beobachtung zu stellen. Was wir über seinen politischen Werdegang wissen, stammt größtenteils aus der über ihn geführten Akte beim Spitzeldienst Ihrer Majestät.</div><div style="text-align: justify;">Wenig später zog Hulke für einige Jahre in den Lake District. Ob sich darin auch eine beginnende politische Desillusionierung niederschlug, muss Spekulation bleiben. In seiner Korrespondenz mit Parteiführern wie Emile Burns begann er jedenfalls vermehrt Zweifel zu äußern. 1951 erklärte er dann schließlich seinen Austritt. Sein Schreiben an die Bezirksleistung legt nahe, dass er sich vor allem von der in der Partei herrschenden Atmosphäre abgestoßen fühlte: <br /></div><p style="text-align: justify;"></p><div style="text-align: justify;"><blockquote><i>Once a man starts wanting to believe in a thing, it’s just about
time he really set about some deep thinking…Could it be that Communism
is a wonderful idea but that its philosophy is inherited with some not
easily definable something that, at least, in present, day society, ,tends rather to gather to itself mentalities of a not wholly desirable
type?…And if that is the case, and if Communism, managed to gain control
in this country, just what sort of people would we expect to find
governing us?</i></blockquote></div><p></p><div style="text-align: justify;">Das verwundert nicht, hatte die oben skizzierte politische Evolution der KP doch ein Umfeld geschaffen, in dem brutal-autoritäres Gehabe, bürokratische Willkür, Zynismus, Opportunismus, Kriecherei, intellektuelle Unehrlichkeit und Rückgratlosigkeit gediehen, derweil kritisches Denken, persönliche Unabhängigkeit und Würde erstickt oder niedergeknüppelt wurden. (5) Der byzantinistische Stalin-Kult war nur ein besonders krasser Ausdruck dafür. <br /></div><div style="text-align: justify;">Hulke lag sicher nicht falsch damit, wenn er sich Gedanken darüber machte, ob ein Zusammenhang zwischen dem politischen Charakter der Partei und dem Typ Mensch, der in ihrer Atmosphäre florierte, bestand. Doch leider gelangte er dabei offenbar nie zu einem wirklich kritischen Verständnis des Stalinismus. Und solange er in der KP immer noch die legitime Vertreterin der revolutionären Arbeiterbewegung sah, konnte das Ganze letztlich nur demoralisierend wirken. </div><div style="text-align: justify;">Es mag auch nicht geholfen haben, dass der unmittelbare Anlass für seinen Austritt der Bruch zwischen Stalin und Tito gewesen war. Die "antititoistischen Säuberungen" und vor allem die sie begleitenden Schauprozesse wie der gegen László Rajk in Ungarn (1949), Traicho Kostov in Bulgarien (1949) oder Rudolf Slánský in der Tschechoslowakai (1952) waren zwar sicher ein eindrücklicher Beleg für den wahren Charakter des Moskauer Regimes. Aber Tito verkörperte keine sozialistische Alternative zur Kremlbürokratie und ihren internationalen Handlangern. Anders als die meisten stalinistischen Regime Osteuropas verdankte die jugoslawische Volksrepublik ihre Existenz zwar nicht in erster Linie der militärischen Intervention der Roten Armee, sondern einer wirklichen Massenbewegung (der der antifaschistischen Partisanen), aber in ihrem politischen Charakter unterschied sie sich kaum von der UdSSR. In letzter Konsequenz handelte es sich um ein Zerwürfnis zwischen zwei wesensgleichen bürokratisch-totalitären Regimen. (6) <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Offenbar wurde Hulkes Korrespondenz ständig von den Regierungsspitzeln mitgelesen. Denn schon wenige Tage nach seinem Austritt aus der Partei, leitete Sir Percy Sillitoe, General-Director von MI5, die entsprechende Information an die örtlichen Behörden weiter. Superintendent Baum, der Polizeichef von Cumberland, erwiederte, er halte das ganze für einen Trick. Die Überwachung müsse fortgesetzt werden: "<i>[H]e should continue to receive every attention, as in my view he is a dangeros man and without scruples.</i>" </div><div style="text-align: justify;">Tatsächlich bemühte sich Hulke schon im September 1951 um eine Wiederaufnahme in die Partei, nachdem er nach London zurückgekehrt war. Eine Bestätigung für den Verdacht des Superintendent sollte man darin allerdings nicht sehen. Doch seine wahren Beweggründe wären einem Polizistengehirn möglicherweise unverständlich gewesen. </div><div style="text-align: justify;">In seinem Schreiben an Parteifunktionärin Betty Reid erkärte er, es sei ihm "<i>impossible to think other than as a Communist</i>". Und als Konsequenz dessen halte er es für unabdingbar "<i>to wear a party card</i>". Ich sehe hierin etwas zutiefst tragisches. Hulkes temporärer Bruch mit der Partei scheint ein eher impulsiver Akt gewesen zu sein, und sein "<i>deep thinking</i>" war offenbar nicht tief genug gegangen, um ihn erkennen zu lassen, was der Stalinismus in Wahrheit repräsentierte. Da er die KP weiterhin mit den Idealen des Kommunismus identifizierte, blieb ihm gar nichts anderes übrig, als zu ihr zurückzukehren, wenn er nicht seine tiefsten persönlichen Überzeugungen verraten wollte. Sein politisches Gewissen zwang ihn dazu. Der Ton, den er dabei den Parteibürokraten gegenüber anschlug, beweist allerdings, dass er nicht zurückgekrochen kam. Als man ihm die Wiederaufnahme erst einmal verweigerte, protestierte er energisch und schrieb an Reid: "<i>I cannot accept your attitude as correct. justified, fair or constructive.</i>" </div><div style="text-align: justify;">Wenn ich recht mit meiner Vermutung habe, dass seine Rückkehr zur KP von einer Art Pflichtgefühl motiviert worden war, kann ich mir dennoch gut vorstellen, dass er sich nach seiner Wiederaufnahme in einer Lage befand, in der es ihm psychologisch besonders schwer fallen musste, einen erneuten Bruch in Erwägung zu ziehen. Offenbar stürzte er sich mit vermehrten Feuereifer in den Parteiaktivismus. So wandte er sich 1953 mit der ausdrücklichen Bitte um zusätzliche Aufgaben an Sam Aaronovitch, den damaligen Sekretär des Kulturkomitees. (7) Ich halte es für nicht so unwahrscheinlich, dass er sogar eine Art "My Country, Right or Wrong" - Mentalität in Bezug auf die KP entwickelte. Das würde jedenfalls erklären, warum er, trotz seines nie spannungsfreien Verhältnisses zur Führung, der Partei anscheinend auch 1956 ohne zu zögern die Treue hielt -- als ihr ein gutes Viertel ihrer Mitglieder den Rücken kehrte.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Das Jahr sah die bis dato größte Krise des britischen Stalinismus. Nikita Chruschtschows "Geheimrede" auf dem XX. Parteitag der KPdSU, in der der alte Handlanger Stalins und neue Generalsekretär eine Reihe der blutigsten Verbrechen des drei Jahre zuvor verstorbenen Diktators eingestand und den um ihn getriebenen Personenkult verurteilte, musste zu immenser Verwirrung unter den Mitgliedern der britischen KP führen. Schließlich hatte man den Schlächter und Despoten gestern noch wie einen unfehlbaren Halbgott verehrt. Doch das war nur der erste Schlag, Wenig später folgten der antistalinistische Arbeiteraufstand im polnischen Poznan und die Revolution in Ungarn. Peter Fryer, der als Korrespondent des Parteiblattes <i>Daily Worker </i>in Budapest weilte, begann über den wahren Charakter des Aufstands und dessen brutale Unterdrückung durch die Rote Armee zu berichten. Als die Führung seine Artikel zensierte und ihn selbst aus der KP ausschloss, veröffentlichte er seinen Bericht in Buchform unter dem Titel <i><a href="https://www.marxists.org/archive/fryer/1956/dec/index.htm" target="_blank">Hungarian Tragedy</a></i>.</div><div style="text-align: justify;">Aus dem Aufruhr unter den Parteimitgliedern, der von diesen Ereignissen ausgelöst wurde, gingen zwei Hauptströmungen hervor. </div><div style="text-align: justify;">Die zahlenmäßig deutlich stärkere fand ihren wohl bekanntesten Repräsentanten in dem Historiker E.P. Thompson. Ihre Rebellion gegen die KP trug merklich nationalistische Züge. Ausgehend von der Überzeugung, dass die blinde Unterwerfung unter die Moskauer Linie (unabhängig von deren politischem Inhalt) eines der Hauptprobleme der bisherigen Entwicklung dargestellt habe, suchten sie, einen genuin "britischen" Sozialismus zu begründen. Das fand seinen Niederschlag auch in Thompsons Opus Magnum <i>The Making of the English Working Class</i>. Ironischerweise trieben sie damit eine der im Stalinismus selbst angelegten Tendenzen auf die Spitze. Daneben rückten sie immer stärker von dem ab, was sie als "doktrinären Marxismus" bezeichneten, zugunsten eines reichlich amorphen "sozialistischen Humanismus". Die von Thompson und John Saville (einem weiteren Ex-Mitglied der "Communist Party Historians Group") gegründete Zeitschrift <i>New Reasoner </i>wurde schon bald zu einem wichtigen Sammelpunkt für die sog. "Neue Linke".</div><div style="text-align: justify;">Die zweite Strömung verdankte ihre Existenz hauptsächlich dem energischen Eingreifen der kleinen, als "The Club" bekannten Gruppe von britischen Trotzkisten in die Krise der KP. Indem er sie mit Leo Trotzkis Kritik des Stalinismus bekannt machte, gelang es deren Führer Gerry Healy eine Reihe von Parteiintellektuellen für die politische Perspektive seiner Organisation (und der späteren <i>Socialist Labour League</i>) zu gewinnen. Zu diesen gehörten u.a. Peter Fryer, Brian Pearce, Cliff Slaughter und Tom Kemp. Von der ersten Strömung unterschieden sie sich vor allem durch ihr Festhalten am "orthodoxen" Marxismus und (zumindest anfangs) durch ihren klaren Internationalismus. (8)</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Keine der beiden Strömungen scheint Hulke irgendwie beeinflusst zu haben. Vielmehr blieb er in seinem politischen Aktivismus auch nach 1956 ganz der brave Parteisoldat. Ungefähr um diese Zeit mietete er eine Wohnung im Haus von <a href="https://www.theguardian.com/theguardian/2010/apr/01/betty-tate-obituary" target="_blank">Betty Tate</a>, die selbst sehr stark in der Parteiarbeit in Hampstead engagiert war. Er unterstützte sie, indem er Pamphlete für ihre "Socialist Sunday School" schrieb, Fundraising-Basare mitorganisierte oder den <i>Daily Worker </i>auf der Straße verkaufte. Nichts spricht dafür, dass er an den leidenschaftlichen Debatten und Auseinandersetzungen teilgenommen hätte, die das Leben so vieler anderer Kommunisten zu dieser Zeit beherrschten. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Allerdings hatte er schon 1951 im Zusammenhang mit seinem Wiedereintritt in die Partei ziemlich klar zu verstehen gegeben, dass seine Prioritäten in Zukunft ohnehin anderswo liegen würden: "<i>I intend to make a published writer of myself – until that goal is
reached I do not see my way clear to becoming an active Party member
again". </i>Das wirkt zwar etwas widersinnig, denn er<b> wollte</b> ja zurück in die Partei, macht aber doch deutlich, dass sein Hauptinteresse von nun an in künstlerischen Tätigkeiten bestehen würde. <br /></div><div style="text-align: justify;">Sein Weg führte ihn zuerst zum <i>Notting Hill Progressive and Cultural Club</i>, der der KP zwar nahe stand, von vielen Parteioberen aber dennoch misstrauisch beäugt wurde. Vermutlich war er ihnen zu sehr "Bohème". Sein dortiges Engagement könnte Hulkes Wiederaufnahme in die Partei verzögert haben und auch dafür verantwortlich gewesen sein, dass Betty Reid dem "Kulturfunktionär" Aaronovitch riet, ihn möglichst "abzuwimmeln" ("<i>hold off</i>"), wenn er sich an ihn wenden sollte. </div><div style="text-align: justify;">Für Hulkes künstlerische Laufbahn sehr viel wichtiger war aber sowieso seine Arbeit am <i><a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Unity_Theatre,_London" target="_blank">Unity Theatre</a></i>. Aus der <i>Workers' Theatre Movement </i>hervorgegangen, hatte die 1936 gegründete Bühne anfangs vor allem die typisch "proletarischen" Theaterformen wie Agitprop, "Lebende Zeitung" etc., die sich zuvor v.a. in Sowjetrussland und der Weimarer Republik entwickelt hatten, auf englischen Boden verpflanzt. Dabei hatte sie enge Beziehungen zum<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Left_Book_Club" target="_blank"> </a><i><a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Left_Book_Club" target="_blank">Left Book Club</a> </i>und der Kommunistischen Partei unterhalten<i>. </i>Das Repertoire hatte sich in der Zwischenzeit sicher stark gewandelt, doch galt sie auch in den 50er und 60er Jahren immer noch als Hochburg eines radikalen, sozialkritischen Theaters, das sich vornehmlich an ein Working Class - Publikum wandte. (9)<br /></div><div style="text-align: justify;">Erstaunlicherweise scheint Hulke keine eigenen Stücke für das <i>Unity Theatre </i>geschrieben zu haben, trotz seiner erklärten Absicht, Schriftsteller werden zu wollen. 1954 wurde er zum Production Manager und verfasste 1961 anlässlich des fünfundzwanzigjährigen Bestehens der Bühne die Broschüre <i>Here is Drama: Behind the Scenes at Unity Theatre</i>. Doch vor allem freundete er sich mit Eric Paice an, der seit 1953 regelmäßig Stücke wie <i>The Rosenbergs</i>, <i>Turn It Up </i>und <i>World On Edge </i>zum Repertoire des Theaters beisteuerte. Die beiden schlossen sich zu einem Team zusammen und in dieser Formation begann Hulkes Karriere als Drehbuchautor.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Ihr erstes gemeinsames Script verkauften sie 1958 an die BBC. Der Film <i>This Day in Fear</i>, der im Rahmen der <i>Television Playwright </i>- Serie ausgestrahlt wurde, drehte sich um einen ehemaligen IRA - Kämpfer auf der Flucht und erhielt sehr positive Kritiken. Es folgten vier Stücke für ABCs<i> Armchair Theatre </i>(<i>The Criminals</i>, <i>The Big Client</i>, <i>The Great Bullion Robbery</i>, <i>The Girl in the Market Square</i>). Daneben steuerten sie Episoden zu Serien wie <i>Gert and Daisy</i> und <i>Tell it to the Marines </i>bei. Außerdem schrieben sie die Drehbücher für zwei B-Movies: <i>Life in Danger </i>(1959) und <i>The Man in the Back Seat </i>(1961), von denen vor allem ersterer Beachtung verdient: </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Als einem der Insassen einer geschlossenen Anstalt für "kriminelle Geisteskranke" die Flucht gelingt, beginnen sich die Einwohner einer benachbarten Ortschaft in einen Vigilante-Mob zu verwandeln, dem beinahe ein "verdächtiger" (aber völlig unbeteiligter) Vagabund zum Opfer fällt. Besonders interessant fand ich dabei die Figur des Mobanführers. Der "Major" (Howard Marion-Crawford), ein Ex-Offizier mit kolonialem Hintergrund, zeigt zwar deutlich faschistoide Tendenzen, ist aber kein klischeehaftes "Ungeheuer". Vor allem in einigen Szenen mit seiner Freundin (Verlobten in spe?) erhält seine Fassade Risse und wir bekommen einen verletzlichen und im Kern sehr unsicheren Menschen zu sehen. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Schon diese frühen Arbeiten zeigten, dass Hulke sich auf Genrestoffe verstand, wobei er diesen jedoch nicht selten ein sozialkritisches Element beifügte. Der Einstieg in die Science Fiction kam, als Sidney Newman, der zuvor Produzent des <i>Armchair Theatre </i>gewesen war, eine TV-Miniserie in Auftrag gab, die Kindern Wissenschaft und Raumfahrt näher bringen sollte, und sich dafür an Hulke und Paice wandte. Im April 1960 wurden die sechs Episoden von <i>Target Luna </i>ausgestrahlt. Der Erfolg war so groß, dass drei weitere Miniserien folgten: <i>Pathfinders in Space </i>(September 1960), <i>Pathfinders to Mars </i>(Dezember 1960 / Januar 1961) und <i>Pathfinders to Venus </i>(März 1961), alle von Hulke und Paice geschrieben. Die Figur des Professors Norman Wedgwood, der in den ersten beiden Miniserien zwei Expeditionen zum Mond anführt, verdankt sicher einiges dem Vorbild von Nigel Kneales ikonischem Bernard Quatermass. (10) Doch in ihrer Mischung aus SciFi-Abenteuer und pädagogischem Anspruch war die <i>Pathfinders </i>- Serie zugleich ein direkter Vorläufer zum ursprünglichen Konzept von <i>Doctor Who</i>. Interessanterweise erging es ihr dabei ähnlich wie später dem guten Doctor: Verzichtete man anfangs noch auf gar zu phantastische Elemente und betonte stattdessen den belehrenden Inhalt, finden wir uns in der letzten Miniserie dann unter Dinosauriern und Höhlenmenschen wieder. (11) Und natürlich fügte Hulke dem Ganzen das eine oder andere politische Motiv bei. So finden Professor Wedgwood und seine Begleiter in <i>Pathfinders in Space </i>ein äonenaltes Raumschiff auf dem Mond, das von einer prähistorischen Erdzivilisation hierher geschossen wurde, die sich durch einen weltweiten Atomkrieg selbst auslöschte. Und am Ende von <i>Pathfinders to Venus </i>werden unsere auf dem Nachbarplaneten gestrandeten Held*innen im Geiste der Völkerfreundschaft von einem sowjetischen Raumschiff gerettet.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">In wenigen Jahren war Malcolm Hulke zu einem etablierten TV-Drehbuchautor geworden. </div><div style="text-align: justify;">Als 1959 die <i>Television and Screen Writers' Guild </i>gegründet wurde, schloss er sich nicht nur umgehend der neuen Gewerkschaft an, sondern engagierte sich auch sofort aktiv. Zusammen mit Peter Yeldham war er Herausgeber der ersten drei Ausgaben der <i>Guild News</i>. 1966 stellte er einen Bericht über die Lage im Radiobereich zusammen. Und schließlich schrieb er auch den 1969 von der Gewerkschaft herausgegebenen <i>Writer's Guide </i>für angehende Drehbuchautoren.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Derartige Gewerkschaftsarbeit stellte nach der großen Krise von 1956 das einzige, einigermaßen feste Standbein dar, über das die Kommunistische Partei noch verfügte. Doch leider wissen wir nichts genaueres darüber, wie sich die Beziehung zwischen Hulke und der KP im Laufe der 60er Jahre weiterentwickelte. Der Teil seiner MI5 - Akte, der der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, endet 1962. Die Spitzelberichte aus späteren Jahren befinden sich nachwievor unter Verschluss. Michael Herbert schreibt: "<i>He seems to have either left or lapsed from the party in the late 1960s</i>". Als möglichen Anlass nennt er die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968. Tatsächlich löste diese erneute sowjetische Invasion eines "sozialistischen Bruderstaates" einmal mehr heftige Unruhen in der KP aus, wobei diesmal auch innerhalb der Partei offen Kritik am brutalen Vorgehen der UdSSR formuliert wurde. Gut möglich, dass ihr Hulke im Zuge dessen endgültig den Rücken kehrte. Dennoch handelt es sich letztlich um eine bloße Spekulation Herberts, die sich anscheinend durch nichts untermauern (oder widerlegen) lässt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Ein Aspekt von Hulkes Gewerkschaftstätigkeit, der ihm offenbar besonders am Herzen lag, war die rat- und tatkräftige Unterstützung junger und angehender Autor*innen. Eine Aufgabe, der er sich auch außerhalb der <i>Guild </i>stets verpflichtet fühlte. Woraus neben anderem auch seine lebenslange Freundschaft und Kooperation mit Terrance Dicks erwuchs. </div><div style="text-align: justify;">Irgendwann Anfang der 60er Jahre zog Winifred Boon, die die wohl engste Freundin von Hulkes Mutter gewesen war, nach London. Da ihm die Arbeit beim Fernsehen inzwischen etwas Geld eingebracht hatte, kaufte Hulke zusammen mit ihr ein Haus, in dem sie einige Zimmer vermieteten. Dicks war einer ihrer Mieter. Und als Hulke erfuhr, dass dieser es nach einiger Arbeit fürs Radio einmal mit dem Schreiben von TV-Scripts versuchen wollte, sprang er ihm sogleich hilfreich zur Seite. Am Ende schrieben sie das Drehbuch gemeinsam.</div><div style="text-align: justify;"><i>The Mauritius Penny </i>war das erste von vier Scripts, die die beiden zu <i>The Avengers </i>beisteuerten. Hulke schrieb außerdem noch fünf weitere solo für die Serie, deren Produzent einmal mehr Sidney Newman war. Mit Ausnahme von <i>Homicide and Black Lace</i> gehörten sie alle der Honor Blackman - Ära der <i>Avengers </i>an, die ich leider nicht aus eigener Anschauung kenne. Allerdings geht es in <i>The Mauritius Penny </i>(1962)<i> </i>offenbar um eine quasi-faschistische Verschwörergruppe von Möchtegern-Übermenschen (<i>New Rule</i>), die frappierende Ähnlichkeiten mit der <i>Scientific Reform Society </i>aus dem <i>Doctor Who </i>- Serial <i>Robot </i>aufweist. Was kein Zufall ist, wurde das Drehbuch für Tom Bakers Einstand als Vierter Doctor doch ebenfalls von Dicks geschrieben. Der hat das einmal wie folgt <a href="http://theavengers.tv/forever/gale1-7.htm" target="_blank">kommentiert</a>:</div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>I was genuinely unaware
of the similarities between "Robot" and "Penny". They're
undoubtedly there, but the whole process was unconscious at the time. My
old friend Mac Hulke used to say that
to write science fiction, or any kind of fiction, you needed a strong
original idea. It didn't have to be <b>your</b> strong original idea. On
this case, curiously enough, it was my idea - or rather ours. Still, I
don't suppose Mac would have minded.</blockquote></i> Im Januar 1963 wechselte Sidney Newman von ITV zur BBC, wo man ihm dem Posten des "Head of Drama" angeboten hatte. Hugh Carlton Greene -- Bruder des großen Schriftstellers Graham Greene --, der drei Jahre zuvor "General Director" geworden war, hatte es sich zur Aufgabe gemacht den Sender, der sich bis dahin immer noch vornehmlich an Geschmack und Moral der konservativen Mittelklasse orientiert hatte, radikal umzugestalten. Und da Newman schon während seiner Zeit bei ITV bewiesen hatte, dass er denkbar wenig für verstaubt-bildungsbürgerliche Traditionen übrig hatte ("<i><a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Sydney_Newman" target="_blank">Damn</a> the upper classes: they don't even <b>own</b> televisions!</i>"), schien er dafür ein geeigneter Mitstreiter.</div><div style="text-align: justify;">Als sich ihm wenig später ein leergewordenes Zeitfenster im Samstagnachmittagsprogramm anbot, beschloss er, dort eine SciFi-Serie zu etablieren. Einige <a href="http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/magazine/7736130.stm" target="_blank">der ersten Entwürfe</a> klangen recht bizarr (12), aber schließlich kristallisierte sich das Grundgerüst für <i>Doctor Who </i>heraus. Newman wollte dabei die alte <i>Pathfinders </i>- Idee wieder aufgreifen und SciFi mit kindgerechter Wissensvermittlung verknüpfen: "<i>Drama based upon and stemming from factual material and scientific phenomena and actual social history of past and future.</i>" Es überrascht darum auch nicht, dass er alsbald den bewährten Malcolm Hulke um ein Drehbuch für die erste Staffel (1963/64) anging.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Allerdings wurde das <i>The Hidden Planet </i>betitelte Script am Ende abgelehnt. Hulke machte dafür die Richtungsänderung verantwortlich, die durch den überwältigenden Erfolg von Terry Nations <i>The Daleks </i>ausgelöst wurde. </div><div style="text-align: justify;">Eigentlich hatte Sidney Newman dekretiert, es dürfe keine "<i>tin robots</i>" oder "<i>bug-eyed monsters</i>" in der Serie geben. Und war entsprechend wütend, als er das zweite Serial der ersten Staffel zu Gesicht bekam. Aber das Publikum liebte die Daleks, und gegen hohe Einschaltquoten lässt sich als TV-Produzent nur schlecht argumentieren. Weshalb neben den "historischen" und "belehrenden" Episoden klassische SciFi-Abenteuer in der Folge rasch zum festen Bestandteil von <i>Doctor Who </i>wurden.</div><div style="text-align: justify;">Hulke zufolge, sollte <i>The Hidden Planet </i>auf einer Art Parallelerde spielen. Das Serial <br /></div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>was about a planet which is the same size as
Earth, but on the other side of the sun, and therefore we have never
seen it. The Doctor goes to the planet and for obvious reasons the
Tardis crew think they are on Earth. But they find things are different.
They landed in a field and Susan notices a four-leaf clover, and then
they see they are all four leaf clovers. And then other mysterious
things happen like birds flying backwards or having double wings, and
things of that sort</i>.</blockquote><a href="http://www.shannonsullivan.com/drwho/lost/lost1.html" target="_blank">Offenbar</a> sollte das Ganze außerdem eine Art "Reversed Sexism" - Szenario sein:</div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>Most notably, women are the dominant sex while
men struggle for equality. The leader of the planet is Barbara's double,
and Barbara is kidnapped by rebels. Meanwhile, the Doctor, Susan and Ian
are embroiled in the struggle for male suffrage. </blockquote></i> Wie gut das funktioniert hätte, muss dahingestellt bleiben. Solche Szenarien sind -- unabhängig von den Intentionen der Macher -- nicht selten ziemlich cringe-worthy. Man denke z.B. an die TNG-Episode <i>Angel One</i>. (13)<br /></div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Erstaunlicherweise würde es ein paar Jahre dauern, bis tatsächlich einmal ein <i>Doctor Who </i>- Script von Hulke verfilmt werden sollte. Sein Vorschlag für die zweite Staffel (1964/65) <a href="http://www.shannonsullivan.com/drwho/lost/lost1.html" target="_blank"><i>Britain 408 A.D.</i></a>, wurde gleichfalls abgelehnt. Ebenso erging es <i>The People Who Couldn't Remember</i> für Staffel 4 (1966/67), das er zusammen mit David Ellis schrieb, den er über die Gewerkschaftsarbeit kennengelernt hatte. Allerdings führte letzteres dann doch noch dazu, dass Hulke & Ellis ein weiteres Drehbuch einreichen konnten, das nach einigem Hin und Her schließlich zur Grundlage für das im April 1967 ausgestrahlte Serial <i>The Faceless Ones </i>werden würde.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Unglücklicherweise gehört <i>The Faceless Ones </i>zu den weitgehend verloren gegangenen <i>Doctor Who </i>- Serials. Von den sechs Episoden haben sich nur die erste und die dritte erhalten. Die BBC hat die fehlenden Teile inzwischen zwar in Gestalt von CGI-Animationen veröffentlicht, aber so nett ich diesen Versuch, die Lücken zu schließen, im Prinzip auch finde, die an billige Video-Spiele gemahnende Ästhetik zerstört für mich leider völlig die Atmosphäre. Weshalb ich mir das Serial nicht vollständig angeguckt habe und darum auch nicht wirklich etwas dazu sagen kann. Es geht wohl um eine Gruppe von gestaltswandlerischen Aliens, die "Bodysnatcher" - mäßig die Identität von Menschen klauen, da ihre Heimatwelt zerstört wurde.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Im darauffolgenden Jahr erlebte Hulke zuerst einmal eine weitere Zurückweisung mit seinem Script <i><a href="http://www.shannonsullivan.com/drwho/lost/lost2.html" target="_blank">The Impersonators</a></i>, doch dann holte ihn Terrance Dicks, der inzwischen Script Editor für <i>Doctor Who </i>geworden war, für Patrick Troughtons letzten Auftritt als Zweiter Doctor an Bord zurück. Das zehn Episoden umfassende Finale der sechsten Staffel (1968/69) wurde in großer Hast geschrieben. Teile des Drehbuchs waren noch gar nicht fertiggestellt, als man schon mit dem Dreh der ersten Episoden begann. Was einige der Schwächen von <i>The War Games </i>erklären könnte. Dennoch ist das von Hulke und Dicks gemeinsam geschriebene Serial, das im April/Juni 1969 ausgestrahlt wurde, gleich in zweifacher Hinsicht beachtenswert.</div><div style="text-align: justify;">Zum einen stellt es eine immens wichtige Stufe in der Entwicklung der <i>Doctor Who </i>- Lore dar. <i>The War Games </i>führt die Time Lords ein und eröffnet damit einen ersten Blick auf die Herkunftsgeschichte des Doctors. Wir erfahren, dass er die Tardis gestohlen hat, um sich der Kontrolle seines Volkes, das ihm zu autoritär und selbstzufrieden ist, zu entziehen und die Galaxis zu durchstreifen.</div><div style="text-align: justify;">Zum anderen ist das erste Drittel der Story eine recht eindringliche Darstellung der Unmenschlichkeit und Absurdität von Krieg und Militarismus. <br /></div><div style="text-align: justify;">Zu Beginn finden sich der Doctor und seine Companions Zoe (Wendy Padbury) und Jamie (Frazer Hines) im zerbombten Niemandsland zwischen den Fronten des Ersten Welkriegs wieder. So hat es zumindest den Anschein. Es dauert nicht lange und die drei werden von britischen Truppen in Gewahrsam genommen und zu einem <span>Château gebracht, in dem General Smythe (Noel Coleman) sein Hauptquartier aufgeschlagen hat. Der General beschließt umgehend, sie als Spione hinrichten zu lassen, nachdem er die offensichtliche Scharade eines Feldgerichts abgehalten hat. Zwar gelingt ihnen unter Mithilfe von Krankenschwester Lady Jennifer Buckingham (Jane Sherwin) und Lt. Carstairs (David Savile) die Flucht, doch als sie den Deutschen unter Kapitän Von Weich (David Garfield) in die Hände fallen, wiederholt sich das ganze absurde Prozedere. Erneut auf der Flucht geraten sie schließlich in eine merkwürdige Nebelbank, nur um auf der anderen Seite erst römische Legionäre und dann Truppen aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg anzutreffen ...</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Der Erste Weltkriegs - Part ist fraglos der stärkste Teil des Serials. In jüngerer Vergangenheit ist verschiedentlich der Versuch unternommen worden, dem großen Gemetzel wieder etwas "heroisches" zu verleihen oder ihn von Seiten der Entente als einen "gerechten Krieg" darzustellen. Nicht so hier. Der Doctor zitiert an einer Stelle zwar die (von H.G. Wells geprägte) Propagandaformel vom "War to End All Wars", aber das ist offensichtlich sarkastisch gemeint. Herbert stellt die Vermutung an, dass Joan Littlewoods satirisches Musical <i><a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Oh,_What_a_Lovely_War!" target="_blank">Oh, What a Lovely War!</a> </i>eine der Inspirationen für Hulke gewesen sein könnte. Ich fühlte mich mehr an Stanley Kubricks Meisterwerk <i>Paths of Glory </i>(1957) erinnert. Unter anderem in der Darstellung des Klassengegensatzes, der sich im Gegenüber von </span><span>Château und Schützengraben, Generälen und Gemeinen zeigt. </span></div><div style="text-align: justify;"><span>Selbst die Momente, die darauf hindeuten, dass sich etwas SciFi-Mysteriöses hinter dem Szenario verbirgt, können zugleich als Kommentar auf Militarismus und Krieg gelesen werden. Immer dann wenn Smythe seine Brille oder Von Weich sein Monokel aufsetzt, üben sie eine hypnotische Kontrolle über ihre Untergebenen aus. Was im Kontext der Geschichte aber bloß wie eine extremere Form des allgemeinen Kadavergehorsams wirkt. Und wenn Lady Jennifer und Carstairs einander erzählen, dass sie sich beide kaum mehr an ihre Heimat und die Zeit vor dem Krieg erinnern können, weist das zwar darauf voraus, dass sie (und alle übrigen Soldaten) von Aliens entführt und hierher geschafft wurden, vermittelt aber auch ein Gefühl für die Verlorenheit dieser Menschen, nachdem man sie aus ihrem alten Leben herausgerissen und in die Hölle des Krieges geworfen hat.</span><span> </span></div><div style="text-align: justify;"><span>Nachdem klar geworden ist, dass dies nicht die Erde, sondern eine Art Trainingsfeld ist, auf dem Aliens Soldaten, die sie aus allen möglichen Epochen und Kriegen hierhergebracht haben, gegeneinander kämpfen lassen, um so am Ende die kampfgestähltesten Truppen für ihre irren intergalaktischen Eroberungspläne zu erhalten, verliert das Serial leider etwas an Schwung und wird streckenweise ziemlich repetetiv. Auch gibt es ein paar Elemente, mit denen ich nicht ganz glücklich war. </span></div><div style="text-align: justify;"><span>Wenn die Message der Geschichte sein soll: Krieg ist eine blutige Absurdität, die bloß der Machtgier der Führer dient, dann frage ich mich, ob es klug war, den Amerikanischen Bürgerkrieg zu einem der "Beispielszenarien" zu machen. Denn der war zwar furchtbar blutig und brutal, von Seiten der Nordstaaten aber zugleich ein historisch fortschrittlicher, revolutionärer Kampf. Nett ist freilich, dass unsere Held*innen in diesem Szenario von dem schwarzen Soldaten Harper (Rudolph Walker) aus den Händen einer konföderierten Patrouille gerettet werden. Und dieser sicher dann auch noch als Teil einer Widerstandsbewegung entpuppt, bei deren Mitgliedern die außerirdische Gehirnwäsche nicht funktioniert hat und die sich deshalb einigermaßen im Klaren über ihre wirkliche Lage sind. Weniger nett ist allerdings, dass derselbe Harper eine Episode später auch schon tot ist.</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Wirklich cringe-worthy ist Michael Napier Browns Auftritt als karrikaturenhafter Mexikanischer Bandido / Pancho Villa - Verschnitt gegen Ende des Serials. Allerdings gibt seine Figur Anlass für eine amüsante kleine Szene, in der die clevere und selbstbewusste Zoe dem chauvinstischen Dickschädel zeigt, dass sie sich besser auf strategisches Denken versteht als er.</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Die Außerirdischen, die hinter dem Ganzen stecken, genießen die Unterstützung des War Chief (Edward Brayhshaw), eines abtrünnigen Time Lords, der sie u.a. mit Tardis-artigen Apparaturen versorgt hat. Als der Doctor schließlich einsehen muss, dass es ihm trotz Unterstützung durch die rebellierenden Soldaten nicht gelingen wird, die Situation auf eigene Faust zu bewältigen, entschließt er sich zähneknirschend, die übrigen Time Lords zur Hilfe zu rufen. Obwohl er weiß, dass das vermutlich auch für ihn unangenehme Konsequenzen haben wird. Sein Versuch, sich vor deren Ankunft mit der Tardis aus dem Staub zu machen, scheitert und er wird von seinem Volk vor Gericht gestellt. Er verteidigt seine Entscheidung, hilfreich in die Geschicke anderer Völker eingegriffen zu haben, obwohl er damit gegen die Gesetze der Time Lords verstoßen hat. Und lässt allgemein keinen Zweifel daran, dass er sein Volk für einen Haufen eingebildeter Spießer hält. Am Ende wird er zum Exil auf der Erde und zu einer erzwungenen Regeneration (14) verurteilt.<br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span>Diese Schlusspassage ist für sich genommen zwar recht interessant, steht aber nur in sehr lockerer Beziehung zur eigentlichen Story. Motivisch am stärksten verbindet die beiden die offensichtlich sehr tiefe Abneigung des Doctors gegen jede Art von Autorität.</span></div><div style="text-align: justify;"><span><br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span>Mit Staffel 7 (1970) begann die Ära von Jon Pertwee als dem Dritten Doctor. Um Kosten zu sparen, hatte Produzent Derrick Sherwin beschlossen, dass es in Zukunft keine Abenteuer auf fremden Planeten oder in historischen Epochen mehr geben würde. Daher die Idee des Exils. Der Doctor arbeitet von nun an als wissenschaftlicher Berater der militärischen Organisation UNIT (<i>United Nations Intelligence Taskcforce</i>), die außerirdische Bedrohungen abwehren soll und den Vereinten Nationen unterstellt ist. Ihr Kommandant in Großbritannien ist Brigadier Lethbridge-Stewart (Nicholas Courtney).</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Allerdings verließ Sherwin <i>Doctor Who </i>bereits nach dem Dreh des ersten Serials<i> Spearhead from Space</i>. Zwischen seinem Nachfolger Barry Letts und Terrance Dicks, der nachwievor Script Editor war, entwickelte sich rasch eine enge Zusammenarbeit. Gemeinsam waren sie es, die die Ära des Dritten Doctors prägten. Dicks mochte die Idee eines auf die Erde verbannten Doctors nicht besonders und begann diese so früh wie möglich aufzuweichen. Auch holte er umgehend seinen alten Kumpel Malcolm Hulke an Bord, um das zweite Serial <i>Doctor Who and the Silurians </i>zu schreiben, noch bevor Letts so richtig auf dem Produzentenposten angekommen war. Von allen beteiligten Autoren würde Hulke die meisten Scripts für die Abenteuer des Dritten Doctors schreiben. Wie zu erwarten enthielten seine Drehbücher stets ein politisches Element, aber das war kein Problem -- im Gegenteil. Wie Barry Letts einmal gesagt hat: "</span><i>You could be pretty certain that anything that he wrote would have
an underlying political message which we didn’t mind because we liked
stories to have a reason.</i>" In der Tat hatten viele der Geschichten in dieser Ära von <i>Doctor Who </i>ein mehr oder minder offenes sozialkritisches Moment. Ohne deshalb zu platter Message-Fic zu werden. Und dazu passten Hulkes Arbeiten sehr gut. Um Terrance Dicks zu zitieren: "<i>What we never did was commission a Doctor Who with a political
message but nonetheless if you look at it there is a streak of
anti-authoritarianism in all Mac’s work: he doesn’t trust the
establishment.</i>" Natürlich wurde <i>Doctor Who </i>nicht "radikal". Schließlich war die Serie immer noch in erster Linie als Kindersendung konzipiert. Dennoch spiegelte sich in dieser Herangehensweise etwas von der politisch äußerst unruhigen Atmosphäre der frühen 70er Jahre wider. (15)</div><div style="text-align: justify;">All das beeinflusste selbstverständlich auch die Art, in der die Beziehung zwischen dem Dritten Doctor und UNIT dargestellt wird. Liest man das bloße Konzept, könnte man ja befürchten, dass das Ganze auf eine Verherrlichung des Militärs als Weltenretter hinausläuft. Doch so einfach sieht die Sache nicht aus. Zuerst einmal nimmt der Doctor den Posten des "wissenschaftlichen Beraters" ohnehin nur notgedrungen an. Was bleibt ihm schon anderes übrig, nun da er auf der Erde gestrandet ist? Immerhin erhält er auf diese Weise Zugang zu einem wissenschaftlichen Labor. Aber wenn er nicht gerade an seinem geliebten Oldtimer "Bessie" herumbastelt, verbringt er die meiste Zeit damit, zu versuchen, die von den Time Lords lahmgelegte Tardis wieder startklar zu bekommen, um erneut seine alten Reisen durch Zeit und Raum aufnehmen zu können. Er verspürt nicht die geringste Loyalität gegenüber UNIT als Institution, sondern nur gegenüber einzelnen Menschen, die ihm nahestehen, wie seinen Companions Liz Shaw, Jo Grant und Sarah Jane Smith. Seine Bindung an die Organisation ist ihm vielmehr ausgesprochen lästig. Er mag es überhaupt nicht, wenn andere denken, dass sie ihm Befehle erteilen könnten, und bringt wiederholt sehr deutlich seine Verachtung für Hierarchien und militärische Disziplin zum Ausdruck. Der Doctor ist nicht frei von Arroganz, aber das ist nicht der einzige Grund für sein Verhalten. Er macht keinen Hehl daraus, wie wenig er von "militärischem Denken", politischer Kleingeistigkeit und nationaler Borniertheit hält. Und allen dreien begegnet er im Zusammenhang mit UNIT öfter als ihm lieb ist. Lethbridge-Stewart und seine Truppe gehören zwar sicher zu "den Guten", aber auch der Brigadier neigt dazu, Probleme auf die "soldatische" Art (d.h. mit Waffengewalt) anzugehen, oder versteift sich auf die Unantastbarkeit der "Befehlskette", selbst wenn seine Vorgesetzten offensichtlich im Unrecht (oder schlicht dumm) sind. <span>Malcolm Hulkes <i>Doctor Who and the Silurians </i>demonstriert eindrücklich, was für Konsequenzen das haben kann.</span></div><div style="text-align: justify;"><span> </span></div><div style="text-align: justify;"><span>Eine nukleare Forschungseinrichtung, die in ein Höhlensystem unter einer englischen Moorlandschaft gebaut wurde, leidet seit einiger Zeit unter unerklärlichen Fehlfunktionen. Zudem hat einer der Mitarbeiter bei einem Abstecher in die tiefergelegenen (und unerforschten) Kavernen offenbar den Verstand verloren und bemalt seitdem die Wände seiner "Zelle" mit perfekten Repliken prähistorischer Felszeichnungen. UNIT soll die Sache aufklären. Sehr zum Ärger des Direktors Dr. Lawrence (Peter Miles), der befürchtet, dass die Anwesenheit der "Eindringlinge" den Fortgang des Projektes behindern könnte, an dem seine Karriere hängt. Nach einigem hin und her (sowie dem Auftritt eines leibhaftigen Dinosauriers) erweist es sich, dass durch den Bau des Komplexes Vertreter einer uralten reptilischen Spezies aus einem äonenlangen Schlaf geweckt wurden. Diese "Silurians", deren hochentwickelte Zivilisation einst die Erde beherrschte, sehen in den Menschen bloß hochmütig gewordene Affen und planen, den Planeten erneut in Besitz zu nehmen. Der Doctor bemüht sich, eine friedliche Übereinkunft zwischen den beiden Rassen zu erreichen, stößt jedoch auf beiden Seiten auf gar zu viel Misstrauen, Xenophobie, Aggressivität und Arroganz.</span></div><div style="text-align: justify;"><span>"Klassischer" <i>Doctor Who </i>verfügte grundsätzlich nur über ein extrem kleines Budget, was sich selbstredend auch in der Gestaltung von Sets, Spezieleffekten sowie Monsterkostümen und -miniaturen zeigt. Im allgemeine habe ich damit selten ein Problem. Für mich trägt das sogar zum besonderen Charme der Serie bei. Doch ab und an fühle selbst ich mich dadurch etwas irritiert. Und beim Design der Silurians war das leider der Fall. Es dauert recht lange, bis wir sie in voller Pracht zu sehen bekommen. Anfang zeigt man uns bloß Schatten, Silhouetten oder mal eine vereinzelte Klauenhand, die sich über eine Mauer schiebt. Eine Reihe von Szenen sind sogar aus der Monster-POV eines verletzten Siluarians gedreht. All das ist recht geschickt gemacht, doch steigert es zugleich die Erwartung der Zuschauenenden. Und am Ende schauen die Kerle dann halt eher wie Discounter-Versionen des Gillman aus <i>Creature From the Black Lagoon </i>aus. Was mich schon kurz rausgerissen hat. Freilich nicht auf Dauer, denn dazu ist Hulkes Drehbuch zu gut.</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Die Hauptantagonisten des Serials sind der karriereversessene Dr. Lawrence, der am Ende schier zum Berserker mutiert; Security Chief Major Baker (Norman Jones), der es gar nicht abwarten kann, das unterirdische Habitat der Silurians zu stürmen und dort ein Blutbad anzurichten; sowie ein besonders xenophober Verrtreter der reptilischen Spezies, der den kompromissbereiten Anführer seines Volkes ermordet und die Menschheit mit einem genmanipulierten Virus ausrotten will. Doch für den wirklich niederschmetternden Schlusspunkt der Geschichte ist niemand anderes als Lethbridge-Stewart verantwortlich. Der Doctor setzt bis zum Ende auf die Möglichkeit einer friedlichen Koexistenz, selbst nachdem es zu einer gewaltsamen Eskalation gekommen ist. Doch der Brigadier schätzt die Lage anders ein. Als sich der Doctor und Liz auf den Rückweg nach London machen, werden sie plötzlich Zeuge einer Reihe gewaltiger Explosionen im Moor. Lethbridge Stewart hat das Höhlensystem sprengen lassen! Die subtile schauspielerische Leistung von Jon Pertwee ist grandios: Das Gesicht des Doctors wirkt wie versteinert, als er realisiert, dass der Brigadier soeben Völkermord an einer ganzen Spezies vernunftbegabter Wesen begangen hat. Einer der düstersten <i>Doctor Who </i>- Momente, die mir bislang untergekommen sind. Und dabei völlig frei von überzogenem oder lautem Pathos.</span></div><div style="text-align: justify;"><span><i> </i></span></div><div style="text-align: justify;"><span>Hauptautor von <i>The Ambassadors of Death </i>war David Whitaker, aber auch wenn sein Name nicht in den Credits genannt wird, hatte Malcolm Hulke doch an den Drehbüchern für die Episoden 2-7 mitgeschrieben. Wie groß sein Anteil war und welche Ideen auf ihn zurückgehen, weiß ich zwar nicht, könnte mir aber vorstellen, dass die antimilitaristische Wendung, die die Story am Ende erhält, einer seiner Beiträge war.</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Bei der Rückkehr einer bemannten britischen Marsmission zur Erde kommt es zu Komplikationen, als eine zweite Raumkapsel im Orbit an <i>Mars Probe Seven </i>andocken soll. UNIT wird zur Hilfe gerufen, doch der Doctor muss schon bald feststellen, dass er einer weitverzweigten Verschwörung gegenüber steht, an der mächtige Vertreter aus Regierung und Militär beteiligt zu sein scheinen, und die um jeden Preis zu verhindern versucht, dass die Wahrheit über die Marsmission und das Schicksal der drei Astronauten ans Tageslicht kommt. Am Ende stellt sich heraus, dass das Oberhaupt der Konspiration, General Carrington (John Abinari), die militärische Konfrontation mit einer außerirdischen Rasse zu provozieren versucht, weil er diese trotz aller gegenteiligen Beweise für eine Bedrohung hält, die unbedingt ausgemerzt werden muss. Und trotz seines offenbar monomanen Geisteszustandes kann er dabei auf den blinden Gehorsam der meisten seiner Untergebenen rechnen.</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Wie viele alte <i>Doctor Who </i>- Serials besitzt auch <i>Ambassadors of Death </i>einige Längen, doch insgesamt finde ich das Szenario einer Verschwörung, deren Umfang von Episode zu Episode immer weiter anzuwachsen scheint, ziemlich gelungen. Und dass Carrington jede einzelne seiner Schandtaten mit der Floskel "<i>It's our moral duty</i>" rechtfertigt, ist ein großartiges Detail.</span></div><div style="text-align: justify;"><span> </span></div><div style="text-align: justify;"><span>Als sie die achte Staffel (1971) konzipierten, entschieden sich Terrance Dicks und Barry Letts dazu, dem Doctor einen wiederkehrenden Erzwidersacher gegenüberzustellen: Den Master, der in einem ersten <a href="https://web.archive.org/web/20100416225902/http://www.bbc.co.uk/archive/changingwho/10313.shtml" target="_blank">Memo</a> so charakterisiert wurde:</span></div><div style="text-align: justify;"><span><i></i><blockquote><i>A lapsed Time Lord of equal, perhaps even senior, rank to the Doctor. Now on the run from the Time Lords. Sinister, polished, charming. A manipulator of others for evil ends, with a vested interest in chaos and misrule, which he turns to his own profit.</i> </blockquote>Der Master ist ohne Frage eine echte Bereicherung für die Serie. Roger Delgado spielt den Bösewicht mit viel Verve und Charme. Und es ist stets ein Vergnügen, ihn und Pertwee interagieren zu sehen. Dennoch war es vielleicht nicht die beste Idee, den abtrünnigen Time Lord gleich in allen fünf Serials der Staffel zum Oberschurken zu machen. Denn manchmal hat man dabei das Gefühl, er sei nachträglich in ein Script hineingeschrieben worden, das ihn eigentlich nicht gebraucht hätte. Malcolm Hulkes <i>Colony in Space </i>ist dafür ein ganz gutes Beispiel.</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Freilich gibt er die Begründung dafür ab, warum die Time Lords dem Doctor erstmals wieder die Nutzung der Tardis erlauben. Denn er soll (wie schon im Staffelauftakt <i>The Terror of the Autons</i>) in ihrem Auftrag die diabolischen Pläne des Erzschurken durchkreuzen. Und dazu muss er auf einen fernen Planeten und in die Zukunft reisen. Doch nachdem er und seine Begleiterin Jo Grant (Katy Manning) dort angekommen sind, spielt der Master für die eigentliche Handlung lange Zeit gar keine oder nur eine periphere Rolle.</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Im Kern geht es in dem Serial um eine Gruppe von menschlichen Auswanderern, die im Jahr 2472 auf dem ziemlich unwirtlichen Planeten Uxarieus eine Kolonie zu gründen und damit den von Überbevölkerung, Umweltzerstörung und einem repressiven Regime geprägten Verhältnissen auf der Erde zu entkommen versuchen. Doch unglücklicherweise hat das Bergbauunternhmen IMC ("<i>Interplanetary Mining Corporation</i>") reiche Erzvorkommen auf dem Planeten entdeckt. Und IMC-Captain Dent (Morris Perry) ist kein Trick zu schmutzig, um die lästigen Kolonisten zu vertreiben, die der wirtschaftlichen Ausbeutung von Uxarieus im Wege stehen.</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Dent ist ein wunderbar schmieriger und skrupelloser Bösewicht, aber nicht alle seiner Untergebenen erweisen sich als bloße kapitalistisch-imerialistische Dronen. Als Bergbauingenieur Caldwell (Bernard Kay) realisiert, dass sein Vorgesetzter auch vor Mord nicht zurückschreckt, erwachen erste Skrupel in ihm. Dents Drohung, er werde bei Befehlsverweigerung Caldwells Karriere restlos zerstören, hält ihn zwar eine Zeit lang in Schach. Doch als es schließlich hart auf hart kommt, stellt er sich auf die Seite der Kolonisten. </span></div><div style="text-align: justify;"><span>Die Kolonie selbst wirkt wie eine Mischung aus Hippie-Aussteiger-Kommune und amerikanischer Frontiersiedlung. Als ihre Mitglieder zwischendurch diskutieren, ob sie sich von der Erde lossagen sollen, falls deren Regierung die Partei von IMC ergreifen sollte, fühlt man sich sogar ganz leicht an die Amerikanische Revolution erinnert.</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Da das Szenario einen unverkennbaren Western-Vibe besitzt, wird man die stummen und mysteriösen Ureinwohner, die immer mal wieder Speere schwingend auftauchen, spontan mit amerikanischen Ureinwohnern vergleichen. Doch in Wirklichkeit sind die Parallelen nicht gar so groß. Handelt es sich bei ihnen doch um die Nachfahren einer einst hochentwickelten Zivilisation, die in ihrer unterirdischen Hauptstadt immer noch die technischen Relikte ihrer Vergangenheit hüten. Und erst an dieser Stelle kommt auch der Master ins Spiel. Bei einem dieser Relikte handelt es sich nämlich um eine "Doomsday Weapon" von schier unvorstellbarer Zerstörungskraft, die der Schurke unbedingt in die Finger bekommen will.</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Die beiden Plothälften wirken etwas willkürlich zusammengefügt und die Haupthandlung dabei deutlich stärker als das "Doomsday Weapon" - Anhängsel. Sehenswert bleibt das Ganze aber auf jedenfall. <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span> </span></div><div style="text-align: justify;"><span>Offenbar hielten es Dicks und Letts für eine gute Idee, in der neunten Staffel (1972) noch einmal die Silurians auftreten zu lassen. In meinen Augen war das keine glückliche Entscheidung<i>. The Sea Devils </i>scheint zwar bei vielen Fans und Kritiker*innen recht beliebt zu sein, doch ich halte das Serial für Malcolm Hulkes schwächsten Beitrag zu <i>Doctor Who</i>.</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Der beste Teil ist der Auftakt, wenn der Doctor gemeinsam mit Jo dem Master einen Besuch abstattet, der seit den Ereignissen von</span><i><b> </b>The Dæmon<span>s </span></i><span>in einem Hochsicherheitsgefängnis auf einer Insel vor der britischen Küste</span><i><span> </span></i><span>sitzt. Man spürt deutlich etwas von der besonderen Beziehung, die zwischen den beiden besteht und in der sich Feindseligkeit und gegenseitiger Respekt vermischen. An einer Stelle erzählt der Doctor Jo sogar, dass die beiden vor langer Zeit einmal beinahe so etwas wie Freunde gewesen wären. Und man bekommt den Eindruck, dass er Mitleid für den eingekerkerten Time Lord empfindet.</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Doch die eigentliche Handlung, in der es um die aquatischen Verwandten der Silurians geht, hat auf mich leider wie eine "Painted by numbers" - Malcolm Hulke - Geschichte gewirkt. Im Grunde ist sie eine bloße Wiederholung der Ereignisse von <i>Doctor Who and the Silurians</i>, bloß aufgepeppt mit allerlei Navy - Gedöns und Stock Footage - Aufnahmen von Kriegsschiffen und Seemanövern. Das britische Verteidigungsministerium war direkt an der Produktion beteiligt und viele der Matrosen, die wir zu sehen bekommen, waren echte Navy-Angehörige. Aber entschuldigt das die Tatsache, dass <i>The Sea Devils </i>der kritische Stachel seines Vorgängers fast völlig fehlt? Das dass Serial am Ende sogar beinahe wie eine Revision von <i>Doctor Who and the Silurians </i>wirkt? Sicher, die Geschichte enthält eine Art Lippenbekenntnis zum Antimilitarismus, wenn ein aufgeblasener Politiker den Beschuss der Basis der Sea Devils befiehlt. Trotz allem ist es halt doch ein Hulke - Script. Aber am Ende ist es der Doctor höchstpersönlich, der eben diese Basis in die Luft jagt! Zwar bringt er damit nicht gleich das ganze Volk der Sea Devils um, dennoch hatte ich das Gefühl, dass damit rückwirkebnd das extrem finstere Ende von <i>Doctor Who and the Silurians </i>entschärft wird.</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Nett ist freilich, dass Jo eine ziemlich aktive Rolle in der Geschichte spielt und zwischendurch auch einmal den in die Bredouille geratenen Doctor retten darf. Außerdem gibt's ein Fechtduell zwischen Pertwee und Delgado.</span></div><div style="text-align: justify;"><span><br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span>Mit dem Auftakt der zehnten Staffel (1972/73) <i>The Three Doctors </i>wird das Exil auf der Erde auch offiziell endgültig beendet. Allerdings sind die Zeit- und Raumsprünge der wiederhergestellten Tardis mitunter noch genau so unvorhersehbar wie eh und je. Und so landen der Doctor und Jo in <i>Frontier in Space </i>unverhofft im 26. Jahrhundert, einer Zeit heftiger Spanungen zwischen der Erde und dem Drakonischen Imperium. Gegen ihren Willen in die Ereignisse hineingezogen, sehen sie sich schon bald vor die Aufgabe gestellt, den Ausbruch eines interstellaren Krieges zwischen den Machtblöcken zu verhindern. Denn niemand anderes als der Master versucht das gegenseitige Misstrauen der beiden Völker auszunutzen, um einen wahren Weltenbrand zu entfachen, indem er Überfälle auf Raumfrachter beider Seiten organisiert, die er als Attacken des jeweiligen "Erbfeinds" erscheinen lässt.<br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span><i>Frontier in Space </i>ist meines Erachtens einer der Höhepunkte von Malcolm Hulkes <i>Doctor Who </i>- Arbeit und steckt voller bemerkenswerter Elemente. An der Spitze der Erdregierung steht eine Präsidentin (Vera Fusek), die zwar bemüht ist, den Frieden zu wahren, doch immer stärker unter den Druck ihres Stabschefs General Williams (Michael Hawkins) gerät, derweil immer größere Teile der Öffentlichkeit von einem xenophoben Kriegsfieber erfasst werden. Die Drakonier ihrerseits sind eine von einem starren Ehrenkodex beherrschte Feudalgesellschaft. Ihr Botschafter auf der Erde ist ein imperialer Prinz (Peter Birrel), der in Williams einen unversöhnlichen Todfeind seines Volkes sieht, da dieser im letzten Krieg zwischen den beiden Mächten das Oberkommando innehatte und in seinen Augen auch für den Ausbruch der Kampfhandlungen verantwortlich war. </span></div><div style="text-align: justify;"><span>Keines der beiden Staatsgebilde wirkt sonderlich ansprechend. Die Erdregierung scheint der Form nach zwar eine Demokratie zu sein, doch wie wir später erfahren unterhält sie auf dem Mond eine Art Gulag für die Dissidenten der "Peace Party". Das drakonische Imperium wiederum wird ganz von einer Handvoll aristokratischer "Häuser" dominiert und ist außerdem eine extrem männlich-chauvinistisch Kultur. Und doch wirken die drei zentralen politischen Figuren allesamt nicht unsympathisch. Die Präsidentin verteidigt standhaft ihre Position, den Frieden so lange wie möglich aufrechtzuerhalten und die Drakonier nicht unnötig zu provozieren. Der Prinz-Botschafter fühlt sich ehrlich seinem feudalen Ehrenkodex verpflichtet. Und selbst General Williams, der lange Zeit wie der typische hulke'sche Militarist und War Hawk wirkt, kommt am Ende überraschend schnell zu einem Einsehen, nachdem ihm klar geworden ist, dass er aufgrund eines Missverständnisses tatsächlich für den Ausbruch des letzten Krieges zwischen Menschen und Drakoniern verantwortlich war. (16)</span></div><div style="text-align: justify;"><span>Malcolm Hulke hat in einem <a href="https://drwhointerviews.wordpress.com/2009/10/11/malcolm-hulke-1970s/" target="_blank">Interview</a> einmal ganz offen erklärt, dass <i>Frontier in Space </i>als eine Art Parabel auf die USA und die UdSSR im Kalten Krieg gedacht war: "</span><i>The two sides as far as I was concerned were the Soviet Union and
America, and somebody else trying to tickle them up and get them at war
with each other when they were quite capable of living in peace.</i>" Offenbar war er zu diesem Zeitpunkt innerlich schon weit von jedweder Idealisierung des sowjetischen Regimes abgerückt. Denn ganz gleich welche Seite des Konfliktes man mit der UdSSR identifizieren wollte, das Ergebnis wäre nicht unbedingt schmeichelhaft. Woran er hingegen weiterhin unerschütterlich festhielt, war seine unbedingte Antikriegshaltung. Und seine Überzeugung, dass Menschen zu komplex sind, um sie in ein simplistisches Gut-Böse-Schema zu pressen.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Die elfte Staffel (1973/74) bildete den Abschluss der Ära des Dritten Doctors und enthielt mit <i>Invasion of the Dinosaurs </i>zugleich den letzten Beitrag Malcolm Hulkes zu <i>Doctor Who</i>.</div><div style="text-align: justify;">Das Serial genießt einen etwas berüchtigten Ruf aufgrund der wirklich alles andere als überzeugenden Dinos, die darin die Straßen von London terrorisieren. Für mich stellten diese eigentlich doch recht putzigen Kameraden kein so großes Problem dar. Einzig der Kampf zwischen einem Tyrannosaurus Rex und einem Brontosaurus in der letzten Episode hinterließ selbst bei mir einen leicht peinlichen Nachgeschmack. Für die Handlung ist er nämlich ohne jede Bedeutung und wurde offensichtlich nur eingefügt, weil solche Kämpfe spätestens seit <i>The Lost World </i>(1925) zum Standardrepertoire eines jeden Dino-Flicks gehören. Doch wenn man nun einmal nicht über das dafür nötige Budget verfügt (was ja keine Schande ist), sollte man auf derartige Shenanigans lieber verzichten.</div><div style="text-align: justify;">Inhaltlich jedoch ist <i>Invasion of the Dinosaurs </i>ein würdiger Abschied für Malcolm Hulke.</div><div style="text-align: justify;">Als der Doctor und Sarah Jane Smith (Elisabeth Sladen) nach den Abenteuern von <i>The Time Warrior </i>in die Gegenwart zurückkehren, treffen sie ein beinah völlig menschenleeres London an. Nach einem unfreundlichen Zusammenstoß mit einer Gruppe von Plünderern werden sie von einer Militärpatrouille aufgegriffen. Die Stadt wurde offenbar evakuiert und unter Kriegsrecht gestellt. Und wie unsere Held*innen schon bald am eigenen Leib zu spüren bekommen, heißt das vor allem schrankenlose bürokratisch-militärische Willkür. Zu ihrem Glück ist UNIT Teil der "Besatzungstruppe" und nach einigem hin und her befreit Lethbridge-Stewart die beiden aus den Klauen seiner übereifrigen Kollegen. Das Kommando führt allerdings General Finch (John Bennett), so dass die Handlungsmöglichkeiten des Brigadiers eingeschränkt sind. Der einzige Vertreter der Zivilregierung, der noch in der Hauptstadt weilt, ist der für sein Umweltschutz-Engagement bekannte Sir Charles Grover (Noel Johnson). Der Grund für dieses ganze Szenario? Ich hatte die Dinos erwähnt, oder?</div><div style="text-align: justify;">Der Doctor kombiniert natürlich sofort, dass hier irgendwer mit Zeitreisen herumspielt. Doch da er in seiner Arroganz anfangs viele der durchaus klugen Ideen Sarah Janes ignoriert, dauert es eine Weile, bis er dahinter kommt, was hier wirklich gespielt wird. Grover und eine Gruppe gleichgesinnter Öko-Idealisten (zu denen auch Finch gehört) haben vor, die gesamte Erde in das vermeintlich "Goldene Zeitalter" vor dem Beginn der menschlichen Zivilisation zurückzuversetzen. Nur eine kleine Schar Auserwählter sollen von den Auswirkungen dieses Zeitsprungs, der de facto die Ausrottung der gesamten Erdbevölkerung bedeuten würde, verschont bleiben, um zu Begründern und Lehrmeistern einer neuen, besseren Menschheit zu werden.</div><div style="text-align: justify;">Als humanistische und intelligente Kritik an der in bedeutenden Teilen der Öko-Bewegung immer schon virulenten Misanthropie, die die gesamte menschliche Zivilisation und Kultur für einen verdammenswerten Irrweg hält, hat mir <i>Invasion of the Dinosaurs </i>ausnehmend gut gefallen. Nicht zuletzt, weil dabei schonungslos der elitäre Überlegenheitsdünkel jener Öko-Idealisten bloßgestellt wird, die die Mehrheit der Menschen für einen "dummen Pöbel" halten, der es im Grunde verdient hat, unterzugehen. Zugleich wird das schon damals erschreckende Ausmaß der ökologischen Krise keineswegs geleugnet. Nur erklärt Hulke völlig zurecht, dass die Lösung nicht in einer Rückkehr zu der erträumten Idylle einer vorindustriellen Zeit bestehen kann. Wie er dem Doctor in den Mund legt: "<i>Take the world that you’ve got and try and make something of it. It’s not too late.</i>" (17)<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Wenn es ein durchgehendes Motiv in Malcolm Hulkes <i>Doctor Who </i>- Serials gibt, so ist es die tiefempfundene Feindschaft gegen Militarismus und Krieg. Angesichts der aktuellen Lage in der Welt eine mehr als zeitgemäße Botschaft. Wie sein Versuch, im 2. Weltkrieg den Dienst an der Waffe zu verweigern, belegt, entsprach dies wohl schon von früh an seinen persönlichen Überzeugungen. Doch die Zeit in der Kommunistischen Partei dürfte diese Haltung noch verstärkt haben. Hulkes politisch formative Jahre waren die späten 40er und die 50er. Und in dieser Zeit fand die national-reformistische Linie der KP ihren vielleicht stärksten Ausdruck in der Unterstützung der klassenübergreifenden "Friedensbewegung" und der Proteste gegen die atomare Aufrüstung.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Hulkes Abschied als Drehbuchautor bedeutete nicht das Ende seiner Verbindung zu <i>Doctor Who</i>. Schon 1972 hatte er zusammen mit Terrance Dicks das Buch <i>The Making of Doctor Who </i>geschrieben. Zwischen 1974 und '76 würde er dann noch einmal sechs Novelizations zu Papier bringen. Fünf für seine eigenen Jon Pertwee - Serials, eine für Robert Slomans <i>Green Death</i>. Außerdem erschien 1974 sein Buch <i>Writing for Television</i>, mit dem er einmal mehr eine Hilfestellung für angehende Drehbuchautor*innen zu liefern versuchte. </div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Malcolm Hulke starb am 6. Juli 1979. Als überzeugter Atheist hatte er verfügt, dass seine Beisetzung frei von allem Zeremoniell sein sollte. Terrance Dicks erzählt, dass die am Sarg versammelten Freunde zuerst nicht recht gewusst hätten, wie sie sich verhalten sollten.</div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>Finally Eric Paice stood up, slapped the coffin and said "well cheerio, Mac" and wandered out. We all followed him.</blockquote></i></div><p style="text-align: justify;"><br /></p><p style="text-align: justify;"><br /></p><p style="text-align: justify;">(1) Herbert bezieht sich seinerseits auf einen Artikel ("Red Hulke") von John Williams, der in Nr. 489 (September 2015) des <i>Doctor Who Magazines </i>erschienen ist, mir aber leider nicht zugänglich war. Alle Zitate in diesem Blogpost, die nicht mit anderweitigen Links verknüpft sind, stammen aus <i>Doctor Who and the Communist</i>. <br /></p><p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">(2) Ich bin überzeugt davon, dass Orwell vor allem die Figur des Syme nach dem Vorbild der zynischen stalinistischen Intellektuellen gezeichnet hat, von denen es in Großbritanniens "linken" Kreisen nicht wenige gab: <span lang="de-DE">Zu schlau, um die
monströsen Lügen der Führung nicht zu durchschauen, doch stets
bereit, Stalin und die Parteilinie rückhaltlos zu verteidigen. Stolz
darauf, zur "revolutionären Avantgarde" zu gehören, doch
zugleich voller Verachtung für die "Massen".</span>
</p>
<p style="text-align: justify;">(3) Diese politische Wende wurde übrigens nicht nur in der imperialen Metropole, sondern auch in den Kolonien vollzogen. So erklärte die indische KP, der Überfall auf die Sowjetunion habe den bis dahin imperialistischen Krieg in einen "<i>Peoples' War</i>" verwandelt. Der Kampf gegen die kolonialen Unterdrücker müsse deshalb vorerst den Kriegsanstrengungen der Alliierten untergeordnet werden. In dem Pamphlet <i><a href="https://www.marxists.org/subject/india/cpi/42-joshi-war-liberation.pdf" target="_blank">The Indian Communist Party: Its policy and work in the war of liberation</a> </i>ging man so weit, offen zu erklären: "<i>Today Britain's war is our war.</i>"<br /></p><p style="text-align: justify;">(4) Das Programm enthält u.a. den erstaunlichen Absatz: "<i>The enemies of Communism accuse the Communist Party of aiming to
introduce Soviet Power in Britain and abolish Parliament. This is a
slanderous misrepresentation of our policy.</i>" In seinem Artikel <i><a href="https://www.marxists.org/archive/fryer/1969/blimps.htm" target="_blank">Blimps With Little Red Flags</a> </i>bemerkt Peter Fryer dazu: "<i>The party’s 1935 programme had been entitled For Soviet Britain!,
but this did not prevent Stalin’s personally insisting -- as I was
informed in 1956 by a then member of the CP’s Political Committee -- on
the insertion of this oblique repudiation into the draft of the 1951
programme.</i>"</p><p style="text-align: justify;">(5) Teilweise wortwörtlich. Die britische KP war berüchtigt dafür, Schlägertrupps gegen Vertrer*innen anderer sozialistischer Organisationen einzusetzen. <br /></p><p style="text-align: justify;">(6) Welche Rolle Tito persönlich während des Großen Terrors (1936-38) gespielt hatte, dem praktisch alle namhaften, nach Moskau geflohenen jugoslawischen Kommunisten zum Opfer fielen, scheint umstritten zu sein. Fakt ist, dass er aus dem Blutbad als unbestrittener Führer seiner Partei hervorging und politisch während dieser Zeit nie etwas anderes als ein linientreuer Anhänger Stalins gewesen war.</p><p style="text-align: justify;">(7) Yep, das ist der Vater von Fantasyautor Ben Aaronovitch. Später wurde er einer der führenden Ökonomen der britischen Stalinisten und spielte als solcher in den 80er Jahren eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung der Ideologie, die dann dem krassen Rechtsruck der Labour Party in den frühen 90ern (Tony Blairs "New Labour") als Legitimation dienen sollte. <br /></p><p style="text-align: justify;">(8) Allerdings verließen Fryer und Pearce die SLL später wieder, abgestoßen vom autoritären und erratischen Führungsstil Healys.</p><p style="text-align: justify;">(9) Das <i>Unity Theatre </i>schloss 1983 endgültig seine Pforten. Witzigerweise beschreibt ein in der <i>New York Times </i>erschienener Artikel die angeblichen Gründe dafür<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Unity_Theatre,_London" target="_blank"> wohl</a> wie folgt: "<i>It represented a spirit of old-fashioned opposition and could not find
its place in a more strident and increasingly prosperous age.</i>" Nun ja, ich schätze, für Mitglieder jener wohlhabenden Mittelklasse, deren Sprachrohr die NYT ist, waren die frühen Thatcher-Jahre tatsächlich ein "prosperous age" ... </p><p style="text-align: justify;">(10) Die ersten drei <i>Quatermass </i>- Miniserien habe ich vor Urzeiten mal hier besprochen: <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2013/06/quatermass-und-die-angste-der.html" target="_blank">The Quatermass Experiment</a></i> (1953), <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2013/07/quatermass-und-die-angste-der.html" target="_blank">Quatermass II</a> </i>(1955) und <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2013/08/quatermass-und-das-bose-im-menschen.html" target="_blank">Quatermass and the Pit</a> </i>(1958/59). <br /></p><p style="text-align: justify;">(11) Auf der stets lesenswerten Website <i>The Reprobate </i>findet man einen <a href="https://reprobatepress.com/2023/01/11/adventures-in-space-and-beneath-the-sea-britains-forgotten-sci-fi-dramas/" target="_blank">Artikel</a> von David Flint über die <i>Pathfinders </i>- Serie sowie die Unterwasser-SciFi-Miniserien <i>City / Secret Beneath the Sea</i>.</p><p style="text-align: justify;">(12) Einige der Original-Memos kann man sich <a href="https://web.archive.org/web/20190607175417/http://www.bbc.co.uk/archive/doctorwho/6403.shtml?page=1" target="_blank">hier </a>durchlesen.</p><p style="text-align: justify;">(13) Interessanterweise gab es für die zweite Staffel noch einmal ein ähnliches <a href="http://www.shannonsullivan.com/drwho/lost/lost2.html#Prison" target="_blank">unverfilmtes Script</a>, diesmal von Dick Sharples, das in der Planungsphase u.a. solch bizarre Titel wie <i>The Female of the Species</i>, <i>The Lady Killers</i>, <i>More Deadly Than The Male </i>und <i>The Strange Suffragettes </i>(!?!) trug.</p><p style="text-align: justify;">(14) Die hier allerdings noch nicht so genannt wird. Das ganze Konzept der regelmäßigen Regenerationen, mit denen der Wechsel der Schauspieler erklärt wird, entwickelte sich erst allmählich. <br /></p><p style="text-align: justify;">(15) Da ich den Blogpost nicht noch weiter anschwellen lassen will, verweise ich an dieser Stelle lieber auf einen meiner <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2021/08/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">alten Beiträge</a> über M. John Harrisons <i>Viriconium </i>- Zyklus, in dem ich die politischen Umbrüche dieser Zeit bereits einmal kurz skizziert habe.<br /></p><p style="text-align: justify;">(16) Ich kann das zwar nicht konkret belegen, aber wirkt das folgende Szenario nicht tatsächlich ein bisschen so, als könnte es die Inspiration für den Ausbruch des Kriegs zwischen der Erde und den Minbari in <i>Babylon 5 </i>gewesen sein? Drakonier und Erdstreitkräfte vereinbaren ein Treffen, bei dem beide Seiten unbewaffnet erscheinen sollen. Als stattdessen ein scheinbar feuerbereiter drakonischer Schlachtkreuzer am Treffpunkt erscheint, glaubt General Williams sich verraten und befiehlt den Angriff. Doch die Drakonier hatten in Wahrheit nur deshalb ein Kriegsschiff geschickt, weil kein anderes Gefährt der Würde eines Mitglieds der imperialen Familie angemessen gewesen wäre. Dabei waren die Torpedoschächte des Kreuzers ungeladen.</p><p style="text-align: justify;">(17) Interessanterweise taucht schon in <i>Pathfinders to Venus </i>eine Figur auf, die eine ähnlich zivilisationsfeindliche Misanthropie vertritt und deshalb zu verhindern versucht, dass unsere Held*innen zur Erde zurückkehren, damit es nicht zu weiteren menschlichen Erkundungsflügen kommt, die am Ende unweigerlich das primitive "Paradies" des Nachbarplaneten zerstören würden.<br /></p>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-68250125020990122942023-03-27T10:29:00.007-07:002023-06-05T14:58:42.824-07:00Let Me Tell You Of The Days Of High Adventure<p><i><b><span style="font-size: large;">Raven - Swordsmistress of Chaos </span></b></i><b><span style="font-size: large;">von Richard Kirk</span></b></p><div style="text-align: justify;">
<p style="margin-bottom: 0cm;">Ich bin in der Vergangenheit schon <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2021/04/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">mehrfach</a> darauf <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2022/06/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">zu sprechen</a> gekommen, dass ab Mitte der 70er Jahre
neben den geläufigen männlichen Protagonisten vermehrt Heldinnen in der Sword & Sorcery auftauchten.
Dabei habe ich diese Entwicklung, die ihren Höhepunkt in der ersten
Hälfte der 80er erreichte, insgesamt als progressiv und
emanzipatorisch eingeschätzt und mit den politischen und
kulturellen Veränderungen der Zeit, vor allem dem Second Wave -
Feminismus, in Verbindung gebracht.</p><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Dass es auch anders geht, beweist <i>Raven</i>! <br /></div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Schuld daran, dass ich mit ihr Bekanntschaft geschlossen habe, ist der famose<a href="https://twitter.com/PulpLibrarian" target="_blank"> Pulp Librarian</a>. Der hatte nämlich vor einiger Zeit auf Twitter das Cover eines der Bände gepostet. Welches genau weiß ich nicht mehr, ist aber auch nicht wirklich wichtig, denn wenigstens vier der fünf Illustrationen von Chris Achilleos zeigen die Heldin entweder barbusig oder gleich ganz nackt. Für sich genommen sagt das bei dieser Ära und diesem Subgenre zwar noch nichts über den Inhalt aus. Tanith Lees <i>Birthgrave </i>z.B. erging es ähnlich. Aber mein spontaner Eindruck war dennoch: Wow, das schaut nach echt üblem Sword & Sorcery - Schund aus! Und da ich nicht mehr ganz nüchtern war, begab ich mich allsogleich auf ZVAB und siehe da -- alle fünf Bücher waren in deutscher Übersetzung für ein paar Euros zu haben. Wie hätte ich da widerstehen können?</div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Dass sich "Richard Kirk" als ein Pseudonym entpuppte, hat mich nicht wirklich überrascht. Tatsächlich verbergen sich hinter dem Namen gleich zwei britische Schriftsteller. Und zumindest Angus Wells scheint Zeit seines Lebens ein klassischer Pulp-Hack gewesen zu sein, der eine Unzahl an Genre-Romanen fabriziert hat -- hauptsächlich Western und nicht selten in Kooperation mit anderen Autoren. Als "Ian Evans" war er außerdem für die Novelization des TV - Camp - Klassikers <i>Star Maidens </i>(<i>Die Mädchen aus dem Weltraum</i>) verantwortlich. Nicht erwartet hatte ich allerdings, dass der zweite im Bunde niemand anderes als Robert Holdstock war. Dessen <i>Mythago Wood </i>(1984) habe ich selbst zwar nie gelesen, aber allgemein gilt das Buch ja wohl<i> </i>schon als ein Klassiker der 80er Jahre - Fantasy, meilenweit entfernt von sexploitation-lastigem S&S - Trash. Doch in den 70ern trieb sich Holdstock offenbar häufiger in Pulp-Gefilden herum. Sei es als "Chris Carlsen" mit der Clonan-Reihe <i>Berserker </i>(1977-79) oder als "Robert Black" mit Novelizations von <i>Tyburn </i>- Flicks wie <i>The Legend of the Werewolf </i>(1976) oder den nie produzierten <i>Satanists </i>(1977). Und auch später war er sich nicht zu gut dafür, nebenbei als "Robert Faulcon" etwas Geld mit dem Schreiben der "okkulten" <i>Night Hunter </i>- Serie (1983-89) hinzu zu verdienen. Nicht als ob daran irgendetwas ehrenrührig wäre.</div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Aber genug des Vorgeplänkels. Werfen wir einen Blick in den ersten, 1978 erschienen Band <i>Raven - Swordsmistress of Chaos </i>(<i>Raven - Die Schwertmeisterin</i>). </div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Das Buch beginnt mit einem Prolog, in dem ein alter, namenloser Wanderer bei irgendeinem ärmlichen Völkchen an einer sturmgepeitschten Meeresküste Unterschlupf für die Nacht gefunden hat und seinen Gastgebern am abendlichen Feuer von der legendären Kriegerin Raven erzählt, an deren Seite er einst in den Kampf gezogen sei. </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Diese Rahmenstruktur findet sich in allen fünf Bänden. Und ich muss sagen: sie hat mir ziemlich gut gefallen. Was wir in der Folge zu lesen bekommen, ist also eine Lagefeuergeschichte, unsere Heldin eine Figur, die längst dabei ist, zu einer Gestalt des Volksmythos zu werden. Was ich cool finde.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Weniger cool wirkten auf mich hingegen die Sun Tsu - mäßigen Aphorismen (aus den "<i>Büchern von Kharwhan</i>"), die den einzelnen Kapiteln vorangestellt sind. Nicht nur klingen sie meist furchtbar pseudo-tiefgründig, sie haben auch nie viel mit dem Inhalt des jeweiligen Kapitels zu tun.<br /></div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Wie bei Geschichten dieses Typs nicht unüblich, setzt die eigentliche Handlung <i>in medias res</i> ein: Junges Mädchen entflieht nächtens den Mauern von Lyand und der Sklaverei. Dicht gefolgt von einem Rudel blutgieriger Hunde. Schon scheint alles verloren, als ein großer schwarzer Vogel aus der Finsternis herabgestoßen kommt und ihre Verfolger zerfetzt. Zu Tode erschöpft sinkt die Flüchtende zu Boden und in einen tiefen Schlaf. </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Ja, der Vogel wird später ihr Namenspatron und ist Symbol für ihre geheimnisvolle "Bestimmung". Warum er sie nicht auch davor bewahrt, am nächsten Morgen gleich wieder einer Karawane von Sklavenhändlern in die Hände zu fallen? Wer weiß? Jedenfalls ist dem Anführer besagter Karawane damit die Möglichkeit gegeben, gleich mal auf das "<i>goldene Haar</i>" und die "<i>schwellenden Brüste</i>" unserer Heldin zu sprechen zu kommen, denn selbstverständlich will der fiese Eunuch sie als Haremssklavin an irgendeinen dekadenten Despoten verschachern. Doch soweit kommt's nicht, denn alsbald schon galoppiert ein wilder Räubertrupp aus der Wüste heran und macht kurzen Prozess mit den Sklavenhändlern. Anführer der Schar ist ein Mann namens Argor, doch der schwarzgewandete Spellbinder (yep, der Typ *ist* ein Zauberer) hat hier offenbar auch eine Menge zu sagen und stellt unsere Heldin unter seinen persönlichen Schutz.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Im Lager der Briganten angekommen, erwarten sie eine luxuriöse Badewanne und jede Menge neuer Klamotten. Und uns die erste Demonstration der hemmungslosen Sexualisierung der Protagonistin. Was ironischerweise auch noch durch ihre eigenen Augen geschieht:</div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i><blockquote>Sie wählte ein Kleid aus schwarzer Seide, das sich eng an die Formen ihres Körpers schmiegte und die Fülle ihrer Brüste und die weiche, klare Linie ihrer Hüften betonte. Es war ärmellos und sie schob eine silberne Spirale auf ihren Oberarm, die zu einem schweren Armband an ihrem linken Handgelenk paßte. Ein schmaler Gürtel aus Platingliedern wand sich um ihre Hüften und sie schlüpfte in kleine schwarz-silberne Sandalen. Ihr Haar ließ sie offen herunterhängen, so daß es in goldenen Wogen über ihre Schultern fiel. Als sie fertig war, prüfte sie ihre Erscheinung in einem großen Spiegel aus poliertem Silber und wunderte sich über das Ergebnis. Ihr Spiegelbild zeigte ihre eine Frau in der ersten Blüte der Weiblichkeit, wenig mehr als ein Mädchen, aber wohl geformt und sinnlich; eine Frau, die das Auge eines Mannes erfreuen konnte.</blockquote></i> Zugleich ist diese Passage ein ganz gutes Beispiel für die mitunter etwas ermüdende Art, in der der Text Details von Kleidung, Assecoires und später Bewaffnung aufzählt. Erst recht, wenn man bedenkt, dass unsere Heldin dieses Kostüm nur für eine einzige Szene tragen wird.</div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Es wird vermutlich niemanden überraschen, dass die Hintergrundsgeschichte von Raven, die sie wenig später Spellbinder erzählt, einem der gängigsten Klischees der Zeit entspricht: Sie ist ein Opfer sexueller Gewalt. Und als wäre das noch nicht genug, wurde ihre Mutter auch noch im Zuge einer Massenvergewaltigung durch eine ganze Horde von Soldaten getötet. </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Das prominenteste Beispiel für dieses Klischee in der Sword & Sorcery der 70er Jahre war ohne Zweifel Roy Thomas' Version von Red Sonja. Aber zugleich gab es auch schon sehr deutliche Kritik an ihm. Jessica Amanda Salmonson wird nicht allein gewesen sein, wenn sie in ihrer Anthologie <i>Amazons!</i>, die ebenfalls 1978 auf den Markt kam, schreibt: "<i>Ich persönlich finde den Gedanken, daß man Frauen erst einmal vergewaltigen muß, damit sie die Wandlung vom 'Opfer' zum 'Kämpfer' vollziehen können, nicht gerade einnehmend</i>". Und als Marion Zimmer Bradley 1984 begann, ihre Antho-Reihe <i>Sword and Sorceress </i>zu veröffentlichen, war die explizite Darstellung von Vergewaltiung eine der drei No-Go-Regeln, die die Herausgeberin aufstellte.* </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Vielleicht sollten wir dankbar dafür sein, dass wir eine solche auch hier nicht antreffen. Doch das ist ein geringer Trost.</div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Für die Dauer dieses ersten Romans bleibt das Verlangen nach Rache an ihrem Vergewaltiger Karl ir Donwayne, dem Schhwertmeister von Lyand, jedenfalls Ravens "offizielle" Hauptmotivation. Aber der eigentliche Handlungsverlauf wird sehr viel weniger von ihr als vielmehr von Spellbinder bestimmt. Der erkennt in ihr die Auserwählte, "<i>Raven Zeitenwender</i>", deren Kommen in "<i>den Büchern</i>" prophezeit wurde. Wie ihre Bestimmung genau aussieht, verrät er allerdings nicht. Überhaupt ist er sehr knauserig, wenn es darum geht, Informationen zu teilen. Ein ums andere Mal vertröstet er unsere Heldin auf "später", wenn der "richtige Zeitpunkt" dafür gekommen sei. Der dann nie kommt. Auch beweist er ein besonderes Geschick darin, Gespräche von Themen wegzulenken, über die er nicht zu reden gewillt ist. Spellbinder wirkt deshalb nicht nur ziemlich manipulativ, er raubt Raven damit auch ein Gutteil ihrer Agency, denn letztenendes folgt sie meistens seinen kryptischen Anweisungen. Was natürlich dem oberflächlich postulierten Prinzip der "selbstbestimmten Heldin" etwas entgegenläuft. Der Fairness halber sei aber hinzugefügt, dass Raven selbst sich mehrfach fragt, ob sie von Spellbinder manipuliert wird. Und schließlich ist sie in dieser ersten Erzählung noch sehr jung und unerfahren. Ich halte es für durchaus möglich, dass sich die Beziehung der beiden im Laufe der Serie verändert und Raven dabei eigenständiger wird. </div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Zuerst einmal muss Raven aber ohnehin eine strenge Ausbildung zur Kriegerin unter der Anleitung des Brigantenführers Argor durchlaufen. Was mir durchaus gefallen hat. Es reicht nicht, Raven ein Schwert in die Hand zu drücken , um sie zur Sword & Sorcery - Heldin zu machen. Vorher müssen jede Menge Schweiß und sicher auch etwas Blut vergossen werden. Die Auflistung all der Waffen, in deren Gebrauch sie dabei unterrichtet wird, hat zwar etwas leicht fetischistisches an sich. Aber der realistische Touch, den die Geschichte damit bekommt, ist nett. Insgesamt dauert es ein Jahr, bis Raven zu einem vollwertigen Mitglied der Bande geworden ist, derweil Spellbinder sich wer weiß wo rumtreibt.</div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Kaum ist dieser zurückgekehrt, wird es Zeit für die erste Sexszene. Von den dreien, mit denen uns das Buch beglückt, ist diese sicher die "unproblematischste". (Wenn man nicht zu lange darüber nachdenkt, wie alt Raven zu diesem Zeitpunkt eigentlich sein soll). Dass sich unsere Heldin kurz zuvor noch gefragt hat, ob Spellbinder sie möglicherweise mit irgendeinem Zauber belegt hat, ist zwar schon etwas creepy. Aber in der Folge deutet nichts darauf hin, dass dem tatsächlich so gewesen wäre. Und wenigstens verhält er sich nie so, als habe er einen Besitzanspruch auf sie. Vielmehr betont er mehrfach ausdrücklich: "<i>Raven gehört keinem Mann. Sie geht ihren eigenen Weg zu einem großen Ziel; niemand kann ihr etwas erlauben oder verbieten.</i>" Damit erscheint Ravens Selbstbestimmtheit zwar als Teil ihres "Auserwähltenstatus" und mithin als eine Ausnahme. Bei anderen Frauen würde Spellbinder vermutlich nicht so denken. Aber immerhin ...</div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Als Argors Bande wenig später in einem kühnen Handstreich in eine Hafenstadt einfällt und ein dort vor Anker liegendes Handelsschiff kapert, kommen wir in den Genuss der ersten richtigen Kampfszene. In denen geht es grundsätzlich hübsch gory zu. Da spritzen viel Blut und Gehirn durch die Gegend. Was dem allgemeinen Pulp-Charakter des Buches nur angemessen ist. Ganz so wie das rasche Fortschreiten des Plots, in dem es kaum je irgendwelche Ruhepausen oder reflexiven Momente gibt.**</div><div style="margin-bottom: 0cm;"> <br /></div><div style="margin-bottom: 0cm;">Dementsprechend haben sich wenige Seiten später Raven und Spellbinder auch schon (fürs erste) von den Briganten getrennt und die eigentliche "Queste" hat begonnen. Erstes Anlaufsziel ist die Metropole von Lyand. Die Stadt also, in der Raven als Sklavin aufgewachsen ist. Die Aussicht, dabei möglicherweise Donwayne vor die Klinge zu bekommen, ist denn auch Ravens erster Antrieb für die Reise. Doch der Schwertmeister hat inzwischen die Fronten gewechselt und ist in die Dienste des konkurrierenden Stadtstaats Karshaam getreten. Und so nimmt das Unternehmen schon bald eine andere Wendung. </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Die beiden reisen weiter zum "Tempel des Steins". Bei dem handelt es sich offenbar um einen als Götzen verehrten Meteoriten. Aber wie so vieles andere in diesem ersten Buch, bleibt auch die wahre Natur des "Steins" schleierhaft. Auf jedenfall erhält Raven durch ihn (?) eine ziemlich wirre Vision, in der sie (meist sehr gewalttätige) Szenen aus Vergangenheit und Zukunft sieht, inklusive "<i>Fahrzeuge aus Metall und Vögel aus Stahl</i>". SciFi-Elemente waren in der Sword & Sorcery der 70er Jahre keine Seltenheit, aber ob es im weiteren Verlauf der "Saga" noch mehr davon geben wird, bleibt vorerst ungewiss. Wichtiger, wenn auch nicht wirklich viel informativer, ist, was Raven von einer körperlosen Stimme über ihre "Bestimmung" erzählt bekommt. Sie sei ein "<i>Katalysator der Geschichte</i>", ein "<i>Angelpunkt der Welt</i>". Ihr Handeln werde die Entwicklung der noch jungen Zivilsation entscheidend mitbestimmen. Sie sei dazu berufen, die herrschende Ordnung zu zerstören, damit aus dem Chaos eine neue und bessere geboren werden könne. All das wird mit einigen volltönenden "philosophischen" Phrasen über die "gegenseitige Abhängigkeit aller Dinge" gewürzt. Wer oder was hier zu Raven spricht, bleibt mysteriös. Sie selbst fragt sich mehrmals, ob das Ganze nicht ein Trick Spellbinders sein könnte. Doch das scheint eher unwahrscheinlich.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Für den weiteren Handlungsverlauf ist bei diesem ganzen Szenario aber ohnehin nur von Bedeutung, dass Raven den "Auftrag" erhält, den "Schädel des Quez" zu finden und nach Karshaam zu bringen. Und ja, der Rest des Buches ist im Grunde die Jagd nach einem magischen MacGuffin.</div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Leider entpuppt sich deren erste Etappe schon bald als der unangenehmste Teil der Erzählung. </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Auf Spellbinders Betreiben hin organisieren sich die beiden ein Fischerboot und setzen Segel in Richtung der übel beleumundeten "Geisterinsel" Kharwhan. Ravens Mentor besitzt offenbar irgendwelche Verbindungen zu den dort lebenden Zauberern, die allgemein mit Furcht und Misstrauen betrachtet werden. Deren genaue Natur offenzulegen, weigert er sich allerdings standhaft. Ist er ein Agent der Zauberer in der "Außenwelt"? Oder vielleicht ein verbanntes Mitglied der Bruderschaft? Wir erfahren es nicht. Jedenfalls hält er es für notwendig, Kharwan aufzusuchen. Doch bevor die beiden die Ufer der Insel erreichen, geraten sie in ein gewaltiges (und anscheinend magisches) Unwetter. Ihr Boot kentert und sie können von Glück sagen, dass sie schließlich von einem "Wikingerschiff" unter dem Kommandso des berüchtigten "Seewolfs" Gondar Todbringer aufgefischt werden.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Für uns Lesende ist das freilich keine so glückliche Wendung. Welchen Charakter die Konfrontation zwischen Raven und Gondar annehmen wird, zeigt sich bereits darin, dass die Autoren es für an der Zeit hielten, die Sexualisierung ihrer Heldin mal wieder ordentlich hochzuschrauben. Bietet das Schiffbrüchigenszenario dafür doch auch eine gar zu verführerische Vorlage. Was sich dann so liest:</div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i><blockquote>Sie wurde sich plötzlich ihrer dürftigen Kleidung bewußt, denn der Blick des Seewolfs war für sie wie ein Spiegel. Sie richtete sich auf. Das feuchte Haar umrahmte ihr Gesicht und fiel bis auf ihre Hüften. Wind und Wasser ließen ihre Brustwarzen unter dem dünnen Stoff ihres Hemdes erstarren und sie zeichneten sich unter dem durchsichtigen Zeug ab, als ihre Brüste sich hoben, wie um seinen Blick herauszufordern. Das Hemd reichte nur bis zu ihren Oberschenkeln und darunter war sie nackt. Die makellose Linie ihrer auf Deck gespreizten Beine war durch nichts verhüllt.</blockquote></i> Sehr geschmackvoll.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Selbstverständlich betrachtet der Seewolf Raven als legitime "Beute". Dass sie äußerst aggressiv darauf reagiert, als Spellbinder daraufhin mal wieder die Rolle ihres Beschützers spielen will, könnte man sympathisch finden: "<i>Bin ich ein Stück Vieh, das dem Sieger vorgeworfen wird? Ich sage euch beiden, ich suche mir meinen Mann selbst aus und wer sich daran nicht halten will, wird wenig Freude an mir haben.</i>" Aber das wird dadurch konterkarriert, dass sie Gondar offenbar selbst sexuell anziehend findet. Verglichen mit dem eher hageren Spellbinder ist der "<i>goldmähnige Riese</i>" mit seinen "<i>Muskelwülsten aus Stahl</i>" halt auch ein gar zu prachtvolles Exemplar von "Hyper-Makulinität". Und so endet die Konfrontation der beiden fürs erste mit einer Art "Red Sonja - Herausforderung": Wenn er sie "haben" will, muss er sie im Zweikampf besiegen. Was dem Hünen imponiert.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Nach der Rückkehr in den Heimathafen der Seewölfe kommt es allerdings erst einmal zu einem kleinen Magierduell zwischen Spellbinder und Gondars "Hofzauberer" Belthis, an dessen Ende sich letzterer geschlagen aus dem Staub macht. Wir werden den fiesen Kerl noch wiedersehen. Erst dann können Raven und Gondar die Klingen kreuzen. Ihr Kräftemessen endet mit einem Patt. Doch kaum ist der Kampf vorbei, Ravens Stolz befriedigt und die unmittelbare Drohung von Gewalt beseitigt, lädt sie den Hünen auch schon in ihr Bett ein. Es folgt Sexszene Nummer 2.</div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Was die ganze Gondar-Episode so extrem unangenehm für mich gemacht hat, ist der Umstand, dass es sich bei ihr um die geradezu perfekte Illustration einer typisch "patriarchalen" Doppelmoral in Bezug auf sexuelle Gewalt handelt. Oberflächlich betrachtet lässt der Roman natürlich keinen Zweifel daran, dass Vergewaltigung ein verabscheungswürdiges Verbrechen ist. Und das Buch endet erwartungsgemäß mit Ravens Rache an Karl ir Donwayne. Aber was genau macht Gondar eigentlich besser als den Schwertmeister von Lyand? Sicher, er vergewaltigt Raven nicht. Aber das ist nicht sein Verdienst. War der Seewolf nicht drauf und dran, genau das zu tun, sobald er sie im "durchscheinenden Hemd" an Bord seines Schiffes erblickt hatte? Einzig Ravens kämpferisches Auftreten hat das verhindert. Und wir dürfen wohl davon ausgehen, dass viele andere Frauen vor ihr nicht so viel Glück hatten. Selbst der "ehrenhafte Zweikampf" geht doch letztlich um die Frage, ob er das "Recht" hat, ihr Gewalt anzutun! Aber diese (vorsichtig ausgedrückt) "sexuelle Aggressivität" soll in Gondars Fall wohl nicht negativ, sondern als Ausdruck seiner extremen "Männlichkeit" gelesen werden. Die Autoren entblöden sich nicht einmal, uns nach dem Kampf folgende Dialogzeilen vorzusetzen:</div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div><blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>"Nun", sie lächelte gleichfalls,"ein freiwillig gegebenes Geschenk ist doch sicher wertvoller als ein mit Gewalt erzwungenes?"</i></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>"Wahr", stimmte er zu, "aber es gibt Zeiten, da fällt es einem Mann schwer, auf den Geber zu warten."</i><br /></div></blockquote><div>Und Raven versetzt ihm daraufhin nicht etwa einen saftigen Kinnhaken, sondern steigt mit ihm ins Bett! Natürlich findet man unter den "klassischen" Sword & Sorcery - Helden der Conan-Schule so manche, die in ihrer Neigung zur sexuellen Gewalt nicht viel besser dastehen als der Seewolf. Aber in einer aus weiblicher Sicht erzählten Geschichte stößt so was irgendwie noch übler auf.</div><div> </div><div>Wenigstens verliebt sich Raven nicht Hals über Kopf in den blonden Hünen. Sie hat bloß Sex mit ihm. Ein geringer Trost, aber es ist schon erfreulich, dass sie sich auch weiterhin ihre Unabhängigkeit bewahrt. Gondar möchte sie zwar sofort zu seiner "Seekönigin" machen, doch davon will sie nichts wissen und weist dieses Ansinnen rasch und bestimmt zurück. Sie ist weder an einer dauerhaften Beziehung interessiert, noch hat sie vor, länger als nötig unter den Seewölfen zu verweilen. Immerhin befindet sie sich nach wie vor auf einer Queste. Gondar ist darüber zwar nicht glücklich, lässt sich aber dazu überreden, Raven und Spellbinder mit seiner wilden Horde bei der Suche nach dem "Schädel des Quez" zu unterstützen. Warum die Zaubererinsel Kharwan als Aufbewahrungsort des Artefaktes nicht länger in Frage kommt, muss ich irgendwie überlesen haben. Stattdessen taucht plötzlich wieder Ravens mysteriöser Namenspatron, der riesige Schwarze Vogel, auf, dem man über das Binnenmeer an die Küste des wilden Landes Ishkar folgt. <br /></div><div> <br /></div><div style="margin-bottom: 0cm;">Die nächsten fünfunddreißig Seiten lesen sich wie eine eigene kleine Sword & Sorcery - Erzählung, die zwar nicht unbedingt mit Originalität glänzt und einen etwas enttäuschenden Höhepunkt besitzt, für mich aber doch den gelungensten Teil des Buches darstellt. Sicher nicht zufällig verschwindet dabei die sonst so aufdringliche Sexualisierung Ravens völlig. Selbst ihre Beziehung zu Gondar und Spellbinder nimmt plötzlich rein kameradschaftliche Formen an. <br /></div><div style="margin-bottom: 0cm;">"Lost World" / "Lost Civilization" - Szenarien à la H. Rider Haggard (<i>King Solomon's Mines</i>; <i>She</i>) spielten von früh an eine wichtige Rolle in der Sword & Sorcery. So stolpert Conan auf seinen Abenteuern regelmäßig über irgendwelche "uralten Ruinen" oder ganze "versunkene Städte" wie Xuthal (<i>The Slithering Shadow</i>) und Xuchotl (<i>Red Nails</i>). Dass dieser Topos oftmals mit kolonialistischen und rassistischen Altlasten verbunden ist, steht außér Frage. Es ist schließlich kein Zufall, dass es sich bei <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2021/12/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">Charles R. Saunders' </a>erster veröffentlichter <i>Imaro </i>- Geschichte <span><i>M'ji Ya Wazimu</i> (<i>The City of Madness</i>) um eine Art ironischen Kommentar auf ihn handelt. Man kann sich deshalb sicher gut vorstellen, wie angenehm überrascht ich davon war, ausgerechnet in <i>Raven </i>eine Variation auf das Thema vorzufinden, die völlig frei von diesen unerfreulichen Elementen ist.</span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span>An der Küste des menschenleeren Landes angekommen, werden erst einmal ein paar Erkundungstrupps in die nähere Umgebung geschickt. Gerüchteweise hört man von "Tiermenschen" und "Kannibalen", die hier irgendwo hausen sollen, aber vorerst bleibt alles ruhig. Schließlich brechen Raven, Spellbinder und Gondar mit einer größeren Gruppe ins Landesinnere auf, dabei immer noch dem Schwarzen Vogel folgend. </span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span>Holdstock & Wells gelingt es im Weiteren recht geschickt, eine sich langsam steigernde Atmosphäre der Bedrohlichkeit aufzubauen. Zuerst marschiert man tagelang durch eine weite Savannenlandschaft. Nach einiger Zeit erkranken einige der Seewölfe an einem geheimnisvollen Fieber und müssen zurückgelassen werden. Schließlich erreicht die Gruppe den oberen Rand einer gewaltigen Senke, in deren Tiefen ein dichter Urwald wuchert. Der steile, aus dem Fels gehauene Pfad ist das erste Anzeichen dafür, dass die Region nicht so menschenleer ist, wie es erscheint. Am Fuß der Klippe schlägt man ein Lager für die Nacht auf. Am nächsten Morgen werden die Leichen der Wachtposten mit herausgerissener Kehle gefunden. Von den nächtlichen Angreifern keine Spur. Der Urwald entpuppt sich als dämmrige Hölle voller vermodernder Vegetation, beunruhigender Geräusche und Unmassen von Creepy Crawlies: "<i>Große aufgequollene Spinnen flohen vor ihnen und schillernde Kreaturen mit unnatürlich vielen Beinen und scharfen Greifzangen liefen wild durcheinander.</i>" Der Ekelfaktor wird in diesem Zusammenhang mitunter vielleiht etwas dick aufgetragen. Nach zwei Tagen Fußmarsch (und einigen weiteren Red Shirt - Leichen) kommt es endlich zum offenen Angriff der Tiermenschen. Ein Schildwall wird gebildet; erneut spritzt viel Blut durch die Gegend und Gliedmaßen werden abgehackt; Raven und Spellbinder retten sich gegenseitig das Leben; dann plötzlich ertönt ein unheimlicher Schrei aus den Tiefen des Urwalds:</span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span><i><blockquote>Das Geheul war mit keinem anderen Geräusch zu vergleichen, das sie jemals gehört hatten. Tiefer als das Kreischen einer Katze, schriller als ein Wolfsruf, enthielt es Merkmale von beidem. Seewölfe, die mit freudigem Kriegsgeschrei die Körper ihrer Feinde zerhackt hatten, legten Zeigefinger und Daumen zum Zeichen der Allmutter zusammen. Raven spürte, wie ihr Mund trocken wurde, während ein Schauer sie durchlief. In dem Geräusch lag etwas, das noch unnatürlicher war, als die gräßliche Erscheinung ihrer Angreifer, als erhebe ein Dämon in den tiefsten Tiefen seiner unbeschreiblichen Hölle seine Stimme.</blockquote></i>Dem unheimlichen Ruf folgeleistend ziehen sich die Tiermenschen in den Dschungel zurück. </span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span>An dieser Stelle hat die kleine Ishkar-Erzählung für mich ihren Höhepunkt in einer Mischung aus wüster Action und der Andeutung andersweltlichen Horrors erreicht. Die Tiermenschen sind übrigens keine "Affenmenschen", wie man bei diesem Szenario vielleicht hätte erwarten können, sondern groteske Hybridwesen, die einen an Michael Moorcocks<i> Elric</i> - oder <i>Corum</i> - Bücher denken lassen. Vielleicht eines der Motive, die <i>Raven </i>als <b>britische</b> Sword & Sorcery auszeichnen. <br /></span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span>Leider wirkt das bald folgende "große Finale" nach dem wunderbar stimmungsvollen Geheul wie ein nicht eingelöstes Versprechen. Denn als unsere Gefährten einen halb zerfallenen Tempelbau im Urwald entdecken, wartet dort kein cthulhuides Grauen auf sie, sondern bloß der "König der Tiermenschen". Mit dem Torso eines "griechischen Gottes" und dem Kopf eines riesigen Wolfes ist der zwar auch eine recht beeindruckende Erscheinung, aber im Grunde halt bloß eine etwas größere Ausgabe all der übrigen Mischkreaturen. Da hatte ich mehr erwartet. Und dass der Zweikampf um den "Schädel des Quez", der aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen bei den Tiermenschen gelandet ist, von Spellbinder und nicht von Raven ausgefochten wird, war eine wirklich herbe Enttäuschung. Die einzige Entschuldigung dafür wäre, dass unsere Heldin ja noch ganz am Anfang ihrer Karriere steht. Ich kann bloß hoffen, dass sie in späteren Büchern dann völlig aus dem Schatten ihres Mentors treten wird.</span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span>Eine neckische Überraschung erwartet uns freilich noch. Der "Schädel des Quez" entpuppt sich nämlich als eine formidable Waffe, aus dessen Augen Spellbinder magische "Laserstrahlen" verschießen kann. Vor meinem inneren Auge sah ich das sofort als Szene aus einem schlockigen Roger Corman - S&S - Flick der 80er Jahre. Grandios!</span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span> </span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span>Nachdem die Queste zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht und Gondar mit seinen Seewölfen in die Heimat Kragg zurückgeschickt wurde, machen Raven und Spellbinder sich zur Hauptstadt des Reiches Karshaam auf. Dorthin sollen sie dem Orakelspruch zufolge, den Schädel bringen. Und dort wartet ja auch Karl ir Donwayne auf seine gerechte Strafe. Zu dumm bloß, dass ihnen der aus Kragg geflohene Zauberer Belthis zuvorgekommen ist. Der hat sich hier erneut den Status eines "Hofmagiers" gesichert und sorgt dafür, dass Spellbinder umgehend in den Kerker geworfen wird, um dort auf seine Hinrichtung zu warten. Den Schädel will Balthis als ultimative Waffe in den geplanten Eroberungsfeldzügen des Altan (Herrschers) einsetzen. Raven bleibt vorerst auf freiem Fuß, da der Hexer sie für keine Bedrohung hält.</span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span> </span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span>Nach bald vierzig Seiten ohne Sexploitation dachten sich Holdstock & Wells offenbar, dass es nun aber wirklich an der Zeit sei, dem gegenzusteuern. Und was fehlt uns noch? -- Richtig! Eine lesbische Sexszene. Also verguckt sich Krya, Schwester und Gattin des Altan, augenblicklich in Raven.</span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span>Amüsanterweise bemühen sich die beiden Autoren nicht einmal mehr groß zu kaschieren, dass Sexszene Nr. 3 ausschließlich zur Aufreizung der (männlichen) Leserschaft existiert. Für den weiteren Handlungsverlauf ist sie nämlich praktisch ohne Bedeutung. Obwohl dem eigentlich nicht so sein sollte. Raven geht nämlich nur deshalb auf Kryas Avancen ein, </span><span>weil sie hofft, auf diese Weise eine Verbündete für die Befreiung Spellbinders zu gewinnen. Aber trotzdem es ihr gelingt, die Herrscherin dahingehend zu manipulieren, kommt es weder zur versprochenen Begnadigung, noch spielt Krya irgendeine Rolle in der eigentlichen Rettungsaktion am Ende des Buches. Und das wird im Text nicht weiter kommentiert oder als "Verrat" dargestellt. Vielmehr verschwindet die Herrscherin einfach weitgehend aus der Handlung, nachdem sie ihre Rolle als Sexpartnerin ausgespielt hat. Was vermutlich das Beste ist, was ihr passieren konnte.</span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span>Man könnte fast meinen, die ganze Krya-Episode sei nachträglich (und nur unzureichend) in die Handlung eingefügt worden. Was mich nicht wundern würde, existiert sie doch offensichtlich nur aus <b>einem </b>Grund. Aber für das, was sie ist, wirkt sie relativ verträglich. Jedenfalls hätte es viel schlimmer kommen können. So habe ich vor einiger Zeit begonnen, nebenbei immer mal ein paar Seiten von John Jakes' alter S&S - Parodie <i>Mention My Name in Atlantis </i>(<i>Tolle Tage in Atlantis</i>) zu lesen, und da kommt die Homophobie mitunter wirklich knüppeldick! Verglichen damit ist die Darstellung der lesbischen Herrscherin echt harmlos. Zwar bedienen Wells & Holdstock mit ihr das alte Klischee der Identifikation von Homosexualität und Dekadenz. Aber selbst darin sind sie eher zurückhaltend. Krya ist keine Orgien feiernde "Messalina" und ihr sexuelles Verlangen wird nicht als "widernatürlich" oder verwerflich dargestellt. Vor allem aber wird sie in der Folge von den Autoren weder "bestraft" noch gedemütigt -- sei es für ihren "Verrat" oder ihre Sexualität. Und nach anfänglichem Zögern hat Raven durchaus Spaß am Sex mit der Herrscherin.</span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span><br /></span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span>Bevor sie zu Spellbinders Rettung schreiten kann, muss unsere Heldin natürlich erst einmal mit Karl ir Donwayne abrechnen. Wie es ihr gelingt, ein öffentliches Duell mit dem Schwertmeister organisiert zu bekommen, mag etwas ungelenk wirken. Aber was macht das schon, wenn wir dafür einen angemessen dramatischen Endkampf präsentiert bekommen? Der besonders blutrünstig ausfällt, da Raven dank der magischen Manipulationen des hinterhältigen Belthis, gewzungen ist, den Widerling quasi in Stücke zu hacken, bevor der endlich sein unwürdiges Leben aushaucht. Was sich dann u.a. so liest:</span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span><i></i></span></div><blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><span><i>Der zweite (Wurf)Stern traf sein Kinn, schnitt durch den Unterkiefer und grub sich in den Gaumen.</i></span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span><i>Er blickte auf Raven, verständnisloses Erstaunen in den Augen, als die abgetrennte Zunge zwischen den geöffneten Lippen herausfiel. </i> </span></div></blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><span>Die finale Befreiungsaktion wartet dann noch mal mit magischen Explosionen und Massenaufruhr in den Straßen auf, bevor Raven und Spellbinder glücklich aus Karshaam entflohen sind und neuen Abenteuern entgegenreiten können.</span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span> </span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span>Es fällt mir gar nicht so leicht, ein abschließendes Urteil über <i>Raven - Swordsmistress of Chaos </i>zu fällen. Einerseits ist das schon die Art von Sword & Sorcery - Schund die ich erwartet hatte. Und es käme mir sicher nie in den Sinn, eine ernsthafte Empfehlung für den Roman auszusprechen. Aber so sehr mich das auch selbst überrascht: Ich glaube, ich werde bei Zeiten auch mal einen Blick in die weiteren Bände der Serie werfen. Jetzt, wo ich sie schon mal hab'. Sicher, das Sexploitation-Element is</span><span>t aufdringlich, nervig und mitunter
(wie in der Gondar-Episode) auch richtig unangenehm, aber nicht nur die
Ishkar-Erzählung zeigt, dass Wells & Holdstock durchaus in der Lage
sind, ein nett pulpiges Sword & Sorcery - Garn zu spinnen. Dass die Plotführung dabei oft ziemlich hanebüchen erscheint, hat mich nicht groß gestört. Auch
würzen sie ihre Geschichte mit genug Rätseln und Andeutungen, um Appetit
auf eine Fortsetzung zu machen. Welche Verbindung besteht zwischen
Spellbinder und den Zauberern von Kharwhan? Welches Ziel verfolgt der
Schwarzgewandete wirklich? Wie wird sich die Beziehung zwischen Raven und ihm im weiteren Verlauf der Saga fortentwickeln? Was hat es mit den mysteriösen Magiern selbst auf sich? Wer
oder was steckt hinter dem "Orakel-Stein"? Worin konkret besteht Ravens
Bestimmung als "Zeitenwenderin"? usw. usf. Der mit Abstand beste Köder aber ist
der Epilog: Denn aus dem, was der alte Mann am Meer (den wir jetzt
ziemlich klar als Spellbinder identifizieren können) zum Abschluss
seiner Erzählung sagt, geht klar hervor, dass Ravens Saga kein
glücklich-triumphales Ende beschieden ist. Dass sie ihre Bestimmung zwar
erfüllen, damit aber kein Goldenes Zeitalter einleiten wird. Im Gegenteil. Die Welt der Rahmenerzählung wirkt eher postapoalyptisch. Und ich bin schon neugierig, zu erfahren, wie es dazu gekommen ist. </span><span> </span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><span> </span></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><br /></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><br /></div><div style="margin-bottom: 0cm;">* Ironischerweise enthält der Band mit Glen Cooks <i>Severed Heads </i>(<i>Abgetrennte Köpfe</i>) und Jennifer Robersons <i>Blood of Sorcery </i>(<i>Blut der Zauberei</i>) dann trotzdem zwei Rape-Revenge-Stories, von denen ich zumindest die erstere aber für durchaus lesenswert halte.</div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">** Die Figur des "Titus of Ghorm", der in dieser Passage auftaucht, könnte eine Anspielung auf Mervyn Peakes <i>Gormenghast </i>und dessen Protagonisten Titus Groan sein. Was sich im Kontext einer solchen Story doch recht kurios ausnimmt. <br /></div>
</div>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-86460225753141845762023-03-02T07:37:00.000-08:002023-03-02T07:37:39.042-08:00Klassiker-Reread: "Die Legenden der Drachenlanze" von Tracy Hickman & Margaret Weis (7/7)<div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;"><b>Hier nun also der abschließende Teil des Gesprächs, das Christina F. Srebalus, Alessandra Reß und ich anlässlich unseres Rereads der "Legenden" geführt haben. Alessandras Beispiel folgend stelle ich dem der Übersicht halber eine Liste aller sechs vorherigen Beiträge voran.</b></span></div><div style="text-align: justify;"><ol><li><span style="font-family: georgia;"><b><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2023/02/klassiker-reread-die-legenden-der.html" target="_blank">Die Geburt von Dragonlance</a></b></span></li><li><span style="font-family: georgia;"><b><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2023/02/klassiker-reread-die-legenden-der_20.html" target="_blank">Mormonisches in Krynn</a></b></span></li><li><span style="font-family: georgia;"><b><a href="https://fragmentansichten.com/2023/02/22/kanonenfutter-mit-identitatskrise-die-drakonier/" target="_blank">Kanonenfutter mit Identitätskrise: Die Drakonier</a></b></span></li><li><span style="font-family: georgia;"><b><a href="https://fragmentansichten.com/2023/02/24/klassiker-reread-drachenlanze-4-7/" target="_blank">Gespräch - Teil 1</a></b></span></li><li><span style="font-family: georgia;"><b><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2023/02/klassiker-reread-die-legenden-der_26.html" target="_blank">Gespräch - Teil 2</a></b></span></li><li><span style="font-family: georgia;"><b><a href="https://fragmentansichten.com/2023/02/28/klassiker-reread-drachenlanze-6-7/" target="_blank">Gespräch - Teil 3</a></b></span></li></ol></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;"><p><b>Jetzt aber los ...</b><br /></p></span></div><div style="text-align: left;"> </div><div style="text-align: left;"><b><span style="font-size: large;">(4) Zeitreise, Völkerproblematiken und Fazit</span></b> <br /></div><div style="text-align: left;"> </div><div style="text-align: left;"><div style="margin-bottom: 0cm; text-align: left;">
</div>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Christina]</b> Mich würde interessieren,
wie ihr die Zeitreise umgesetzt fandet. Ich muss sagen, dass es für
mich in gewisser Weise eine ikonische Zeitreise ist, weil es, soweit
ich mich erinnere, die erste komplexere Zeitreise außerhalb der
Science-Fiction ist, der ich begegnet bin und es (glaube ich, gern
verbessern, falls nicht) in High Fantasy sonst eher selten vorkommt.
Der Klappentext vom deutschen Band 4 "Die Königin der
Finsternis" spoilert da leider unverschämt die Erkenntnis der
Zeitschleife. Aber ich mochte, wie mit linearer Zeit,
Gleichzeitigkeit und Schleifen hantiert wurde, obwohl Paradoxa kaum
behandelt oder nur sehr oberflächlich betrachtet wurden. Die
Diskrepanz zwischen Raistlin und Fistandantilus (dessen Rolle er in
der Zeitschleife übernimmt) und zwischenzeitliche Überlegungen, ob
er dann schon Fistandantilus war, als der Raistlin – also sich
selbst – getroffen hat etc. haben mir die Lektüre schöner
gemacht. Ebenso war Astinus, der Chronist, dadurch spannender. (An
einer Stelle streicht der den Namen „Denubis“ durch und ersetzt
ihn durch Crysania, Das untermauert, dass vielleicht ein Buch gleich
am Anfang zu lesen, um die Lösung zu haben, nicht geklappt hätte).
</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Peter]</b> Also spontan würden mir auch
keine anderen Beispiele von Zeitreisen in der High Fantasy einfallen.
Bin in dem Subgenre aber auch nicht so belesen. Interessant fand ich das Ganze auf
jeden Fall, auch wenn ich mich gerade bei der Stelle, an der die
Zeitebenen sich überschneiden und Raistlin aus der "Vergangenheit"
mit Dalamar in der "Gegenwart" Kontakt aufnimmt, gefragt
habe: Macht das noch Sinn? Oder verfängt sich die Story da in
Widersprüchen? Aber so was gehört wohl irgendwie zu
Zeitreisegeschichten. ;-)</p>
<div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Zuerst einmal eröffnet die Zeitreise
halt die Möglichkeit, coole Settings zu besuchen. Mir hat vor allem
Istar, der Schauplatz von „Die Stadt der Göttin“, recht gut
gefallen. Diese Despotie des "Guten" mit ihrer Heuchelei,
ihren Intrigen und ihrem unterschwelligen Elfenrassismus, die am Ende
sogar einen Genozid an den "bösen" Völkern/Rassen plant.
Fand ich spannend.</div><div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Im weiteren Verlauf hatte ich dann
allerdings häufiger wieder das etwas frustrierende Gefühl
verpasster Möglichkeiten. So fand ich es zwar faszinierend, dass es
einen Punkt gibt, an dem Raistlin und Fistandantilus quasi
verschmelzen und es eigentlich offen bleibt, wer von den beiden ihren
Kampf überlebt hat. Aber das wird dann nie wieder so richtig
aufgegriffen. Ähnlich ging es mir bei dem
Zeitschleife-Ding. Denn im Grunde hat ja die ganze Handlung des
zweiten Bandes (Buch 3 & 4) etwas extrem tragisches. Caramon,
Raistlin und Crysania scharen ein riesiges Heer von Verzweifelten und
Entwurzelten um sich, geben diesen eine neue Hoffnung und ein neues
Ziel inmitten einer quasi postapokalyptischen Welt. Aber eigentlich
führen sie sie dabei in den Untergang. Dessen ist sich anfangs zwar
nur Raistlin bewusst (und dem ist es halt mehr oder weniger egal),
aber trotzdem hat mir da irgendwie das entsprechende Pathos gefehlt.
Und Caramon mag ja nicht der schnellste Denker sein, aber dass er
anscheinend so gar nicht realisiert, was er da gerade als General von
"Fistandantilus' Armee" macht, fand ich irgendwie ...
unbefriedigend.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm; text-align: left;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Alessandra]</b> Wenn man Science Fantasy
wie "Pern" mal außer Acht lässt, fallen mir auch wenig
Beispiele für Zeitreisen in der klassischen Fantasy ein. Außer bei
Brandon Sanderson; beim erneuten Lesen sind mir ohnehin einige
Parallelen zwischen Drachenlanze und "Die Sturmlicht Chroniken"
aufgefallen, was ich gerade in Hinblick auf den gemeinsamen
mormonischen Hintergrund der Autor/-innen interessant fand. Aber das
nur am Rande.</div>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Beim ersten Lesen habe ich die
Zeitreise glaube ich gar nicht groß hinterfragt und manches wurde
mir damals nicht so klar – zum Beispiel weiß ich noch, dass mich
die Verschmelzung zwischen Raistlin und Fistandantilus sehr irritiert
hat. Jetzt beim Reread hat das zugleich besser und schlechter
funktioniert. Einerseits fand ich gerade dieses tragische Moment, das
Peter erwähnt hat, sehr berührend, wie auch Raistlins generelles
Hadern mit seiner Rolle und seiner "gespaltenen Identität".
Andererseits empfand ich vieles als nicht wirklich stimmig oder zu
konstruiert. Z. B. ist das Individuum ja eigentlich irrelevant im
Zeitstrom – anders kann man nicht erklären, dass Crysania im
veränderten Zeitstrahl einfach Denubis' Rolle einnimmt oder Caramon
die von Pheragas, Fistandantilus‘ General. Aber kaum taucht ein
Kender auf, ist alles anders? Nur weil Kender ein "Fehler"
des Gottes Reorx waren? Come on ... Das sind diese Art
Fantasy-Logiken, auf die es mir heute schwer fällt, mich
einzulassen, auch wenn sie ja irgendwo das Fremde, den sense of
wonder der Anderwelten unterstreichen. Aber es hat eben auch ein
Flair von "Deus ex machina", erst recht wenn es um diesen
Zeitreisekristall geht, der zufälligerweise vor allem im letzten
Band immer gerade dann zur Hand ist, wenn Tanis und Caramon ihn
gerade brauchen können. Aber ich muss auch sagen, generell kein
großer Fan von Zeitreise-Plots zu sein. Im Vergleich schlägt
Drachenlanze da noch gut ab, ich konnte diesen Aspekt der Handlung
ganz gut ignorieren ;-) (Nebenbei: Etwas enttäuschend ist es ja
schon, dass Krynn bis auf die Mode und 1, 2 Gnomenerfindungen
innerhalb von ein paar Jahrhunderten völlig austauschbar ist, was
die grundsätzliche gesellschaftliche Entwicklung angeht.)</p>
<div style="margin-bottom: 0cm; text-align: left;"><b> </b></div><div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Christina] </b>Ich konnte der Lösung,
dass die Zeit nur durch Kender und Gnome veränderbar ist, durchaus
etwas abgewinnen, da sich bei Zeitreisen immer die Frage stellt, ob
Zeit jetzt linear oder eine Sammlung unendlich vieler parallel
verlaufender Alternativen ist und ob bzw. wie sich Zeitreisende
darauf bewegen. </div><div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Hier wird die Zeit als grundsätzlich
linear angenommen, sodass kleine Veränderungen durch das
Menschen-Trio nur wie ein Stein sind, der in einen Fluss geworfen
wird, und dadurch nicht den Strom der Zeit verändert. Tolpans
Eingreifen brachte da zum einen etwas Suspense und zum anderen die
Möglichkeit, auch etwas größere Ereignisse zu ändern, ohne aber
gleich zu stark dem Butterfly-Effekt von alternativen Entwicklungen
der Zeitachse zu unterliegen und nie wieder zurück kommen zu können
– zumindest oberflächlich macht es meiner Meinung nach die
Zeitreise plausibler (oder komplex genug, dass man sie nicht mehr so
einfach hinterfragen kann).</div><div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Peter] </b>Da wir's gerade von Kendern und
Gnomen haben ... Dass ganze Völker (oder "Rassen")
auf Stereotypen reduziert werden, ist in "klassischer" High
Fantasy wohl ziemlich verbreitet. Und kennt man ja z.B. auch aus der
SciFi. (<i>Star Trek</i>, du bist gemeint.) Aber was mir bei dieser Lektüre
der "Legends" wirklich unangenehm aufgestoßen ist, war die
Erkenntnis, dass sie in "Drachenlanze" dabei zugleich zu
fleischgewordenen "running gags" werden. Bei Tas/Tolpan
und dem Gnomen (Gnimsh?) fand ich das in erster Linie nervig.
(Und spätestens nach einer Seite nicht mehr lustig). Aber die Gully
Dwarves /Gossenzwerge sind wirklich übel. Schon aus den 80er Jahren
hatte ich die als plumpe Comic-Relief-Figuren in Erinnerung. Aber wie
viel übler wirken die heute auf mich. Im Grunde sind sie nichts
anderes als wirklich unangenehm ableistische Karikaturen. Und Hickman
& Weis fanden sie offenbar so lustig, dass sie sie bei jeder sich
bietenden Gelegenheit in die Handlung einbauen mussten. Vom Gasthaus
in Solace bis zur Fliegenden Zitadelle über Palanthas ... </div>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Alessandra] </b>Ich fürchte, das ist
nicht nur in der High Fantasy verbreitet – ich finde es manchmal
gruselig, wie solche Stereotype selbst in der Urban Fantasy des 21.
Jahrhunderts noch reproduziert werden ... (Wobei ich aus Autorensicht
der Fairness halber zugeben muss, dass man in diese Stereotype
schneller reintappt, als es einem lieb ist. Reflexion ist da eine
praktische Sache, aber gar nicht so leicht, wenn man grad von der
eigenen Welt und den Gepflogenheiten des Genres gefangen ist.)
Dennoch, ich stimme dir auf jeden Fall zu, dass Drachenlanze ein
krasses Beispiel ist, gerade wenn es um diese "Comic Reliefs"
geht. Möchte an dieser Stelle anmerken – ich fand Tolpan schon
nervig, bevor es cool wurde :p Das sind so Punkte, bei denen ich es
total spannend fände, die Rezeption von, sagen wir 1990 mit der von
jetzt zu vergleichen. Offenbar genossen solche Figuren und Völker
früher ja Rückhalt bei der Leserschaft, gerade Tolpan hatte noch
2005, als ich mich viel im Drachenlanze-Forum herumgetrieben habe,
eine große Fangemeinde. Es wirkt immer so platt, zu sagen "da
hat sich auf jeden Fall was getan", aber ja ... hier hat sich
was getan, glücklicherweise.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Christina]</b> Die Darstellung aller
Völker ist aus heutiger Sicht unfassbar eindimensional und oftmals
sehr negativ und voller Ismen, auch wenn Menschen immerhin noch ein
paar Unterschiede aufweisen. Ich bin in der Hinsicht gespannt auf die
neuen Bücher, weil diese den Sprung schaffen müssten, dem gereiften
Bewusstsein der Leserschaft gerecht zu werden (auch wenn fraglich
bleibt, wie man so viel Lore gut abwandelt). In den alten Büchern
sind die Völker, vor allem die Gossenzwerge, so hochproblematisch
dargestellt mit einer Freude an aktiver Erniedrigung und
Herabwürdigung, dass ich die Stellen nicht gelesen hätte, hätte
ich das nicht für diese Besprechung lesen "müssen". (Z.B.
das in Solace, als die Gossenzwergin das verschüttete Bier auflecken
soll! An meinem Lesegefühl an der Stelle, hab ich erkannt, dass die
Debatten und der öffentliche Diskurs der letzten Jahre/Jahrzehnte
mindestens für mich etwas geändert haben und somit sicherlich auch
allgemein eine Sensibilisierung dahingehend stattgefunden hat und
weiterhin stattfindet, denn solche Darstellung sollte nicht mehr
geschrieben und reproduziert werden und gehört auch von alten Fans
reflektiert.) Da holt auch die Gossenzwergin Bupu nicht mehr viel
raus, bei der als "irgendwie wichtig" versucht wird, das Volk
besser darzustellen.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Was Tolpan betrifft, weiß ich noch,
dass ich die Figur als Jugendliche mochte und es z.B. im LARP damals
auch eine große Welle Kender-Spielende gab (die auch da
stereotypisch gehasst wurden). Ich finde ihn als naiv-optimistische
Figur immer noch ganz gut, um dem Depri-Ethos der anderen Figuren
manchmal was entgegenzusetzen, aber das Abstürzen in Slapstick (bei
der Zitadelle hätte ich auch wieder gern weitergeblättert) und die
Reduktion auf Diebstahl/Kleptomanie waren mir beim Reread auch sehr
zu wider.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Peter] </b>Ja, bei der Bierstelle ist mir
auch übel geworden. Was mir aber zugleich gezeigt hat, dass sich an
der Rezeption (zumindest meiner eigenen) tatsächlich etwas geändert
hat. Denn in den 80ern fand ich die Gully Dwarves zwar doof und
unlustig, aber ich muss zugeben, dass mir das extrem Kränkende und
Herabwürdigende ihrer Darstellung bei meiner ersten Lektüre nicht
aufgestoßen ist. Der Stereotyp des "witzigen Idioten" war
damals halt leider noch ein völlig "normaler" und
geläufiger Bestandteil der Populärkultur. Was es natürlich
nicht besser macht oder entschuldigt.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm;"><b>[Alessandra]</b> Wie genau ich die
Gossenzwerge beim ersten Lesen empfunden habe, kann ich gar nicht
mehr genau sagen. Aber nun ... ich fand auch Dobby 2004 noch lustig
...</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Christina hat eben ja erwähnt, dass
die neuen Bücher hier einiges anders machen müssen. Die Ankündigung
für <a href="https://www.polygon.com/22841205/dragonlance-books-dragons-of-deceit-release-date-price-weis-hickman" target="_blank">die neue, quasi eingeklagte Trilogie</a> – die inzwischen als
"Dragons of Deceit" auf Englisch veröffentlicht wurde –
war damals unser ausschlaggebender Grund, Drachenlanze für den
2023er-Reread auszuwählen. Ich war von der Ankündigung damals nicht
soo begeistert. Drachenlanze hatte seine Zeit und ich habe in den
jüngeren Büchern wie der Mina-Trilogie durchaus schon Entwicklung
gesehen. Trotzdem war ich skeptisch, ob es neuen Büchern gelingen
würde, einerseits den "Drachenlanze-Geist"
wiederzubeleben, andererseits nicht die alten Probleme zu
reproduzieren. Dass dann Hickman auf Twitter auch noch ein
<a href="https://twitter.com/CHofferCBus/status/1357357539495673857" target="_blank">Anti-Diversity/Modernity-Meme</a> gepostet hatte – angeblich aus
Unwissenheit – hat meine Skepsis verstärkt. Vielleicht wäre es
einfach besser gewesen, die Reihe in der Nostalgiekiste zu lassen?
Nun habe ich die neue Trilogie noch nicht gelesen. Die bisherigen
Besprechungen scheinen geteilter Meinung zu sein. Wenn ihr wirklich
der Sprung ins Jahr 2022 gelungen ist, Hut ab. Trotzdem bleibt das
zwiespältige Gefühl auch nach dem Reread erhalten. Die Bücher sind
super zu lesen und ich bin wieder auf den Geschmack gekommen, plane
auch noch ein paar Bände der "Neuen Generation" zu lesen
(irgendwie reizt es mich jetzt noch mal, Raistlins Rückkehr zu
lesen). Und doch sind sie einfach inhaltlich nicht mehr zeitgemäß.
Gemessen daran, dass ich total viel Spaß mit diesem Reread hatte und
gerade wieder munter Krynn fangirle (Pinterest weiß es ...), ist es
seltsam, zu diesem Fazit zu kommen, dennoch: Stand Jetzt würde ich
sagen, es ist Zeit für Neues. :)</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Christina] </b>Ich schließe mich dem an.
Aus nostalgischen Gründen, die aber vor allem mit den Umständen
während meiner Rezeption als Jugendliche, die die „Chroniken“
zusammen mit ihrem Vater gelesen hat, zusammenhängen, war ich über
das Reread sehr glücklich. Auch, um bestimmt verklärte Erinnerungen
gerade zu rücken und mit einem geschulteren Blick zu betrachten (und
in so netter Runde zu besprechen), hat es sich sehr gelohnt. Gewisse
Figuren bzw. Figurenkonstellationen wie die Geschwisterbeziehung von
Raistlin und Caramon werden immer eine Bedeutung für mich haben.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Aber würde ich es heute zum ersten Mal
lesen, fände ich sie evtl. noch solide, könnte der Geschichte aber
wohl nicht mehr so viel abgewinnen, und die problematischen
Darstellungen würden zum Lektüreabbruch führen.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Ich wünsche mir generell etwas mehr
Mut zu Neuem. Zwar bin ich grundsätzlich neugierig, wie und ob ein
Transfer der Stoffe für die jetzige Zeit und für heutige Lesende
gelingen, aber gleichzeitig befürchte ich, dass nur ein
Nostalgie-Gefühl bedient und damit eine zu alt gewordene Kuh nochmal
gemolken werden soll.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Peter]</b> Bei mir hat der
Nostalgie-Faktor ja keine so große Rolle gespielt. Ich bin mehr mit
einem "historischen Interesse" an diesen Reread
rangegangen. Schließlich waren die Drachenlanze-Bücher extrem
erfolg- und einflussreich. Ohne sie hätten wir vielleicht nie die
spätere Flut an RPG-Tie-in-Novels bekommen. Und ich mag ja
eigentlich alte Sachen und lese sie gern. Aber nach dieser Lektüre
fühle ich mich schon gedrängt, zu erklären: Es gibt sehr viel
bessere alte Sachen! </p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Ja, die Bücher lesen sich recht
flüssig weg. (Auch wenn man hie und da finde ich spürt, dass Weis &
Hickman an ihre schriftstellerischen Grenzen stoßen). Und vor
allem die Raistlin-Caramon-Beziehung ist immer noch reizvoll und
interessant. Aber alles in allem kam mir das Ganze dann halt doch arg
altbacken vor. Und hat mich in meinem Verdacht bestärkt, dass der
High-Fantasy-Boom der 80er Jahre in vielem vielleicht ein Rückschritt
gewesen ist. Weshalb ich auch nicht plane, einen Blick in die
neuen Bücher zu werfen. Dafür ist das Interesse an dem Franchise
bei mir einfach zu gering. </p>
<p style="margin-bottom: 0cm;">Spaß hat mir unser Gespräch natürlich
trotzdem gemacht und ich bereue den Reread nicht.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Alessandra]</b>: Dem schließe ich mich an,
es hat viel Spaß gemacht. Danke für das Gespräch, mit dem wir wohl
einige Blogposts füllen können. </p>
<p style="margin-bottom: 0cm;"><b>[Christina]</b> Ja! Vielen Dank für die
Einladung hier zu. Fand es sehr anregend und total nett ... mag gar nich aufhören. </p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Peter] </b>Wir haben zu danken. Es war
eine besondere Freude, dich dabei zu haben! </p>
<p style="margin-bottom: 0cm;">
</p>
</div>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com3tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-26603272221590198852023-02-26T01:06:00.001-08:002023-03-01T11:49:09.694-08:00Klassiker-Reread: "Die Legenden der Drachenlanze" von Tracy Hickman & Margaret Weis (5/7)<div style="text-align: justify;"><b><span style="font-family: georgia;"> </span></b></div><div style="text-align: justify;"><b><span style="font-family: georgia;">Nachdem vorgestern auf <i>FragmentAnsichten</i> der <a href="https://fragmentansichten.com/2023/02/24/klassiker-reread-drachenlanze-4-7/" target="_blank">erste Teil </a>des Gesprächs erschienen ist, das Christina, Alessandra und ich anlässlich unseres Rereads der "Legenden der Drachenlanze" geführt haben, nun also die (erste) Fortsetzung. <br /></span></b></div><div style="text-align: left;"><span style="font-size: large;"><b> </b></span></div><div style="text-align: left;"><span style="font-size: large;"><b>(2) Das Gute, das Böse und konservative Fantasy</b></span>
</div><p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Alessandra]</b> Auf der "Metaebene",
wenn man so will, ging es für mich in dem Buch auch viel um das
Hinterfragen von Gut und Böse – was ein bisschen paradox ist, wenn
man bedenkt, dass Krynn in dieser Hinsicht eine sehr flache,
statische Trennung vornimmt. Immerhin haben wir hier einen expliziten
„Gott des Guten“ (=Paladin) und eine „Göttin des Bösen“
(=Takhisis). Insofern ist es kein Wunder, dass dieses Hinterfragen
oft etwas halbherzig anmutet. Trotzdem hat es einige sehr starke
Stellen hervorgebracht. Ich denke, dass man Par-Salian keine
Sympathien entgegenbringt, war von Weis/Hickman durchaus gewollt -
spätestens in der Szene, in der er halb in eine Statue verwandelt
wird, geht Caramon ja hart mit ihm ins Gericht. Die wohl intensivste
Szene war für mich aber die, in der Raistlin nach der Schlacht von
Pax Tharkas die toten Gossenzwerge findet, die die Festung verteidigt
haben (in "Die Königin der Finsternis", dt. Band 4). Er
stellt fest, dass davon nichts in den Geschichtsbüchern stand und
fragt sich, ob das ein Zeichen ist, dass die Zeit bereits verändert
wurde und er nicht mehr in einer Schleife gefangen ist. Direkt danach
wird ihm aber klar, dass es bloß niemanden interessiert hat, was aus
den Gossenzwergen wurde und es daher nicht in den Schriften stand.
Diese Stelle sorgt erstens dafür, dass Raistlins Motivation –
ähnlich wie bei deinem Beispiel mit dem Pestdorf, Peter – klarer
wird. Zweitens wird er dadurch symapthischer, was nach allem, was er
Crysania, seinem Bruder, Dalamar und so ziemlich jedem anderen auf
seinem Weg während der Bücher antut, auch bitter nötig ist, allem
Verständnis für seinen Seelen-Unfrieden zum Trotz. Und drittens
zeigt es, dass selbst die "Neutralen", repräsentiert durch
den Schreiber Astinus, sich offenbar nicht um die Schwachen kümmern.
Es ist schade, dass solche Stellen im Unverhältnis stehen zu den
sonst stereotypen Einteilungen.</p><p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Christina]</b> Ich finde, dass das gar
nicht mal nur "Metaebene" ist, sondern sehr früh als
zentrales Motiv herausgestellt wird. In "Die Brüder" (dt.
Band 1, Kapitel 11) diskutieren Raistlin und Crysania exakt darüber:
Was ist das Böse? Raistlin erklärt, dass sein geschwächter Körper
der Preis für seine Macht war, welche Crysania aber als böse
anprangert. Dann fragt er, ob Ehrgeiz automatisch böse sei und ein
paar Seiten später zeigt er ihr das Armenviertel von Palanthas,
dessen Elend von den sich "gut" nennenden Leuten ignoriert
wird. Crysania will sich auch abwenden, doch Raistlin zwingt sie
hinzusehen:</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">"<i>Wir sind nicht so verschieden.
[...] Ich lebe in einem Turm und widme mich meinen Studien. Du lebst
in deinem Turm und widmest dich deinem Glauben. Und die Welt dreht
sich</i>" (Raistlin) "<i>Das ist das wahre Böse", sagte
Crysania zu den Flammen. "Dazusitzen und nichts zu tun.</i>"</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Das war für mich der Aufhänger (auch
nochmal zum Punkt der Motivation) der gesamten „Legenden“-Reihe.
Und dieses Nichtstun ist ja genau das, was Astinus, Par-Salian und
irgendwie auch die Götter (s. das Pestdorfkapitel) machen.</p><p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Peter] </b>Stimme all dem voll und ganz
zu. Die Pax-Tharkas-Szene war sogar eine der ganz wenigen, die ich
auch nach Jahrzehnten noch in Erinnerung hatte. (Zu schade bloß,
dass die vorhergehende, in der wir zu sehen bekommen, wie die
Gossenzwerge tatsächlich gestorben sind, so völlig missglückt ist.
Da sollen sie lächerlich und tragisch zugleich wirken, was für mich
so gar nicht funktioniert hat.) Und Par-Salian fand ich eigentlich
eine ganz interessante (und ziemlich unsympathische) Figur. Wenn er
z. B. eingesteht, dass die Zauberer-Konklave Raistlin in gewisser
Weise als "lebendige Waffe" für den Krieg gegen Takhisis
"geformt" hat. Oder er fest damit rechnet, dass
Crysania sterben wird, wenn er sie in die Vergangenheit schickt.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Mein Problem bei dem Ganzen ist
allerdings, dass mir diese Thematik nicht wirklich konsequent
durchgeführt zu sein scheint. Es gibt all diese Szenen, in denen die
Figuren (und das ganze Gut-gegen-Böse-Dings) sehr viel ambivalenter
erscheinen. Aber am Ende gibt es dann doch wieder eine sehr
klare Einteilung. Darum bin ich mir auch etwas unsicher, wie wir die
Raistlin-Crysania-Szene aus dem ersten Buch eigentlich lesen sollen.
Wenn die beiden bei ihrer gemeinsamen "Queste" tatsächlich
auch von dem Wunsch angetrieben werden, die Ungerechtigkeiten der
Welt zu beseitigen, wie haben wir es dann zu bewerten, dass diese
Queste am Ende als eindeutig "böse" verdammt wird?</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Christina] </b>Wird sie das denn? Ich
finde, nur Raistlins Weg wird als Hybris entlarvt/geframet und
gleichzeitig bekommt er ein bisschen Vergebung (Redemption-Arc?),
wenn er am Ende Caramon und Crysania die Flucht ermöglicht. Wie
gesagt, das "Tal des Leidens" für eine danach bessere Welt
zu durchschreiten, "verdammt" die Quest in meinen Augen
nicht per se. Ist aber die Frage, ob die Welt dann wirklich besser
ist. Aber ja, sie war grundsätzlich fragwürdig und hätte die Welt
in ihren Tod gestürzt, also will ich dir auch nicht völlig
widersprechen.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Alessandra] </b>Ich bin da bei Christina –
ich habe es nicht so verstanden, als würde der Weg von Raistlin und
Crysania grundsätzlich als böse verdammt. Er war quasi ein Bug, von
der Welt nicht vorgesehen – was mich, nebenbei bemerkt, auch hat
fragen lassen, was überhaupt das Wesen der Götter ausmacht. Wäre
Raistlin erfolgreich gewesen, hätte das ja bedeutet, dass Götter im
Prinzip nur mächtige Magiekundige sind. </p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">In Bezug auf die ethische Bewertung vor
allem von Raistlin fand ich es interessant, wie in den letzten beiden
Bänden (auf Englisch dann im letzten Band) dessen Halbschwester
Kitiara als Gegenspielerin inszeniert wurde. Obwohl sie keine
Apokalypse herbeiführt, wird sie uns hier als "die Böse"
präsentiert. Sie handelt ähnlich berechnend wie Raistlin und verrät
wie er ihre Freunde, wenn es mehr Macht für sie bedeutet.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Trotzdem wird Raistlin gewissermaßen
Vergebung zuteil, ihr nicht, sondern sie wird im Gegenteil zu einem
Leben als Untote an der Seite eines verfluchten Ritters verdammt. Ich
mag Kitiara als Figur nicht besonders und war immer froh, wenn ihre
Kapitel vorbei waren. Aber wie sie als das kaltherzige Böse
dargestellt wurde, dem nur in der Liebe zu Tanis ein wenig Sympathien
zugestanden wurde, war schon nicht ganz fair. (Am Ende war ich auch
geneigt, es als latent sexistisch zu lesen, dass alle weiblichen
Figuren im Buch, die über Macht verfügen, an dieser mehr oder
weniger zugrunde gehen.)
</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Peter] </b>Uff ja, Kitiara ... Die
halt ich ganz grundsätzlich für eine ziemlich problematische Figur.
Das fängt schon damit an, dass sie und Laurana in den "Chronicles"
zumindest anfangs hauptsächlich dazu existieren, die
innere Zerrissenheit von Tanis zu verkörpern. Die Elfin und die
Menschenfrau. Die Gute und die Böse. Darum sind sie auch in fast
allem als Gegensatzpaar konstruiert. Das fängt schon bei
Äußerlichkeiten an: Langes blondes Wallehaar bei Laurana, kurze
braune Locken bei Kit. Was das Ganze für mich aber besonders
unangenehm macht, ist, dass sich dieser Gegensatz vor allem in der
Sexualität zeigt. Laurana ist die reine und unschuldige Jungfrau.
Kitiara ist promiskuitiv, hat Spaß am Sex mit vielen wechselnden
Partnern. Und das wird eindeutig als "verwerflich"
dargestellt. Darum finde ich das Schicksal, das ihr Weis &
Hickman letztlich bereiten, auch so gruselig. Sie wird dazu verdammt,
in alle Ewigkeit die "Geliebte" eines lebenden Leichnams zu
sein! In gewisser Weise wird sie mit dem bestraft, worin sie
"gesündigt" hat. Jedenfalls werde ich das Gefühl nicht
los, dass diese Figur viel von einer extrem konservativen Reaktion
auf die Veränderungen der Zeit enthält. "Sexuelle Revolution"
und so. Und auch auf deren Widerspiegelung in Teilen der
Fantasyliteratur der 70er.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Alessandra]</b> An dem Punkt grätsche ich
kurz rein. Generell hatte ich beim Lesen oft den Eindruck, dass wir
hier die Art von Fantasy haben, die quasi dafür verantwortlich ist,
dass wir uns heute so aktiv gegen Klischees und -ismen stellen
müssen, die sich im Genre (vor allem in Subgenres wie eben der High
Fantasy) lange verfestigt hatten. Bücher wie <a href="https://fragmentansichten.com/2022/03/31/klassiker-reread-esther-rochons-der-traumer-in-der-zitadelle-1-3/" target="_blank">"Der Träumer in
der Zitadelle"</a> oder <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2019/12/klassiker-wiederentdecken-ein-gesprach.html" target="_blank">"Wenn Voiha erwacht"</a>, die wir in
vorherigen Rereads besprochen hatten, waren da deutlich progressiver
sowohl im Weltenbau als auch der Figurenzeichnung, obwohl sie älter
sind als Drachenlanze. Und so sehr ich die "Legenden" auch
mag und ihnen zugutehalte, dass sie sich manchmal durchaus um
Ambivalenzen bemüht haben – das konservative Bild wird hier ja
immer wieder sichtbar. Auch wenn es um die Figur von Crysania geht.
Sobald sie auch nur mal das entfernteste Anzeichen von sexueller
Anziehung verspürt, wird sie direkt von Raistlin zurechtgewiesen.
Und meistens folgt dann auch noch ein selbstreflexiver Monolog von
ihr, in dem sie feststellt, dass Raistlin Recht hatte und sie vom Weg
abgekommen ist, sich hat ablenken lassen oder was auch immer. </p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Christina]</b> Noch mal zu Kitiara: Auch
wenn das vielleicht Haarspalterei ist, Peter, aber ist es dann
wirklich eine problematische Figur oder sind nicht eher die anderen
Figuren im Umgang mit ihr (und letztlich der Plot) problematisch? Ich
weiß natürlich, wie du das meinst und stimme euch beiden in den
Beobachtungen zu, aber ich dachte zuerst, es käme gleich ganz viel
Kritik an Handlungen der Figur Kitiara.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Interessanterweise hab ich wenige
Erinnerungen an sie aus den „Chroniken“, außer dass ich sie als
Jugendliche wirklich mochte und sie teilweise sowas wie eine
Vorbildfunktion als selbstbestimmte Frau (mit viel Wut) für mich
hatte. Auch jetzt in den „Legenden“ war sie zwar eindeutig als
die Böse konzipiert, aber – wie ihr oben herausgearbeitet habt –
ihrer Zeit voraus.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Der Sexismus und allgemein -ismen sind
mir auch extrem stark aufgefallen. Crysania und Kitiara hatten hier
sehr deutliche Heilige-und-Hure-Vibes und die anderen Frauen waren zu
weinenden Hausfrauen degradiert worden. (Übrigens gab es nur bei den
Frauen zerrissene Kleidung, und höchstens bei Caramon mal einen
knappen Lendenschurz *räusper*). </p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Aber auch die Darstellung von
kognitiven Leistungen, Körpergewicht, Krankheiten etc. war extrem
unsensibel, teilweise war das für mich wirklich nur noch schwer zu
ertragen und nur mit Hinblick auf die Zeit aus der es stammt lesbar.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Peter] </b>Mein Eindruck ist, dass Kitiara
auf viele Leserinnen genau so gewirkt hat. Als Beispiel einer
selbstbestimmten Frau, als Identifikationsfigur, Vorbild oder
Inspiration. Jedenfalls hab ich das schon ein paar Mal so gelesen.
Aber im Kontext der Erzählung erscheinen doch gerade diese Züge
explizit oder implizit als Teil dessen, was sie zu einer der Bösen
macht, oder? Und macht es das nicht irgendwie noch unangenehmer? Als
"ihrer Zeit voraus" würde ich die Figur jedenfalls auf gar
keinen Fall bezeichnen. Es gab gerade in der Sword & Sorcery der
70er und frühen 80er bereits eine ganze Reihe von Frauenfiguren, die
mindestens ebenso selbstbestimmt aufgetreten sind, ohne deshalb als
böse oder unmoralisch abqualifiziert zu werden. Nicht selten waren
die da sogar die Heldinnen. Meine persönliche Tinfoil-Hat-Theorie
ist ja, dass Kitiara (ob bewusst oder unbewusst) eine konservative
Reaktion auf genau diesen neuen Typ Fantasyheldin darstellt. Beweisen
kann ich das natürlich nicht. Margaret Weis hat nach eigener Aussage
praktisch keine zeitgenössische Fantasyliteratur gelesen. Aber bei
Hickman wird das sicher anders ausgesehen haben. Who knows?</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Alessandra]</b> Was die Darstellung von
Krankheiten angeht: Ich hab Raistlin in der Vergangenheit manchmal
als (einigermaßen) positives Beispiel für die Darstellung von
"Helden"-Figuren mit Behinderung / chronischer Krankheit
genannt. Aber nach der erneuten Lektüre muss ich auch sagen, dass
das in meiner Erinnerung deutlich unproblematischer war. In "Die
Stadt der Göttin" erhält er durch die Zeitreise ja einen
"jüngeren, stärkeren, gesünderen" Körper und ich fand
es z. B. ganz schön unangenehm, wie das an seine Fähigkeit
gekoppelt wurde, Zuneigung zu Crysania zu empfinden. (Mal ganz davon
abgesehen, dass ich irgendwann reichlich verwirrt war, wie viel von
seinen Beeinträchtigungen jetzt eigentlich angeboren ist und was
durch die Prüfung / Fistandantilus verursacht wurde. Und wenn man
davon absieht, dass Raistlin viel hustet und einige issues durch das
soziale Stigma hat, wird nie so ganz deutlich, was die Krankheit nun
eigentlich für Barrieren für ihn mitbringt.)</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Seine physische Darstellung spielt
generell damit zusammen, wie in den Büchern die Figuren über ihre
Optik charakterisiert werden (wie eben auch schon mit Kit und Laurana
beschrieben). Richtig übel fand ich z. B., wie in "Der Hammer
der Götter" (dt. Band 5) der fiese Hauptmann von Kitiara schon
dadurch auf die Seite des Bösen gestellt wird, dass er einen krummen
Rücken hat – und das ist dann auch noch gleich die Begründung
dafür, weshalb Kit nichts mit ihm anfängt. Hinzu kommen Figuren wie
die Gossenzwerge oder auch Tolpan, die quasi aufgrund von
Volkszugehörigkeit einen minderen Intellekt eingeschrieben bekommen
haben. Ich glaube, Weis/Hickman hatten hier durchaus einen hehren
Anspruch an sich selbst, aber in der Ausführung tummeln sich u. a.
Ableismen und Lookismus.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">
</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Peter] </b>Also was Raistlins "Gebrechen"
angeht, ist es "kanonisch" glaub ich so, dass er von Geburt
an schwächlich war. Wenn ich mich recht erinnere, wäre er sogar als
Baby gestorben, wenn Kitiara nicht so verbissen um sein Leben
gekämpft hätte. Die "Prüfung" hat das wohl nur noch
einmal verstärkt. Aber um ehrlich zu sein, war ich bei der Lektüre
jetzt ähnlich verwirrt, was seinen Körperzustand in den
unterschiedlichen Zeitebenen betrifft. Mal ist er plötzlich der
"starke junge Mann" mit dem "muskulösen Körper",
dann hustet er doch wieder Blut. Wie's gerade für die Szene passt
...</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Christina]</b> Ich habe Raistlin auch als
besseres Beispiel für behinderte/chronisch kranke Figuren im
Hinterkopf gehabt, was sich beim Reread leider nicht mehr bestätigt.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Die Darstellung von Alkoholismus und
PTBS war auch sehr stereotyp abwertend geschrieben – als weinerlich
übersensibel (allerdings spannend zu Rollenklischees, weil der
trinkende Caramon ja anfangs als der Versager-Mann schlechthin
dargestellt wird, er aber später seine Weichheit bzw. gefühlvolle
Empathie schönerweise behält). Gerade was den psychischen Aspekt
angeht, hätte das viel Tiefe ins Buch bringen können, war aber nur
auf Ekel und "stell dich mal nicht so an"-Momente
beschränkt. Dass das dann auch durch ein bisschen Sport bei den
Gladiatoren behoben werden konnte, war hart realitätsfern</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Auffällig war dann auch, dass die
bösen Figuren alle verschiedene Disabilities hatten, die sie
äußerlich als Böse für die Leserschaft kennzeichnen sollten [Dazu
2 Literaturempfehlungen, die sich mit Disabilities motivgeschichtlich
auseinandersetzen –> "Literary Disability Studies –
Theorie und Praxis in der Literaturwissenschaft" Hrsg. Matthias
Luserke-Jaqui; "Entstellt – über Märchen, Behinderung und
Teilhabe" von Amanda Leduc]</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Zu der Verwirrung bei Raislin möchte
ich noch hinzufügen, dass die Augen mich etwas verwirrt haben, weil
die Stundenglasaugen, mit denen er Verfall sieht, hatte er ja erst
nach der Prüfung. Aber in der Zeit gereist hatte er dann
zwischendurch seinen Vor-Prüfungs-Körper, jedoch mit spiegelnden
Augen? Ständig "zerbrachen" seine Augen in den Büchern
oder hatten nur einen "kleinen Spalt", bevor die
Betrachtenden wieder nur sich selbst sahen ... da hab ich entweder
etwas überlesen oder die Erklärung/Trennung nicht verstanden.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b>[Peter] </b>Da ich zufällig grad die
allererste Drachenlanze-Kurzgeschichte "The Test of the Twins"
gelesen habe, die noch vor den „Chroniken“ im "Dragon Magazine"
erschienen ist, und in der es um die Prüfung geht, kann ich
zumindest so viel dazu sagen: Auch dort ist bereits von "spiegelnden
Augen" die Rede. Allerdings mehr als Metapher. Soll wohl
verdeutlichen, wie verschlossen und kontrolliert Raist ist. Niemand
darf seine Emotionen lesen können. In den "Legenden"
scheint das dann allerdings manchmal wörtlich genommen zu werden.
Schon komisch. Ich denke aber auch, dass die ausdruckslosen Augen auf
Raistlins "innere Leere" verweisen sollen, die vor allem
gegen Ende dann so oft betont wird.</p><p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;"><b> </b></span></p><div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><span style="font-family: georgia;"><b>Weiter geht's übermorgen dann erneut auf <a href="https://fragmentansichten.com/2023/02/28/klassiker-reread-drachenlanze-6-7/" target="_blank"><i>FragmentAnsichten</i></a> mit den Themen "Die Figur Raistlin und Figurenkonstellationen".</b></span> <br /></div>
<p>
</p>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-12091787017433922582023-02-20T09:18:00.004-08:002023-02-26T02:45:46.054-08:00Klassiker-Reread: "Die Legenden der Drachenlanze" von Tracy Hickman & Margaret Weis (2/7)<div style="text-align: justify;"><i><b><span style="font-size: large;">Mormonisches in Krynn<br /></span></b></i></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><b><span style="font-family: georgia;">Nach unserer <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2023/02/klassiker-reread-die-legenden-der.html" target="_blank">Beschäftigung</a> mit der Entstehung der ursprünglichen <i>Dragonlance </i>- Saga, nun also der zweite "Begleitartikel" zum diesjährigen Klassiker-Reread von Alessandra Reß und mir. (Bei dem wir diesmal <a href="https://www.cfsrebalus.de/" target="_blank">Christina F. Srebalus</a> als Guest Star dabei hatten). <a href="https://fragmentansichten.com/2023/02/22/kanonenfutter-mit-identitatskrise-die-drakonier/" target="_blank">Nummer Drei</a> wird übermorgen auf <i><a href="http://fragmentansichten.com/" target="_blank">FragmentAnsichten</a> </i>erscheinen. <i> </i><br /></span></b></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Ob dieser Eindruck einer strengen statistischen Überprüfung standhalten würde, sei dahingestellt, aber wenn man einen Blick auf die amerikanische SFF wirft, wird man das Gefühl nicht los, dass Autor*innen mormonischen Glaubens überdurchschnittlich stark in ihr vertreten sind. Die bekanntesten Namen dürften Orson Scott Card, Stephenie Meyer und Brandon Sanderson sein. Doch gibt es noch eine Menge anderer wie z.B. Shannon Hale, James Dashner, Anne Perry und Jessica Day George. Ob sie dem Glauben ihrer Kirche alle ähnlich stark verbunden sind wie Tracy Hickman, weiß ich natürlich nicht. (1) <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Erklärungsansätze für dieses Phänomen scheint es eine ganze Menge zu geben. Der Spötter und Zyniker in mir würde ja sagen, dass das <i>Book of Mormon </i>mit seiner bizarren "Urgeschichte Amerikas" als eines einst von Israeliten besiedelten "Gelobten Landes" selbst schon ein Stück Fantasyliteratur ist, die Affinität also bis zu Joseph Smith und den Anfängen der Kirche der Heiligen der Letzten Tage zurückreicht. Tatsächlich erklärte YA-Autorin Julie Berry einmal in einem <a href="http://archive.boston.com/news/local/massachusetts/articles/2009/03/01/faith_and_good_works/?page=2" target="_blank">Interview</a> mit dem <i>Boston Globe</i>:</div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>I think Mormons believe a lot of things that are pretty fantastic –
we
believe in miracles and angels and ancient prophets and rediscovered
Scripture –
so maybe it is almost natural for us to dive into these
other stories. </blockquote></i></div><div style="text-align: justify;">SF-Autor <a href="http://johnwmorehead.blogspot.com/2008/07/mormonism-and-science-fiction.html" target="_blank">Scott Parkin </a>hingegen zieht zur Erklärung ein relativ unverkrampftes und offenes Verhältnis zu Rationalismus und Wissenschaft heran, das den Mormonismus gegenüber anderen strenggläubigen Strömungen auszeichne:</div><div style="text-align: justify;"><blockquote><i>At its base, Mormons believe there is
pretty much a rational basis for everything, including our
relationship to God. That things can be understood. So the idea that
there are rational explanations and that it’s okay to explore those
explanations is one of the reasons why the rigors of science fiction
appeals to so many Mormons.</i></blockquote></div>
<div style="text-align: justify;">Darüberhinaus erwähnt er ein Gefühl des Außenseitertums, des "Andersseins", das von vielen Mormon*innen geteilt werde und möglicherweise dazu beitrage, warum sie sich zur Phantastik im allgemeinen, nicht nur zur Science Fiction, hingezogen fühlten:</div><div style="text-align: justify;"><blockquote> <i>Mormons have always had this sense of alienation, of being on the
margins of society, they have a sense of what it means to be isolated,
to not be understood by the broader culture, and this gives us a bit of
an alien mindset. </i></blockquote>In ihrem Artikel <a href="https://mormonartist.net/articles/is-it-something-in-the-water/" target="_blank"><i>“Is It Something in the Water?” Why
Mormons Write Science Fiction and Fantasy</i></a> erwähnen Katherine Morris & Kathleen Dalton Woodbury die kurze Erzählung <i><a href="https://www.sacred-texts.com/mor/aoftp/aoftp.htm" target="_blank">The Angel of the Praries</a> </i>als "<i>perhaps the first example of Mormon speculative fiction</i>". Ihr Verfasser Parley P. Pratt war einer der ursprünglichen Zwölf Apostel der Kirche und die Story fand den Beifall des Propheten persönlich. Allerdings ließe sich fragen, ob diese utopische Vision einer theokratischen Regierung, die nach dem Untergang der Vereinigten Staaten über ein blühendes Amerika (und den Rest der Welt) herrscht, diese Bezeichnung tatsächlich verdient, unterscheidet sie sich doch kaum von all den offiziellen "göttlichen Offenbarungen" aus der Frühzeit der Bewegung. </div><div style="text-align: justify;">Ein geeigneterer Kandidat scheint mir da Nephi Andersons 1898 erschienener Roman <i><a href="https://www.gutenberg.org/ebooks/17249" target="_blank">Added Upon</a> </i>zu sein. Der schildert den Entwicklungsgang mehrerer Seelen von Luzifers Rebellion und dem Krieg im Himmel über die irdische Existenz bis hin zur gottgleichen Freiheit nach der Auferstehung. In seiner Thematik wirkt er wie die Bestätigung einer These, die Literatur- und Religionswissenschaftler Terryl Givens in seinem Buch <i>People of Paradox</i> aufgestellt hat und derzufolge sich die Affinität zur phantastischen Literatur aus dem Charakter der mormonischen Theologie erklären lasse:</div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>Science fiction (or the
more-encompassing ‘speculative fiction’), though still struggling
for respect as serious art, is the literary form best suited to the
exposition and exploration of ideas at the margins of conventional
thinking, whether in technology, ethics, politics, or religion. And
indeed, some Mormon doctrine is so unsettling in its transgression of
established ways of conceiving reality that it may be more at home in
the imagined universes of Card than in journals of theology.</blockquote></i></div><p style="text-align: justify;">Ein Beispiel dafür sei die mormonische Lehre der "Apotheosis", derzufolge alle Menschen das Potential besitzen, sich nach einer langen, unterschiedliche Existenzformen durchlaufenden Evolution bis auf das Niveau des göttlichen Daseins hinaufzuentwickeln –
also quasi selbst Götter zu werden! Eben das wird in dem langen Gedicht beschrieben, das den letzten Teil von <i>Added Upon </i>bildet. Wobei dieser kuriose Evolutionsprozess sogar mit pseudo-darwinistischen Elementen angereichert wird:</p><p style="text-align: justify;">
</p>
<p style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></p><blockquote><i>In this celestial world, the fittest
have<br />Survived. To them alone the pow'r is given<br />To propagate
their kind. 'Twas wisely planned.<br />The race of Gods must not
deteriorate.<br />Thus everlasting increase is denied<br />To those who
have not reached perfection's plane.<br />Herein is justice, wisdom
all-divine,<br />That every child born into spirit world<br />Has perfect
parentage, thus equal chance<br />Is given all to reach the highest
goal,<br />And win the race which runs up through the worlds.</i></blockquote><p></p>
<p style="text-align: justify;">Das lässt aufhorchen, denn ähnelt das nicht in gewisser Weise Raistlins ehrgeizigem Verlangen in den <i>Legends</i> - Büchern? Und wie hat man sein Ziel, ein leibhaftiger Gott werden zu wollen, vor diesem Hintergrund zu beurteilen? – Eine spannende Frage, der ich hier aber nicht weiter nachgehen will. Stattdessen werde ich mich im folgenden hauptsächlich mit Motiven aus der ersten <i>Dragonlance </i>- Trilogie befassen, die meines Erachtens ziemlich deutliche mormonische Anklänge aufweisen. <br /></p><div style="text-align: justify;">Das zentrale Thema zumindest des ersten Bandes der <i>Chronicles </i>ist die Rückkehr des Wissens um die Wahren Götter nach Jahrhunderten (nicht nur) spiritueller Finsternis, in die Krynn nach dem Cataclysm (2) versunken war. Dies geschieht in Form der "Disks of Mishakal", die die Gefährten in der ersten Hälfte von <i>Dragons of Autumn Twilight </i>aus der versunkenen Stadt Xak Tsaroth bergen. In die einhundertsechzig aus Platin geformten Scheiben ist die Wahre Lehre eingraviert und sie werden später zu so etwas wie der Bibel der neu aufgerichteten Kirche der Guten Götter.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Wenn man sich des mormonischen Hintergrunds von Tracy Hickman bewusst ist, wird man gar nicht anders können als hierin eine deutliche Parallele zu den "Goldplatten" zu sehen, von denen Joseph Smith behauptete, dass er sie 1827 unter Anleitung des Engels Moroni im Hügel "Cumorah" im Westen des Staates New York gefunden habe. Auf diesen Platten sollen die "alten Überlieferungen" aufgezeichnet gewesen sein, die den Inhalt des <i>Book of Mormon</i> bilden.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Doch damit endet die Sache noch nicht. Wirklich interessant wird es erst mit Goldmoon und Riverwind, die in erster Linie für das Auffinden der "Disks" verantwortlich sind. Dass letzterem auf seiner Queste "<i>a woman dressed in blue light</i>" (die Göttin Mishakal) erschienen ist, könnte man mit Smiths wiederholten Engelsvisionen vergleichen. Aber sehr viel wichtiger ist, dass sich in den beiden Figuren etwas vom mormonischen Blick auf die amerikanischen Ureinwohner widerzuspiegeln scheint. Sie sind "<i>barbarians from the Plains</i>" und gehören zum Stamm der Que-Shu. In dem von Mary Kirchoff herausgegebenen Band <i>The Art of the Dragonlance Saga</i> bekommt man zu lesen: <br /></div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>Goldmoon's character was really unclear until the novels gave her
depth. All the artists knew about her at the beginning was that she had
silvery golden hair, in contrast to the rest of the tribe, which was
viewed as being similar to American indians. (3)<br /></blockquote></i> Um die (mögliche) Bedeutung dessen zu verstehen, ist es nötig einen etwas längeren Exkurs in die bizarre Geschichtsmythologie des Mormonismus zu unternehmen.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Das <i>Book of Mormon </i>erzählt von vier hebräischen Volksstämmen, die vor Urzeiten Amerika besiedelt hätten. Von diesen interessieren uns hier allerdings nur die Nephiten und die Lamaniten. Die beiden sollen gemeinsam um 600 v.u.Z. die Gestade des neuen "Gelobten Landes" erreicht haben. Bald schon kam es zu Zwistigkeiten zwischen den gottesfürchtigen Nephiten und den abtrünnigen Lamaniten, woraufhin Gott letztere mit einem Fluch belegte, dessen Folgen so beschrieben werden:</div><div style="text-align: justify;"><i></i></div><blockquote><div style="text-align: justify;"><i>And he had caused the cursing
to come upon them, yea, even a sore cursing, because of their iniquity.
For behold, they had hardened their hearts against him, that they had
become like unto a flint; wherefore, as they were white, and exceedingly
fair and delightsome, that they might not be enticing unto my people the Lord God did cause a skin of blackness to come upon them. [...]<br /></i></div><div style="text-align: justify;"><i>And because of their cursing which was upon them they did become an idle people, full of mischief and subtlety, and did seek in the wilderness for beasts of prey.</i> (4) <i><br /></i></div></blockquote><div style="text-align: justify;"> Dieser Fluch wurde Jahrhunderte später noch einmal verstärkt, nachdem die Lamaniten die Nephiten in einem blutigen Krieg vollständig ausgerottet hatten:</div><div style="text-align: justify;"><blockquote> <i>for this people shall be scattered, and shall become
a dark, a filthy, and a loathsome people, beyond the description of
that which ever hath been amongst us, yea, even that which hath been
among the Lamanites, and this because of their unbelief and idolatry.</i> (5)<br /></blockquote><i></i></div><div style="text-align: justify;">Dass die Lamaniten mit den amerikanischen Ureinwohnern gleichzusetzen sind, wird besonders deutlich, wenn der Prophet Nephi in einer Vision die künftige europäische Kolonisierung Amerikas schaut. Wobei die damit verbundenen Verbrechen und Gewalttaten göttlichen Segen erhalten.<br /></div><div style="text-align: justify;"><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;"><i></i></div><blockquote><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;"><i>And it came to pass that I beheld many multitudes of the Gentiles upon the land of promise; and I beheld the wrath of God, that it was upon the seed of my brethren </i>[den Lamaniten]<i>; and they were scattered before the Gentiles and were smitten.</i></div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;"><i>And I beheld the Spirit of the Lord, that it was upon the Gentiles, and
they did prosper and obtain the land for their inheritance; and I beheld
that they were white, and exceedingly fair and beautiful, like unto my
people </i>[den Nephiten]<i> before they were slain.</i> (6)<br /></div></blockquote><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;">Eine dunkle Hautfarbe als äußeres Zeichen der Verworfenheit eines Volkes zu betrachten, war eine geläufige rassistische Vorstellung der Zeit. Insbesondere im Zusammenhang mit dem sog. <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Curse_of_Ham" target="_blank">"Fluch von Ham"</a>, der als religiöse Rechtfertigung für die Sklaverei in den Südstaaten verwendet wurde –
auch von mormonischen Autoritäten (7). Im Fall der Lamaniten kommen aber noch einige spezifischere Elemente hinzu. </div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;">Es ist sicher kein Zufall, dass sie als "<i>an idle people</i>" bezeichnet werden, während es von den Nephiten ausdrücklich heißt: "<i>I, Nephi, did cause my people to be industrious, and to labor with their hands.</i>" (2 Nephi 5, 17) Die indigenen Völker als "faul" oder "träge" zu bezeichnen, war unter den europäischen Kolonisatoren ziemlich weit verbreitet. Verantwortlich dafür war nicht einfach bloß irgendeine Idee von "weißer Überlegenheit", sondern das Aufeinanderprallen zweier grundverschiedener Gesellschaftssysteme und der auf ihrer Basis erwachsenen Lebensweisen und Wertvorstellungen. Der auf dem Privateigentum basierende Siedler-Kapitalismus auf der einen, die auf unterschiedlichen Formen des Stammeseigentums basierenden indigenen Gesellschaften andererseits. Das äußerte sich auch in der jeweiligen "Arbeitsmoral". Die vom Protestantismus mit religiösen Weihen versehene bürgerliche Grundtugend des "Fleißes", d.h. des "geregelten", disziplinierten "Arbeitstages", musste vor allem den Jäger- und Sammlervölkern fremd sein, einfach weil sie in ihrer Welt keinen Sinn machte. (8)</div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;"> </div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;">Dass der weiße Siedlerrassismus der Gesellschaft, in der Joseph Smith aufgewachsen war, Eingang in seine "Heilige Schrift" fand, ist vielleicht nicht so verwunderlich. Aber der mormonische Blick auf die Ureinwohner ist durchaus ambivalenter. </div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;">Auf den Lamaniten ruht zwar ein Fluch, aber sie sind zugleich Nachkommen des Auserwählten Volkes. Ihre Wiederaufnahme in die Gnade Gottes wird als eines der zentralen Ereignisse der (nahe bevorstehenden) Endzeit erwartet. Was u.a. die starken Missionsbemühungen und die relativ "tolerante", wenn auch paternalistische Einstellung der frühen Kirche gegenüber den Ureinwohnern erklärt. (9) Als die Mormonen ab 1847 begannen, in Utah einzuwandern, zeigte sich dann allerdings sehr schnell, dass die materielle Dynamik der Kolonisierung stärker war als alle möglichen religiös-ideologischen Vorbehalte. Wie überall an der amerikanischen "Frontier" endete der Zusammenprall der beiden Gesellschaftsformen auch hier mit dem Untergang der indigenen, mit Landraub, Vertreibung, Mord, Hunger, Seuchen und Elend für die eingeborenen Stämme. (10) </div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;"> </div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;">Joseph Smiths Nachfolger Brigham Young kodifizierte in seiner Lehre von den "cursed lineages" eine rassistische Hierarchie der "verworfenen Völker". Dabei standen die Lamaniten allerdings immer noch an der Spitze, vor den Juden und den Schwarzen (den Nachfahren Kains). (11) Und ihre künftige Bekehrung blieb auch weiterhin wichtiger Bestandteil der mormonischen Heilsgeschichte. Freilich ist auch diese Vorstellung alles andere als frei vom Rassismus des 19. Jahrhunderts. So wird im Zweiten Buch Nephi prophezeit:</div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;"><span class="verse-number"></span><i><blockquote>And then shall they rejoice; for they shall know that it is a blessing unto them from the hand of God; and their scales
of darkness shall begin to fall from their eyes; and many generations
shall not pass away among them, save they shall be a white and a delightsome people. (12)<br /></blockquote></i></div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;">Wenn eine dunkle Hautfarbe äußeres Anzeichen eines göttlichen Fluches ist, macht es nur Sinn, dass dessen Aufhebung mit der Verwandlung in ein "weißes" Erscheinungsbild einhergeht. Und lange Zeit wurde das in der mormonischen Kirche sehr wörtlich genommen. Wie es 1855 ein Missionar, der unter den Shoshonen am Salmon River in Idaho tätig war, besungen hat:</div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;"><i><blockquote>For we are going to the land of Laman<br />To plant the Gospel standard there,<br />To bring them out from degredation<br />To a people, white and fair. (13)<br /></blockquote></i></div><p class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;">Vor allem in Reaktion auf die Bürgerrechtsbewegung der 50er & 60er Jahre ist diese wörtliche Interpretation inzwischen zwar aus der Mode gekommen, aber sie stellt doch einen wichtigen Bestandteil mormonischer Tradition dar.</p><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;">Vor diesem Hintergrund gewinnt Goldmoons "<i>
silvery golden hair</i>" doch eine spezielle Bedeutung.</div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;">Dass die "Plains People" nach dem Vorbild der amerikanischen Ureinwohner gezeichnet sind, steht außer Frage. Und der Umstand, dass die Stämme ständig im Kampf miteinander liegen, verweist gleichfalls auf die Lamaniten: "<i>And behold also, the Lamanites are at war
one with another; and the whole face of this land is one continual
round of murder and bloodshed; and no one knoweth the end of the war</i>" (Mormon 8, 8). Doch gleichzeitig kommt von ihnen das Heil. Die Figur des stolzen, verschlossenen und wenig gesprächigen Riverwind lässt unschwer gewisse Züge des "edlen Wilden" erkennen. Ein Klischee, das auch in der Frühzeit des Mormonismus seine Rolle bei der Herausbildung des ambivalenten Lamaniten-Bildes gespielt hatte. Aber zugleich ist er ein Pariah unter seinem eigenen Volk. Denn wie Goldmoon erzählt:</div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;"><i></i><blockquote><i>Riverwind's familiy was cast out of our tribe years ago for refusing to worship our ancestors- His grandfather believed in ancient gods who existed before the Cataclysm, though he could find little evidence of them left on Krynn. </i>(14) </blockquote><i> </i>Man könnte seine Familie durchaus mit Lamaniten vergleichen, die dem allgemein in Vergessenheit geratenenen "wahren Glauben" ihrer Vorväter auch in der Zeit der Gottferne die Treue gehalten haben. Und er selbst wird sogar beinah zum Märtyrer, als der Stamm ihn steinigen will, und nur göttliche Intervention ihm das Leben rettet.</div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;">Dennoch ist es nicht er, sondern Goldmoon, die am Ende zur ersten "wahren Klerikerin" seit dem Cataclysm wird, nachdem sie sich selbst geopfert hat und von den Göttern ins Leben zurückgeschickt wurde. Durch sie kehrt der "wahre Glaube" in die Welt zurück. Ist es da so abwegig, ihr auffällig "weißes" Erscheinungsbild mit den mormonischen Vorstellungen von der Wiederaufnahme der Lamaniten in die Gnade Gottes zu verknüpfen?</div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;"> </div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;">Allerdings behält Goldmoon ihre religiöse Führungsrolle nicht lange bei. Sobald die Gefährten die versklavte Bevölkerung von Abanasinia aus der Festung Pax Tharkas befreit haben, tritt Graubart Elistan an die Spitze. Er wird der eigentliche Neubegründer der "Kirche" und bleibt bis in die <i>Legends </i>- Bücher hinein ihr Oberhaupt. Um noch einmal <i>The Art of the Dragonlance Saga </i>zu zitieren:</div><div class="verse" data-aid="128342793" id="p14" style="--height: 127.40000915527344px;"><i></i><blockquote><i>He was seen as Krynn's answer to Moses, leading the people
from their bondage under the evil Verminaard to freedom and the
discovery of the true gods. Therefore, it was not unusual that the
design team pictured him looking like Charlton Heston! </i>(13) </blockquote></div></div><div style="text-align: justify;">Den eigentlichen Exodus, die "Wanderung durch die Wüste", bekommen wir in den Romanen nicht zu sehen. <i>Dragons of Autumn Twilight </i>endet mit der Flucht aus Pax Tharkas und <i>Dragons of Winter Night </i>setzt erst im Zwergenreich von Thorbardin wieder ein. Die dazwischen liegenden Ereignisse werden nur in der RPG-Kampagne (dem Modul <i>Dragons of Hope</i>) genauer abgehandelt. Aber das Motiv des "Auszugs aus der Gefangenschaft" findet sich schon in Larry Elmores frühester Concept Art, war also sicher zentral für den ursprünglichen Storyentwurf.</div><div style="text-align: justify;">Meines Erachtens sollte man dabei aber nicht nur an den biblischen Exodus denken, sondern auch an dessen historisch-mythisches Reenactment durch die frühen Mormonen. Der 1846 einsetzende Auszug der Gemeinde aus Nauvoo (Illinois) nach Westen und die anschließende Kolonisierung von Utah nahm in der kollektiven Erinnerung der Gläubigen nämlich die Gestalt einer zweiten "Wüstenwanderung" an, wobei Brigham Young als "Prophet" der Kirche die Rolle des Moses spielte. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Weniger bedeutungsschwer und sehr viel kurioser ist schließlich noch der Fall der "Glasses of Arcanist", einer magischen Brille, die der Kender Tasslehoff Burrfoot in Thorbardin mitgehen lässt und mit der man fremde Sprachen und Schriftzeichen lesen kann. Klingt wie ein typisches RPG-Fantasy-Gimmick, aber der gute Joseph Smith besaß ein ganz ähnliches Artfakt –
nach alltestamentarischem Vorbild <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Urim_and_Thummim_(Latter_Day_Saints)" target="_blank">"Urim & Thummim"</a> genannt –, mit dessen Hilfe er die in "reformiertem Ägyptisch" verfassten Inschriften auf den "Goldenen Platten" gelesen und<i> </i>in das <i>Book of Mormon </i>übersetzt haben soll. Smith war tief verwurzelt in den volksmagischen Traditionen seines Heimatmilieus, und die haben vor allem in der Frühzeit der mormonischen Bewegung deutliche Spuren hinterlassen. "Urim & Thummim" etwa waren die religiös aufgepeppten Nachfolger der "Seer Stones", mit deren Hilfe der künftige Prophet zuvor (ganz professionell!) nach verborgenen Schätzen wie einer verlorenen spanischen Goldmine gesucht hatte ...<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Nach all dem stellt sich natürlich die Frage, ob <i>Dragonlance </i>nicht nur solche motivischen Anklänge<i> </i>enthält, sondern auch in seinem Gehalt entsprechende Ideen und Wertvorstellungen widerspiegelt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Ich muss gestehen, dass ich die <i>Chronicles </i>in diesem Leben vermutlich nicht noch einmal ganz lesen werde. Weshalb ich auch keine wirklich fundierte Antwort auf diese Frage geben kann. Allerdings habe ich mir vor einiger Zeit mal wieder die (ziemlich dröge) Animationsverfilmung von <i>Dragons of Autumn Twilight </i>aus dem Jahr 2008 angeschaut. (16) Dabei ist mir (erneut) aufgefallen, was für eine zentrale Rolle vor allem gegen Ende das "Vertrauen in die göttlichen Mächte" spielt. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass das in den Büchern ähnlich aufdringlich gewesen wäre. </div><div style="text-align: justify;">Der einzige Punkt, bei dem ich das deutliche Gefühl habe, einen religiös-konservativen Vibe herauszuspüren, ist die Art, in der die Bücher mit Sex und Sexualität umgehen. Besonders deutlich wird das für mich in der Figur Kitiaras. Aber da wir dieses Thema auch in unserer gemeinsamen Gesprächsrunde anschneiden werden, will ich mich hier auf ein anderes, leicht bizarres Beispiel aus <i>Dragons of Autumn Twilight </i>beschränken. Es gibt da nämlich diese kurze Szene, in der Goldmoon plötzlich eine kleine "Kein Sex for der Ehe" - Predigt hält.</div><div style="text-align: justify;">Tika und Caramon, die dabei sind ein Paar zu werden, haben sich von Leidenschaft überwältigt beinah gemeinsam in die Büsche geschlagen. Als Goldmoon das mitbekommt, hält sie es für ihre Pflicht, den Krieger beiseite zu nehmen und ein ernstes Wörtchen mit ihm zu reden. Sie klärt ihn darüber auf, dass das ehemalige Schankmädchen in Wahrheit noch sehr unerfahren und unsicher sei und er sie deshalb auf gar keinen Fall drängen dürfe: </div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>She's frightened, Caramon. She's heard a lot of stories. Don't rush her. She desperately wants approval from you. and she might do anything to win it. But don't let her use that as reason to do something she'll regret later. If you truly love her, time will prove it and enhance the moment's sweetness.</blockquote></i></div><div style="text-align: justify;">Für sich genommen vielleicht gar kein so schlechter Ratschlag. Aber das Gespräch erhält eine deutlich moralistische Wendung, wenn Goldmoon erklärt, dass auch sie und Riverwind, trotz ihrer bereits sehr viel längeren Beziehung, noch keinen Sex gehabt hätten, und das auch gut und richtig so sei.<i> <br /></i></div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>We have waited long, and sometimes the pain is unbearable. But the law of my people are strict. [...] When our vows are spoken, we will lie together as man and wife. Not until then. </i>(17)<i> </i></blockquote> Ich kann mich nicht erinnern, dass diese kurze Unterhaltung für den weiteren Handlungsverlauf oder die Entwicklung der Figuren irgendwie von Relevanz gewesen wäre. Was den Eindruck verstärkt, dass wir es dabei in Wirklichkeit mit einer moralischen Message an die jugendliche Leserschaft der Bücher zu tun haben. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Zum Abschluss wollen wir dann doch noch einen kurzen Blick in die <i>Legends </i>werfen. Denn wenigstens ein Motiv gibt es auch dort, das mir zumindest mormonisch angehaucht erscheint – der Kingpriest of Istar. </div><div style="text-align: justify;">Eine ebenso mächtige wie korrumpierte Kirche, die quasi nach politischer Weltherrschaft strebt, in deren Reihen Frömmigkeit durch den Glauben an die "falschen Götter" "<i>money, power, ambition</i>" ersetzt wurde, und an deren Spitze jemand steht, der sich selbst für Paladines "<i>true representative on Krynn</i>" hält. (18) – woran könnte einen das erinnern? </div><div style="text-align: justify;">Wie bereits erwähnt beschreibt das Erste Buch Nephi in Form einer Vision die mormonische Interpretation der Geschichte Amerikas. Eine wichtige Rolle spielt dabei die "<i>great and abominable church</i>": "<i>She had dominion over all the earth, among all nations, kindreds, tongues, and people.</i>" (1 Nephi 14, 11) Prunk und materieller Reichtum sind ihr äußeres Erkennungszeichen: "<i>And I also saw gold, and silver, and silks, and scarlets, and fine-twined linen, and all manner of precious clothing; and I saw many harlots.</i>" (1 Nephi 13, 7) Vor ihrer unterdrückerischen Herrschaft fliehen die Frommen unter den "Heiden" an die Gestade des neuen Gelobten Landes. </div><div style="text-align: justify;">Dass Joseph Smith hier an die antikatholische Polemik der Reformationszeit und die Traditionen der "Pilgerväter" und anderer früher Kolonisatoren anknüpfte, ist unschwer zu erkennen. Dazu gehört auch der Rückgriff auf die Bilderwelt der Johannesapokalypse, wenn die "böse Kirche" mit der Hure Babylon identifiziert wird: "<i>that great church, which is the mother of abominations; and she is the whore of all the earth.</i>" (1 Nephi 14, 10).</div><div style="text-align: justify;">Ist es zu weit hergeholt, wenn man in der Gestalt des Kingpriest Anklänge an dieses reformatorisch-mormonische Bild von Papsttum und Katholischer Kirche erkennt? <br /></div><div style="text-align: justify;">Einen entscheidenden Unterschied gibt es freilich: Die "<i>great and abominable church</i>" ist die Kirche Satans, die sich hauptsächlich damit beschäftigt, die "Heiligen" zu verfolgen und zu ermorden. Auch das natürlich gute alte Tradition, war es in der Reformationszeit doch üblich gewesen, den Papst mit dem Antichrist zu identifizieren. Der Kingpriest hingegen ist trotz seiner Verblendung ein Vertreter des "Guten", kein heimlicher Anhänger der Queen of Darkness. Die Hybris und der Fall Istars sollen ja gerade vor Augen führen, was passiert, wenn das kosmische Pendel zu stark in die "gute" Richtung ausschlägt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Womit wir erneut beim Gut-Böse-Dualismus der ursprünglichen <i>Dragonlance </i>- Saga angekommen wären. Was vielleicht gar kein so schlechter Übergang zu Alessandras <a href="https://fragmentansichten.com/2023/02/22/kanonenfutter-mit-identitatskrise-die-drakonier/" target="_blank">"Kanonenfutter"-Beitrag</a> ist, den ihr dann am Mittwoch werdet lesen können.<br /></div><p><i> </i>
</p><br /><div id="sdfootnote1"><p class="sdfootnote" style="text-align: justify;">(1) Mit <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2020/02/its-very-queer-place-ein-besuch-in.html" target="_blank">Wilum H. Pugmire</a> habe ich mich hier vor Zeiten schon einmal mt einem phantastischen Schriftsteller beschäftigt, dessen Beziehung zum Mormonismus sehr konfliktreich war, auch wenn er am Ende seines Lebens in den Schoß der Kirche zurückkehrte.</p><p class="sdfootnote" style="text-align: justify;">(2) In der deutschen Übersetzung wird das quasi-apokalyptische Ereignis, bei dem ein riesiger Flammenberg auf die Metropole von Istar herabgestürzt ist, offenbar "Umwälzung" genannt, was für meinen Geschmack denn doch etwas zu harmlos klingt.<br /></p><p class="sdfootnote">(3) Mary Kirchoff: <i>The Art of the Dragonlance Saga</i>. S. 42.</p><p class="sdfootnote">(4) 2 Nephi 5, 21 & 24</p><p class="sdfootnote">(5) Mormon 5, 15</p><p class="sdfootnote">(6) 1 Nephi 13, 14/15</p><p style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">(7) Joseph Smith verwendete dieses Argument erstmals 1836, als er in einem Artikel klar Stellung gegen den Abolitionismus bezog, für den er früher gewisse Sympathien gehegt hatte. Wohl eine politisch motivierte Kehrtwende. Dieselbe Rechtfertigung wurde später auch von Brigham Young verwendet, unter dessen Führung Utah zu einem Sklavenhalterstaat wurde.<i> </i> </p><p class="sdfootnote" style="text-align: justify;">(8) Die grundlegende Bedeutung der unterschiedlichen Eigentumsformen wurde
von US-Beamten der Zeit immer wieder ganz offen ausgesprochen. So
erklärte z.B. Indian Commissioner T.J. Morgan, das „<i>Gemeineigentum an einem allzu großen Teil
des Landes</i>“ sei eine der „<i>schädlichsten und
verderblichsten Ursachen, die es den Indianern unmöglich machen,
die Wohltaten der Zivilisation zu begreifen</i>“, da sich daraus
für sie die „<i>Möglichkeit [ergebe]</i> <i>das von ihnen so
geliebte Vagabundenleben zu führen, und die Unmöglichkeit, sich mit
dem Privateigentum vertraut zu machen.</i>“ (Zit. nach: Eric Hobsbawm: <i>Europäische Revolutionen</i>. S. 295). Und Commissioner John H. Oberly verurteilte lautstark den "<i>degrading communism</i>"
des Stammeseigentums. Nur dessen Zerschlagung und die Parzellierung des
Landes werde den Ureinwohnern die Möglichkeit eröffnen, den "<i>exalting egotism of American civilization</i>" nachzuahmen, "<i>so that he will say ‘I’ instead of ‘We,’ and 'This is mine,’ instead of 'This is ours.’</i>“ (Zit. nach: Theodore W. Allen: <i>The Invention of the White Race. Volume 1: Racial Oppression and Social Control</i>. S. 38). </p><p class="sdfootnote" style="text-align: justify;">(9) Vgl: Kaleb C. Miner: <a href="https://bearworks.missouristate.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=4316&context=theses" target="_blank"><i>"O Stop and Tell Me, Red Man": Indian Removal and the Lamanite Mission of 1830-31</i></a>.<br /></p><p class="sdfootnote" style="text-align: justify;">(10) Vgl.: Howard A. Christy: <a href="https://collections.lib.utah.edu/details?id=422592" target="_blank"><i>Open Hand and Mailed Fist: Mormon-Indian Relations in Utah 1847-1852</i></a>. In: <i>Utah Historical Quarterly</i>. Vol. 46, Nr. 3. S. 216-35.</p><p align="JUSTIFY">(11) Vgl.: Arnold H. Green: <a href="https://digitalcommons.usu.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1032&context=mormonhistory" target="_blank"><i>Gathering and Election: Israelite Descent and Universalism in Mormon Discourse</i></a>. In: <i>Journal of Mormon History</i>. Vol. 25, No, 1 (1999). S. 204-07. Ab den 1880er Jahren wurde die Idee der "cursed lineages" von einigen mormonischen Denkern zusätzlich mit zeitgenössischen rassistischen Theorien wie dem sog. "Anglo-Israelism" verknüpft, der die Überlegenheit der "angelsächsischen Rasse" aus ihrer vermeintlichen Abstammung vom Volk Israel ableitete. Solche Ideen blieben bis weit ins 20. Jahrhundert in den Reihen der Kirche virulent.<cite><br /></cite></p>
<p class="sdfootnote" style="text-align: justify;">(12) 2 Nephi 30, 6. Seit 1981 ist in allen offiziellen Ausgaben des Buches Mormon "white" durch "pure" ersetzt worden, im Einklang mit einer überarbeiteten Fassung, die Joseph Smith selbst 1840 herausgegeben hatte. </p><p class="sdfootnote" style="text-align: justify;">(13) Zit, nach: Stanley J. Thayne: <a href="https://cdr.lib.unc.edu/downloads/ww72bc515?locale=en" target="_blank"><i>The Blood of Father Lehi: Indigenous Americans and the Book of Mormon</i></a>.<i> </i>S. 204.</p><p class="sdfootnote" style="text-align: justify;">(14) Margaret Weis & Tracy Hickman: <i>Dragons of Autumn Twilight</i>. S. 76.</p><p class="sdfootnote" style="text-align: justify;">(15) Mary Kirchoff: <i>The Art of the Dragonlance Saga</i>. S. 102.</p><p class="sdfootnote" style="text-align: justify;">(16) Hatte ganz vergessen, dass Goldmoon von Lucy Lawless gesprochen wird. Macht den Film aber leider auch nicht besser ...<br /></p><p class="sdfootnote" style="text-align: justify;">(17) Margaret Weis & Tracy Hickman: <i>Dragons of Autumn Twilight</i>. S. 356/57.</p><p class="sdfootnote" style="text-align: justify;">(18) Margaret Weis & Tracy Hickman: <i>Time of the Twins</i>. S. 368; 371.</p>
</div>
Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-70198678305449024772023-02-18T07:22:00.007-08:002023-02-26T02:45:31.013-08:00Klassiker-Reread: "Die Legenden der Drachenlanze" von Tracy Hickman & Margaret Weis (1/7)<div style="text-align: justify;"> <b><i><span style="font-size: large;">Die Geburt von Dragonlance</span></i></b><br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Als sich <a href="https://fragmentansichten.com/" target="_blank">Alessandra Reß</a> und ich Ende 2019 zu einem gemeinsamen Reread von Joy Chants <i>Wenn Voiha erwacht </i>zusammentaten und das anschließende Gespräch auf unseren beiden Blogs veröffentlichten (<a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2019/12/klassiker-wiederentdecken-ein-gesprach.html" target="_blank">Teil 1</a> * <a href="https://fragmentansichten.com/2019/12/16/klassiker-wiederentdecken/" target="_blank">Teil 2</a>), ahnten wir nicht, dass wir damit eine alljährliche Tradition ins Leben rufen würden. Aber wir hatten einfach zu viel Spaß mit der Sache gehabt, um es bei dem einen Mal zu belassen. Und so wandten wir uns 2021 Patricia A. McKillips <i>Erdzauber </i>- Trilogie zu und erweiterten das Format zu einer kleinen Blog-Serie (<a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2021/03/klassiker-reread-patricia-mckillips.html" target="_blank">Teil 1</a> *<a href="https://fragmentansichten.com/2021/03/06/klassiker-reread-patricia-a-mckillips-erdzauber-2-6/" target="_blank"> Teil 2</a> * <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2021/03/klassiker-reread-patricia-mckillips_9.html" target="_blank">Teil 3</a> * <a href="https://fragmentansichten.com/2021/03/09/erdzauber-4-6/" target="_blank">Teil 4</a> * <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2021/03/klassiker-reread-patricia-mckillips_12.html" target="_blank">Teil 5</a> * <a href="https://fragmentansichten.com/2021/03/15/patricia-a-mckillips-erdzauber-6-6/" target="_blank">Teil 6</a>). Im darauffolgenden Jahr luden wir mit Sören Heim erstmals einen Gast zu unserem Klassiker-Reread ein, so dass die anschließende Diskussion über Esther Rochons <i>Der Träumer in der Zitadelle </i>diesmal auf drei Blogs verteilt wurde (<a href="https://fragmentansichten.com/2022/03/31/klassiker-reread-esther-rochons-der-traumer-in-der-zitadelle-1-3/" target="_blank">Teil 1</a> * <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2022/04/klassiker-reread-esther-rochons-der.html" target="_blank">Teil 2</a> * <a href="https://soerenheim.wordpress.com/2022/04/04/klassiker-reread-esther-rochons-der-traumer-in-der-zitadelle-3-3/" target="_blank">Teil 3</a>).</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Die Idee, sich irgendwann einmal auch einige der alten <i>Dragonlance</i> - Bücher vorzunehmen, kam glaube ich schon recht früh auf. Sobald sie konkretere Formen anzunehmen begann, war schnell klar, dass unsere Wahl dabei auf die <i>Legends </i>- Trilogie (die im Deutschen auf sechs Bücher aufgesplittet worden war) fallen würde. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Erneut luden wir einen Gast zu unserem großen Palaver ein. <a href="https://twitter.com/CFSrebalus" target="_blank">Christina F. Srebalus</a> ist ehemalige Dozentin für Film- und Medienwissenschaften, die heute als <a href="https://www.cfsrebalus.de/" target="_blank">freischaffende Künstlerin und Illustratorin</a> arbeitet. Und wer ihre Zeichnungen und anderen Kreationen noch nicht kennt, sollte das schleunigst nachholen!</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Es wurde eine sehr lebendige und spannende Gesprächsrunde. Doch bevor wir uns dem zuwenden, versuche ich in diesem Einführungsartikel erst einmal, den Weg nachzuzeichnen, der zur Entstehung der ursprünglichen <i>Dragonlance </i>- Saga führte. Dabei bin ich in so manches Kaninchenloch gestolpert und konnte so einigen Abschweifungen nicht widerstehen.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">
<span style="font-size: large;"><b>* * *</b></span></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Tracy Hickman kam 1955 in Salt Lake City (Utah) auf die Welt. Er wuchs in einem stark vom Mormonismus <span> ("Church of Jesus Christ of Latter-day Saints</span>") durchtränkten Umfeld auf, doch seine Beziehung zum mormonischen Glauben war anfangs eher halbherzig. Bis er im Alter von 18 Jahren eine Art <a href="https://trhickman.com/about-tracy/my-faith/" target="_blank">persönliches Erweckungserlebnis</a> hatte: <br /></div><div style="text-align: justify;">
<div style="margin-bottom: 0cm;"><i><blockquote>That night, as I pondered what I wanted
and, more importantly, what God wanted, I was suddenly filled with
the spirit of truth so strongly that it felt like a physical blow. I
knew – just <b>knew</b> – that I had been called to serve God and the
knowledge wouldn’t leave me.
</blockquote></i></div>
</div><div style="text-align: justify;">In der Folge begab er sich für zwei Jahre als Missionar zuerst nach Hawai, dann nach Indonesien. 1977 kehrte er ins heimatliche Utah zurück und <a href="https://trhickman.com/about-tracy/about/" target="_blank">heiratete </a>einige Monate später sein "<i>high school sweet heart</i>" Laura Curtis. Er begann ein Studium an der Brigham Young University, brach dieses aber schon nach zwei Semestern wieder ab, als das erste Kind des jungen Paares geboren wurde. Geld musste herangeschafft werden. Die nächsten Jahre arbeitete Hickman in allen möglichen Gelegenheitsjobs, um die bald schon auf vier Köpfe angewachsene Familie durchzubekommen: "<i>supermarket stockboy, movie projectionist, [movie]
theater manager, glass worker, television assistant director, and drill press operator in a genealogy center.</i>" Am Ende versuchte er sich sogar an der Produktion eines "<i>arcade immersion game</i>", nur um von seinem Partner übers Ohr gehauen und mit $30.000 Schulden zurückgelassen zu werden.<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Es war Laura, die ihren Ehemann mit D&D bekannt machte. (1) Bald schon begannen die beiden, eigene Abenteuerszenarien zu entwerfen, "<i>covering page after page of graph paper with detailed diagrams of dungeons</i>". (2) Teile von Tracys Studienkredit (student loan) wurden in den Erwerb der neuen AD&D-Regelbücher angelegt. Und 1979 gründeten sie gar ihren eigenen kleinen Verlag <i>DayStar West Media </i>und veröffentlichten dort zwei ihrer Module –
<i>Rahasia </i>(1979) und <i>Pharaoh</i> (1980). Das verhalf ihnen zu einer gewissen Bekanntheit in (vermutlich eher lokalen) Rollenspielerkreisen –
auch wenn man sie dort mitunter für die "<i>Hickman sisters</i>" hielt. </div><div style="text-align: justify;">Als Tracy schließlich arbeitslos wurde und die finanzielle Lage der Familie immer düsterer aussah, <a href="https://mormonartist.net/interviews/tracy-hickman/" target="_blank">boten </a>sie TSR die beiden Szenarien 1981 zum Kauf an, "<i>in the hope that they would pay us
enough money for us to purchase shoes for our kids that winter</i>". Die Antwort fiel ziemlich überraschend aus: Man bot Hickman einen <a href="https://trhickman.com/about-tracy/about/" target="_blank">Job</a> als Game Designer an: "<i>They said it would be easier to publish my adventures if I was part of the company.</i>" Natürlich wäre es dazu nötig, nach Lake Geneva in Wisconsin überzusiedeln.</div><div style="text-align: justify;">Die Entscheidung fiel den beiden nicht leicht. Die Heimat verlassen und in einen gut 2.000 km entfernten Bundesstaat ziehen, in dem die Hickmans niemanden kannten, in der vagen Hoffnung auf eine Karriere in der jungen RPG-Industrie? Tracys Eltern rieten vehement ab und sein Vater stellte ihm als Alternative einen sicheren Job als Koch in Flagstaff/Arizona in Aussicht. Aber letztenendes erwies sich die Chance, den eigenen Träumen folgen zu können, als zu verführerisch. Und so packten die Hickmans im März 1982 ihre wenigen Habseligkeiten in den von TSR gestellten Umzugsvan, setzten sich in ihr Auto und machten sich auf die Reise gen Osten. Auf der viertägigen Fahrt diskutierten sie, welchen Projektentwurf sie TSR vorlegen könnten, um einen guten Einstand bei dem neuen Arbeitgeber zu machen. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">In Artikeln und Interviews bekommt man immer wieder zu lesen, dass dabei die Grundidee für die spätere <i>Dragonlance </i>- Saga entstanden sei. Tracy Hickman selbst hat <a href="https://trhickman.com/dragonlance-and-blarney-stones/" target="_blank">einmal</a> geschrieben: "<i>It was on that long road between the
life we left behind and the hope we had for the future that
Dragonlance was born</i>". Doch wie weit gediehen das Konzept tatsächlich war, als die Familie am St. Patrick's Day in Lake Geneva eintraf, muss dahingestellt bleiben. Mary Kirchoff erwähnt in ihrem Vorwort zu <i>The Art of the Dragonlance Saga </i>eine "<i>three-part tale, originally titled <b>Eye of the Dragon</b></i>". (3) War das der ursprüngliche Entwurf? Über den konkreten Inhalt habe ich jedenfalls nichts finden können, außer dass es darin um "<i>a world dominated by dragons</i>" (4) gehen sollte. Doch sehr viel wichtiger ist ohnehin die gestalterische Idee, die dem Entwurf zugrundelag. Das Szenario <a href="https://mormonartist.net/interviews/tracy-hickman/" target="_blank">sollte</a> "<i>a means of telling a fantasy story
through a gaming experience</i>" sein. </div><div style="text-align: justify;">Bereits zwei Jahre zuvor hatten die Hickmans im Vorwort zu ihrem <i>Pharaoh </i>- Modul ein <a href="https://muleabides.wordpress.com/2012/03/23/manifesto-of-the-hickman-revolution/#comments" target="_blank">4 - Punkte - Programm</a> umrissen, das der von ihnen damals geplanten "Nightventure" - Reihe zugrunde liegen sollte, und in dem es u.a. hieß:</div><div style="text-align: justify;"><i></i></div><blockquote><div style="text-align: justify;"><i>1. A player objective more worthwhile
than simply pillaging and killing. <br /></i></div><div style="text-align: justify;"><i>2. An intriguing story that is
intricately woven into play itself. </i></div></blockquote><div style="text-align: justify;">Diese neuartige Herangehensweise an das Konstruieren von D&D - Modulen war ohne Zweifel der wichtigste Beitrag, den die Hickmans 1982 zu TSR mitbrachten. Statt einfach nur die Spielwiese für die Abenteuer der Heldengruppe abzustecken, sollten Szenarien vielmehr zu Vehikeln des Geschichtenerzählens werden. Schon als sie ihr altes Modul <i>Pharaoh </i>zur <i>Desert of Desolation </i>- Trilogie (1982/83) erweiterten, versuchten sie etwas von diesem Konzept umzusetzen, trotz des klassischen "Dungeon Crawling". Noch sehr viel deutlicher war dies bei <i>Ravenloft </i>(1983) Nicht nur mischten sie darin D&D eine ordentliche Dosis Gothic Horror bei, sie machten ihren Ersatz-Dracula Strahd von Zarovich auch zum eigentlichen Herzstück des Moduls. Es ist seine Geschichte, die die Hickmans mit dem Abenteuer erzählen wollen. Um<span class="post-author vcard">
<span class="fn">James Maliszewskis <a href="https://grognardia.blogspot.com/2008/12/retrospective-ravenloft.html" target="_blank">Retrospektiv-Artikel</a> zu zitieren</span></span>: "<i>The actions of the PCs are, in many
ways, beside the point, because their sole purpose is to help to
facilitate a melodrama of lust, betrayal, despair, and love beyond
the grave in which NPCs are the primary actors.</i>" Die Module waren damit Vorreiter einer Entwicklung, die in Fankreisen anscheinend manchmal als "Hickman-Revolution" bezeichnet wird und D&D dauerhaft verändern und prägen würde. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Nichts sollte diese Wende eindeutiger verkörpern als <i>Dragonlance</i>. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Unglücklicherweise wurde die Entstehungschronologie der Saga für mich um so verwirrender und widersprüchlicher, je mehr ich darüber gelesen habe. Was folgt ist das, was sich mir letztenendes als am wahrscheinlichsten herauskristallisiert hat, wobei ich einige abweichende Angaben aus Büchern und Artikeln ignoriert (oder "umgedeutet") habe. Ihr seid gewarnt!</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Allem Anschein nach hatte TSR im Frühjahr 1982 eine professionelle Marktanalyse in Auftrag gegeben, deren Ergebnis u.a. <a href="https://mormonartist.net/interviews/tracy-hickman/" target="_blank">folgende Punkte</a> enthielt: "(1) <i><b>Dungeons and Dragons</b> is your
core product; (2) you have lots of Dungeons; and, finally, (3) you
need more Dragons.</i>" Daran konnte Tracy Hickman anknüpfen, und den ersten Verbündeten, den er für sein Projekt gewann, war Harold Johnson, der vor kurzem zum "Director of Games Research & Development" ernannt worden war. Die beiden setzten sich zusammen und entwickelten auf der Grundlage des ursprünglichen Hickman'schen Entwurfs das Konzept für eine Kampagne, die insgesamt 12 Module umfassen sollte, bei denen jeweils einer der D&D-Drachentypen im Zentrum stehen würde. Dabei wollten sie zugleich die Idee vom "Rollenspiel als Geschichtenerzählen" im großen Stil und besonders radikal umsetzen. Wie Johnson einmal erzählt hat: </div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>[W]e wanted something more than a Kill-the-Dragon-of-the-Month series, which is what Marketing was proposing. We were tired of the old hack-and-slash modules, and we figured out players were tired of those, too. We wanted a game with depth, a game where there was more than just find the monster, kill it, snatch the treasure, find the next monster ...</i> (5) </blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;">Die Kampagne sollte die epische Saga einer Heldengruppe erzählen, deren Mitglieder zwar die verschiedenen D&D-Klassen vertreten, zugleich aber ausgearbeitete Figuren mit eigener Hintergrundsgeschichte und distinkten Charakterzügen sein würden.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">In einem Artikel, der im November 1984 anlässlich des Erscheinens des ersten <i>Dragonlance </i>- Romanes in <a href="https://annarchive.com/files/Drmg091.pdf" target="_blank"><i>Dragon </i>#91</a> erschien, schreibt Hickman:</div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i><blockquote>The world of Krynn is one of the most
ambitious and complex gaming environments ever devised. Over a year
of extensive pre-planning and design was put in by the design team
before work on the first module was even begun.
</blockquote></i>Wann genau diese Arbeit begann, ist mir allerdings nicht ganz klar. Offenbar begannen Hickman und Johnson damit, Mitstreiter für ihr mit dem Codenamen "Overlord" versehenes Projekt zu rekrutieren, lange bevor sie den Segen des Mangements hatten. Zu der Gruppe gehörten schließlich u.a. Larry Elmore, Jeff Grubb, Roger E. Moore, Doug Niles und Michael Williams. Laura Hickman scheint von diesem Zeitpunkt an nicht mehr direkt beteiligt gewesen zu sein.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Anfangs hatten einige der Autoren und Designer gewisse Vorbehalte gegenüber dem "epischen" Charakter der geplanten RPG-Kampagne. Douglas Niles etwa hat einmal <a href="https://grognardia.blogspot.com/2020/10/interview-douglas-niles-part-ii.html" target="_blank">erzählt</a>: "<i>I didn't think players would want to
have their characters tied into playing out a story that someone else
had written.</i>" Vor allem, das die Spieler*innen quasi dazu gedrängt werden würden, vorgegebene Figuren zu verwenden, erschien vielen erst einmal fragwürdig. Doch Hickmans "Vision" erwies sich als äußerst ansteckend und bald schon waren sie alle mit ungebremstem Enthusiasmus bei der Sache. Das galt auch und gerade für die beteiligten Illustratoren: Hickman erinnert sich: <br /></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i><blockquote><i>Harold and I spent one afternoon describing Krynn and its people and creatures to Larry Elmore [...] We particularly concentrated on the characters, since these were one of the most important elements in the game. Larry was so excited by the concept that he went home and in one weekend </i>–
<i> on his own time </i>–
<i> produced the four original Dragonlance paintings portraying the major characters and events. </i>(6)</blockquote><div>Als wäre eine zwölfteilige RPG-Kampagne nicht schon ehrgeizig genug gewesen, hatte Tracy Hickman außerdem die Idee, <i>Dragonlance </i>von Anfang an zu einer Art "multimedialem Franchise" zu machen. Neben den Modulen sollte außerdem eine Roman-Trilogie erscheinen, die die selbe Geschichte erzählen würde, sowie ein eigener Kalender und ein Brettspiel.</div><div> </div><div>Letztenendes war es wohl vor allem Harold Johnson, der das Management von dem Projekt zu überzeugen vermochte. Dass ihm dies gelang, mag auch etwas mit der allgemeinen Situation zu tun gehabt haben, in der TSR sich zu diesem Zeitpunkt befand.</div><div>1982 war das Jahr des großen Überschwangs. Seit 1979 waren Umsatz und Profit des Unternehmens rasend schnell von $2,2 Millionen & $160.000 auf $20,8 Millionen & $1,8 Millionen angewachsen. In der Chefetage gab man sich der berauschenden Vorstellung von einem schier endlos expandierenden Absatzmarkt hin. In einem Artikel, der Anfang Januar 1983 im <i>Wall Street Journal </i>erschien, verkündete Gary Gygax voller Überzeugung: "<i>Sales will continue to almost double in each of the next two years</i>". (7) Niemand im Management besaß wirkliche Erfahrung im Leiten eines solchen Unternehmens. Und alles spricht dafür, dass sie nicht wirklich wussten, wie sie mit den Millionen umgehen sollten, die ihnen urplötzlich zur Verfügung standen. </div><div>Eine Folge davon war das sprunghafte Anwachsen des Design-Teams. Jon Peterson fasst die bei TSR vorherrschende Stimmung in seinem Buch <i>Game Wizards </i>so zusammen: "<i>Why not hire as many as you can, if limitless growth was just around the corner?</i>" (8) Ein Gutteil der "Project Overlord" - Truppe (Hickman, Niles, Grubb) gehörte zu diesem neuen Schub. </div><div>Doch vor allem versuchte TSR, sich geschäftlich weiter aufzufächern. Einige dieser Unternehmungen waren naheliegend: Merchandise und Miniaturen. Andere klingen eher kurios: so der Erwerb der "Greenfield Needlewomen" oder der Versuch, eine D&D - Radioshow auf die Beine zu stellen. Außerdem erwarb TSR das altehrwürdige SFF-Magazin <i>Astounding Stories </i>und übernahm mit SPI ("Simulations Publications, Inc.") eines der Traditionsunternehmen der amerikanischen "Wargaming" - Industrie. <br /></div><div>In diesem Kontext erschien vermutlich selbst ein so ehrgeiziges Projekt wie <i>Dragonlance </i>deutlich weniger spektakulär und riskant, als man annehmen sollte. Tracy Hickman hat <a href="https://mormonartist.net/interviews/tracy-hickman/" target="_blank">einmal</a> erzählt: "<i>We proposed the series to the company
originally as something of a 'stop-gap' measure: it was supposed
to be a project to do until the next 'big thing' came along.</i>" </div><div>Die Ironie besteht darin, dass die "offizielle" Entwicklungsphase von <i>Dragonlance </i>parallel zur hereinbrechenden Krise von TSR verlief, die das Unternehmen in kürzester Zeit an den Rand des Abgrunds brachte. Und am Ende erwies sich die Saga nicht als "<i>'stop-gap' measure</i>", sondern als eines der wenigen zukunftsweisenden Projekte der Ära.</div><div> </div><div>Doch darauf werden wir später noch zurückkommen. Jetzt wollen wir erst einmal einen Blick in TSRs Buchabteilung werfen. Denn mit der mussten Hickman und Johnson ja eine Kooperation beginnen, nachdem "Project Overlord" den Segen der Chefetage erhalten hatte.</div><div>Der allererste D&D-Roman war bereits 1978 bei <i>Athenaeum Press </i>erschienen. Und geschrieben hatte ihn niemand anderes als Andre Norton, nachdem Gary Gygax sie zwei Jahre zuvor zu einer Spielrunde eingeladen hatte. Allerdings ist <i>Quag Keep </i>eher ein Kuriosum und hat nur wenig mit der späteren Flut an Tie-in - Novels zu tun. In dem Roman<a href="https://www.tor.com/2020/01/06/rolled-by-the-dice-in-andre-nortons-quag-keep/" target="_blank"> geht es</a> nämlich um eine Rollenspielgruppe, deren Mitglieder sich in Greyhawk in Gestalt ihrer Figuren wiederfinden und dort Abenteuer erleben. Thematisch hat es also mehr mit Joel Rosenbergs späterer <i>Guardians of the Flame </i>- Reihe (und in gewisser Hinsicht auch mit der D&D - Cartoon - Serie) zu tun. </div><div>Ein Auszug aus <i>Quag Keep </i>war vorab in <a href="https://annarchive.com/files/Drmg012.pdf" target="_blank"><i>Dragon </i>#12</a> (Februar 1978) abgedruckt worden. Auch zuvor schon waren auf den Seiten des Magazins Geschichten namhafter Autoren erschienen. Gardner F. Fox mit seinen Abenteuern des Kriegers Niall "of the Far Travels" überrascht vielleicht nicht wirklich, denn der Gute war ja ein <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2020/10/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">notorischer Vielschreiber</a> in bester Pulp-Tradition. Wirklich bemerkenswert fand ich hingegen, dass hier im <a href="https://www.annarchive.com/files/Drmg011.pdf" target="_blank">Dezember 1977 </a>auch zum allerersten Mal Fritz Leibers Fafhrd & The Grey Mouser - Story <i>Sea Magic </i>erschienen war. Dennoch gab es anfangs keine konkreten Pläne, ins "Literaturgeschäft" einzusteigen, obwohl auch Gygax selbst sich gern als Schriftsteller versuchte.</div><div>Die eigentliche Entstehung von TSR's Buchabteilung ist aufs engste mit den Namen zweier Frauen verbunden: Rose Estes und Jean Black. </div><div>Nach<a href="https://kotaku.com/d-d-wouldn-t-be-what-it-is-today-without-these-women-1796426183" target="_blank"> einer Zeit</a> als "<i>a hippie, a student, a newspaper reporter, and an advertising copy writer</i>" sowie einer gescheiterten Ehe war Rose Estes 1977 mit ihren drei Kindern im ländlichen Wisconsin gelandet. Eher durch Zufall hatte sie einen Marketing-Job bei dem damals noch sehr bescheidenen Unternehmen TSR angenommen. Sie war zwar ein passionierter Fantasy-Fan, wurde aber nie zur Rollenspielerin. Im Zuge ihrer zahlreichen Tätigkeiten war sie auch an der Öffentlichkeitsarbeit beteiligt, mit der TSR ab 1979 auf die hereinbrechende "Satanic Panic" zu reagieren versuchte. Teil dessen war die Gründung eines eigenen "Education Department", das Materialien für den Schulunterricht entwickeln sollte. TSR wollte sich damit als ein besonders "verantwortungsbewusstes" Unternehmen präsentieren, dem "die Zukunft von Amerikas Jugend" am Herzen lag. Über eine gemeinsame Bekannte hatte Estes kurz zuvor Jean Blashfield Black kennengelernt, die äußerst geeignet erschien, diese Abteilung zu führen. Immerhin hatte sie in leitender Position an der Produktion der zwanzigbändigen <i>Young People's Science Encyclopedia </i>(1962) sowie der <i>Enyclopedia of Aviation and Space Sciences </i>– <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Above_and_Beyond:_The_Encyclopedia_of_Aviation_and_Space_Sciences" target="_blank"><i>Above and Beyond </i>(1967)</a> –
mitgewirkt. Dennoch erwies sich das "Education Department" schon bald als eine Totgeburt. Zwar entstanden unter der Ägide von Black und James Ward tatsächlich drei "Abenteuermodule für den Schulunterricht", doch gelang es nicht, diese auch zu vermarkten. Zumal das Management sich weigerte, weitere professionelle Mitarbeiter*innen für das Projekt einzustellen. </div><div>Erneut war es Rose Estes, die Schwung in die Sache brachte. <i></i>Ungefähr zur selben Zeit packte sie nämlich erneut ihre Hippie-Wanderlust. Sie nahm sich den Sommer frei und folgte einem Wanderzirkus durch die Weiten Amerika. In Decorah (Iowa) angekommen, fiel ihr dabei in einem Waschsalon (!) zufällig ein "Choose Your Own Adventure" - Buch in die Hände. "<i>I realized within a few pages, it was
exactly what TSR needed to do to make people understand D&D </i>". Was folgte, schildert Cecilia D'Anastasio in ihrem Artikel <a href="https://kotaku.com/d-d-wouldn-t-be-what-it-is-today-without-these-women-1796426183" target="_blank"><i>Dungeons & Dragons </i>Wouldn't Be What It Is Today Without These Women</a> so:</div><div><i><blockquote>Pushing aside her traveling circus
adventure, Estes and her children drove back to Lake Geneva,
Wisconsin and dropped the book on the desk of the head of sales. He
gave it, and her, no thought for weeks, she said. She continued to
remind him about the book, and he continued to ignore her, until
finally, she remembers, he told her to write it herself if she cared
so much. “I’d never written fiction. But I was so mad – <b>Don’t
tell me I can’t do something</b> – so I did it. I wrote the
book, longhand on legal pads. I took it back and gave it to him.”
Later, after a meeting with a publishing company, Estes’
choose-your-own-adventure book was allegedly touted as an upcoming
product. “The [head of sales] came back and casually dropped a pile
of legal pads on my desk. He said, ‘Write three more.’ So I did.</blockquote></i>Und so entstanden D&D's <i>Endless Quest</i> - Bücher. Die ersten vier, alle von Rose Estes geschrieben, erschienen 1982 und erwiesen sich als ein echter Verkaufsschlager. Die Serie wurde bis 1987 fortgesetzt und umfasste schließlich sechsunddreißig Bände. (9) 1983 entstand außerdem das etwas kuriose Spin-Off <a href="https://www.tor.com/2022/02/14/pick-a-path-to-romance-the-forgotten-1980s-dd-romance-novels/" target="_blank"><i>Heartquest</i></a>, eine Mixtur aus "Choose Your Own Adenture" und Romance Novel, mit der man vor allem ein weibliches Publikum ansprechen wollte. (10)<br /></div><div>Der Erfolg der <i>Endless Quest</i> - Bände führte dazu, dass sich das "Eductation Department" in eine Buchabteilung verwandelte. Und diese erhielt Ende 1982 / Anfang 1983 (?) Zuwachs durch eine neue Editorin. Margaret Weis hatte sich eigentlich für einen Posten als "Games Editor" beworben, aber da ihre bisherige Berufserfahrung nichts mit Spielen, aber dafür um so mehr mit Verlagswesen zu tun hatte, nahm Jean Black sie stattdessen in ihr kleines Team auf. Eine folgenschwere Entscheidung für das weitere Schicksal von <i>Dragonlance</i>.</div><div> </div><div>Geboren und aufgewachsen in Independence (Missouri) hatte Margaret Weis schon von jungen Jahren an davon geträumt, einmal Schriftstellerin zu werden. 1970 machte sie ihren Bachelor - Abschluss in Literatur und "Creative Writing" an der University of Missouri, doch vorerst eröffneten sich ihre keine Möglichkeiten, ihrer wahren Leidenschaft nachzugehen. Sie arbeitete als Korrektorin, dann Lektorin bei einem kleinen Verlag in Kansas City, bis sie 1972 eine Anstellung bei <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Herald_House" target="_blank"><i>Herald House</i></a> im heimatlichen Independence fand. Dort legte sie in den folgenden zehn Jahren eine recht beachtliche Karriere hin. Dabei erhielt sie auch erstmals die Gelegenheit, selbst Bücher zu schreiben. Wenn auch nicht die Romane, die vorerst bloß als Manuskripte in ihrer Schreibtischschublade liegen blieben. Dafür erschienen über die Jahre eine ganze Reihe von Kinder- und Jugendbüchern aus ihrer Feder. Angefangen mit einer Biographie von Jesse und Frank James bis zu Sachbüchern über "<i>computer graphics, robots and the history of Thanksgiving</i>" sowie "<i>an adventure book written at a 2nd-grade reading level (intended for prisoners)</i>". (11) Eine Anzeige im <i>Publisher's Weekly </i>führte sie schließlich zu TSR.</div><div> </div><div>Dort arbeitete Weis anfangs an der <i>Endless Quest </i>- Serie mit und schrieb auch einen eigenen Band (<i>The Endless Catacombs</i>). Doch schon bald wurde es ihre wichtigste Aufgabe, zusammen mit Tracy Hickman eine ungefähre Handlungsstruktur für die geplanten <i>Dragonlance </i>- Romane zu entwickeln. Es dauerte nicht lange und der allgemeine Enthusiasmus, der im Entwicklungsteam von "Project Overlord" herrschte, hatte auch sie gepackt. Wie sie später einmal erzählt hat: <br /></div><div><i></i><blockquote><i>Although I can remember being a bit intimidated by the people on the design team, particularly Michael Williams' red suspenders, Doug Niles's full beard, and Tracy's havit of talking with his feet propped up on the desk, I was soon enthralled with this world these people had created. I moved into Krynn, lock, stock and barrel</i> (12)</blockquote>Ähnlich wie bei Gygax' zeitgleichem Herzensprojekt, dem geplanten D&D - Film, für den James Goldman (<i>The Lion in Winter </i>[1968]; <i>Robin and Marian </i>[1976]) das Drehbuch schreiben sollte, wollte TSR auch für die <i>Dragonlance </i>- Romane anfangs einen namhaften Autor gewinnen, der nach den Vorgaben von Hickman & Weis die eigentlichen Bücher schreiben würde. Wen genau man dabei im Visier hatte, scheint unbekannt zu sein. Dass man damit scheiterte, hatte Margaret Weis <a href="https://web.archive.org/web/20080211083438/http://www.sfcrowsnest.com/sfnews/newsd0102.htm" target="_blank">zufolge</a> hauptsächlich zwei Gründe: "<i>[T]hey couldn't afford it for one, and
for two none of the really big people wanted to write books and
characters they didn't have the copyright on</i>" Dennoch wandte man sich zuerst einmal an einen (oder mehrere?) professionelle(n) Schriftsteller. Doch die Ergebnisse waren unbefriedigend. Hickman und Weis gelangten mehr und mehr zu der Überzeugung, dass es an ihnen sei, die Bücher selbst zu schreiben: .
</div><div><i><blockquote>I worked with Tracy, and the more we
worked with the project, the more it became obvious to us that we
were the people to write the books – mainly because we loved the
game while this other author didn't – plus the fact he wasn't doing
a very good job. So we got together one weekend and wrote the
prologue for the first five chapters of DragonLance.
</blockquote></i>
</div><div>Jean Black zeigte sich beeindruckt von der Leseprobe, die die beiden ihr vorlegten, und so erhielten sie den offiziellen Auftrag, die Romane zu schreiben, die schließlich unter dem Titel <i>Dragonlance: Chronicles </i>erscheinen würden. Der erste Band <i>Dragons of Autumn Twilight </i>entstand parallel zu den entsprechenden Abenteuermodulen und orientiert sich inhaltlich sehr eng an <i>Dragons of Despair </i>(DL1) und <i>Dragons of Flame </i>(DL2). Doch schon bald realisierten Weis und Hickman, dass diese Herangehensweise ihnen nicht nur ein übergroßes Figurenensemble aufzwang, sondern ihnen auch erzählerisch zu große Einschränkungen auferlegte. Weshalb im zweiten Teil <i>Dragons of Winter Night </i>die Heldengruppe aufgespalten wird und der Handlungsverlauf sich stärker vom Inhalt der entsprechenden Module entfernt.</div><div> </div><div>Während das <i>Dragonlance </i>- Team munter an seinem Weltenbau herumbosselte und Weis/Hickman ihrer Saga literarische Gestalt zu verleihen begannen, geriet TSR in eine immer tiefere Krise. Die in Aussicht gestellte alljährliche Verdoppelung der Verkaufszahlen hatte sich rasch als eine euphorische (Selbst)Illusion entpuppt. Viele der im "Jahr des Überschwangs" gestarteten Versuche, sich geschäftlich weiter aufzufächern, erwiesen sich schon bald als Fehlinvestitionen. Gygax' Traum von Hollywood rückte in immer weitere Ferne. Und im Management trieb der Nepotismus zum Teil groteske Blüten. Im Rechnungsjahr 1983 fuhr TSR zum ersten Mal Verluste in Höhe von $69.000 ein. Vor allem aber geriet das Unternehmen in immer größere Abhängigkeit zu den Banken, die es mit den nötigen Krediten versorgten und die auf tiefgreifendene Umstrukturierungen drängten. Es kam zu Umwälzungen in der Chefetage und Massenentlassungen. Zwischen 1983 und 1984 schrumpfte der feste Mitarbeiterstab von 400 auf 167 Angestellte. Das Erscheinungsjahr von <i>Dragonlance</i>, 1984, markierte das zehnjährige Jubiläum von TSR und war zugleich in den Worten von Jon Peterson das "<i>cursed year</i>" des jungen Unternehmens.</div><div> </div><div>Inwieweit dies die Umstände beeinflusste, unter denen die Saga ans Licht der Öffentlichkeit trat, kann ich nicht beurteilen. Fakt ist jedenfalls, dass die Entscheidungsträger in der Konzernleitung dem Projekt, nun da es soweit war, mit großer Skepsis begegneten. Die ursprünglich auf zwölf Module angelegte Kampagne war bereits auf (vorerst) vier eingeschrumpft worden. Wie Doug Niles, der <i>Dragons of Flame </i>geschrieben hatte, <a href="https://grognardia.blogspot.com/2020/10/interview-douglas-niles-part-ii.html" target="_blank">berichtet</a>: "<i>I think the company wanted a plan so
they could kill the module line after four adventures if it fizzled
out.</i>"<i> </i>DL4 (<i>Dragons of Desolation) </i>war als vorläufiges Finale angelegt, mit dem die eigentliche Saga zwar nicht beendet, den Spieler*innen aber ein befriedigender Abschluss geboten wurde. Das Roman-Projekt wurde mit mindestens ebenso großer Vorsicht, wenn nicht offenem Misstrauen, gehandhabt. Margaret Weis<a href="https://web.archive.org/web/20080211083438/http://www.sfcrowsnest.com/sfnews/newsd0102.htm" target="_blank"> erzählt</a>: "<i>All we got were people continually
telling us it would fail, so in the end TSR only wanted to print
30,000 copies – but the minimum print run they could do was 50,000,
and they had to settle for the larger run.</i>"</div><div>Entsprechend zurückhaltend gestaltete sich auch die offizielle PR. Im Januar und Februar 1984 erschienen unscheinbare, kleine Anzeigen im <i>Dragon Magazine</i>, die aus nicht viel mehr als dem <i>Dragonlance </i>- Logo und dem Schriftzug "<i>coming soon!</i>" bestanden. In der <a href="https://annarchive.com/files/Drmg083.pdf" target="_blank">Märzausgabe</a> wurde dann Margaret Weis' Kurzgeschichte <i>The Test of the Twins </i>abgedruckt. Dem folgte im April eine einseitige farbige Anzeige, die Clyde Caldwells Cover-Illustraton für das inzwischen erschienene Modul <i>Dragons of Despair</i> zeigte. Im <a href="https://annarchive.com/files/Drmg085.pdf" target="_blank">Mai</a>, dem Erscheinungsmonat von <i>Dragons of Flame</i>, gab es schließlich noch Roger E. Moores Story <i>A Stone's Throw Away</i>, mit der der Leserschaft die neue "Rasse" der Kender vorgestellt wurde. Danach wurde es erst einmal wieder still um die Saga, bis im <a href="https://annarchive.com/files/Drmg091.pdf" target="_blank">November</a> ein längerer Beitrag im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von <i>Dragons of Autumn Twilight </i>erschien. Doch <i>Chronicles: a novel idea </i>beschäftigt sich hauptsächlich mit der Frage, was DMs und Spieler*innen für ihre Kampagne aus den Romanen beziehen könnten und wirkt deshalb beinahe wie ein "Rechtfertigungsversuch" für deren Existenz.<br /></div><div>Wie schon während der Entwicklungsphase war es auch jetzt vor allem der Enthusiasmus des Teams, der Schwung in die Sache brachte. Mit der Gründung der "Weis and Hickman Traveling Road Show" startete man unabhängig vom Management eine eigene PR-Kampagne, die vor allem aus dramatisierten Lesungen bestand:</div><div><i></i><blockquote><i>They enlisted the help of some friends, including Terry Phillips, whose whispery, raspy version of Raistlin Majere inspired the authors' portrait of the mage. Gary Pack played Tanis, Doug Niles was Flint, Tracy was Fizban the Fabulous, Laura Curtis </i>[Hickman] <i>played Bupu and Tika, and Harold Johnson portrayed Sturm Brightblade. Janet Pack was drawn in to play Tasslehoff, and other people were grabbed as they became available. </i>(13)<i> </i></blockquote><i> </i>Den vorläufigen Höhepunkt bildete die GenCon im August 1984. Die hauseigene Convention in Wisconsin war traditionell der Ort, an dem TSR einem breiteren Publikum seine Neuerscheinungen präsentierte. In diesem Jahr wirkte sie dabei in Jon Petersons Worten wie eine Vorwegnahme dessen, "<i>what a post-Gygax TSR might look like</i>" (14). Bewusst geplant war das wohl nicht, auch wenn es symptomatisch erscheint, dass Gygax zu keiner der offiziellen Verantstaltungen als Gast eingeladen worden war. Aber im Rückblick wirken so Sachen wie Ed Greenwoods Spielrunde "<i>Into the Forgotten Realms</i>" und das "<i>Dragonlance Interactive Theater</i>" in der Tat wie Zeichen eines Zeitenwandels.</div><div> </div>Das folgende Jahr sah die Veröffentlichung des ersten <a href="https://ddocentral.com/2020/01/11/1985-dragonlance-calendar/ " target="_blank"><i>Dragonlance </i>- Kalenders</a><i>, </i>der zweiten Charge an Modulen (DL6 - DL10) sowie des Rests der <i>Chronicles</i> - Trilogie, <i>Dragons of Winter Night </i>(April) und <i>Dragons of Spring Dawning </i>(November). Das Projekt hatte sich sehr schnell als voller Erfolg erwiesen und ebnete den Weg für eine der wichtigsten (und profitabelsten) künftigen Entwicklungen TSRs. Um noch einmal <i>Game Wizards </i>zu zitieren: "<i>If the company showed any fresh promise in this diffuclt times, the move into fantsy novels, ones with tie-ins to the gaming portfolio, was probably it.</i>" (15) Die <i>Chronicles </i>verkauften sich so gut, dass Weis und Hickman umgehend an das Schreiben einer zweiten Trilogie, der <i>Legends</i>, gehen konnten, deren Bände im Verlaufe des nächsten Jahres erscheinen würden. Bis 1987 sollen sich die Bücher insgesamt zwei Millionen Mal verkauft haben. (16)<br /><div> </div><div>Der Erfolg der <i>Dragonlance </i>- Romane und der mächtige Impuls, der damit der weiteren Entwicklung von TSR's Buchabteilung gegeben wurde, führte erst einmal dazu, dass Gary Gygax sich einen lange gehegten Wunsch erfüllen und sein Debüt als Romanautor feiern konnte. Aber die Umstände, unter denen das geschah, sahen sicher anders aus, als er sich das vorgestellt hatte. Im Oktober 1985 erschien <i>Saga of Old City </i>als erster Teil einer <i>Greyhawk Adventures </i>- Buchreihe. Am 22. desselben Monats trat jene schicksalshafte Vorstandssitzung zusammen, in deren Verlauf Lorraine Williams, die Gygax zur Rettung des Unternehmens an Bord geholt hatte, überraschend offenlegte, dass sie sich hinter dessen Rücken die Mehrheit der Anteile gesichert hatte. Gygax verlor seinen Führungsposten und (für immer) die Kontrolle über D&D. Ein Jahr später verließ er TSR.</div><div><br /></div><div>Wenn wir versuchen wollen, <i>Dragonlance </i>im Kontext der amerikanischen Fantasyliteratur (und ihrer Rückwirkung auf D&D) einzuordnen, ist ein kurzer Blick in Gygax' ersten Roman recht erhellend. Denn obwohl <i>Saga of Old City </i>sein Erscheinen im Grunde den <i>Chronicles</i> verdankte, verkörpert das Buch in gewisser Weise eine ältere Entwicklungsstufe.</div><div>Gygax hatte schon seit längerem mit der Idee gespielt, einen eigenen Roman zu schreiben. Und Gord the Rogue, der Held von <i>Saga of Old City </i>(und einer ganzen Reihe weiterer Bücher), war zwischenzeitlich sogar mal als Protagonist für ein Filmprojekt der DDEC (17) im Gespräch gewesen. Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich um einen nachgerade archetypischen Sword & Sorcery - Helden. Gord ist ein Gauner aus den Slums von Greyhawk City, der erst zum erfolgreichen Meisterdieb, dann zum epischen Heroen aufsteigt. Im Vorwort zu seiner in <a href="https://annarchive.com/files/Drmg095.pdf" target="_blank"><i>Dragon </i>#100 </a>(August 1985) veröffentlichten Kurzgeschichte <i>At Moonset Blackcat Comes </i>gesteht Gygax ganz offen ein, dass Gord und sein barbarischer Kumpel Chert mehr als nur ein bisschen dem Vorbild von "<i>Fritz Leiber's famous characters Fafhrd and the Gray Mouser</i>" verdanken. Dies war die Spielart der Fantasy, auf der D&D ursprünglich in erster Linie beruht hatte. Schon das Vorwort zur <a href="https://archive.org/details/dndbook1/page/3/mode/2up?view=theater" target="_blank">allerersten Ausgabe</a> des Regelwerks (1974) erwähnte als Vorbilder neben Leiber "<i>Burroughs' Martian adventures</i>", "<i>Howard's Conan saga</i>" und "<i>the de Camp and Pratt fantasies</i>". Tolkien hingegen wurde nicht genannt. Bis einschließlich Nr #27 (Juli 1979) wurde <i>Dragon </i>als "<i>The Magazine of Fantasy, Sword & Sorcery, and Science Fiction Game Playing</i>" verkauft. Und noch die Einleitung zum <i><a href="https://archive.org/details/tsr02011advanceddungeonsdragonsadd1steddungeonmastersguide/page/n7/mode/1up?view=theater" target="_blank">Dungeon Masters Guide</a> </i>(1979)<i> </i>bezeichnet AD&D ausdrücklich als "<i>sword & sorcery role playing gaming</i>". Darin spiegelte sich etwas von Gygax' persönlichen Vorlieben wieder. Wie er in einem in <a href="https://annarchive.com/files/Drmg095.pdf" target="_blank"><i>Dragon </i>#95</a> (März 1985)<i> </i>erschienenen Artikel über seine prägenden Leseerlebnisse erzählt:</div><div><i><blockquote>Somewhere I came across a story by
Robert E. Howard, an early taste of the elixir of fantasy to which I
rapidly became addicted. Even now I vividly recall my first perusal
of <b>Conan the Conqueror</b>, Howard's only full-length novel. After I
finished reading that piece of sword & sorcery literature for the
first time, my concepts of adventure were never quite the same again.
</blockquote></i></div><div>In einem <a href="http://archives.theonering.net/features/interviews/gary_gygax.html" target="_blank">Interview</a> mit <i>TheOneRing </i>bezeichnete er sich als "<i>a Swords & Sorcery novel fan from
way back – I read my first Conan yarn about 1948, was a fan and
collector of the pulp SF and fantasy magazines since 1950</i>". </div><div>Doch natürlich war er damit nicht allein. Als Kyle Gray in ihrem Artikel <i>Points to ponder </i>(<a href="https://www.annarchive.com/files/Drmg039.pdf" target="_blank"><i>Dragon </i>#39 [Juli 1980]</a>) Beispiele
für schwertschwingende Heldinnen aus der Fantasyliteratur aufzählte,
griff sie dabei sicher nicht zufällig ausschließlich auf die S&S zurück: Jirel
of Joiry, Dark Agnes, Red Sonja sowie "<i>Roland Green's Gwyanna of his Wandor series</i>". Kein Wort von <span>Éowyn<i>. </i></span>Soweit meine beschränkten Kenntnisse mir erlauben, darüber ein Urteil abzugeben, scheint der Geist der Pulp-Phantastik in einem Gutteil des frühen D&D sehr präsent gewesen zu sein. Ein besonders schönes Beispiel dafür sind die drei Module von Tom Moldvay, die 1981/82 erschienen, und die ich gerne als sein "Pulp-Trio" bezeichne. Sie alle greifen sehr deutlich auf entsprechende Motive zurück: <i>The Isle of Dread </i>(zusammen mit David "Zeb" Cook geschrieben) enthält viel <i>Lost World </i>und <i>King Kong </i>(inklusive Dinos); <i>The Lost City </i>bedient sich bei Robert E. Howards Conan-Stories <i>The Slithering Shadow </i>& <i>Red Nails</i> und besitzt außerdem einen cthulhuiden Monstergott; <i>Castle Amber </i>schließlich quillt über vor literarischen Bezügen, vor allem auf Clark Ashton Smiths Averoigne-Geschichten und das Werk Edgar Allan Poes. (18) Moldvay war 1979 von seinem Freund Lawrence Schick an Bord geholt worden, nachdem dieser die Leitung von TSRs neu gegründetem Design Department übernommen hatte. Seit den Mitt - 70ern hatten die beiden eine eigene Kampagnenwelt entwickelt, die in abgewandelter Form nun mit dem Expertenset von 1981 zur "Known World" von D&D wurde (später Mystara genannt). Wie man <a href="https://www.blackgate.com/2015/02/07/the-known-world-dd-setting-a-secret-history/" target="_blank">diesem Artikel </a>von Schick und <a href="http://adventuresingaming2.blogspot.com/search/label/Lawrence%20Schick" target="_blank">diesen Q&As </a>entnehmen kann, ließen sie sich dabei u.a. von Howards Hyborian Age und Lovecrafts Cthulhu-Mythos inspirieren.<br /></div><div>Abgesehen von den persönlichen Vorlieben einzelner Autoren und Designer, entsprach dies auch dem allgemeineren Bild der amerikanischen Fantasy der 70er Jahre. Trotz der Tolkienbegeisterung der späten 60er war die Sword & Sorcery eindeutig das dominierende Subgenre. Parallel dazu erlebten eine ganze Reihe alter Pulp-Autor*innen ein Revival. Das änderte sich sehr deutlich im darauffolgenden Jahrzehnt. Der High Fantasy - Boom begann zwar schon 1977 mit der Veröffentlichung von Terry Brooks' <i>Sword of Shannara</i>, aber es dauerte eine Reihe von Jahren, bis er sich allgemein durchsetzte. </div><div> </div><div>Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Gygax' Artikel <i>The Influence of J.R.R. Tolkien on the D&D and AD&D games </i>mehrere Monate nach der Veröffentlichung von <i>Dragons of Autumn Twilight </i>erschien. In ihm erklärte er, dass der <i>Lord of the Rings </i>keinen signifikanten Einfluss auf die Entstehung von D&D gehabt habe, und erklärte alle tolkienschen Versatzstücke, die dennoch ihren Weg in das Regelwerk gefunden hatten, mit Marketinggründen: </div><div><i></i><blockquote><i>The seeming parallels and inspirations
are actually the results of a studied effort to capitalize on the
then-current craze for Tolkien's literature. Frankly, to attract
those readers – and often at the urging of persons who were
playing prototypical forms of D&D games – I used certain
names and attributes in a superficial manner, merely to get their
attention!</i> </blockquote></div><div>Der Artikel endet mit der apodiktischen Erklärung: "<i>[I]t is well nigh impossible to recreate any Tolkien-based fantasy while remaining within the boundaries of the game system.</i>" Doch <i>Dragonlance </i>war<i> </i>im Grunde genau das! RPG-Kampagne wie Romane stellten in gewisser Weise die Anpassung von D&D an den High Fantasy - Boom der 80er Jahre dar. Zur selben Zeit versuchte TSR zwar auch noch mit Modulen wie <i>Conan Unchained! </i>(1984) und <i>Conan Against Darkness! </i>(1984) sowie dem<i> Conan</i> - RPG (1985) von David Cook an den Erfolg von John Milius' <i>Conan the Barbarian </i>(1982) anzuknüpfen, aber die Zukunft lag eindeutig in Krynn.</div><div><i> </i></div><div>Und mit Tracy Hickman hatte man genau den richtigen Mann, um diese Wende in die Wege zu leiten. Dieser besitzt nämlich eine sehr spezielle, stark von seinen religiösen Überzeugungen geprägte Sicht auf das Genre. Für ihn <a href="https://mormonartist.net/interviews/tracy-hickman/" target="_blank">ist</a> Fantasy "<i>a moral medium</i>". Was genau er darunter versteht, wird deutlich, wenn man seinen Essay <i><a href="https://web.archive.org/web/20051205014213/http://www.trhickman.com/Intel/Essays/Ethic3.html" target="_blank">Ethics in Fantasy: Morality in D&D</a> </i>liest, eine sehr eigene Antwort auf die Satanic Panic der 80er Jahre. Dort teilt er die phantastische Literatur in drei Kategorien ein. Cyberpunk sei "<i>clearly counter-moral</i>" mit seiner "<i>depressing view of society and the future</i>". Das Subgenre findet deshalb keine Gnade unter seinem strengen Auge. Die Science Fiction im allgemeinen steht in der Mitte. Sie bezeichnet er als "<i>amoral</i>", da sie sowohl eine anti-moralische als auch eine moralische Sichtweise zum Ausdruck bringen könne. Doch sein Favorit ist eindeutig die Fantasy, denn ihr genuines Thema sei der Kampf zwischen Gut und Böse und damit eine klare moralische Einteilung der Welt. Natürlich meint er damit vor allem die High Fantasy –
oder "<i>epic fantasy</i>" wie er sich ausdrückt.</div><div><i><blockquote>Fantasy [...] and particularly epic
fantasy has traditionally dealt with the conflicts of good and evil
in fairly clear terms. Theirs little doubt about who's wearing the
white hats in the <b>Lord of the Rings</b>.
</blockquote></i>Die Sword & Sorcery mit ihren nicht selten etwas anrüchigen Held*innen bewegte sich hingegen von Anfang an eher in einer moralischen Grauzone.</div><div> <i> </i>
<i> </i> <br /></div>Da die Protagonist*innen der <i>Chronicles </i>zugleich als Spielercharaktere in einer D&D - Kampagne fungierten, entsprechen sie nicht unbedingt den üblichen Konventionen der High Fantasy. Das gilt vor allem für die Kerntruppe der "Innfellows" –
den grummeligen alten Zwerg Flint Fireforge, die ungleichen Zwillingsbrüder Caramon und Raistlin Majere, den stets frohgemuten Tasslehoff Burrfoot, den altmodisch-"ritterlichen" Sturm Brightblade und den nur zögerlich seine Anführerrolle akzeptierenden Tanis Half-Elven. Als wanderlustige Abenteurer, von denen sich einige zwischenzeitlich auch schon mal als Söldner verdingt haben, besitzen sie beinahe so etwas wie eine "Sword & Sorcery - Vergangenheit". Schankmädchen Tika gehört gleichfalls zu dieser Kategorie. Allerdings fällt auf, dass der obligatorische "Dieb" der Gruppe (schließlich sollten alle Charakterklassen vertreten sein), kein Gauner und Halunke ist, sondern der Kender Tas (in der deutschen Übersetzung Tolpan), Angehöriger eines Volkes, das von unzähmbarer Neugier getrieben ständig irgendwelche intereressanten Gegenstände "mitgehen" lässt, ohne dabei das Gefühl zu haben, einen Diebstahl zu begehen. Auch wenn dieses Verhalten hauptsächlich dazu dient, irgendwelche "humorvollen" Verwicklungen zu initiieren, scheint mir seine "Unschuld" außerdem ein hilfreicher Kniff zu sein, damit die Figur nicht mit der "moralischen Ordnung" der Erzählung in Konflikt gerät. (19) Denn nicht nur gesellen sich der Gruppe bald schon Figuren wie die "Barbarenprinzessin" (und von den Göttern auserwählte) Goldmoon und ihr Geliebter Riverwind sowie die aristokratischen Elfen Laurana und Gilthanas hinzu. Unsere Held*innen finden sich außerdem sehr rasch in einen gewaltigen Krieg zwischen den Mächten des Guten und des Bösen verwickelt, in dem ihnen eine zentrale Rolle zukommt und von dessern Ausgang das Schicksal der Welt abhängt. Immerhin sind nicht nur die Drachen, die seit langem nur noch als Gestalten aus Sage und Mythos galten, nach Krynn zurückgekehrt. Takhisis, Königin der Finsternis und höchste Göttin des Pantheons des "Bösen", hat vor, die Welt in körperlicher Form zu betreten und dort persönlich ihre Herrschaft aufzurichten.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Zwar existiert in der Welt von <i>Dragonlance </i>das eigentümliche Ideal eines "Gleichgewichts zwischen Gut und Böse" (20). Und selbst in den <i>Chronicles </i>ist die moralische Einteilung der Welt nicht völlig simplistisch. So besitzen auch die "guten" Völker ihre Schattenseiten. Sei es die quasi-kolonialistische Manier, in der die "zvilisierten" Elfenvölker von Qualinesti und Silvanesti auf ihre "wilden" Verwandten –
die Kaganesti –
herabschauen. Oder der verbohrte Adelsstolz der Ritter von Solamnia. Dennoch entspricht die Trilogie im Kern sehr gut Hickmans Vorstellungen von der "<i>epic fantasy</i>". <br /></div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Nun hege ich schon seit längerem den Verdacht, dass der High Fantasy - Boom
der 80er Jahre in vielem ein Rückschritt war und darin allgemeinere gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegelte. Um diese
These wirklich
belegen zu können, müsste ich freilich erst einmal sehr viel mehr epische Fantasy
der Zeit lesen. Und das wird mit ziemlicher Sicherheit nie geschehen. Ich bewege mich hier also auf extrem unsicherem Boden. Dennoch dachte ich mir, es könnte interessant sein, einige meiner dahingehenden Gedanken, soweit sie mit D&D und <i>Dragonlance </i>zu tun haben, hier kurz auszuführen.<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Die 80er Jahre waren eine Ära der allgemeinen Reaktion. Dem Niedergang der rebellischen Massenbewegungen der 60er/70er und einer Reihe militanter Klassenkämpfe folgte der Gegenangriff der herrschenden Elite an allen Fronten –
ökonomisch, politisch, ideologisch, kulturell. Dazu gehörte auch der Aufstieg des christlichen Fundamentalismus zu einer politisch einflussreichen Kraft. </div><div style="text-align: justify;">Die Satanic Panic war eine der Formen, in denen dies zum Ausdruck gelangte. Das wurde selbst in Rollenspielerkreisen registriert. Im November 1984 erschien ein Kommentar in <i>Alarums & Excursions</i>, in dem es hieß: "<i>With <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Jerry_Falwell" target="_blank">Jerry Falwell</a> now whispering in Ronny's </i>(Reagans) <i>ear, we might be seeing more of this. Stay tuned.</i>" (21) Anlass war die Neuveröffentlichung von <i>Deities and Demigods </i>unter dem "neutraleren" Titel <i>Legends and Lore</i>, wobei man zudem das leicht psychedelische Originalcover von Erol Otis durch ein High Fantasy - mäßiges Jeff Easley - Gemälde von Odin ersetzt hatte. Der Kommentator war nicht der einzige, der darin einen Kniefall vor "<i>Moral Majority</i>" und ähnlichen Gruppen sah.</div></div><div style="text-align: justify;">Mein Eindruck ist, dass TSR sich dem konservativen Geist der Reagan-Ära ganz allgemein rasch und relativ widerstandslos anpasste. <a href="https://shaneplays.com/rpg-history-tsr-code-of-ethics-dd-comics-code-authority-rules/" target="_blank">Offenbar</a> stellte man bereits in den frühen 80ern eine Liste von Selbstzensur-Regeln auf, die sich eng an denen des berüchtigten Comics Code orientierten. Spätestens ab 1984 enthielt dieser "Code of Ethics" wohl auch folgende Punkte:</div><div style="text-align: justify;">
<p style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></p><blockquote><i>3: Agents of Law Enforcement: Agents
of law enforcement (constables, policemen, judges, government
officials, and respected institutions) should not be depicted in such
a way as to create disrespect for current established
authorities/social values. When such an agent is depicted as corrupt,
the example must be expressed as an exception and the "culprit" should
ultimately be "brought to justice".<br /><br />4: Crime and Criminals: Crimes shall not be presented in such ways as to
promote distrust of law enforcement agents/agencies or to inspire
others with the desire to imitate criminals. Crime should be depicted
as a sordid and unpleasant activity. Criminals should not be
presented in glamorous circumstances. Player character thieves are
constantly encouraged to act towards the common good.</i></blockquote><p></p><div>Ähnliche Klauseln, die die herrschende Ordnung vor jeder Form von Kritik schützten, hatten schon in Hollywoods <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Hays_Code" target="_blank">Hays Code</a> der 30er Jahre gestanden. </div><div>Allem Anschein nach wurden diese Regeln nie besonders strikt durchgesetzt (und bewahrten D&D selbstredend auch nicht vor dem Zorn konservativer Moralapostel). Aber ihre bloße Existenz ist denk ich vielsagend. Vor allem wenn man zum Vergleich einen Blick nach Großbritannien wirft. Denn wie auch immer man die spätere Entwicklung von <i>Warhammer </i>beurteilen mag, in seinen Anfängen besaß das Spiel ohne Zweifel einen satirisch-subversiven Zug und enthielt kaum verhüllte Spitzen gegen das Thatcher-Regime und gegen alles, was die Eiserne Lady verkörperte<i>. </i>Nicht nur hier zeigen sich TSR und <i>Games Workshop </i>als sehr gegensätzlich. (22)<br /></div><div style="text-align: justify;">Offen politischen Ausdruck fand TSRs Anpassung freilich selten. Das einzige mir bekannte Beispiel ist die <i>Desert Master </i>- Minikampagne. David "Zeb" Cooks Module <i>Master of the Desert Nomads </i>und <i>Temple of Death </i>(1983) sind zwar noch in erster Linie von der alten Pulp-Ästhetik geprägt. Doch das Szenario eines großen Krieges zwischen der Republik Darokin und den wilden und fanatisierten Horden aus der Wüste lässt bereits unverkennbar an das propagandistische Bild der Bedrohung aus dem "Nahen Osten" denken. Und in Michael Dobsons <i>Red Arrow, Black Shield </i>(1985) finden sich dann <a href="https://grognardia.blogspot.com/2011/05/hosadus-and-alrethus.html" target="_blank">Illustrationen der Oberbösewichter Hosadus und Alrethus</a>, die sich ohne Probleme als Karrikaturen von Ayatollah Khomeini<i> </i>und Oberst Gaddafi identifizieren lassen.<i> </i> <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Nichts dergleichen findet sich in der ursprünglichen<i> Dragonlance </i>- Saga. Dennoch würde ich behaupten, dass sich die Wende hin zur High Fantasy, die mit Kampagne und Romanen vollzogen wurde, zumindest sehr gut in diesen Anpassungsprozess einfügte. Nicht zufällig lautete Punkt 1 des "Code of Ethics":</div></div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>Good vs. Evil: </i><i>Evil shall never be portrayed in an attractive light and shall be used
only as a foe to illustrate a moral issue. All product shall focus on
the struggle of "good versus injustice and evil", casting the protagonist
as an "agent of right." </i></blockquote><i></i></div><div><div style="text-align: justify;">Dazu passte Tracy Hickmans Vorstellung von der Fantasy als "<i>moral medium</i>" wie die Faust aufs Auge.<br /></div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Aber was ist mit seiner Co-Autorin? Auch wenn Hickman die Grundidee für die Saga gehabt hatte, war Margaret Weis doch seine ebenbürtige Partnerin, als es daran ging, <i>Dragonlance </i>wirklich zum Leben zu erwecken. Hier wird es etwas schwierig. Hickman macht <a href="https://bookspotcentral.com/interview-margaret-weis-tracy-hickman-dragonlance/" target="_blank">keinen Hehl</a> daraus, eine "<i>deeply religious person</i>"
zu sein, dessen schriftstellerisches Werk stark von seinem Glauben
beeinflusst ist. Von Weis habe ich vergleichbare Aussagen über ihre Weltanschauung nicht finden können. Allerdings ist es schon auffällig, dass <i>Herald House</i>, der Verlag bei dem sie
gearbeitet hatte, bevor sie zu TSR stieß, Eigentum der "Community of Christ " ist, einer Art mormonischen Konfession, die nicht der Hauptkirche angehört. Und auf jedenfall war auch für sie der <i>Lord of the Rings </i>das definierende Vorbild eines Fantasyromans:</div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>I read Tolkien when it made its first
big sweep in the colleges back in 1966. Agirlfriend of mine gave me
copy of the books while I was in summer school at MU. I literally
couldn’t put them down! I never found any other fantasy I liked,
and just never read any fantasy after Tolkien.</i> (23)<br /></blockquote><i></i>
</div><div style="text-align: justify;">Dennoch ist es vielleicht kein Zufall, dass die moralisch ambivalenteste Figur der Saga, der Zauberer Raistlin, im Grunde ihre Schöpfung war: "<i>[W]hen I first read what little there was about Raistlin in the design team's sourcebook, I knew he was mine.</i>" Sie machte ihn zum "<i>tragic anti-hero; the man who will be finally consumed by his
fatal flaw -- his thirst for power</i>". Doch zugleich wollte sie erreichen, dass die Leser*innen Empathie für ihn empfinden. "<i>I wanted people to
understand him, to even identify with him</i>"<i>. </i>(24) Ob sie dabei das strikte Gut-Böse-Schema tatsächlich sprengte, ist Ansichtssache. Auf jedenfall schuf sie mit Raistlin die wohl interessanteste Figur der Saga. Und mit der Beziehung zwischen ihm und seinem Zwillingsbruder Caramon eines ihrer originellsten Motive. Schon in <i>The Test of the Twins</i>, der allerersten <i>Dragonlance </i>- Story, die das Publikum zu lesen bekam, geht es um sie:<br /></div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>Although twins; the two brothers could
not have been more different. Raistlin, frail and sickly magician and
scholar, pondered this difference frequently. They were one whole man
split in two: Caramon the body, Raistlin the mind. As such, the two
needed and depended on each other far more than other brothers. But,
in some ways, it was an unwholesome dependence, for it was as if each
was incomplete without the other. At least, this was how it seemed to
Raistlin. He bitterly resented whatever gods had played such a trick
which cursed him with a weak body when he longed for mastery over
others. He was thankful that, at least, he had been granted the
skills of a magician. It gave him the power he craved. These skills
almost made him the equal of his brother.
</i><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>Caramon – strong and muscular, a born
fighter – always laughed heartily whenever Raistlin discussed their
differences. Caramon enjoyed being his „little“ brother's
protector. But, although he was very fond of Raistlin, Caramon pitied
his weaker twin. Unfortunately, Caramon had a tendency to express his
brotherly concern in unthoughtful ways. He often let his pity show,
not realizing it was like a knife twisting in his brother's soul.
</i></div></blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div>
</div><p style="text-align: justify;">Es mag nicht die eleganteste Art sein, in der Margaret Weis diese Beziehung hier einführt. Und in Nuancen würde das Verhältnis der beiden Brüder sich später auch noch verändern. Dennoch überrascht es nicht, dass die zweite Trilogie <i>Dragonlance: Legends </i>das Brüderpaar ganz ins Zentrum rückt. Oder doch zumindest diesen Anschein erweckt, wenn man sich die Titel (<i>Time of the Twins </i>- <i>War of the Twins </i>- <i>Test of the Twins</i>) und die ursprünglichen <a href="https://free4kwallpapers.com/uploads/originals/2017/01/09/dragonlance-legends-trilogy-covers--larry-elmore-wallpaper.jpg" target="_blank">Larry Elmore - Cover </a>anschaut.</p><p style="text-align: justify;"> <span style="font-size: medium;"> <span style="font-size: large;"><b>* * *</b></span></span></p><p style="text-align: justify;">Der <a href="https://fragmentansichten.com/2023/02/24/klassiker-reread-drachenlanze-4-7/" target="_blank">erste Teil</a> unseres Gespräches über diese Bücher wird nächsten Freitag auf Alessandras Blog <i>FragmentAnsichten </i>erscheinen. Zuvor wird es aber noch zwei weitere "Begleitartikel" geben. Am Montag werde ich ein paar der mormonischen Motive, die sich vor allem in den <i>Chronicles </i>finden, etwas genauer <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2023/02/klassiker-reread-die-legenden-der_20.html" target="_blank">unter die Lupe nehmen</a>. Denn wie inzwischen klar sein sollte, spielten Tracy Hickmans religiöse Überzeugungen eine wichtige Rolle für die "moralische Ordnung" der ursprünglichen Saga. Allerdings sollte der damit verbundene strikte Gut-Böse-Dualismus in der weiteren Entwicklung des Franchises eine Relativierung erfahren. Worauf Alessandra, die da sehr viel belesener ist als ich, dann am Mittwoch in ihrem Beitrag<a href="https://fragmentansichten.com/2023/02/22/kanonenfutter-mit-identitatskrise-die-drakonier/" target="_blank"> <i>Kanonenfutter mit Identitätskrise </i><i>–</i></a><i><a href="https://fragmentansichten.com/2023/02/22/kanonenfutter-mit-identitatskrise-die-drakonier/" target="_blank"> Die Drakonier</a> </i>eingehen wird. <i><br /></i></p><p style="text-align: justify;"> <br /></p><p> </p><p style="text-align: justify;">(1) Peter Archer schreibt in <i>30 Years of Adventure</i> dies sei bereits "<i>before he went abroad</i>" geschehen. Aber das klingt unglaubwürdig und scheint auch einem Interview in <a href="https://annarchive.com/files/Drmg120.pdf" target="_blank"><i>Dragon </i>#120</a> (April 1987) zu widersprechen, in dem Tracy Hickman erzählt, wie er eines Abends eher zufällig in Lauras Spielgruppe hineingestolpert sei, woraufhin sie ihm "<i>the blue Basic set</i>" zum Geburtstag geschenkt habe. <a href="https://www.polygon.com/2016/1/18/10777502/d-ds-ravenloft-returns-with-the-help-of-its-original-creators" target="_blank">Diesem Artikel</a> zufolge geschah dies denn auch 1978, ein Jahr nach dem Erscheinen der "blauen Box".<br /></p><p style="text-align: justify;">(2) Peter Archer: <i>Dragonlance</i>. In: <i>30 Years of Adventure: A Celebration of Dungeons & Dragons. </i>S. 66. </p><p style="text-align: justify;">(3) Mary Kirchoff: <i>The Art of the Dragonlance Saga</i>. S. 8.</p><p style="text-align: justify;">(4) <i>30 Years of Adventure</i>. S. 65.</p><p style="text-align: justify;">(5) Zit. nach: Mary Kirchoff: <i>The Art of the Dragonlance Saga</i>. S. 8/9.</p><p style="text-align: justify;">(6) Zit. nach: Ebd. S. 9. Die vier Ölgemälde enthalten einige interessante Details. So hat Kitiara noch langes blondes Haar. Vermutlich wurde dies später verändert, um den Gegensatz zu Laurana, die hier noch gar nicht auftaucht, hervorzuheben. Der Schmied Theros Ironfeld, der zu einer der ganz wenigen schwarzen Figuren der Ursprungssaga werden sollte, erscheint noch als alter weißer Mann. Flint Fireforge trägt bunte Dandyklamotten. Und vielleicht am erstaunlichsten: Tanis Half-Elven gehörte offenbar nicht zu den ursprünglichen Hauptfiguren! Drei der Gemälde kann man sich <a href="https://twitter.com/YoDanno/status/1623382801000144898" target="_blank">hier</a> anschauen. <br /></p><p style="text-align: justify;">(7) Zit. nach: Jon Peterson: <i>Game Wizards. The Epic Battle for Dungeons & Dragons</i>. S. 251.</p><p style="text-align: justify;">(8) Ebd. S. 234. <br /></p><p style="text-align: justify;">(9) Insgesamt schrieb Estes neun dieser Bücher, die in den 80er Jahren auch alle in deutscher Übersetzung bei <i>Bertelsmann </i>erschienen sind. <i>Die Rache der Regenbogendrachen </i>und <i>Die Säulen von Pentegarn </i>müssten hier sogar irgendwo noch rumfliegen ...</p><p style="text-align: justify;">(10) Estes verließ TSR 1983, nachdem man ihr verweigert hatte, eine zuvor versprochene Option auf den Erwerb einiger Unternehmensanteile wahrzunehmen. Ein Jahr später verklagte sie die Firma. Dennoch würde sie ab 1987 noch ganze fünf <i>Greyhawk Adventures </i>- Romane für deren Buchabteilung schreiben.<br /></p><p style="text-align: justify;">(11) TSR Profiles (Margaret Weis). In: <a href="https://annarchive.com/files/Drmg243.pdf" target="_blank"><i>Dragon </i>#243</a> (Januar 1998). S. 120. <br /></p><p style="text-align: justify;">(12) Zit. nach: Mary Kirchoff: <i>The Art of the Dragonlance Saga</i>.S. 12. </p><p style="text-align: justify;">(13) Peter Archer: <i>Dragonlance</i>. In: <i>30 Years of Adventure</i>. S, 72/74.</p><p style="text-align: justify;">(14) Jon Peterson: <i>Game Wizards.</i> S. 280.</p><p style="text-align: justify;">(15) Ebd. S. 283.</p><p style="text-align: justify;">(16) Vgl.: TSR Profiles (Tracy Hickman). In: <a href="https://annarchive.com/files/Drmg120.pdf" target="_blank"><i>Dragon </i>#120</a> (April 1987). Ein Jahr später verließen die beiden TSR. Margaret Weis hat die Gründe dafür einmal so <a href="https://web.archive.org/web/20080211083438/http://www.sfcrowsnest.com/sfnews/newsd0102.htm" target="_blank">beschrieben</a>: "<i>TSR has a theory there will be no
stars. It's not like we felt that suddenly we had become such a
wonderful success that they should treat us well. It was simply that
with all their writers and artists, they had a pool of many wonderful
creative people they could have promoted for the company's benefit.
But instead they took great pleasure in beating you down and
constantly telling you that anybody could have done this, that TSR
could have picked up anybody off the street and got them to write the
same book or paint an almost identical cover.</i>" Als ihr gemeinsames <i>Darksword </i>- Projekt abgelehnt wurde und man ihnen bei <i>Bantam Books </i>für dasselbe ein verführerisches Angebot machte, gab es keinen Grund mehr zu bleiben. </p><p style="text-align: justify;">(17) <i>Dungeons and Dragons Entertainment Corporation</i>, der 1983 gegründete Arm von TSR, der für Film- und Fernsehproduktionen verantwortlich war und sich unter Gygax' persönlicher Führung in Hollywood etablierte.</p><p style="text-align: justify;">(18) Über <i>Castle Amber </i>habe ich vor sechs Jahren <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2017/01/ein-besuch-in-chateau-damberville.html" target="_blank">hier</a> schon einmal was geschrieben.<br /></p><p style="text-align: justify;">(19) Was nicht heißt, dass ich glauben würde, die Kender-Rasse und die Figur des Tas seien bewusst aus diesem Grund geschaffen worden. Die Kender sind in erster Linie ein Hobbit/Halbling - Ersatz, da das Design-Team zu heftige Tolkienanleihen vermeiden wollte. Und offenbar hatten sie alle furchtbar viel Spaß mit Tas. Na ja, ich schätze, man muss nicht alles verstehen können ... </p><p style="text-align: justify;">(20) Bei dieser erneuten Beschäftigung mit <i>Dragonlance </i>ist mir die
Idee eines Gleichgewichts ehrlich gesagt immer unverständlicher geworden.
In einer Welt wie dem moorcock'schen Multiversum, in der sich mit Chaos
und Ordnung (Law) unterschiedliche Philosophien und keine moralischen
Prinzipien gegenüberstehen, wäre ein solches Ideal für mich einleuchtend. Aber
das ist hier ja nicht der Fall. Wenn "böse" wirklich böse bedeutet (Gewalt, Unterdrückung, Grausamkeit etc.), finde ich es schwer nachvollziehbar, was das positive an einer solchen "Balance" sein soll. </p><p style="text-align: justify;">(21) Zit. nach: Jon Peterson: <i>Game Wizards.</i> S. 282.</p><p style="text-align: justify;">(22) Irgendwann möchte ich mich unter diesem Blickwinkel mal etwas genauer mit der britischen Szene der 80er Jahre beschäftigen <i>–</i> und dann nicht nur mit <i>Games Workshop</i>. Doch dafür bräuchte es erst noch mal ein gerüttelt Maß an Recherche-Arbeit.</p><p style="text-align: justify;">(23) TSR Profiles (Margaret Weis). In:<a href="https://annarchive.com/files/Drmg120.pdf" target="_blank"><i> Dragon </i>#120</a> (April 1987) </p><p style="text-align: justify;">(24) Zit. nach: Mary Kirchoff: <i>The Art of the Dragonlance Saga</i>. S. 47/48.</p></div>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-57766704134801791142023-01-08T10:42:00.001-08:002023-01-08T10:50:19.549-08:00 Strandgut<ul style="text-align: left;"><li>A Podcast to the Curious: <a href="https://www.mrjamespodcast.com/2022/12/episode-92-randalls-round-by-eleanor-scott/" title="Episode 92 – Randalls Round by Eleanor Scott"><i>Randalls Round </i>by Eleanor Scott</a></li><li>A Podcast to the Curious: <a href="https://www.mrjamespodcast.com/2023/01/episode-93-count-magnus-awakens/" target="_blank"><i>Count Magnus </i>Awakens</a><span class="the_article"></span></li><li>SFFaudio Podcast: <a href="https://www.sffaudio.com/the-sffaudio-podcast-715-readalong-the-long-tomorrow-by-leigh-brackett/" rel="bookmark"><i>The Long Tomorrow</i> by Leigh Brackett</a> </li><li>SFFaudio Podcast: <a href="https://www.sffaudio.com/the-sffaudio-podcast-714-readalong-orphans-of-the-sky-by-robert-a-heinlein/" rel="bookmark"><i>Orphans Of The Sky</i> by Robert A. Heinlein</a></li><li>SFFaudio Podcast: <a href="https://www.sffaudio.com/the-sffaudio-podcast-712-readalong-strawberry-spring-by-stephen-king/" rel="bookmark"><i>Strawberry Spring</i> by Stephen King</a> </li><li>Lovecraft eZine Videocast:<a href="https://www.youtube.com/watch?v=YSqtWsZDBCY&t=4301s" target="_blank"> Ellen Datlow </a><br /></li><li>Mega City Book Club:<i> <a href="https://megacitybookclub.blogspot.com/2022/12/209-dr-mesmers-revenge.html">Dr. Mesmer's Revenge</a></i></li><li>Mega City Book Club: <i><a href="https://megacitybookclub.blogspot.com/2022/12/210-league-of-extraordinary-gentlemen.html">The League Of Extraordinary Gentlemen</a></i> </li><li>Cult Connections: <a href="https://open.spotify.com/episode/465ULZFg6e1VldCsywCMiO?si=8kEziRtBTtGBznmYbCP2ng&nd=1" target="_blank">Edgar Wallace: Giant of Cinema</a><i><a href="https://open.spotify.com/episode/465ULZFg6e1VldCsywCMiO?si=8kEziRtBTtGBznmYbCP2ng&nd=1" target="_blank"> </a></i></li><li>The Folklore Podcast: <a href="http://www.thefolklorepodcast.com/episode-121.html" target="_blank">English Folktales (with Neil Philip) </a><br /></li><li>The Cromcast:<a href="http://thecromcast.blogspot.com/2022/12/season-17-episode-3-pulp-weirdos.html" target="_blank"> Pulp Weirdos!</a> & <a href="http://thecromcast.blogspot.com/2022/12/season-17-episode-4-robert-e-howards.html">Robert E. Howard's Poetry Pals</a></li><li>Appendix N Book Club: <a href="https://appendixnbookclub.com/2022/12/26/episode-131-p-djeli-clarks-a-master-of-djinn-with-special-guest-maxwell-lander/" rel="bookmark">P. Djèlí Clark’s <i>A Master of Djinn </i>with special guest Maxwell Lander</a></li><li>The Great Derelict: <a class="read_more" data-iframe-id="embed_25423956" href="https://greatderelict.libsyn.com/a-look-back-at-andor">A look back at <i>Andor</i></a> </li><li>The Twilight Zone Podcast: <a class="summary-title-link" href="https://www.thetwilightzonepodcast.com/episodes/bill-mumy">Bill Mumy Interview</a></li><li>From the Great Library of Dreams:<i> </i><a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/12/from-great-library-of-dreams-068-holly.html"><i>Holly</i> by Marc Damian Lawler</a> </li><li>From the Great Library of Dreams: <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/12/from-great-library-of-dreams-069-water.html"><i>The Water Ghost of Harrowby Hall</i> by John Kendrick Bangs</a> </li><li>From the Great Library of Dreams: <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/12/from-great-library-of-dreams-070-all.html"><i>All Through the House</i> by Jim Moon</a></li><li>Hypnogoria:<b> </b><a href="https://hypnogoria.blogspot.com/search/label/Oldtime%20Yuletide%20Advent%20Calendar" target="_blank">The Oldtime Yuletide Advent Calendar</a> </li><li>NUTS4R2 bespricht <i><a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/12/dont-open-til-christmas.html">Don’t Open ‘Til Christmas</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/12/the-dark-side-of-christmas.html">The Dark Side Of Christmas</a> *<a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/12/silent-night.html"> Silent Night</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/12/the-its-wonderful-life-book.html">The It's A Wonderful Life Book</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/12/demonic-christmas-tree.html">Demonic Christmas Tree</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/12/alvin-and-his-pals-in-merry-christmas.html">Alvin And His Pals In Merry Christmas Dell Giant</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/12/christmas-bloody-christmas.html">Christmas Bloody Christmas</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/12/hudson-hawk.html">Hudson Hawk</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/12/troll.html">Troll</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/12/the-case-of-lucky-legs.html">The Case Of The Lucky Legs</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2023/01/pleasure.html">Pleasure</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2023/01/livid.html">Livid</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2023/01/sabata.html">Sabata</a> </i> </li><li>NUTS4R2's <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/12/2022-favourite-movies.html">2022 Favourite Movies</a> </li><li>Movies Silently: <a href="https://moviessilently.com/2022/12/12/the-first-auto-1927-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>The First Auto </i>(1927) A Silent Film Review</a> von Fritzi Kramer</li><li>Movies Silently: <a href="https://moviessilently.com/2022/12/19/betsy-ross-1917-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>Betsy Ross</i> (1917) A Silent Film Review</a></li><li>Movies Silently: <a href="https://moviessilently.com/2022/12/26/kean-1910-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>Kean</i> (1910) A Silent Film Review</a> </li><li>Movies Silently:<i> </i><a href="https://moviessilently.com/2023/01/01/something-good-1898-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>Something Good (</i>1898) A Silent Film Review</a> </li><li>Hallo, hier spricht ... <a href="https://krimifilm.blogspot.com/2022/12/ann-smyrner-03-nov-1934-29-aug-2016.html">Ann Smyrner (03 Nov 1934 - 29 Aug 2016)</a> & <a href="https://krimifilm.blogspot.com/2022/12/tim-bergfelder-international-adventures.html">Tim Bergfelder: <i>International Adventures</i></a><i> </i>von Holger Haase<i> </i> </li><li>The Reprobate: <a href="https://reprobatepress.com/2023/01/05/the-absurd-world-of-joe-damato/" target="_blank">The Absurd World Of Joe D’Amato </a>von David Flint</li><li>The Reprobate: <a href="https://reprobatepress.com/2022/12/13/the-magnificent-melodrama-of-vittorio-di-sicas-sunflower/" target="_blank">The Magnificent Melodrama Of Vittorio de Sica’s <i>Sunflower</i></a></li><li>Cinematic Catharsis: <i><a href="http://cinematiccatharsis.blogspot.com/2022/12/burden-of-dreams.html">Burden of Dreams</a> </i>* <a href="http://cinematiccatharsis.blogspot.com/2022/12/documentary-december-quick-picks-and.html">Documentary December Quick Picks and Pans</a><i> </i> </li><li>The Last Drive In: <a href="https://thelastdrivein.com/2022/11/17/31-flavors-of-noir-on-the-fringe-to-lure-you-in-part-3/#more-63465" target="_blank">31 Flavors of Noir on the Fringe to Lure you in! Part 3</a> </li><li>The Last Drive In: <a href="https://thelastdrivein.com/2023/01/07/what-a-character-11th-annual-blogathon-2023-elisha-cook-jr-like-it-says-in-the-newspaper-im-a-bad-boy/" target="_blank">Elisha Cook Jr. – Like it says in the newspaper I’m a bad boy</a></li><li>Fangoria: <a href="https://www.fangoria.com/original/a-guide-to-hong-kong-category-iii-shockers-leading-ladies/" target="_blank">A Guide To Hong Kong Category III Shockers: Leading Ladies </a>von Simon Abrams
</li><li>Ghouls Ghouls Ghouls: <a href="https://www.ghoulsmagazine.com/articles/happy-death-day-franchise-grieving-process" target="_blank">The <i>Happy Death Day</i> films and the Grieving Process</a> von Reyna Cervantes</li><li>Ghouls Ghouls Ghouls: <a href="https://www.ghoulsmagazine.com/articles/the-danger-silence-the-woman-in-black-1989" target="_blank">"Dreadful, Mad Hunger”: The Danger of Silence in <i>The Woman In Black</i> (1989)</a> von Caitlyn Downs<br /></li><li>CrimeReads: <a href="https://crimereads.com/mr-inbetween/" target="_blank"><i>Mr. Inbetween</i>: It's Time to Appreciate the Genius of This Very Australian Noir</a> von Andrew Nette</li><li>Scifist 2.0: <i><a href="https://scifist.net/2023/01/05/the-beast-of-hollow-mountain/" rel="bookmark">The Beast of Hollow Mountain </a></i></li><li>Once Upon A Screen: <a href="https://aurorasginjoint.com/2023/01/07/edna-may-oliver-she-had-a-long-face-and-she-stuck-it-where-she-wanted/" rel="bookmark">Edna May Oliver: She Had a Long Face and She Stuck It Where She Wanted</a></li><li>Ellsworth's Cinema of Swords: <a href="https://www.blackgate.com/2022/12/23/ellsworths-cinema-of-swords-samurai-stocking-stuffers/" rel="bookmark">Samurai Stocking Stuffers</a> </li><li>FragmentAnsichten: <a href="https://fragmentansichten.com/2023/01/07/coming-of-age-mit-lauernden-monstern/" rel="bookmark">Coming of Age mit lauernden Monstern</a> von Alessandra Reß</li><li>FragmentAnsichten: <a href="https://fragmentansichten.com/2022/12/26/kulturelles-flimmern-2022/" rel="bookmark">Kulturelles Flimmern 2022</a> & <a href="https://fragmentansichten.com/2022/12/30/random-7-gelesene-bucher-2022-part-2/" rel="bookmark">[Random 7] Gelesene Bücher 2022, Part 2</a> </li><li>Deep Cuts in a Lovecraftian Vein: <a href="https://deepcuts.blog/2022/12/21/deeper-cut-spirits-of-bigotry-past-present-h-p-lovecraft-j-k-rowling/" rel="bookmark">Deeper Cut: Spirits of Bigotry Past & Present: H. P. Lovecraft & J. K. Rowling</a> von Bobby Derie </li><li>Deep Cuts in a Lovecraftian Vein: <a href="https://deepcuts.blog/2022/12/31/her-letters-to-lovecraft-bernice-nette-leach-barlow/" rel="bookmark">Her Letters To Lovecraft: Bernice Nette (Leach) Barlow</a> </li><li>Deep Cuts in a Lovecraftian Vein: <a href="https://deepcuts.blog/2022/12/10/satans-servants-1949-by-robert-bloch/" rel="bookmark"><i>Satan’s Servants</i> (1949) by Robert Bloch</a> *<i> </i><a href="https://deepcuts.blog/2022/12/17/last-rites-for-a-dead-druid-1972-by-alvin-sapinsley/" rel="bookmark"><i>Last Rites for a Dead Druid </i>(1972) by Alvin Sapinsley</a> * <a href="https://deepcuts.blog/2022/12/24/the-day-of-the-stranger-1947-by-novalyne-price-ellis/" rel="bookmark"><i>The Day of the Stranger</i> (1947) by Novalyne Price Ellis</a> *<i> </i><a href="https://deepcuts.blog/2023/01/07/the-old-ones-reborn-2007-by-erin-donahoe/" rel="bookmark"><i>The Old Ones Reborn</i> (2007) by Erin Donahoe</a></li><li>Strange Horizons: <a href="http://strangehorizons.com/non-fiction/the-myriad-drumbeats-of-afrofuturism-who-is-an-afrofuturist-answers-from-african-francophone-authors/">The Myriad Drumbeats of Afrofuturism: Who is an Afrofuturist? Answers from (African) Francophone Authors</a></li><li>Cambridge University Library Special Collections: <a href="https://specialcollections-blog.lib.cam.ac.uk/?p=24166" rel="bookmark">A New Year’s Eve Ghost Story</a></li><li>Nightmare Magazine: <a href="https://www.nightmare-magazine.com/nonfiction/the-h-word-a-celebration-of-sonic-horror/">The H Word: A Celebration of Sonic Horror</a> von Eric Raglin </li><li>Dark Worlds: <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/the-fantastic-in-the-argosy-1940/" rel="bookmark">The Fantastic in the <i>Argosy</i>: 1940</a> * <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/the-fantastic-in-the-argosy-1941-and-beyond/" rel="bookmark">1941 and Beyond </a> </li><li>Dark Worlds: <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/giant-and-killer-insects-in-the-pulps-ii/" rel="bookmark">Giant and Killer Insects in the Pulps II </a></li><li>Apex Magazine: <a href="https://apex-magazine.com/interviews-2/interview-with-artist-andrew-mcintosh/">Interview with Artist Andrew McIntosh </a> </li><li>Apex Magazine: <a href="https://apex-magazine.com/interviews-2/interview-with-author-isabel-j-kim/">Interview with Author Isabel J. Kim </a></li><li>Clarkesworld Magazine: <a href="https://clarkesworldmagazine.com/hoffman_interview_2023">Pausing to Think: A Conversation with Ada Hoffman</a></li><li>Clarkesworld Magazine: <a href="https://clarkesworldmagazine.com/mcauley_interview_2023">Relentless Curiosity: A Conversation with Paul McAuley</a></li><li>Black Gate: <a href="https://www.blackgate.com/2023/01/05/the-worlds-greatest-paranormal-investigatoremhellboyem-by-mike-mignola-and-sundry-hands/" rel="bookmark">The World’s Greatest Paranormal Investigator:<i>Hellboy</i> by Mike Mignola and Sundry Hands</a> von Fletcher Vredenburgh <br /></li><li>Dark Worlds: <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/monsters-unleashed-hidden-sword-sorcery/" rel="bookmark"><i>Monsters Unleashed</i> – Hidden Sword & Sorcery </a> </li><li>Dark Worlds: <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/sword-sorcery-at-warren-part-1-the-1960s/" rel="bookmark">Sword & Sorcery at <i>Warren </i>– Part 1: The 1960s</a> * <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/sword-sorcery-at-warren-part-2-1970/" rel="bookmark">Part 2: 1970</a> * <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/sword-sorcery-at-warren-part-3-1971/" rel="bookmark">Part 3: 1971 </a> </li><li>Attack of the 50 Year Old Comic Books:<i> </i><a href="https://50yearoldcomics.com/2022/12/24/tomb-of-dracula-7-march-1973/" rel="bookmark"><i>Tomb of Dracula </i>#7 (March, 1973)</a></li><li>Attack of the 50 Year Old Comic Books:<i> </i><a href="https://50yearoldcomics.com/2022/12/31/sword-of-sorcery-1-february-1973/" rel="bookmark"><i>Sword of Sorcery</i> #1 (February, 1973)</a> </li><li>DMR Books: <a href="https://dmrbooks.com/test-blog/2023/1/6/wayne-barlowe-delights-both-infernal-and-supernal" id="yui_3_17_2_1_1673189634241_833">Wayne Barlowe: Delights Both Infernal and Supernal</a></li><li>Black Gate: <a href="https://www.blackgate.com/2022/12/28/luis-royo-and-emrealms-of-fantasyem/" target="_blank">The Fantastic Realms of Luis Royo </a>von John O'Neill<br /></li><li>Black Gate: <a href="https://www.blackgate.com/2022/12/21/the-return-of-emlone-wolfem-by-joe-dever/" rel="bookmark">The Return of <i>Lone Wolf</i> by Joe Dever</a> </li><li>Myth & Moor: <span class="entry-title"><a href="https://www.terriwindling.com/blog/2022/12/the-folklore-of-winter.html">The folklore of winter</a> von Terri Windling <br /></span></li><li>CrimeReads: <a href="https://crimereads.com/the-most-glamorous-gang-in-london-history/" target="_blank">The Most Glamorous Gang in London History </a>von Beezy Marsh<br /></li><li>Skeptical Inquirer: <a href="https://skepticalinquirer.org/2022/12/analysis-of-an-arthur-ford-seance/" target="_blank">Analysis of an Arthur Ford Séance</a> von Loren Pankratz</li><li>Skeptical Inquirer: <a href="https://skepticalinquirer.org/2022/12/the-case-of-the-devils-baby-of-ravenswood/" target="_blank">The Case of the Devil’s Baby of Ravenswood </a>von Daniel A. Reed<br /></li></ul>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-63650859802069572402023-01-07T08:54:00.010-08:002023-01-08T03:11:44.512-08:00Auf Abwegen zum Palast der Silberprinzessin<div style="text-align: justify;">Im Zuge der Recherche zu einem anderen Projekt und während der damit verbundenen Lektüre von Jon Petersons <i>Game Wizards</i>, das mir die liebe Alessandra von <i><a href="https://fragmentansichten.com/" target="_blank">FragmentAnsichten</a> </i>zum letzten Geburtstag geschenkt hatte, stieß ich vor einiger Zeit auf folgende kurze Passage, die mich augenblicklich aufhorchen ließ:<br /></div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>It did not help that Jean Wells was sidelined around this time </i>[März 1980] <i>due to an incident involving the module <b>Palace of the Silver Princess</b>, which was notoriously pulped due to objectionable content. Apart from some sexually charged imagery, it also contained an Erol Otus drawing with numerous company in-jokes and perhaps caricatures of certain TSR executives.</i> (1)<br /></blockquote>Die Frühgeschichte von D&D war bislang weitgehend Terra Incognita für mich gewesen. Aber ich konnte mich aus den 80er Jahren an die Existenz eines Moduls mit dem Titel <i><a href="https://www.dnddeutsch.de/wp-content/uploads/2019/04/gr-b3-1st.jpg" target="_blank">Palast der Silberprinzessin</a> </i>erinnern. Selber besessen hatte ich das Heft zwar nie, dennoch machte das die Sache irgendwie noch spannender: Eine ältere Version dieses Abenteuers war also wegen "<i>objectionable content</i>" eingestampft worden? Wie genau hatte dieser Inhalt ausgesehen? Unter welchen Umständen war es zu dieser radikalen Entscheidung gekommen? Und war es bloß ein Zufall, dass <i>Palace of the Silver Princess </i>zugleich das erste von TSR veröffentlichte D&D-Modul war, das von einer Frau geschrieben worden war? Und dass Jean Wells danach nie wieder als Autorin in Erscheinung trat? Fragen über Fragen und Grund genug, sich mal wieder auf Recherche-Abwege zu begeben.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Wo beginnen? Hmm ... hier vielleicht ...<br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Im April 1979 verkündete Gary Gygax in #24 von <i>Dragon Magazine</i> die Gründung von TSR's Design Department. Im Zuge dessen seien zwei neue Mitarbeiter*innen zum Team gestoßen. Lawrence Schick und Jean Wells. Gygax kommentierte: "<i>Jean Wells is now on the staff in order to give the game material with a feminine viewpont -- after all, at least 10% of the players are female!</i>" (2) <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Fünf Jahre zuvor hatte er noch deutlich andere Töne angeschlagen. Nach dem Erscheinen der allerersten Version von D&D im Sommer 1974 hatte Jim Dakpus in seiner Rezension des Regelwerks nämlich beklagt, dass das Erwürfeln und Spielen weiblicher Figuren darin de facto nicht vorgesehen war. Nicht zufällig trug der erste Band den Titel <a href="https://archive.org/details/dndbook1" target="_blank"><i>Men & Magic</i></a>. Blättert man ein bisschen darin herum, stößt man auf folgenden Absatz: <br /></div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>There is no reason that players cannot
be allowed to play as virtually anything, provided they begin
relatively weak and work up to the top, i.e., a player wishing to be
a Dragon would have to begin as let us say, a "young" one
and progress upwards in the usual manner, steps being predetermined
by the campaign referee.</blockquote></i>
</div><div><div style="text-align: justify;">Gygax und Dave Arneson hielten es wohl für wahrscheinlicher, dass irgendwer einen Drachen spielen wollte als eine Kriegerin oder Zauberin. Und die cartoonhaften Zeichnungen einer "beautiful witch" und einer barbusigen Amazone in hochhackigen Stiefeln, die man in dem selben Heftchen findet, dürften auch kaum dem Ziel gedient haben, ein weibliches Publikum anzusprechen.</div><div style="text-align: justify;">Als Dakpus noch einmal nachhakte, ließ die <a href="https://medium.com/@increment/the-first-female-gamers-c784fbe3ff37" target="_blank">Reaktion</a> an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: </div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>I asked Gary what women’s libbers think of the situation, and he told me
that he will bend to their demands when a member of the opposite sex
buys a copy of <b><i class="jx">Dungeons & Dragons</i></b>!</blockquote></i> </div><div style="text-align: justify;">War das bloß Ausdruck sexistischer Vorurteile oder hatte Gygax guten Grund anzunehmen, dass D&D nie irgendwelche Käuferinnen finden würde? Und wenn letzteres tatsächlich der Fall war, was änderte sich zwischen 1974 und 1979?</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><i>Dungeons & Dragons </i>entstand in einem sehr spezifischen Milieu -- dem der "Wargames" - Enthusiasten. (3) Die Wurzeln dieser Spiele, bei denen die Teilnehmer in die Rolle militärischer Befehlshaber schlüpfen und ganze Armeen gegeneinander in die Schlacht schicken, reichen bis ins frühe 19. Jahrhundert (und *natürlich* nach Preußen) zurück. 1913 erschien H.G. Wells' Regelwerk <i><a href="https://www.gutenberg.org/ebooks/3691" target="_blank">Little Wars</a></i> und in den 40er Jahren unterhielt sich der New Yorker Kreis um SFF-Autor Fletcher Pratt mit dessen "Naval Wargames". Zu einer eigenen, über Clubs, Conventions und Fanzines vernetzten Szene wurden die "Wargamer" in den späten 50er und den 60er Jahren, wobei das von Marktführer <i>Avalon Hill </i>herausgegebene Magazin <i>The General </i>eine wichtige Rolle spielte. Wie Jon Peterson in seinem Artikel <a href="https://medium.com/@increment/the-first-female-gamers-c784fbe3ff37" target="_blank"><i>The First Female Gamers</i></a><i> </i>detailliert dalegt, bestand diese Community, von wenigen Ausnahmen abgesehen, beinah ausschließlich aus Männern. Umfragen aus den frühen 70er Jahren scheinen zu belegen, dass Frauen gerade einmal 0,5% des Fandoms ausmachten. Dafür gab es sicher eine Reihe von Gründen, aber eigentlich finde ich es nicht so erstaunlich bei einem Hobby, das derart stark in den klassisch "männlichen" Traditionen des Militarismus verankert war, </div><div style="text-align: justify;">Dies war das Umfeld, aus dem heraus D&D geboren wurde. Gygax und
Arneson waren passionierte "Wargamer" und gut venetzt in der Szene. Die von Gygax 1968 ins Leben gerufene GenCon ("Geneva Convention") war zu Beginn ganz "Wargames" und Miniaturen gewidmet. <i>Chainmail</i>, ein Regelwerk für mittelalterliche Schlachten, war die
Grundlage, auf der die ersten RPG-Szenarien aufbauten. Selbst der Name TSR ("Tactical Studies Rules") verrät deutlich den ursprünglichen Hintergrund. Und auf dem Cover der allerersten Ausgabe von D&D konnte man lesen: "<i>Rules for Fantastic Medieval Wargames Campaigns Playable with Paper and Pencil and Miniature Figures</i>". Der Begriff "Role Playing Game" würde sich erst etwas später durchsetzen.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Es versteht sich von selbst, dass das neue Spiel seine Käufer zu Beginn beinah ausschließlich unter alteingesessenen "Wargamern" fand. Dennoch gab es schon früh <a href="https://medium.com/@increment/the-first-female-gamers-c784fbe3ff37" target="_blank">Anzeichen</a> dafür, dass es größeren Anklang unter Spielerinnen fand als andere Produkte. Wirklich entscheidend war jedoch, dass D&D schon bald Zugang zu einer anderen Szene erhielt -- der der SF- und Fantasyfans (sowie der aus ihr hervorgegangenen "Society for Creative Anachronism"). Diese war zwar sicher auch kein egalitäres Utopia, aber auf jedenfall sehr viel diverser als die "Wargamer" - Community. Frauen bildeten zwar eine Minderheit, hatten aber von Beginn an eine wichtige Rolle in ihr gespielt. </div><div style="text-align: justify;">Ein besonders schönes Beispiel dafür ist die <a href="https://www.rpg.net/columns/advanced-designers-and-dragons/advanced-designers-and-dragons4.phtml" target="_blank">Entwicklung,</a> die Lee Gold zu "<i>the industry's first female star</i>" und "<i>one of the ten or so most important people in the roleplaying field</i>" der 70er Jahre machte. Es war der alte "Wargamer" Mark Swanson, der 1974 als erster die Kunde von D&D nach Los Angeles trug. Doch erst als Owen und Hilda Hannifen von San Francisco kommend das Regelwerk mitbrachten und ein paar Spielrunden organisierten, sprang der Funke wirklich über und erfasste signifikante Teile des dortigen SFF-Fandoms. </div><div style="text-align: justify;">Der altehrwürdigen LASFS ("Los Angeles Science Fantasy Society") hatten schon in den 30er/40er
Jahren so bedeutende "Femme-Fans" der ersten Stunde wie
Myrtle R. Douglas ("Morojo"), Mary ("Pogo") Gray und "Tigrina" (Edythe
Eyde) angehört. Und nachdem Hilda Hannifen in <i>APA-L</i>, der Fanzine des Clubs, Artikel über ihre D&D - Runden zu veröffentlichen begann, gehörten weibliche Fans wie June Moffatt und Bjo Trimble zu den ersten, die ihr Interesse an dem neuen Spiel <a href="https://medium.com/@increment/the-first-female-gamers-c784fbe3ff37" target="_blank">bekundeten</a>. Ihre enthusiastischsten Konvertiten fanden die Hannifens allerdings in <a href="http://grognardia.blogspot.com/2009/04/interview-with-lee-gold.html" target="_blank">Lee</a> und Barry Gold: <br /></div><div style="text-align: justify;"><blockquote> <i>My husband and I were fascinated, and they lent us a photocopy
of the rules, on seeing us write a check to TSR to order our own copy,
so we wouldn't have to wait till the rules arrived (in a brown box) from
TSR.</i></blockquote><i></i></div><div style="text-align: justify;">Schon bald füllten sich die Seiten von <i>APA-L </i>mehr und mehr mit Lee Golds D&D - Berichten, was bei nicht-infizierten Fans wie dem einflussreichen Bruce Pelz schließlich zu einiger Irritation führte. Und so beschloss sie, ein eigenes, ausschließlich dem Rollenspiel gewidmetes Magazin zu veröffentlichen. Im Juni 1975 erschien die erste Nummer von <i>Alarums & Excursions</i>. TSRs hauseigener <i>Dragon </i>würde erst ein Jahr später an den Start gehen. Das Magazin erfreute sich rasch eines beträchtlichen Ansehens in der jungen Szene und viele ihrer namenhafte Größen trugen über die nächsten Jahre Gastbeiträge zu ihm bei.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Zur selben Zeit wie die erste Ausgabe von <i>Dragon </i>erschien außerdem <i>The Dungeoneer</i>. Jennell Jaquays lebte und schrieb damals freilich noch als Paul -- ihr Transitioning würde erst Jahrzehnte später stattfinden. (4) In der zweiten Nummer des Fanzines erschien Jaquays' Artikel <i>Those Lovely Ladies</i>, der sich mit weiblichen Spielercharakteren in D&D beschäftigte. Die Art, in der dies geschah, scheint ziemlich typisch für die frühe Szene gewesen zu sein, rief aber auch umgehend Kritik hervor. Um Jon Peterson zu zitieren:</div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>“Those Lovely Ladies” reinvented the Fighting-man, Magic-user, and
Cleric classes for women as “Valkyries,” “Circeans” and “Daughters of
Delphi,” respectively. It [...] awarded women a
blanket Charisma bonus, though the Charisma of women suffered if their
Strength was too high. This piece too received pushback from a female
reader, Judith Preissle Goetz, who concedes that “women have higher
charisma as far as men are generally concerned,” but observes, ”you have
ignored the complementary phenomena that men have higher charisma as
far as most women are concerned.” She also takes exception to the notion
that high Strength would render a woman unattractive, noting that
“female athletes are often more sought after than other women."</blockquote></i>Ein noch sehr viel krasseres Beispiel dafür, wie auf gut sexistische Manier "körperliche Attraktivität" zu einem zentralen Attribut für weibliche Spielercharaktere gemacht wurde, ist Lenard Lakofkas einen Monat später in <a href="https://www.annarchive.com/files/Drmg003.pdf" target="_blank"><i>Dragon </i>#3</a> neu abgedruckter Artikel <i>Notes on Women & Magic</i>. (5) Dort wird für Kriegerinnen, Diebinnen und Zauberkundige "Charisma" gleich ganz durch "Beauty" ersetzt. Abhängig davon erhalten sie außerdem die besonderen "Fertigkeiten" "Seduce" und "Charm Men"! Der Tenor des Ganzen zeigt sich recht unverhüllt in den neuen "Stufen-Titeln" für Diebinnen: "<i>Wench - Hag - Jade - Succubus</i>" ... Daneben dekretierte der Artikel außerdem einen maximalen "Strength"-Wert für weibliche Charaktere, der deutlich unter dem männlicher lag. </div><div style="text-align: justify;">Der Beitrag rief wütende Reaktionen im Fandom hervor. In <i>Alarums & Excursions </i>erschien eine Karrikatur, in der eine Gruppe von Abenteurerinnen Lakofka, Gygax und <i>Dragon </i>- Herausgeber Tim Kask "in effigy" aufknüpften, und Kay Jones verlieh ihrer Empörung in folgenden <a href="https://medium.com/@increment/the-first-female-gamers-c784fbe3ff37" target="_blank">Versen </a>Ausdruck: <div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div><blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div><blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>A verse for Len Lakofka, who’s earned
the name of nerd,</i></div><i>
</i><div style="margin-bottom: 0cm;"><i><a name="2400"></a>For rules changes
both chauvinist and patently absurd</i></div><i>
</i><div style="margin-bottom: 0cm;"><i><a name="2fed"></a>And Kask, the man
who published it, why earn your way to fame,</i></div><i>
</i><div style="margin-bottom: 0cm;"><i><a name="c68c"></a>By publicly
insulting all the players of the game?</i></div></blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div></blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;"><i>The Dungeoneer </i>war außerdem Pionier im Herausgeben vorgefertigter Abenteuerszenarien. (6) Auch das ein Bereich, in dem sich schon früh eine ganze Reihe von Frauen tummelten, wenn auch meistens als Co-Autorinnen. Um <a href="https://www.rpg.net/columns/advanced-designers-and-dragons/advanced-designers-and-dragons4.phtml" target="_blank">einige Beispiele </a>zu nennen: Judith Kerestan war Co-Autorin von <i>Palace of the Vampire Queen </i>(1976) und <i>The Misty Isles </i>(1977), herausgegeben von <i>Wee Warriors</i>; Laurie Van De Graaf von <i>Quest for the Fazzlewood </i>(1978), herausgegeben von <i>Metro Detroit Gamers</i>, und Laura Hickman von <i>Rahasia </i>(1979) und <i>Pharaoh </i>(1980), herausgegeben von <i>DayStar West Media</i>.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Das erste kommerziell veröffentlichte Abenteuer, das ausschließlich den Namen einer Autorin auf dem Cover trug, war Lillian "Lee" Russells <i>Labyrinth </i>(1978), das dritte Solo-Abenteuer für <i>Tunnels & Trolls</i>. Ken St. Andres bei <i>Flying Buffalo </i>veröffentlichte Rollenspiel war der erste "Nachahmer", der sich nach D&D zu etablieren vermochte. Es führte nicht nur das Konzept des Solo-Abenteuers ein (und gab damit den direkten Anstoß zur späteren Entstehung der <i>Fighting Fantasy </i>- Spielbücher), sondern schlug von Beginn an auch einen humorvolleren Ton an als D&D. Als 1978 die erste Nummer des hauseigenen Magazins <i>Sorcerer's Apprentice </i>erschien, schrieb St. Andre im Editorial: <br /></div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i><b></b></i><blockquote><i><b>Sorcerer’s Apprentice</b> will attempt to
carry the T&T philosophy of FRP gaming to a wider audience:
namely that role-playing is fun. <b>Dungeons & Dragons</b>, despite its
inherent silliness (especially in monster names and types), has
somehow taken on the quasi-serious aspects of a religion.</i> (7)</blockquote></div></div><div style="text-align: justify;">
</div><div style="text-align: justify;">Die eigentliche prägende Kraft hinter dem Magazin war allerdings Co-Herausgeberin Liz Danforth. Sie war auch für die 1979 herausgegebene fünfte überarbeitete Fassung von <i>Tunnels & Trolls </i>und damit für die Form des Regelwerks verantwortlich, die für lange Zeit die defintive blieb.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Das mag kein erschöpfender Überblick sein, aber ich denke, er reicht aus, um einen ungefähren Eindruck von den Entwicklungen im frühen RPG-Fandom zu vermitteln. Aber auch wenn Frauen dort von Anfang an eine merklich größere Rolle spielten als in der alten "Wargamer" - Community, heißt dass natürlich nicht, dass sie immer willkommen gewesen wären. Zuerst einmal bildeten sie trotz allem eine kleine Minderheit. Wie Liz Danforth einmal in einem <a href="https://grognardia.blogspot.com/2009/04/interview-with-liz-danforth-part-i.html" target="_blank">Interview </a>erzählt hat:</div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>My first Origins (Convention) -- which was about 1976, near as I can recall -- it
seemed like every guy on the hall was staring at my chest. I was damn
near the only female in the place. No one was unkind or truly rude,
though. They just couldn’t believe I knew games, played games, or worked
for a game company. They all figured I was somebody’s girlfriend, I
think.</blockquote></i>Und wie wir ja schon am Aufruhr um den Lakofka - Artikel gesehen haben, war das Fandom natürlich alles andere als frei von Sexismus. Zum Teil zeigte sich das im D&D - Regelwerk selbst. Man denke etwa an die berüchtigte "Harlot's Table" aus dem <i>Dungeon Masters Guide </i>von 1979. (8) Nicht zu vergessen das Design der allermeisten Miniaturen, die die "Tradition" der oben erwähnten Illustrationen aus <i>Men & Magic </i>fortsetzten. Wie es Fan Judith Goetz ausdrückte:</div><div style="text-align: justify;">
<div style="text-align: justify;"><i><blockquote>Some of the ‘downs’ of D&D for
me are in encountering men’s collections of fantasy figures whose
only females are the naked sirens who serve only as so much booty –
and, for that matter, the cartoons run in <b>The Dragon</b> that present
the same view. </blockquote></i>Vor allem aber prägte der Sexismus der Zeit die Atmosphäre nicht weniger Spielgruppen. Als Jean Wells und Kim Mohan in <a href="https://www.annarchive.com/files/Drmg039.pdf" target="_blank"><i>Dragon </i>#39</a> (Juli 1980) ihren Artikel <i>Women want equality -- and why not? </i>veröffentlichten, gaben sie darain einige der entsprechenden negativen Erfahrungen wieder, von denen ihnen D&D-Spielerinnen berichtet hatten:</div></div><div style="text-align: justify;">
<div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div><blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>Women who play female characters must
be concerned […] about their characters being “used” as sex
objects to further the ends of a male-dominated party of
adventurers.<br /></i></div><div><i>One reader, Sharon Anne Fortier, related a story
about a female dwarf character of hers that was forced by the males
in the party to seduce a small band of dwarves so the party could get
the drop on them and kill them.</i></div><div><i>Another reader wrote of being penalized
by her DM because she was a Cleric and had the misfortune (as it
turned out) to become pregnant. The DM said that Lawful Good Clerics
didn’t do that sort of thing, he forced the character to undergo a
change of alignment, and the player eventually had to roll up a new
character. [...]</i></div><div><i>Laura Roslof said that the men she has
been involved in gaming with seem to expect females to wait
obediently by the door while they (the males) sort through the
treasure. She said that wouldn’t be so bad by itself, but then the
men usually refuse to provide females with a fair share of the loot.
</i></div></blockquote><div><i></i></div>Wie offen und frei von all dem das Umfeld war, das Jean Wells 1979 bei TSR vorgefunden hatte, muss dahingestellt bleiben.</div><div style="text-align: justify;">
<p style="margin-bottom: 0cm;">Wells hatte D&D während eines
Kanu-Trips in ihren College-Tagen kennengelernt und war schon bald
Mitglied der örtlichen Fangruppe ("D&D Gang of Statesmen
Complex") geworden. "<i><a href="http://grognardia.blogspot.com/2010/02/interview-jean-wells-part-i.html" target="_blank">I discovered</a> I enjoyed running more
than playing. It gave me an opportunity to use my creativity in an
area I already liked, Medieval History and Fantasy.</i>" Als sie im
Herbst 1978 eine Anzeige im <i>Dragon Magazine </i>entdeckte, derzufolge TSR
Designer suchte, bewarb sie sich kurzentschlossen. Gary Gygax zeigte
sich interessiert und holte sie schließlich im Januar 1979 für
einige Tage nach Wisconsin. Die beiden verstanden sich offenbar
prächtig und so wurde Wells schließlich für das neu gegründete
Design Department engagiert. Allerdings musste sie selbst
eingestehen, dass sie keinerlei Erfahrung mit dem Entwickeln von
Spielregeln hatte. Gygax versprach, sie persönlich in die Materie
einzuführen: "<i>He was hiring my imagination and would teach me
the rest.</i>" Doch dazu kam es nie, denn wenige Monate nachdem
Wells ihr Büro in Lake Geneva bezogen hatte, kam es zu jener
Explosion in den Verkaufszahlen von D&D, die urplötzlich
Hunderttausende von Dollars in das Firmenkonto von TSR spülte.
Gygax, der sich mit einemmal an der Spitze eines rasch expandierenden
Unternehmens wiederfand, hatte in der Folge schlicht keine Zeit mehr,
den Mentor zu spielen.</p>
<div style="margin-bottom: 0cm;">Im Rückblick sah Wells darin einen der
Hauptgründe für ihre Probleme bei TSR: "<i>I lacked a proper
mentor and that is what I believe made it difficult. I believe that
lacking a mentor cast me into the role of token female.</i>" Dennoch
halte ich es für gerechtfertigt zu fragen, ob es da nicht auch noch
andere Gründe gegeben hat. Zwar scheint sie sich alles in allem recht gut mit der
chaotischen Designertruppe im ehemaligen Clair Hotel verstanden zu haben, doch galt das
offenbar nicht für alle ihrer Kollegen. Einer von ihnen
<a href="https://www.rpg.net/columns/advanced-designers-and-dragons/advanced-designers-and-dragons4.phtml" target="_blank">charakterisierte</a> sie später wenig freundlich als "<i>large,
insecure, brashly outgoing, and outspoken</i>" und Jim McLauchlins
<a href="https://www.wired.com/story/racy-dandd-module-oral-history/" target="_blank">"Secret History" </a>von <i>Palace of the Silver Princess</i> enthält
einige ziemlich herablassende Kommentare von TSR-Künstler Bill
Willingham, der keinen Zweifel daran lässt, dass Wells ihre Position
seiner Meinung nach ausschließlich ihren freundschaftlichen
Kontakten zu Gygax und anderen aus dem Management verdankt habe. Es
fällt nicht schwer, dabei die sexistischen Untertöne herauszuhören.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Dennoch ließ sich ihre Karriere bei TSR erst einmal recht gut an. Sie arbeitete am <i>Dungeon Masters Guide </i>(1979) mit und war Editorin für eine Reihe von Modulen, u.a. <i>White Plume Mountain </i>(1979) und <i>The Keep on the Borderlands </i>(1981). Zusammen mit Tom Moldvay arbeitete sie an der Revision des Basis- und der Vorbereitung des Experten-Sets. Von <i>Dragon </i>#31 (November 1979) bis #42 (Oktober 1980) schrieb sie außerdem die Kolumne <i>Sage Advice</i>, in der sie Regelfragen von Fans beantwortete, wobei sie nicht selten einen humorvollen und leicht ironischen Ton <a href="http://grognardia.blogspot.com/2010/02/interview-jean-wells-part-i.html" target="_blank">anschlug</a>: </div><div style="margin-bottom: 0cm;">
<div style="margin-bottom: 0cm;"><i><blockquote>I adopted this approach because this is
who I am. I tend to look at humor in life. I believe in laughter
especially when things are taken out of context and way over done. I
chose the strangest most far fetched questions for two reasons. One,
they were funny, and two they were also a sad statement on the depths
that some people played this "game." […] I'd hoped the
kids would see the humor in the situation and not take the game so
seriously that every breath they took, every word they said was about
D&D.
</blockquote></i></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">Ob ihre jugendlichen Leser*innen das immer so verstanden haben, darf füglich bezweifelt werden, doch erfreute sich ihre Kolumne ohne Zweifel großer Beliebtheit.<br /></div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Der Sturz kam erst mit <i>Palace of the Silver Princess</i>. Der genaue Ablauf der Katatsrophe scheint sich nicht mehr im Detail rekonstruieren zu lassen. Glaubt man Designer <a href="https://www.wired.com/story/racy-dandd-module-oral-history/" target="_blank">Kevin Hendryx</a>, so wurden bei TSR zu dieser Zeit viele Produkte überhastet in die Produktion geschickt, da man einer schier unersättlichen Nachfrage gegenüberstand. Irgendeine "Qualitätskontrolle" durch das Management gab es nicht. Projekte wurden einfach durchgewunken. Was erklären würde, warum bereits mehrere tausend Exemplare gedruckt worden waren, bevor man in der Chefetage die Notbremse zog. Auf jedenfall wurden Jean Wells und ihr Mitarbeiter Ed Sollers umgehend vor den <a href="http://grognardia.blogspot.com/2010/02/interview-jean-wells-part-ii.html" target="_blank">äußerst erbosten</a> Will Niebling gerufen: "<i>Will accused us of putting S&M into
a child’s module.</i>" Nach eigener Aussage wusste Wells nicht einmal, was dieser Begriff bedeutete. Der Stein des Anstoßes war eine von Laura Roslofs Illustrationen, die eine an einen Balken gefesselte Frau zeigt, die von neun hässlich-grotesken Männergestalten umringt ist. (9) Schwerlich eine besonders "gewagte" Darstellung. Innerhalb des Abenteuers handelt es sich bei dem Szenario außerdem bloß um eine von dem Tentakelmonster "Decapus" hervorgerufene Illusion. Jean Wells erklärte dazu:</div><div style="margin-bottom: 0cm;">
<div style="margin-bottom: 0cm;"><i><blockquote>I created the Decapuses to draw
paladins into the room quickly without thinking and to be the first
in. I wanted them to rescue the maiden who’s clothes were torn and
seemed to be surrounded by nine ugly men taunting her. Ed thought it
was a good idea and so did our boss Harold Johnson.
</blockquote></i></div>
Gary Gygax hat einmal in einem<a href="https://www.keithrobinson.me/thekyngdoms/interviews/garygygax.php" target="_blank"> Interview </a>mit Ciro Alessandro Sacco erklärt, dass er nichts mit der Entscheidung gegen <i>Palace of the Silver Princess </i>zu tun gehabt habe:<br /><div style="margin-bottom: 0cm;"><i><blockquote>You ask the man who decided on the
'Amazon' and 'Temptress' illos in original D&D, the 'Eldritch
Wizardry' supplement cover about something in the artwork in Jean
Well's module being 'objectionable'? I am quite at a loss as to how
to respond.
</blockquote></i></div>Angeblich soll Gygax sogar aktiv dafür gesorgt haben, dass nichts an dem Modul verändert wurde, obwohl es bereits im Vorfeld Kritik aus dem Design-Team gegeben habe. So <a href="https://www.wired.com/story/racy-dandd-module-oral-history/" target="_blank">erzählt</a> Stephen Sullivan:</div><div style="margin-bottom: 0cm;">
<p style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></p><blockquote><i>[W]hen this thing came through, and the
development people wanted to edit it, Jean went to Gary and said –
and I know I’m going to make this sound more harsh than it actually
was – "They’re changing my stuff, tell them not to do it."
And Gary reminded us all that we were not to change the designers’
word or intent in the work. We were just to proof it, do the
production line, get it done.
</i></blockquote><p></p>Wie auch immer Gygax' Rolle in dem Debakel wirklich ausgesehen haben mag, richtig ist sicher, dass Laura Roslofs Zeichnung kein Bruch mit bisherigen "Standards" war. Verglichen mit nackten Amazonen war das bisschen "Quasi-Bondage" wirklich harmlos. Wenn sie dennoch zu einer so heftigen Reaktion in Teilen des Mangements führte, war dafür aller Wahrscheinlichkeit nach die beginnende "Satanic Panic" verantwortlich. Nachdem christliche Fundamentalisten und andere selbst ernannte "Hüter der öffentlichen Moral" begonnen hatten, D&D als eine "Bedrohung für Amerikas Jugend" zu attackieren, war TSR bemüht, sich ein makellos "sauberes" Image zu verpassen. In diesem Kontext waren Bilder wie "The Illusion of the Decapus" nicht länger akzeptabel.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Allerdings gab es wohl mindestens noch einen weiteren Grund für den Aufruhr in der Chefetage: Erol Otus'<a href="https://www.belloflostsouls.net/wp-content/uploads/2019/10/tsr-ubues-e1569968397877.jpg" target="_blank"> Illustration der hermaphroditischen "Ubues"</a>, in der er offenbar einige TSR-Angestellte karrikiert hatte. Welche genau gemeint waren und ob es sich dabei um Mitglieder des Designteams oder des Managements handelte, scheint aber völlig unklar zu sein. Ich habe jedenfalls nirgendwo Namen finden können. Doch da es zu dieser Zeit wachsende Spannungen zwischen Konzernleitung und "Fußvolk" gab, wollte man wohl alles unterdrücken, was auch nur entfernt nach "Rebellion" schmeckte. Ironischerweise hatte Jean Wells selbst gegen die Aufnahme der entsprechenden Illustration <a href="http://grognardia.blogspot.com/2010/02/interview-jean-wells-part-ii.html" target="_blank">gestimmt</a>. Allerdings aus völlig anderen Gründen: Sie hatte ihre dreiköpfigen Ungeheuer nämlich gar nicht als Hermaphroditen konzipiert gehabt. <br /></div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Die meisten Artikel über das <i>Silver Princess </i>- Debakel konzentrieren sich ganz auf diese beiden Illustrationen. Doch der Umstand, dass man nicht bloß die Zeichnungen entfernen, sondern das Modul noch einmal völlig von Tom Moldvay überarbeiten und umschreiben ließ, legt nahe, dass man auch mit dem Inhalt Probleme hatte. Freilich kann man bloß spekulieren, worin genau diese bestanden haben könnten. Bill
Willinghams <a href="https://www.wired.com/story/racy-dandd-module-oral-history/" target="_blank">abfällige Kommentare</a> scheinen mir zwar hauptsächlich Ausdruck einer persönlichen Abneigung gegen Jean Wells zu sein, bieten aber den einzigen konkreten Ansatzpunkt: </div><div style="margin-bottom: 0cm;">
<div><i><blockquote>I was first to read the damn thing, and
I was just shocked at how ridiculous it was. It was clearly the
private fantasies of the author. The
Silver Princess character was also her persona in the Society
of Creative Anachronism – a hauntingly lovely woman who
destroyed hearts. [...] I used to call it "Phallus of the Silver Princess." It
was unprintable. </blockquote></i>
</div>
</div>Auch Kevyn Hendrix spricht von "<i>a lot of subliminal, Freudian-level erotica in there</i>".</div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Glücklicherweise überlebten einige Exemplare der ursprünglichen Ausgabe das Einstampfen und PDFs lassen sich heute ohne größere Probleme im Internet finden, so dass wir uns ein eigenes Bild machen können.</div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Ich bin kein Experte, was frühe D&D - Abenteuer angeht, habe aber schon das Gefühl, dass <i>Palace of the Silver Princess </i>ein in mancherlei Hinsicht etwas eigentümliches Szenario ist. Vor allem, wenn man zum Vergleich Tom Moldvays "überarbeitete" Version danebenlegt.</div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Im Zentrum steht natürlich auch hier die Beschreibung eines "Dungeons", in diesem Fall die der Ruinen des Palastes der feenhaften "Märchenprinzessin" Argenta. Darüberhinaus enthält das Modul aber auch eine Schilderung der umliegenden Landschaft. Und die besteht nicht aus den üblichen Zufallsbegegnungs-Tabellen, sondern aus äußerst knappen Beschreibungen der Dörfer, Wälder und Berge. Dazu gehören u.a. der "Misty Swamp", in dem die Magie verrückt spielt, und die Baronie der bösen Lady D'hmis:</div><div style="margin-bottom: 0cm;">
<div style="margin-bottom: 0cm;"><i><blockquote>A prime example of the type of laws her
ladyship favors is one forbidding males, except those in her service,
from being on the streets after the sunset unless accompanied by a
female who is age 15 or older. This law meets little resistance as
everyone fears her baronial guards. Though D’hmis’ warriors are
primarily male, her commanders are all females; tough, chaotic women
who instill fear by a mere gaze and who fear little save D’hmis and
the elite male fighters who serve as her personal bodyguards and
paramours.</blockquote></i></div>
Bei all dem bekommt man den Eindruck, dass dem Ganzen eine Geschichte zugrunde liegt, die man nie wirklich erzählt bekommt, dass es da einen tieferen Zusammenhang gibt, der höchstens vage angedeutet wird. So behauptet z.B. Lady Dhimis, die letzte Nachfahrin Argentas zu sein. Ist sie es wirklich? Und wenn ja, was würde das bedeuten? Ist ihre tyrannische Herrschaft mehr als das düstere Spiegelbild des untergegangenen Märchenreiches der "Silberprinzessin"? Sind es die Leichen ihrer Soldaten, die man in der Ruine des Palastes entdeckt? Wollte sie ihn "zurückerobern"? Und was genau hat es mit dem unherwandernden "Tinker" Lamdomon auf sich, der in seinem grotesken Fuhrwerk u.a. eine silberne Rüstung und "<i>a strange set of riding equipment
that appears too large for a horse</i>" verborgen hält? Ist er mehr, als er zu sein vorgibt? Und wenn was? Rüstung und Sattel erinnern an den drachenreitenden Krieger, der einst Argentas Reich zerstört haben soll. Wie haben wir es zu deuten, dass sie sich nun im Besitz Lamdomons befinden?</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Jean Wells selbst hat dazu einmal <a href="http://grognardia.blogspot.com/2010/02/interview-jean-wells-part-ii.html" target="_blank">gesagt</a>: "<i>I was trying to show the players that
there was more to a “dungeon” than just the building.</i>" Ob die Umsetzung dessen "spieltechnisch" bsonders gelungen ist, sei dahingestellt. Zumal das Modul als eine Art "Tutorial" für unerfahrene Spieler*innen gedacht war, die mit den skizzenhaften Schilderungen und vagen Andeutungen vielleicht eher nicht so viel hätten anfangen können. Reizvoll finde ich es trotzdem irgendwie.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Das Andeutungshafte und leicht Ambivalente findet seine Fortsetzung in der Geschichte des "Palastes" selbst. Am Beginn des Moduls steht eine Legende, die vom Untergang des idyllischen Reiches mit seinem Ewigen Sommer, seinen Einhörnern und zwitschernden Vögelchen erzählt. Als die Zwerge in den Tiefen der späteren "Moorfowl Mountains" einen riesigen roten Juwel -- "My Lady's Heart" genannt -- entdeckten und ihrer geliebten Herrscherin Argenta vermachten, richtete diese zur Feier des Ereignisses einen prächtigen Ball aus:</div><div style="margin-bottom: 0cm;">
<div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div><blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>She should not have been so eager to
show the ruby, as one guest was interested in more than its beauty
alone. He had come to steal it. His eyes also roamed freely to the
princess, and he gazed upon her as much as he gazed upon the
brilliant gem. Princess Argenta saw this, and in her innocence smiled
backed at him. [...]</i></div><i>
</i><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>Many weeks after the party a red dragon
was seen in the skies of the valley. The dragon burned the rich land
with its breath and terrorized the gentle people of the valley. The
land was left scorched and barren. Those valley people unfortunate to
get close enough to the dragon (but fortunate enough to live) swore
that they saw a man in silver and blue armor riding on its back.</i></div></blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div>
Manche erzählen, dass der Drachenreiter die Prinzessin entführt habe. Andere, dass Argenta zusammen mit ihrem Märchenreich untergegangen sei.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Doch wie wir im späteren Verlauf des Moduls erfahren, war der geheimnisvolle Fremde gar nicht für die Katastrophe verantwortlich. Vielmehr verliebten sich Argenta und er ineinander und wurden ein Paar! Wie es tatsächlich zum Untergang des Reiches gekommen ist, bleibt völlig schleierhaft!</div><div style="margin-bottom: 0cm;">An dieser Stelle beginnt auch das, was man in der Tat als eine Art "freudianischen" Subtext interpretieren könnte. Auch wenn er sicher nicht so aufdringlich ist, wie Willingham es in seinen Kommentaren erscheinen lässt. In der ersten Ebene des "Dungeons" finden sich nämlich eine Reihe von Räumen, in denen Statuen "junger Mädchen" stehen. Mit etwas gutem Willen lassen diese sich als Repräsentationen verschiedener "Stufen" einer romantisch-sexuellen Beziehung interpretieren. Eine von ihnen ist z.B. mit ausgestreckten Armen dargestellt. Hinter ihr befindet sich eine Geheimtür, die in einen Raum führt, an dessen Wänden Teppiche hängen, die Argenta und den Krieger als glückliches Paar darstellen. Eine andere Statue zeigt das "junge Mädchen" mit einem Kind auf dem Schoß. Sicher am deutlichsten ist jedoch ein Raum, der von Mosaiken geziert wird, die folgende Szenerien darstellen:</div><div style="margin-bottom: 0cm;">
<div style="margin-bottom: 0cm;"><i><blockquote>The scenes are of a red dragon mounted
by a man in silver and blue armor giving chase to a young maiden
wearing a silver gown and a silver and ruby coronet. Another scene
depicts elves playing in the woods while a red dragon watches
them from his hiding place behind two tall pines. [...] The design on
the floor shows the maiden, man and dragon curled up asleep around a
key hole.</blockquote></i></div>Steckt man den korrekten Schlüssel in das Loch erscheint (nach einem gewissen Prozedere) das blau schimmernde magische Schwert des Kriegers in der Luft und es kommt zu einem illusorischen Kampf gegen ihn. Ich schätze, man könnte die Symbolik hier wohl schon als "phallisch" bezeichnen.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Ich muss gestehen, dass das Ganze einen leicht verstörenden Eindruck bei mir hinterlassen hat. Nicht wegen der "Erotik", sondern weil mir da eine etwas beunruhigende Verquickung von Sex und Gewalt mitzuschwingen scheint. In der "Legende" erscheint der Krieger anfangs als ein gewalttätiger Eroberer. Und im Symbol des Drachen findet sich das auch später zumindest partiell fortgesetzt. Der Lindwurm lässt sich denke ich als Verkörperung "sexueller Leidenschaft" lesen, aber es ist ziemlich klar, dass es sich dabei um eine "männlich"-aggressive Leidenschaft handelt. In einem der Räume finden sich sogar ein paar Verse, in denen es u.a. heißt: <br /></div><div style="margin-bottom: 0cm;">
<div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div><blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>I came, and what did my eyes behold?</i></div><i>
</i><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>A maiden fair with hair of gold.</i></div><i>
</i><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>Her face, aglow by which the sun is
shamed.</i></div><i>
</i><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>My steed, a dragon, her innocence did
tame</i></div></blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div>Ich bin mir ehrlich gesagt nicht so sicher, ob ich wissen will, welche Idee von Sexualität diesem ganzen Szenario zugrundeliegt ...</div><div style="margin-bottom: 0cm;"><br /></div><div style="margin-bottom: 0cm;">Von dem "Freudianismus" einmal abgesehen, enthält das Modul aber durchaus noch einige andere erwähnenswerte Details: </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Zuerst einmal fällt auf, dass in Bezug auf DM und Spieler*innen grundsätzlich die Formulierung "<i>he or she</i>" verwendet wird. Außerdem enthält <i>Palace of the Silver Princess </i>nach meinem Eindruck deutlich mehr weibliche Charaktere als andere D&D - Abenteuer der Zeit: Lady D'hmis; die "böse Zauberin" der "Thunder Mountains"; Zappora, die Tochter des "Tinker"; die beiden Diebinnen Duchess & Candella, denen man im Palast begegnen kann; und schließlich meine besondere Favoritin: die Werbärin Aleigha. Die lykanthropische Kriegerin gehört zum Gefolge des Klerikers Catharandamus, der sich in der Palastruine eingenistet hat. Derselbe ist eine fragwürdige und ambivalent gezeichnete Figur, aber kein reiner Bösewicht. Aleigha sieht in ihm (fälschlicherweise) eine Art gütigen Vaterersatz. Sie selbst ist die letzte Nachfahrin der legendärin Heldin Spartusia, deren magisches Schwert sie auch trägt. Die Berserker, denen man als Zufallsmonster im Palast begegnen kann, verehren sie als "die Große Bärin". Viel mehr erfahren wir nicht über sie (oder die anderen Mitglieder von Catharandamus Gruppe), aber erneut hat man das Gefühl vage angedeuteter größerer Zusammenhänge. Nicht unerwähnt bleiben soll außerdem die bizarre Figur des verrückten (und kannibalischen?) Travis, die mir eher in ein <i>Fighting Fantasy </i>- Spielbuch als in ein D&D - Abenteuer zu passen scheint.</div><div style="margin-bottom: 0cm;">Fast alle diese Eigentümlichkeiten (einschließlich der umgebenden Landschaft) wurden in Tom Moldvays Überarbeitung von <i>Palace of the Silver Princess </i>entfernt und durch ein sehr viel stromlinienförmigeres Setting ersetzt, in dem die Spieler*innen den magischen Rubin finden müssen, um zu verhindern, dass der (nun eindeutig böse) Catharandamus eine Art Dämon (oder Großen Alten?) heraufbeschwört. Dabei wurde u.a. Aleigha gegen eine Werwölfin ohne besonderen Charakter oder Hintergrundsgeschichte ausgetauscht.</div><div style="margin-bottom: 0cm;"><i> </i> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Ist Jean Wells' Original ein gelungenes D&D - Szenario? Das wage ich nicht zu beurteilen. Aber es besitzt auf jedenfall einen eigenartigen Reiz. Für die Autorin und Designerin bedeutete das Debakel um ihr Modul allerdings den Anfang vom Ende ihrer TSR - Karriere. In einem Interview mit dem <a href="http://saveordie.info/?p=173" target="_blank">Save or Die Podcast</a> erzählt sie, dass die Blume-Brüder Brian und Kevin, die zusammen mit Gygax an der Spitze des Unternehmens standen, in der Folge versucht hätten, sie rauszuwerfen. Fakt ist wohl, dass alle ihr weiteren Projektentwürfe und -vorschläge entweder abgelehnt oder stillschweigend ignoriert wurden. „<i>Harold [Johnson] ended up using me
more as a secretary during my last days at TSR. </i>" Es war offensichtlich Zeit, das Unternehmen zu verlassen. Leider bedeutete das für Jean Wells auch den Abschied von der Rollenspiel-Szene.</div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Wells war nicht die einzige Frau, die während der frühen Tage von TSR für das Unternehmen arbeitete. Ob ihre letztenendes ziemlich negativen Erfahrungen als exemplarisch gelten können, scheint mir nicht eindeutig. Penny Williams etwa, die man als "<i>games questions expert</i>" engagierte und die in der Folge nicht nur für die Beantwortung von "Fanpost" verantwortlich war, sondern auch zur Koordinatorin des RPGA - Netzwerks wurde, scheint nie auf vergleichbare Probleme gestoßen zu sein. Etwas anders sieht es mit der <a href="https://kotaku.com/d-d-wouldn-t-be-what-it-is-today-without-these-women-1796426183" target="_blank">Zeichnerin und Illustratorin Darlene</a> aus. Diese wurde zwar oft und gerne als Freelancerin genutzt (u.a. für das Erstellen der offiziellen Karte von Gygax' Kampagnenwelt Greyhawk), doch bot man ihr nie eine feste Stellung an: "<i>I knew they wanted artists, and I was told not to apply, [...] that my application would not be considered. I didn’t understand why.
They said, ‘Because you don’t play the game.’ And I went, ‘Oh.’</i>" Jahre später erfuhr sie, dass der Verantwortliche offenbar grundsätzlich keine Frauen einstellen wollte.</div><div style="margin-bottom: 0cm;"> <i> </i> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">Mit Rose Estes, Jean Black und Margaret Weis spielten Frauen vor allem in TSR's Buchabteilung eine zentrale Rolle. Doch darauf werde ich in meinem (wahrscheinlich) nächsten Beitrag zurückkommen, wenn es wieder einmal Zeit für den alljährlichen Klassiker-Reread wird. Wozu Alessandra und ich uns erneut einen besonderen Guest Star eingeladen haben. Stay tuned! <br /></div><div style="margin-bottom: 0cm;"> </div><div style="margin-bottom: 0cm;">
</div></div><div style="text-align: left;"> </div><div style="text-align: left;"><p style="text-align: left;">(1) Jon Peterson: <i>Game Wizards: The Epic Battle for Dungeons & Dragons</i>. S. 179.</p><p style="text-align: left;">(2) <a href="https://archive.org/details/DragonMagazine260_201801/DragonMagazine024/mode/2up?view=theater" target="_blank"><i>Dragon </i>#24 (April 1979)</a>. <i>From the Sorcerer's Scroll</i>. S. 19.<br /></p></div><div style="text-align: justify;"><p>(3) In dieser Szene entstand auch zum ersten Mal die Selbstbezeichnung "Gamer", die dann in die RPG-Kreise und schließlich in die Videospiel-Community weitergegeben wurde. Vgl.: Jon Peterson: <a href="https://medium.com/@increment/the-first-female-gamers-c784fbe3ff37" target="_blank"><i>The First Female Gamers</i>.</a> </p><p style="margin-bottom: 0cm;">(4) In einem<a href="http://www.quake2.com/qworkshop/features/interviews/jaquays.htm" target="_blank"> Interview</a> von 1996 beschrieb sich Jaquays selbst noch als: "<i>Male, 40 [...] politically,
economically, and religiously conservative.</i>" Erst 2011/12 machte sie ihr Transitioning öffentlich und <a href="https://web.archive.org/web/20120609223435/http://jaquays.com/jennell/index.html" target="_blank">erklärte</a> dazu: "<i>To be honest (finally), I've always been
on this side. It just took a while for me to recognize it, accept it,
embrace it, and pull back the curtain for the rest of the world to
see</i>". <br /></p>
<p style="margin-bottom: 0cm;">(5) Erstmals erschienen war er im Juli 1976 in Lakofkas eigenem Fanzine <i>Liaisons Dangereuses</i>.</p><p style="margin-bottom: 0cm;">(6) U.a. <a href="https://www.acaeum.com/jg/DungeoneerMags1-6.html" target="_blank">"Night of the Walking Wet"</a>: "<i>A creature from another world becomes the slime god, infesting the region with virulent slime zombies, the 'walking wet'</i>" (Co-Autorin: Tamara Wieland). </p><p style="margin-bottom: 0cm;">(7) Zit. nach: Shannon Appelcline: <i>Designers & Dragons: A History of the Roleplaying Game Industry - The 70s</i>. S. 121.</p><p style="margin-bottom: 0cm;">(8) Sie ist Teil der "städtischen Zufallsbegegnungen" und liest sich folgendermaßen: "<i>0-10: Slavenly trull * 11-25: Brazen strumpet * 26-35: Cheap trollop * 36-50: Typical streetwalker * 51-65: Saucy tart * 66-75: Wanton wench * 76-85: Expensive doxy * 86-90: Haughty courtesan * 91-92: Aged madam * 93-94: Wealthy procuress * 95-98: Sly pimp * 99-00: Rich panderer</i>" (<a href="https://archive.org/details/tsr02011advanceddungeonsdragonsadd1steddungeonmastersguide/page/n191/mode/2up?view=theater" target="_blank">S. 192</a>)</p><br /></div><div style="text-align: justify;">(9) Man findet die Zeichnung u.a. in diesem Artikel über <a href="https://retroist.com/tsr-dungeons-dragons-art-laura-roslof/" target="_blank"><i>The Dungeons & Dragons art of Laura Roslof</i></a>.</div></div>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-90332942832920955272022-12-10T04:13:00.001-08:002022-12-10T04:13:27.040-08:00 Strandgut<ul style="text-align: left;"><li>Hypnogoria: <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/11/hypnogoria-228-tribute-to-kevin-oneill.html">A Tribute to Kevin O'Neill</a></li><li>Hypnogoria: <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/11/hypnogoria-227-rituals-unlimited-part.html">Rituals Unlimited Part VII - <i>The Vessel</i></a></li><li>Hypnogoria: <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/11/hypnogoria-229-new-ghost-stories-for.html">New Ghost Stories for Christmas</a></li><li>Hypnogoria: <i><a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/11/hypnogoria-230-ash-tree.html">The Ash-Tree</a></i></li><li>The Great Derelict: <a class="read_more" data-iframe-id="embed_25272249" href="https://greatderelict.libsyn.com/bollywood-sci-fi">Bollywood Sci-Fi</a> </li><li>The Great Derelict: <a class="read_more" data-iframe-id="embed_24973281" href="https://greatderelict.libsyn.com/lets-talk-about-leia">Lets talk about Leia</a></li><li>The Great Derelict: <a class="read_more" data-iframe-id="embed_25008150" href="https://greatderelict.libsyn.com/interlude-iv">Interlude IV</a> & <a class="read_more" data-iframe-id="embed_25193367" href="https://greatderelict.libsyn.com/interlude-v-the-interlude-strikes-back">Interlude V: The Interlude Strikes Back!</a></li><li>A Podcast to the Curious: <a href="https://www.mrjamespodcast.com/2022/11/episode-91-let-loose-by-mary-cholmondeley/" target="_blank"><i>Let Loose </i>by Mary Cholmondeley</a> <br /></li><li>SFFaudio Podcast: <a href="https://www.sffaudio.com/the-sffaudio-podcast-711-audiobook-readalong-the-shunned-house-by-h-p-lovecraft/" rel="bookmark"><i>The Shunned House </i>by H.P. Lovecraft</a> </li><li>SFFaudio Podcast: <a href="https://www.sffaudio.com/the-sffaudio-podcast-710-audiobook-readalong-black-amazon-of-mars-by-leigh-brackett/" rel="bookmark"><i>Black Amazon Of Mars</i> by Leigh Brackett</a></li><li>SFFaudio Podcast: <a href="https://www.sffaudio.com/the-sffaudio-podcast-709-audiobook-readalong-souvenir-by-philip-k-dick/" rel="bookmark"><i>Souvenir</i> by Philip K. Dick</a></li><li>SFFaudio Podcast: <a href="https://www.sffaudio.com/the-sffaudio-podcast-708-audiobook-readalong-the-wendigo-by-algernon-blackwood/" rel="bookmark"><i>The Wendigo</i> by Algernon Blackwood</a></li><li>Diabolique Magazine Podcast:<i> <a href="https://diaboliquemagazine.com/episode-1-faster-pussycat-kill-kill-1965-vixen-1968/" target="_blank">Faster Pussycat, Kill! Kill! </a></i><a href="https://diaboliquemagazine.com/episode-1-faster-pussycat-kill-kill-1965-vixen-1968/" target="_blank">(1965) & <i>Vixen</i> (1968)</a> </li><li>Lovecraft eZine Videocast: <a href="https://www.youtube.com/watch?v=effuLvR8hqQ&t=4665s" target="_blank">M. Rickert, author of <i>Lucky Girl: How I Became a Horror Writer - A Krampus Story</i></a></li><li>Mega City Book Club: <i><a href="https://megacitybookclub.blogspot.com/2022/11/blog-post.html">Captain Condor</a></i> & <i><a href="https://megacitybookclub.blogspot.com/2022/12/207-shamballa.html">Shamballa</a></i></li><li>Appendix N Book Club: <a href="https://appendixnbookclub.com/2022/11/28/episode-130-arkady-boris-strugatskys-hard-to-be-a-god-with-special-guest-aaron-king/" rel="bookmark">Arkady & Boris Strugatsky’s <i>Hard to Be a God</i> with special guest Aaron King</a></li><li>Appendix N Book Club: <a href="https://appendixnbookclub.com/2022/11/14/episode-129-ursula-k-le-guins-the-farthest-shore-with-special-guest-joshua-phillip-johnson/" rel="bookmark">Ursula K. Le Guin’s <i>The Farthest Shore</i> with special guest Joshua Phillip Johnson</a></li><li>The Projection Booth:<a href="https://www.projectionboothpodcast.com/2022/11/episode-595-nightmare-alley-1947.html?" target="_blank"> <i>Nightmare Alley</i> (1947)
with Samm Deighan & Andrew Nette </a></li><li>Squaring the Strange: <a class="read_more" data-iframe-id="embed_25220934" href="https://squaringthestrange.libsyn.com/episode-189-ai-cryptid-loab-and-lesser-known-lake-monsters">"AI Cryptid" Loab and Lesser-known Lake Monsters</a></li><li>Squaring the Strange: <a class="read_more" data-iframe-id="embed_24903624" href="https://squaringthestrange.libsyn.com/episode-187-the-curious-case-of-dr-melba-ketchums-bigfoot-dna-with-guest-sharon-hill">The Curious Case of Dr. Melba Ketchum's Bigfoot DNA, with guest Sharon Hill</a></li><li>The Cromcast: <a href="http://thecromcast.blogspot.com/2022/11/season-17-episode-1-pulp-poetry.html">Pulp Poetry</a> & <a href="http://thecromcast.blogspot.com/2022/11/season-17-episode-2-many-hues-of-robert.html">The Many Hues of Robert E. Howard's Poetry</a> </li><li>From the Great Library of Dreams: <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/11/from-great-library-of-dreams-065-story.html"><i>The Story of Sevens Hall</i> by E. Heron and H. Heron</a></li><li>From the Great Library of Dreams:<i> </i><a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/11/from-great-library-of-dreams-066.html"><i>Narrative of a Ghost of a Hand </i>by J Sheridan le Fanu</a></li><li>From the Great Library of Dreams: <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/11/from-great-library-of-dreams-067-ash.html"><i>The Ash Tree</i> by MR James</a><i> </i></li><li><a href="https://www.youtube.com/watch?v=rHixn1CYHds" target="_blank"><i>The Tomb Spawn</i> by Clark Ashton Smith</a> vorgetragen von Julia Morgan<br /></li><li><a href="http://hypnogoria.com/" target="_blank">The Hypnogoria Oldtime Yuletide Advent Calendar </a>von Jim Moon<br /></li><li>NUTS4R2 bespricht<i> <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/11/barbarian.html">Barbarian</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/11/black-adam.html">Black Adam</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/11/the-great-yokai-war.html">The Great Yôkai War</a> *<a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/11/slave-girls-from-beyond-infinity.html"> Slave Girls From Beyond Infinity</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/11/who-is-bill-rebane.html">Who Is Bill Rebane?</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/11/the-case-of-howling-dog.html">The Case Of The Howling Dog</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/11/confess-fletch.html">Confess, Fletch</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/11/the-devils-hour.html">The Devil’s Hour</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/11/black-panther-wakanda-forever.html">Black Panther - Wakanda Forever</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/11/the-case-of-curious-bride.html">The Case Of The Curious Bride</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/11/the-sandman.html">The Sandman</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/11/the-letters.html">The Letters</a> *<a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/12/the-monster.html"> The Monster</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/12/call-girl-of-cthulhu.html">Call Girl Of Cthulhu</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/12/violent-night.html">Violent Night</a> </i> </li><li>Movies Silently: <a href="https://moviessilently.com/2022/11/07/a-society-sensation-1918-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>A Society Sensation </i>(1918) A Silent Film Review</a> von Fritzi Kramer</li><li>Movies Silently: <a href="https://moviessilently.com/2022/11/13/run-girl-run-1928-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>Run, Girl, Run</i> (1928) A Silent Film Review</a></li><li>Movies Silently: <a href="https://moviessilently.com/2022/11/20/maytime-1923-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>Maytime </i>(1923): A Silent Film Review</a> </li><li>Movies Silently: <a href="https://moviessilently.com/2022/11/28/flying-luck-1927-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>Flying Luck</i> (1927) A Silent Film Review</a></li><li>Movies Silently: <a href="https://moviessilently.com/2022/12/05/the-assassination-of-the-duke-of-guise-1908-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>The Assassination of the Duke of Guise</i> (1908) A Silent Film Review</a></li><li>The Last Drive In: <i> </i><a href="https://thelastdrivein.com/2022/11/09/the-bride-wore-black-1968-jeanne-moreau-goddess-of-the-hunt/" rel="bookmark"><i>The Bride Wore Black</i> 1968: Jeanne Moreau… Goddess of the Hunt</a></li><li>Cinematic Catharsis: <i><a href="http://cinematiccatharsis.blogspot.com/2022/12/the-third-man.html">The Third Man</a></i> * <a href="http://cinematiccatharsis.blogspot.com/2022/11/november-quick-picks-and-pans.html">November Quick Picks and Pans</a> * <a href="http://cinematiccatharsis.blogspot.com/2022/11/favorites-from-1978.html">Favorites from 1978</a> </li><li>Diabolique Magazine: <a href="https://diaboliquemagazine.com/urban-blight-through-the-eyes-of-a-killer-maniac-1980/" target="_blank">Urban Blight Through the Eyes of a Killer: <i>Maniac </i>(1980)</a> von Jerome Reuter </li><li>Ghouls Ghouls Ghouls: <a href="https://www.ghoulsmagazine.com/articles/from-the-old-dark-house-to-the-feast-9-moments-of-wales-in-horror-wbjwl" target="_blank">A Maniac for William Lustig’s <i>Maniac </i>(1980) </a>von Candy Allison</li><li>Eight Miles Higher: <a href="http://andrewdarlington.blogspot.com/2022/11/movie-roger-cormans-teenage-caveman.html">Roger Corman's <i>Teenage Caveman</i></a><i> </i>von Andrew Darlington<i> <br /></i></li><li>The Reprobate: <a href="https://reprobatepress.com/2022/11/08/gorilla-thrillers-terrible-looking-ape-suits-in-entertainment/" target="_blank">Gorilla Thrillers! Terrible-Looking Ape Suits In Entertainment</a></li><li>The Reprobate: <a href="https://reprobatepress.com/2022/11/30/white-dog-sam-fullers-misunderstood-masterpiece/" target="_blank"><i>White Dog</i> – Sam Fuller’s Misunderstood Masterpiece</a></li><li>The Reprobate: <a href="https://reprobatepress.com/2022/11/24/and-your-card-is-death-the-history-of-dr-terrors-house-of-horrors/" target="_blank">And Your Card Is… Death! The History Of <i>Dr Terror’s House Of Horrors</i></a></li><li>The Reprobate: <a href="https://reprobatepress.com/2022/11/04/the-revolutionary-fervour-and-frustrations-of-neptune-frost/" target="_blank">The Revolutionary Fervour And Frustrations Of </a><i><a href="https://reprobatepress.com/2022/11/04/the-revolutionary-fervour-and-frustrations-of-neptune-frost/" target="_blank">Neptune Frost</a> </i></li><li>The Repr obate: <a href="https://reprobatepress.com/2022/12/08/no-hex-please-were-british-prophecies-of-the-virgin-witch/" target="_blank">No Hex Please, We’re British : <i>Prophecies Of The Virgin Witch</i></a> </li><li>The Reprobate: <a href="https://reprobatepress.com/2022/12/04/lets-hear-it-for-king-kong-76/" target="_blank">Let’s Hear It For <i>King Kong</i> ’76 </a></li><li>4-Color to 35-Millimeter: <a href="https://www.tor.com/2022/11/30/i-better-adjust-my-tongue-box-barbarella-and-vampirella/">“I better adjust my tongue box” - <i>Barbarella</i> and <i>Vampirella</i></a><i> </i>von Keith R. A. DeCandido<i> </i> </li><li>Deep Cuts in a Lovecraftian Vein: <a href="https://deepcuts.blog/2022/11/12/h-p-lovecrafts-witch-house-2021/" rel="bookmark"><i>H. P. Lovecraft’s Witch House </i>(2021)</a> </li><li>Daily Grindhouse: <a href="http://dailygrindhouse.com/thewire/movie-of-the-damned-of-the-day-tanyas-island-1980/" target="_blank">[Movies of the Damned of the Day] <i>Tanya's Island </i>(1980) </a>von Jon Abrams<br /></li><li>Daily Grindhouse: <a href="http://dailygrindhouse.com/thewire/unearthing-the-gothic-nightmare-castle-1965/" target="_blank">[Unaerthing the Gothic] <i>Nightmare Castle </i>(1965) </a>von Jamie Alvey</li><li>Daily Grindhouse: <a href="http://dailygrindhouse.com/thewire/comfort-horror-invasion-of-the-body-snatchers-1956/" target="_blank">[Comfort Horror] <i>Invasion of the Body Snatchers </i>(1956) </a>von Jon Abrams <br /></li><li>Ellsworth's Cinema of Swords: <a href="https://www.blackgate.com/2022/12/07/ellsworths-cinema-of-swords-emthe-princess-brideem-redeems-the-80s/" rel="bookmark"><i>The Princess Bride</i> Redeems the ‘80s</a> * <a href="https://www.blackgate.com/2022/11/09/ellsworths-cinema-of-swords-buccaneers-three/" rel="bookmark">Buccaneers Three</a></li><li>Scifist 2.0: <i><a href="https://scifist.net/2022/11/13/the-werewolf/" rel="bookmark">The Werewolf </a></i></li><li>At the Mansion of Madness: <a href="http://atthemansionofmadness.blogspot.com/2022/12/bloody-pit-of-horror-il-boia-scarlatto.html"><i>Bloody Pit of Horror / Il boia scarlatto </i>(1965)</a></li><li>Hallo, hier spricht ... <a href="https://krimifilm.blogspot.com/2022/12/piccadilly-null-uhr-zwolf-1963.html"><i>Piccadilly Null Uhr Zwölf</i> (1963)</a></li><li>Fangoria: <a href="https://www.fangoria.com/original/feline-fever-cat-people-at-80/" target="_blank">Feline Fever: <i>Cat People</i> At 80 </a>von Rich Johnson </li><li><a href="https://www.tor-online.de/magazin/fantasy/ueber-druiden-der-fantasy" target="_blank">Über Druiden in der Fantasy</a> von Alessandra Reß<br /></li><li>Non-Fiction Spotlight: <a href="http://corabuhlert.com/2022/11/01/non-fiction-spotlight-the-aliens-are-here-extraterrestrial-visitors-in-american-cinema-and-television-by-fraser-a-sherman/" rel="bookmark"><i>The Aliens Are Here – Extraterrestrial Visitors in American Cinema and Television </i>by Fraser A. Sherman</a> * <a href="http://corabuhlert.com/2022/11/23/non-fiction-spotlight-a-haunted-history-of-invisible-women-true-stories-of-americas-ghosts-by-leanna-renee-hieber-and-andrea-janes/" rel="bookmark"><i>A Haunted History of Invisible Women – True Stories of America’s Ghosts </i>by Leanna Renee Hieber and Andrea Janes</a> *<i> </i><a href="http://corabuhlert.com/2022/12/08/non-fiction-spotlight-slaying-the-dragon-a-secret-history-of-dungeons-and-dragons-by-ben-riggs/" rel="bookmark"><i>Slaying the Dragon – A Secret History of Dungeons and Dragons</i> by Ben Riggs</a> von Cora Buhlert <br /></li><li>Deep Cuts in a Lovecraftian Vein: <a href="https://deepcuts.blog/2022/11/26/her-telegram-to-lovecraft-wilhelmina-beatrice-bess-houdini/" rel="bookmark">Her Telegram To Lovecraft: Wilhelmina Beatrice “Bess” Houdini</a> von Bobby Derie</li><li>Deep Cuts in a Lovecraftian Vein: <a href="https://deepcuts.blog/2022/11/23/shoggoth-butt-invasion-2016-by-jason-wayne-allen/" rel="bookmark"><i>Shoggoth Butt Invasion</i> (2016) by Jason Wayne Allen</a> * <a href="https://deepcuts.blog/2022/11/19/fight-iczer-one-%e6%88%a6%e3%81%88%e3%82%a4%e3%82%af%e3%82%b5%e3%83%bc1-1985-1987/" rel="bookmark"><i>Fight! Iczer-One</i> (戦え!!イクサー1, 1985-1987)</a> * <a href="https://deepcuts.blog/2022/11/16/collwen-the-cimmerian-volume-one-2019-by-matthew-n-sneedon/" rel="bookmark"><i>Collwen the Cimmerian</i> Volume One (2019) by Matthew N. Sneedon</a> *<i> </i><a href="https://deepcuts.blog/2022/11/09/sailing-downward-to-the-cthulhu-call-2022-by-lisa-shea/" rel="bookmark"><i>Sailing Downward To The Cthulhu Call</i> (2022) by Lisa Shea</a> </li><li>Deep Cuts in a Lovecraftian Vein: <a href="https://deepcuts.blog/2022/11/30/editor-spotlight-interview-with-lisa-morton/" rel="bookmark">Editor Spotlight: Interview with Lisa Morton</a></li><li>Deep Cuts in a Lovecraftian Vein: <a href="https://deepcuts.blog/2022/12/03/an-asian-writer-looks-at-lovecraft/" rel="bookmark">An Asian Writer Looks At Lovecraft</a> von Nicole Ortega <br /></li><li>Deep Cuts in a Lovecraftian Vein: <a href="https://deepcuts.blog/2022/11/05/a-jewish-deadhead-looks-at-lovecraft-by-m-i-black/" rel="bookmark">A Jewish Deadhead Looks At Lovecraft</a> von M.I. Black <br /></li><li>Black Gate: <a href="https://www.blackgate.com/2022/10/29/emthe-best-of-lucius-shepardem/" rel="bookmark">Treasures to Return To: <i>The Best of Lucius Shepard</i></a> </li><li>Nightmare Magazine: <a href="https://www.nightmare-magazine.com/nonfiction/the-h-word-sole-survivor/">The H Word: Sole Survivor</a> von May Haddad <br /></li><li>Tales From the Magician's Skull: <a href="https://goodman-games.com/tftms/2022/11/01/who-fears-manly-wade-wellman/" target="_blank">Who Fears Manly Wade Wellman?</a> von Fletcher Vredenburgh <br /></li><li><a href="https://www.tor.com/2022/12/09/five-swashbuckling-sf-stories-about-space-pirates/">Five Swashbuckling SF Stories About Space Pirates</a> von James Davis Nicoll <br /></li><li>Dark Worlds: <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/the-fantastic-in-the-argosy-1932/" rel="bookmark">The Fantastic in the <i>Argosy</i>: 1932</a> * <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/the-fantastic-in-the-argosy-1933/" rel="bookmark">1933</a> * <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/the-fantastic-in-the-argosy-1935-1936/" rel="bookmark">1935-1936 </a>* <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/the-fantastic-in-the-argosy-1937-1938/" rel="bookmark">1937-1938 </a>* <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/the-fantastic-in-the-argosy-1939/" rel="bookmark">1939</a></li><li>Dark Worlds: <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/captain-future-an-overview/" rel="bookmark">Captain Future – An Overview </a> </li><li>Strange Horizons: <a href="http://strangehorizons.com/non-fiction/chinese-science-fiction-platforms-professional-and-fan-based/">Chinese Science Fiction Platforms: Professional and Fan-based</a> von River Flow<br /></li><li>Uncanny Magazine: <a href="https://www.uncannymagazine.com/article/across-the-afterverse-a-conversation-with-afropunk-sf-f-author-alex-smith/">Across the Afterverse: A Conversation with Afropunk SF/F Author Alex Smith</a></li><li>Nightmare Magazine: <a href="https://www.nightmare-magazine.com/nonfiction/panel-interview-lee-murray-geneve-flynn-angela-yuriko-smith-christina-sng-rena-mason-and-k-p-kulski/">Panel Interview: Lee Murray, Geneve Flynn, Angela Yuriko Smith, Christina Sng, Rena Mason, and K.P. Kulski</a></li><li>Clarkesworld Magazine: <a href="https://clarkesworldmagazine.com/yaszek_interview">Women Have Always Been Here: A Conversation with Lisa Yaszek</a></li><li>Clarkesworld Magazine: <a href="https://clarkesworldmagazine.com/chung_hur_interview">Endings & Experimentations: Conversations with Bora Chung and Anton Hur</a> </li><li>Apex Magazine: <a href="https://apex-magazine.com/interviews-2/interview-with-author-renan-bernardo-2/">Interview with Author Renan Bernardo </a></li><li>Apex Magazine: <a href="https://apex-magazine.com/interviews-2/interview-with-author-margaret-dunlap/">Interview with Author Margaret Dunlap </a></li><li>Fantasy Magazine: <a href="https://www.fantasy-magazine.com/fm/non-fiction/interview-patrice-caldwell/">Interview: Patrice Caldwell</a></li><li>Dark Worlds: <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/the-masters-of-fantasy-by-neil-austin/" target="_blank">The Masters of Fantasy by Neil Austin</a></li><li>Dark Worlds: <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/buck-rogers-the-golden-silver-and-bronze-age-comics/" target="_blank">Buck Rogers: The Golden, Silver and Bronze Age Comics</a></li><li>Dark Worlds:<a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/cosmic-carson-the-early-jack-kirby/" target="_blank"> Cosmic Carson: The Early Jack Kirby</a></li><li>Attack of the 50 Year Old Comic Books:<i> </i><a href="https://50yearoldcomics.com/2022/11/26/defenders-4-february-1973/" rel="bookmark"><i>Defenders </i>#4 (February, 1973)</a></li><li>Attack of the 50 Year Old Comic Books: <a href="https://50yearoldcomics.com/2022/12/03/conan-the-barbarian-24-march-1973/" rel="bookmark"><i>Conan the Barbarian</i> #24 (March, 1973)</a></li><li>Skeptical Inquirer: <a href="https://skepticalinquirer.org/2022/10/solving-the-hidden-tomb-mystery-at-rosslyn-chapel/" target="_blank">Solving the Hidden-Tomb Mystery at Rosslyn Chapel </a>von Joe Nickell</li><li>Skeptical Inquirer: <a href="https://skepticalinquirer.org/exclusive/d-c-the-demon-cat-of-the-capitol/" target="_blank">D.C. - The Demon Cat of the Capitol</a> von JD Sword</li><li>The Public Domain Review: <a href="https://publicdomainreview.org/essay/musee-dupuytren-catalogue" target="_blank"><span class="title">Displaying the Dead:
</span></a><span class="subtitle"><a href="https://publicdomainreview.org/essay/musee-dupuytren-catalogue" target="_blank"> The Musée Dupuytren Catalogue </a>von Daisy Sainsbury <br /></span></li></ul>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-35749868147746178662022-12-04T13:08:00.010-08:002022-12-06T14:33:35.369-08:00Was ist New Edge?<div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Meine Beschäftigung mit der Sword & Sorcery auf diesem Blog konzentrierte sich bislang beinah ausschließlich auf die <b>Geschichte</b> des Subgenres. Anfangs war "Let Me Tell You Of The Days Of High Adventure" ja sogar ausdrücklich als eine Reihe über die frühen Tage der S&S konzipiert, in der ich zeigen wollte, dass sie von Beginn an mehr war als Conan und Kull. Aber auch nachdem ich den Blickwinkel etwas erweitert hatte, bin ich nur sehr selten über die zweite Blüteära der 60er - 80er Jahre hinausgegangen. Die einzigen neueren Bücher, die ich hier besprochen habe, sind Saladin Ahmeds <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2020/04/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">Throne of the Crescent Moon</a> </i>(2012) und die von Jesse Bullington & Molly Tanzer herausgegebene Anthologie <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2019/07/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">Swords v Cthulhu</a> </i>(2016). Und mit den <b>wirklich</b> aktuellen Entwicklungen im Subgenre habe ich mich bislang überhaupt noch nicht beschäftigt. Auch deshalb, weil ich lange Zeit keinen echten Einblick in sie hatte. Zwar sind mir Websites/E-Magazine wie<a href="http://www.heroicfantasyquarterly.com/" target="_blank"> <i>Heroic Fantasy Quarterly</i></a>, <a href="https://swordsandsorcerymagazine.com/index.html" target="_blank"><i>Swords and Sorcery Magazine</i></a>, <i><a href="https://www.beneath-ceaseless-skies.com/" target="_blank">Beneath Ceaseless Skies</a>, <a href="https://goodman-games.com/tftms/" target="_blank">Tales From The Magician's Skull</a> </i>und <a href="https://whetstonemag.blogspot.com/" target="_blank"><i>Whetstone</i></a><i> </i>durchaus bekannt, aber leider kann ich nicht behaupten, regelmäßig alle (oder auch nur die Mehrzahl) der dort erscheinenden Stories zu lesen. Was ich in Zukunft ändern möchte, denn es scheinen sich da in letzter Zeit recht spannende Sachen abzuspielen.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjcDd81j-_Px0YXK8WlplJ_WSkaonrbBhjvYzhpuAhwwcnRp-flMirA0GcGJVoEXE8iHbzcnOGuDWuR3YssYjMPV_PaJWv1HZYRmguby8N1hJigCvAf9yV-WcQ7EaQS18JV5VGGyDvvZqWc3UgMLtAM9z-4ECHszxaYmDsDr-fbWWt6mcaIRdfc5bTK/s599/index2.png" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="599" data-original-width="466" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjcDd81j-_Px0YXK8WlplJ_WSkaonrbBhjvYzhpuAhwwcnRp-flMirA0GcGJVoEXE8iHbzcnOGuDWuR3YssYjMPV_PaJWv1HZYRmguby8N1hJigCvAf9yV-WcQ7EaQS18JV5VGGyDvvZqWc3UgMLtAM9z-4ECHszxaYmDsDr-fbWWt6mcaIRdfc5bTK/w498-h640/index2.png" width="498" /></a></div> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Der Begriff "New Edge" ist mir zuallererst in einem Twitter-Thread von <a href="https://twitter.com/Ancient0History" target="_blank">Bobby Derie</a> begegnet. Ich muss allerdings gestehen, dass die Nachricht von einer neuen "Bewegung", die offenbar im Frühjahr 2022 in der Sword & Sorcery ausgerufen worden war, anfangs wenig mehr als mildes Interesse in mir weckte. Erst als ich etwas später durch <a href="http://corabuhlert.com/" target="_blank">Cora Buhlert</a> erfuhr, dass die Initiator*innen die Herausgabe eines gleichnamigen Magazins planten, wurde ich neugieriger. Konkrete Beispiele für die Veränderungen zu geben, die man anstrebt, ist doch stets überzeugender als alle programmatischen Proklamationen. Also abonnierte ich den entsprechenden Newsletter und konnte mir schließlich am 30. September das <i>New Edge Sword and Sorcery Magazine </i>#0 herunterladen. Die E-Book-Version kann man sich nachwievor kostenlos auf der <a href="https://newedgeswordandsorcery.com/" target="_blank">Website </a>besorgen. Printfassungen gibt es zum Selbstkostenpreis.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Doch bevor wir uns den Inhalt genauer anschauen, wollen wir erst einmal versuchen, uns ein etwas genaueres Bild davon zu machen, was die "New Edge" dem eigenen Selbstverständnis nach eigentlich sein soll. Scott Odens im April veröffentlichter Blogpost <a href="https://scottoden.wordpress.com/2022/04/20/putting-a-new-edge-on-an-old-blade/" target="_blank"><i>Putting a New Edge on an Old Blade</i></a>, mit dem sich die junge Bewegung erstmals an eine breitere Öffentlichkeit im Fandom wandte, hinterließ bei mir ein eher zwiespältiges Gefühl. Denn er beginnt wie folgt:</span></div><div style="text-align: justify;">
<p style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></p><blockquote><p style="margin-bottom: 0cm;"><i>Swords can grow dull. They can lose
their edges through age, through misuse, through simple neglect. They
can rust; their hilts can rot and fall off, leaving only a tang of
metal for hands to grasp. A sword like that – if you permit me the
extended metaphor – is a bit like old genres of fiction.
</i></p><i>
</i><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>A genre can grow dull. The accretion of
old social mores – the misogyny, racism, and homophobia of bygone
eras – can oxidize a genre, making it seem as graceless as a
barnacle-encrusted hunk of metal drawn from the sea. A genre’s
founders can (and will) die, leaving less-invested imitators to tease
out only the surface tropes while its deeper meanings are lost to the
ages. And, over time, that genre starts to become irrelevant to the
world at large.</i></div><i>
</i><div style="margin-bottom: 0cm;"><i>In today’s fiction market, this is
largely the fate of sword-and-sorcery.</i></div></blockquote><div style="margin-bottom: 0cm;"><i></i></div>
<span style="font-size: small;">Das klingt ein bisschen so, als lebten wir immer noch in der Ära der Clonans. Die Gewohnheit, ein möglichst dunkles Bild der aktuellen Lage (und erst recht der Vergangenheit) zu zeichnen, um damit die Notwendigkeit eines Neuaufbruchs zu unterstreichen, ist mir natürlich bekannt. Aber ich mag sie nicht besonders und denke sogar, dass dieser rhetorische Kniff potenzielle Gefahren in sich birgt. Und wer etwas besser mit der Geschichte der Sword & Sorcery vertraut ist und deshalb weiß, dass diese Charakterisierung bestenfalls eine gewaltige Simplifizierung darstellt, wird sich zurecht fragen, ob hier nicht gegen ein Phantom der Vergangenheit rebelliert wird.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Aber glücklicherweise erweist sich sehr schnell, dass dem nicht (oder nur bedingt) der Fall ist. Schon Odens Beitrag weist darauf hin, dass der Begriff "New Edge" in Wirklichkeit bereits weit über zehn Jahre alt ist. Zum ersten Mal verwendet wurde er in den 2000ern von Howard Andrew Jones, als dieser Mitherausgeber des längst untergegangenen eZines <i>Flashing Swords </i>war. Auf dessen Seiten hatte er in mehreren Essays zu einer Erneuerung der damals tatsächlich ziemlich moribunden Sword & Sorcery aufgerufen und dabei u.a. geschrieben:</span></div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>We can find inspiration from the old
tales without pastiching them. Specifically, setting aside the sexism and racism and the suspect
politics but embracing the virtues of great pulp storytelling. The color. The pace. The headlong
thrill and sense of wonder. The celebration not of the everyday and the petty but of those who
dare to fight on when the odds are against them.</blockquote></i>Seitdem ist viel Wasser den Styx heruntergeflossen. Regelrechte Pastiches sind zwar nicht völlig aus dem Subgenre verschwunden -- so erschien z.B. 2020 Adrian Coles <i>Elak, King of Atlantis </i>--, scheinen mir aber keine signifikante Rolle mehr zu spielen. Auch habe ich das Gefühl, dass das von Clonans, Comics und 80er Jahre - Flicks geprägte Klischeebild der S&S als <i>"stories about grunting, fur-diaper-wearing barbarians</i>" bei weitem nicht mehr so allgemein verbreitet ist. Wie der Herausgeber des <i>New Edge Magazine</i>,<i> </i>Oliver Brackenbury vom <a href="https://soimwritinganovel.com/" target="_blank">"<i>So I'm Wiriting a Novel ..." </i>- Podcast</a>, in einem auf <i>Black Gate </i>veröffentlichten <a href="https://www.blackgate.com/2022/09/09/emnew-edge-sword-sorcery-magazineem-editor-oliver-brackenbury-interviewed-by-michael-harrington/" target="_blank">Interview</a> mit Michael Harrington selbst erklärt hat:</div><div style="text-align: justify;">
<div style="text-align: justify;"><i><blockquote>[W]e can put to rest any worries we have
about anybody under thirty remembering the glut of Clonans in prose
and film form of the 80’s which put a bit of a stink on the genre
for years afterward. It’s just not something to be concerned about
anymore, which is great news for bringing the genre back to
prominence.
</blockquote></i><span style="font-size: small;">Natürlich ist auch heute nicht alles eitel Sonnenschein im Reich der Sword & Sorcery. Doch schon seit längerem lässt sich eine Art Wiedererwachen des Subgenres beobachten, bei dem unkoventionellere Stimmen eine nicht unwichtige Rolle spielen. Das habe selbst ich mitbekommen. Und Brackenbury wäre der letzte, der das leugnen würde. Warum also eine spezielle Bewegung ausrufen? Die Idee dazu entstand im Discord-Gedankenaustausch in der <i>Whestone Tavern.</i> Wie der Herausgeber erzählt: <br /></span></div></div><div style="text-align: justify;"><blockquote><i>This resurgence of New Edge Sword & Sorcery as a term to rally
behind, back in the spring of this year, started from that all too
familiar conversational space of “How do we get more people into this
genre?” Well, if you want more people getting into this thing we love,
then you need to </i><b>include</b><i> more people!</i><span style="font-size: small;"><i> </i> </span></blockquote><span style="font-size: small;"></span></div><div style="text-align: justify;">Inklusivität und Diversität bilden deshalb das zentrale Anliegen der "New Edge". Will man der Sword & Sorcery zu einer neuen Blüte verhelfen (und diesen Ehrgeiz hat die Bewegung), dann muss man ein neues Publikum und neue Kunstschaffende für sie gewinnen -- jenseits der alteingesessenen Fangemeinde. Und das wiederum kann nur gelingen, wenn jede/r sich in ihr willkommen fühlt. Wenn nicht nur Sexismus, Rassismus, Queerfeindlichkeit etc. in der Szene offensiv angegangen, sondern auch aktive Bemühungen gestartet werden, Leute zu erreichen, die nicht der traditionell halt doch sehr "weiß-männlichen" alten Garde angehören. Wozu das Magazin einen energischen Beitrag leisten will. Wie Oliver Brackenbury in einem <a href="https://deepcuts.blog/2022/08/20/editor-spotlight-interview-with-oliver-brackenbury-of-new-edge-sword-and-sorcery-magazine/" target="_blank">Gespräch</a> mit Bobby Derie erklärt hat: <br /></div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>My current plan to ensure diversity in the magazine is by being
intentional about the authors whose work I solicit. I’m not doing subs,
yet, and I suppose when I get there I’ll have to think about how to
handle that. For now I’m limiting the number of white guys I publish in
any given issue to one or two, out of six authors total.</blockquote></i></div><div style="text-align: justify;">Nicht dass er behaupten würde, er und seine Mitstreiter*innen aus der <i>Whetstone </i>- Taverne seien die ersten oder einzigen, die entsprechende Anstrengungen unternähmen:<br /></div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>New Edge Swordy & Sorcery isn’t claiming to have invented the idea
of diversity/equity/inclusion in S&S. What it does is add
to diversity, equity, & inclusion in S&S, purposefully and with
great vigor, while providing a rallying banner the various scattered
parties already engaged in this work can choose to unite behind.</i><span style="font-size: small;"> </span></blockquote><span style="font-size: small;"><i> </i>Den Zielen der "New Edge", wie Brackenbury sie formuliert, würde ich mich 100%ig anschließen. Muss aber trotzdem noch einmal fragen, inwieweit es für deren Umsetzung nötig oder sinnvoll ist, eine distinkte "Bewegung" ins Leben zu rufen.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Ich kann zwar gut verstehen, dass es mitunter von Vorteil sein kann, ein Banner aufzupflanzen, um das Gleichgesinnte sich scharen können. "Nach innen" kann das sicher gemeinschaftsstiftend wirken und dabei helfen, eine Art Community des Austauschs und der solidarischen Kooperation zu schaffen. "Nach außen" mag es nützlich sein, um Aufmerksamkeit zu erregen und ein größeres Publikum zu erreichen. Dennoch hege ich eine gewisse Skepsis gegenüber "Bewegungen" im allgemeinen.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Oliver Brackenbury <a href="https://www.blackgate.com/2022/09/09/emnew-edge-sword-sorcery-magazineem-editor-oliver-brackenbury-interviewed-by-michael-harrington/" target="_blank">macht es sehr deutlich</a>, dass er nicht den Gatekeeper der "New Edge" spielen will. Auf die Frage "<i>Who decides what's </i>New Edge Sword & Sorcery" anwortet er: <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><i></i><blockquote><i>Luckily, as with all genres, there is no central authority. I wouldn’t
want to be that authority even if there was some way to enforce its
terrifying edicts! Far as I’m concerned, the readers decide for
themselves, and can debate amongst themselves, just as we’ve all been
doing for ages with sword & sorcery in general.</i><span style="font-size: small;"><i> </i></span></blockquote><span style="font-size: small;">Er betont sogar ganz ausdrücklich, dass formale wie inhaltliche Experimentierfreude für ihn ein wichtiger Bestandteil der New Edge ist, wobei Brian Murphys Definition der Sword & Sorcery einen lockeren und flexiblen Rahmen für das Ganze abgeben könnte <br /></span></div><div style="text-align: justify;"> <i></i><blockquote><i>“S&S can be many things and still be S&S” is a motto of
mine. I think its flexibility is truly one of its greatest strengths.</i>
<div><i>I sometimes imagine it as a truly wild wrestling ring with posts,
perhaps seven, akin to Brian Murphy’s excellent genre definition in <b>Flame & Crimson: A History of Sword & Sorcery</b>,
that clearly mark boundaries. Yet what runs between them? A strong,
highly elastic rope for authors to stretch and bounce off of, executing
all kinds of cool, exciting moves!</i></div></blockquote><div><i></i></div><span style="font-size: small;">Ich habe zwar das eine oder andere an Murphys Buch auszusetzen, aber Brackenburys Herangehensweise an die Sword & Sorcery sagt mir eigentlich sehr zu. Ich fürchte bloß, dass die meisten "Bewegungen" früher oder später trotzdem die Tendenz entwickeln, Regeln oder Vorgaben auszubilden, nach denen bestimmt wird, wer dazugehört und wer nicht. Dazu braucht es gar keine alles dominierende Autoritätsperson. Das kann sich ebensogut aus einer Form von Gruppendynamik entwickeln. Zumal die Gefahr der Cliquenbildung meines Erachtens aus sozio-kulturellen Gründen in künstlerisch-intellektuellen Kreisen immer sehr groß ist. Unabhängig vom individuellen Charakter der beteiiligten Personen. Und wenn dieselbe "Bewegung" sich selbst als eine Art "progressive Avantgarde" darstellt, kann es schnell passieren, dass all jene, die sich ihr (aus welchen Gründen auch immer) nicht anschließen wollen, automatisch in den Ruf geraten, konservativ oder reaktionär zu sein. Vor allem in unserer durch die Culture Wars aufgeheizten Atmosphäre.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Freilich habe ich bislang kaum etwas gesehen, was diesen vagen Befürchtungen weitere Nahrung gegeben hätte. Einzig ein <a href="http://spiraltower.blogspot.com/2022/07/new-edge-sword-and-sorcery-some-history.html" target="_blank">Beitrag</a> von </span>Jason Ray Carney auf seinem Blog <i>Spiral Tower </i>lässt erahnen, an welchen Punkten es zu ersten Auseinandersetzungen und Komplikationen kommen könnte. Dabei geht es weniger um neue Zukunftsperspektiven für die Sword & Sorcery als vielmehr um den Umgang mit der Vergangenheit des Subgenres.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Was Oliver Brackenbury in seinem <a href="https://www.blackgate.com/2022/09/09/emnew-edge-sword-sorcery-magazineem-editor-oliver-brackenbury-interviewed-by-michael-harrington/" target="_blank">Gespräch</a> mit Michael Harrington zu diesem Thema sagt, klingt erfreulich ausgeglichen. Einerseits stellt er die "New Edge" ganz klar in eine Traditionslinie und spricht sich deshalb auch ausdrücklich für eine Beschäftigung mit den Werken der Vergangenheit aus:</div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>[U]nderstanding what came before you in the genre is “very important.”
Why? Because we are all standing on the shoulders of giants, whether or
not we realize it. So long as you don’t study the greats because you
think you have to outright copy them or people won’t accept you — boo to
gatekeeping, by the way — then you can only benefit from thoughtful
analysis and gleeful enjoyment of past tales. Learning the history of
the genre at large isn’t mandatory, but it doesn’t hurt!</blockquote></i> Andererseits betont er, dass es sich dabei um eine kritische und reflektierte Auseinandersetzung handeln müsse: "<i>Replicating past works unthinkingly runs the risk of infusing your work
with ideas you’d find repulsive – if you realized they were present.</i>"</div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Im Grunde unterscheidet sich das kaum von der Herangehensweise, die ich selbst vor gut anderthalb Jahren einmal in dem Artikel <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2021/03/vom-umgang-mit-traditionen.html" target="_blank"><i>Vom Umgang mit Traditionen </i></a>darzulegen versucht habe. </span></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Jason Ray Carneys kritische Anmerkungen beziehen sich denn auch nicht auf Brackenbury (dessen Ausführungen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht veröffentlicht waren), sondern auf einen Newsletter seiner "New Edge" - Mitstreiter*innen Remco van Straten und Angeline B. Adams. Die beiden schreiben dort u.a.: "<i>The Sword & Sorcery genre is
currently going through […] a review […] discovering what the genre needs to be
to survive, and what needs to be discarded.</i>" Carney merkt nicht nur (meiner Meinung nach zuecht) an, dass diese Selbstreflexion weder wirklich neu, noch so allgemein verbreitet ist wie hier angedeutet. Er hat vor allem ein Problem mit dem Begriff "<i>discard</i>". Impliziert dieser nicht, dass es Teile der Tradition gibt, die wir nicht bloß kritisch hinterfragen und analysieren, sondern gänzlich über Bord werfen sollen? Erst recht, wenn man diesen Absatz hinzunimmt:</div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>There is a form of creation through subtraction
too, and one where it is very important to be intentional and look at who we
might be excluding, and who we should be excluding – you cannot open the door
to new, diverse, readers while putting people on a pedestal whose work is a
turn-off to them.</blockquote></i></div><p style="text-align: justify;">Ich persönlich halte es ja grundsätzlich für Unsinn, irgendwen auf ein Podest zu stellen. Für mich ist eine kritische Herangehensweise stets geboten -- ganz gleich, ob es dabei um Robert E. Howard oder um Joanna Russ geht. Aber ich denke Carney berührt einen wichtigen Punkt, wenn er fragt: "<i>Who is this "we" making decisions about
what to include and exclude?</i>"</p><div style="text-align: justify;">Howard Andrew Jones schließt seinen Beitrag <i>The Origin of the New Edge </i>wie folgt: <br /></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><i><blockquote>My sincerest hope is that it will never become one of the dividing lines we keep tripping over and that the New Edge instead remains a campfire around which we can gather and share the kind of fiction we love.</blockquote></i></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Natürlich
wird es immer Leute geben, mit denen man aus guten Gründen nicht am
selben Lagerfeuer sitzen will. Abgrenzung kann notwendig sein. Schließlich gibt es in der Sword & Sorcery - Gemeinde tatsächlich ein offen rechtsextremes Segment. Dennoch hoffe auch ich, dass die "New Edge" eine möglichst offene und kameradschaftliche Atmosphäre pflegen wird, in der auch Meinungsverschiedenheiten und Diskussionen im Geiste gegenseitigen Respekts und gemeinsamer Liebe zum Subgenre ausgetragen werden können. Dann besäße diese "Bewegung", wie immer sonst ihre Zukunft auch aussehen mag, ganz sicher das Potential, einen positiven Beitrag zur Erneuerung der Sword & Sorcery zu leisten.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><br /></span></div><p><span style="font-size: small;"><i></i></span></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><span style="font-size: small;"><i><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhQWCXJMkw9ziwWhq9rez904w-keTGRvN6a-sBSWod7uJJIIcIeQlHZm_8Vi-acAv8_tXxWxjztPeg7mgbS2AisLQlBzDKI-WgU_dbFQ2OgIxJ7eVmNO4uZgpGY3a95CPRFukC232hj7blpFfJYcH_gqGUpVtDTpSkA9-3r4zvMxAf0CiFySuUZbvrj/s578/index.png" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="578" data-original-width="438" height="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhQWCXJMkw9ziwWhq9rez904w-keTGRvN6a-sBSWod7uJJIIcIeQlHZm_8Vi-acAv8_tXxWxjztPeg7mgbS2AisLQlBzDKI-WgU_dbFQ2OgIxJ7eVmNO4uZgpGY3a95CPRFukC232hj7blpFfJYcH_gqGUpVtDTpSkA9-3r4zvMxAf0CiFySuUZbvrj/w484-h640/index.png" width="484" /></a></i></span></div><p><span style="font-size: small;"><br /></span></p><div style="text-align: left;"><span style="font-size: small;">Wenden wir uns nun also endlich dem Inhalt des Magazins zu.<i> </i></span></div><div style="text-align: left;"><span style="font-size: small;"><i> </i></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><i><b>The Curse of the Horsetail Banner </b></i>von Dariel R.A. Quiogue ist eine passable, aber nicht besonders innovative oder originelle S&S - Geschichte -- trotz des "mongolischen" Settings. </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Durch die Intrigen seines verräterischen Blutsbruders Jungar ist der ehemalige Khan Timur Orhan zum Vogelfreien geworden und befindet sich nun auf der Flucht durch die Steppe. Zufällig verschlägt es ihn dabei in eine Region, die für die Stämme eigentlich tabu ist, befindet sich dort doch das Grabmal des legendären Toktengri. Doch als er erschreckt feststellen muss, dass die letzte Ruhestädte des Großkhans von einem Trupp Soldaten aus Wulong (~China) entweiht und das Pferdeschweifbanner des Eroberers geraubt wurde, macht er sich alsbald an die Verfolgung der fremdländischen Frevler. Zumal er<i> </i>überzeugt davon ist, dass ihm die Magie des Banners zum Triumph über den verhassten Jungar verhelfen werde. Als sich ihm auf der Jagd der Adler Zunjebei hinzugesellt, wirkt das beinah wie ein göttliches Omen. Weder die schwarzmagischen Künste des Eunuchen Lao Cheng noch die Truppen des Kaiserreiches werden ihn aufhalten können!</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Natürlich ist es stets erfreulich, wenn eine Sword & Sorcery - Geschichte einmal pseudoeuropäische Gefilde verlässt und dabei nicht in die Falle des Exotismus tappt. Aber so revolutionär wie in den 70ern/80ern bei Charles R. Saunders' Nyumbani - Erzählungen oder Jessica Amanda Salmonsons Tomoe Gozen - Romanen ist das heute sicher nicht mehr. Und da meine persönliche Vorliebe ohnehin eher bei der "städtischen" Gauner- & Halunkenvariante des Subgenres liegt, stellte <i>The Curse of the Horsetail Banner </i>für mich nicht gerade einen fulminanten Auftakt dar.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><i><b>The Ember Inside </b></i>von Remco van Straten & Angeline B. Adams war da schon eher das, was ich mir unter "New Edge" vorgestellt hatte. Clever, thought-provoking und elegant erzählt.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Die wandernde Dichterin Ymke, ihre Partnerin, die Kriegerin Kaila, und ihr Kumpel Sebastien scheinen eine Art Gaunertrio zu sein. Aber darauf bekommen wir in der Geschichte nur vage Andeutungen. Eines Tages erhält Ymke eine Einladung von dem berühmten Dichter Sigismond, Verfasser des populären Epos <i>Lay of Bärsk the Bloodied</i>, das sie offenbar für ziemlichen Schund hält, auch wenn Kaila großen Spaß daran zu haben scheint. </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Sigismond hat offenbar das Wohlwollen seiner reichen und blaublütigen Patrone verloren. Die junge Generation ist nicht länger an den immer gleichen blutrünstigen Räuberpistolen interessiert. <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><i><blockquote>‘Is this what’s best in life?’ one duke’s daughter asked one evening. ‘Murder and violence, boots sliding over innards? What is the value in all of this? Where is the humanity?’</blockquote></i>Also will er ihnen etwas anderes bieten: <br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><i><blockquote>What I want, Ymke, is your story. They want humanity? I shall give them the true story of a girl who survived the war-torn wasteland of Cruonhinga and somehow made it in the world outside. A brave cripple -- they’ll love it. You of all people must know this. People love to compare themselves to the less fortunate, to believe they would offer succour, sanctuary, to such a person if given the chance.</blockquote></i>Unsere Protagonistin ist von dieser Idee allerdings überhaupt nicht begeistert. Erstens sei das ganz und gar keine adäquate Beschreibung ihres Lebens und zweitens habe sie keine Lust, das dasselbe auf "<i>a tale of pity or admonishment</i>" reduziert werde. Doch Sigismond braucht seine Story und um sie zu bekommen, setzt er Ymke kurzerhand unter Drogen.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Was folgt ist eine Reihe von (scheinbaren) Episoden aus ihrem Leben: Die ungewollte Heirat mit einem Großgrundbesitzer; die Geburt von zwei Söhnen, die sie nie zu lieben vermochte; die Flucht in Tagträume von einem freien Leben; das beständige Lodern und Anwachsen einer wütenden Flamme in ihrem Inneren; Szenen von Krieg und Gewalt; die erste Begegnung mit Kale (Kaila); und schließlich der blutige Befreiungsschlag, wenn sie ihren Gatten tötet und dem dumpfen Leben eines Eheweibs entkommt.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Sigismond ist ganz und gar nicht zufrieden: </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><i><blockquote>Alack, I cannot use any of it. You have no talent for tragedy, Ymke! I wanted meekness, a story to make others weep. You disapprove of my Bärsk, and yet you gave me such hatred and bloodshed!</blockquote></i>Doch am Ende erfahren wir, dass das überhaupt nicht Ymkes reale Lebensgeschichte war. Zu der aufgezwungenen Ehe ist es in Wirklichkeit nie gekommen. Weshalb sie sich auch nicht auf so gewaltsame Art selbst befreien musste.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><i>The Ember Inside </i>enthält eine ganze Reihe interessanter Ideen.<i> </i>So geht es u.a. sicher darum, wie das Schicksal Marginalisierter als Material für klischeehafte Stories missbraucht und dabei entstellt werden kann. Doch für mich ist die Erzählung vor allem eine intelligente Reflexion über die Art von Geschichten, die wir erzählen und hören wollen. Sigismonds <i>Bärsk </i>scheint für das klassische Blood & Thunder zu stehen. Dem wird anfangs mangelnde Humanität und Realitätsferne vorgeworfen. Doch die ebenso klassische Emanzipationsgeschichte Ymkes entpuppt sich am Ende gleichfalls als "unecht", mithin bloß als eine andere Art von Klischee. Aber das nimmt ihr nicht ihre Daseinsberechtigung. So falsch es auch ist, wenn wir das Leben realer Menschen auf solche simplistischen Formeln reduzieren (ganz gleich ob rührseliges Melodrama oder wütende Story von Unterdrückung & Selbstbefreiung), Geschichten dieser Art können uns berühren und Ausdruck sehr tiefer Emotionen sein. Weshalb Ymke am Ende sogar ihr (möglicherweise etwas vorschnelles) Urteil über <i>Bärsk </i>in Frage stellt. Was selbstredend nicht das Verhalten von Sigismond entschuldigt, der seine gerechte Strafe erhält. </span><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><i><b>Old Moon Over Irukad</b> </i>von David C. Smith ist im Vergleich dazu wieder ziemlich klassische Sword & Sorcery - Kost: Ein diebisches Protagonistenpaar; ein verfallener Tempel; ein verräterischer Priester; vampirische Ungeheuer etc. Wenn ich mehr Spaß mit ihr hatte als mit <i>Curse of the Horsetail Banner</i>, dann weil sie meinen persönlichen Vorlieben entgegenkommt. Virissa und Edrion sind sympathische Halunken. Die Story beginnt und endet in einer Kneipe. Salz wird zur Abwehr von schwarzer Magie durch die Gegend geworfen. Und am Ende ist es der korpulente Schwertkämpfer Malon (Edrions Liebhaber), der die Situation rettet. Heldin wie Held sind queer, was für die eigentliche Handlung aber keine Rolle spielt. Doch gerade diese Selbstverständlichkeit ist ja durchaus begrüßenswert.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Hinzu kommt, dass David C. Smith als Verfasser des <i>Oron / Attluma </i>-Zyklus und Co-Autor der <i>Red Sonja </i>- Bücher ein echter Sword & Sorcery - Veteran ist. Seine Geschichte wirkt deshalb auch ein bisschen wie eine Art Statement, dass die "New Edge" kein aggressiver Bruch mit der vorhandenen Tradition sein will und auch deren Vertreter*innen einen Platz in ihr haben können.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><i><b>The Beast of the Shadow Gum Trees</b> </i>von T.K. Rex entfernt sich sicher am weitesten von dem, was man sich klassischerweise unter Sword & Sorcery vorstellt. </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Moth ist eine Art Naturgeist, der aus Liebe zu dem Barden Amas menschliche Gestalt angenommen hat. Als sein Partner nach vielen Jahren stirbt, wünscht er sich selbsts nichts sehnlicher als den Frieden des Todes. Doch dieser wird ihm verwehrt und das Meer spült ihn stattdessen an die Küste eines fremden Landes. Dort begegnet er einem Einhorn, das gegen die von den Menschen hier vor Zeiten angepflanzten Wälder ankämpft, die das ursprüngliche <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Chaparral_(Vegetationstyp)" target="_blank">Chaparral</a>-Ökosystem (ein Begriff, den der Text leider wirklich benutzt) zu zerstören drohen.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Die Geschichte ist das deutlichste Beispiel für die Experimentierfreude, die Brackenbury mit der "New Edge" verbindet. Sie dürfte gemeint sein, wenn er in seinem <a href="https://www.blackgate.com/2022/09/09/emnew-edge-sword-sorcery-magazineem-editor-oliver-brackenbury-interviewed-by-michael-harrington/" target="_blank">Gespräch</a> mit Harrington erwähnt: "</span><i>There’s also been some exciting talk already about messing around with
non-Western storytelling structures, and themes you don’t often come
across in S&S, such as environmentalism.</i>" und "<i>Nobody will mistake the tale for an REH story, it leans more into the
mythic/weird side of the genre, and I think that’s plenty fine.</i>" Ich habe keinerlei Probleme mit so etwas, fühle mich dabei vielmehr an Jessica Amanda Salmonsons Bemühungen erinnert, die Grenzen der Heroic Fantasy in <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2020/08/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank"><i>Amazons! </i></a>stilistisch-inhaltlich zu erweitern. Und mit Stories wie<i><b> </b>Jaine Saint's Travails </i>von Josephine Saxton oder <i>The Woman Who Loved The Moon </i>von Elizabeth A. Lynn enthielt ja auch diese 70er Jahre - Anthologie bereits so manches, was engstirnige S&S-Fans vermutlich niemals dem Subgenre zuordnen würden.</div><div style="text-align: justify;">Was <i>The Beast of the Shadow Gum Trees </i>besonders auszeichnet ist die poetische und elegant rhythmisierte Sprache. Liest man die Geschichte laut, verfällt man dabei ziemlich schnell in eine Artt melodischen Singsang. Zwar enthält die Story den bei einer "Öko-Erzählung" beinah unausweichlichen Seitenhieb auf "Fortschritt" und "Wachstum": "<i>The rate of new inventions has begun to build upon itself, and there are humans who believe that power comes from endless growth.</i>"<i><span style="font-size: small;"> </span></i><span style="font-size: small;">Aber </span><span style="font-size: small;">letztenendes geht es mehr um Themen von Vergänglichkeit, Trauer und Loslassen-Können. Und am Ende steht die Erkenntnis, dass Veränderung zwar stets von Verlust begleitet wird, doch dass das Leben/die Natur gerade dadurch immer wieder auch zu neuen Formen findet.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><i><b>Vapors of Zinai </b></i>von J..M. Clarke ist ein nettes Sword & Soul ("Afro - S&S") - Abenteuer, zu dem ich aber auch nur wenig zu sagen habe.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Kyembe, eine Art Magier "for hire", gelangt auf der Flucht vor seinem letzten (und seeehr unzufriedenen) Auftraggeber nicht ganz freiwillig ins verdammt ägyptisch anmutenden Reich von Zinai. Die ebenso schöne wie kluge und politisch gewandte Hohepriesterin Takhat rekrutiert ihn, um einer ziemlich ernsten Dämonenplage auf den Grund zu gehen, die nicht bloß reihenweise Todesopfer fordert, sondern dabei ist, Autorität und Macht der Priesterkaste zu untergraben.</span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Was mir an dieser Story besonders gut gefallen hat, ist die erfrischende Respektlosigkeit unseres Helden, dem jedwede Ehrfurcht vor Priestern, Göttern und Dämonen fremd ist. Dennoch erweist sich ihm Takhat als eine ebenbürtige Partnerin. Und dass der böse Dämonenbeschwörer nicht von Machtgier oder Rachsucht, sondern von Langeweile und Ennui angetrieben wird, war eine hübsche Abwechselung.<br /></span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"> </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;"><i><b>The Grief Note of Vultures</b> </i>von Bryn Hammond erwies sich sehr schnell als mein persönlicher Favorit. Die Geschichte beginnt mit der Schilderung einer gemeinsamen Mahlzeit. und schon das schien mir ein gutes Zeichen zu sein. Tatsächlich wird damit ein zentrales Element der Erzählung geschickt eingeführt: Die Reisegemeinschaft einer "multikulturellen" Karawane, die von unserer Heldin Angaj-Duzmut durch eine "zentralasiatische" Landschaft geführt wird. </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Das gefällt mir gleich auf meheren Ebenen. </span></div><div style="text-align: justify;"><span style="font-size: small;">Angaj-Duzmut ist als Spross eines den Tanguten nachempfundenen Nomadenvolkes, die nach ihrer Flucht aus der reichen Stadt Fattimbet eine Zeit lang im "Commonwealth" der Vogelfreien und Gesetzlosen gelebt hat, eigentlich eine klassische Outsider - S&S - Heldin. Doch zugleich ist sie (für die Dauer dieses Abenteuers) Teil einer Gemeinschaft. Bei dieser handelt es sich aber eben gerade nicht um die archetypische "Heldengruppe", die auf irgendeiner Queste wäre. Die Karawane ist vielmehr eine aus der Arbeitswirklichkeit der Menschen geborene Zweckgemeinschaft. Dennoch verbindet ihre aus unterschiedlichsten Kulturkreisen, Religionsgruppen und Ethnien stammenden Mitglieder eine ganz selbstverständliche Kameradschaft. Es ist dieses "soziale" Setting das mir besonders zugesagt hat. Die zwischen den Reisegefährt*innen herrschende Toleranz ist dabei keineswegs ein "utopisches Wunschbild", sondern spiegelt die historische Realität der Gesellschaften wider, die während Antike und Mittelalter entlang der Seidenstraße existierten. D</span>ort war es durchaus üblich, dass man in solch gemischten Karawanen reiste. Und Weltoffenheit ist (aus nachvollziehbaren Gründen) ein Charakteristikum vieler auf dem Handel basierender Zivilisationen.</div><div style="text-align: justify;">Zugleich zeigt uns Bryn Hammond sehr schön, wie gut sich dieses "soziale" Setting mit Abenteuer und Action verbinden lässt. Denn wer weiß, was einem alles so auf einer solchen Reise begegnet? Im Falle von Angaj-Duzmut und ihren Gefährt*innen sind das monströse Geier, aus deren Körpern hier und da menschliche Gliedmaßen (oder auch mal ein Auge) wachsen. Die Gruppe sucht schließlich in einem (~buddhistischen) Tempel Zuflucht. Die Fresken im benachbarten Höhlenheiligtum sind nicht nur der Schlüssel zur Rettung, sondern heben noch einmal den quasi-anarchistischen Grundton der Geschichte hervor. Sind die dort abgebildeten Höllenqualen doch ganz den Martern und Bestrafungen nachempfunden, mit denen die Staatsgewalt ihre Untertanen "diszipliniert".</div><div style="text-align: justify;">Die einzige Schwäche der Geschichte besteht für mich in der abschließenden Passage, in der uns Angaj-Duzmuts Geliebte, die "Räuberkönigin" des "Commonwealth", diesen Subtext noch einmal auf dem Silbertablett serviert. Was meiner Meinung nach nicht nötig gewesen wäre. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Zum Abschluss noch ein paar kurze Worte über den restlichen Inhalt des Magazins.</div><div style="text-align: justify;">Über die kurzen Aufsätze <i><b>The Origins of New Edge </b></i>von Howard Andrew Jones und <i><b>What is New Edge Sword and Sorcery </b></i>von Oliver Brackenbury muss ich denk ich nichts weiter sagen. Cora Buhlert hat einen sehr schönen und informativen Essay über <i><b>C.L. Moore and Jirel of Joiry </b></i>beigesteuert hat, der mir große Freude bereitet hat, nicht nur weil wir beide große Fans der Autorin sind, sondern auch, weil ich es stets begrüße, wenn die Aufmerksamkeit einmal wieder darauf gelenkt wird, dass die Sword & Sorcery von Anfang ihre Heldinnen hatte. Dasselbe gilt für Nicole Emmelhainz' <i><b>Gender Performativity in Howard's Sword Woman</b></i>. Zwar erscheinen mir einige ihrer Argumente etwas konstruiert, doch im Großen und Ganzen bietet der Text eine interessante Herangehensweise an die Figur der Dark Agnes. Brackenburys <b><i>Interview with Milton Davis</i></b>, das<b><i> </i></b>man sich <a href="https://soimwritinganovel.com/2021/10/25/ep20-talking-sword-soul-with-milton-davis/" target="_blank">hier</a> auch anhören<i> </i>kann, zeigt am Beispiel der Sword & Soul, dass es schon seit längerem Bemühungen um mehr Diversität in der S&S gibt. Und Brian Murphys Beitrag <b><i>The Outsider in Sword & Sorcery </i></b>zeigt am Beispiel einer ganzen Reihe klassischer S&S-Held*innen, dass das Subgenre schon immer den Geist des Nonkonformismus und Rebellentums in sich getragen hat. Einen Geist, den es immer wieder neu und in neuen Formen zu entfachen gilt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Ob der "New Edge" als "Bewegung" eine große Zukunft beschieden ist, vage ich nicht zu prophezeien. Aber die Null-Nummer des Magazins stellt ohne Zweifel eine lohnende Lektüre dar. Bleibt nur zu hoffen, dass es Oliver Brackenbury tatsächlich gelingen wird, weitere Ausgaben von <i>New Edge Sword and Sorcery </i>auf die Beine zu stellen, die dann über <a href="https://newedgeswordandsorcery.com/want-more-new-edge-sword-sorcery/" target="_blank">Crowdfunding</a> finanziert werden sollen. </div><p></p>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-47412296085206653092022-11-02T07:42:00.001-07:002022-11-02T07:42:32.283-07:00 Strandgut<ul style="text-align: left;"><li>Hypnogoria: <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/10/hypnogoria-224-origins-of-halloween.html">The Origins of Halloween Part XI</a> * <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/10/hypnogoria-225-origins-of-halloween.html">Part XII</a> * <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/10/hypnogoria-226-origins-of-halloween.html">Part XIII</a></li><li>The Great Derelict: <a class="read_more" data-iframe-id="embed_24754248" href="https://greatderelict.libsyn.com/shiny-and-chrome-the-world-of-mad-max">Shiny and Chrome - The World of <i>Mad Max</i></a></li><li>The Great Derelict: <i><a class="read_more" data-iframe-id="embed_24825036" href="https://greatderelict.libsyn.com/event-horizon">Event Horizon</a></i></li><li>SFFaudio Podcast: <i></i><a href="https://www.sffaudio.com/the-sffaudio-podcast-705-audiobook-readalong-the-temple-of-death-by-a-c-benson/" rel="bookmark"><i>The Temple Of Death</i> by A.C. Benson</a></li><li>SFFaudio Podcast: <a href="https://www.sffaudio.com/the-sffaudio-podcast-701-audiobook-readalong-the-hill-of-dreams-by-arthur-machen/" rel="bookmark"><i>The Hill Of Dreams</i> by Arthur Machen</a></li><li>The Folklore Podcast: <a href="http://www.thefolklorepodcast.com/episode-117.html" target="_blank">Polari</a> <br /></li><li>The Black Dog Podcast:<i> <a class="read_more" data-iframe-id="embed_24659520" href="https://blackdogpodcast.com/-the-woman-in-black">The Woman In Black</a></i> * <i><a class="read_more" data-iframe-id="embed_24734235" href="https://blackdogpodcast.com/candyman">Candyman</a></i> * <i><a class="read_more" data-iframe-id="embed_24801567" href="https://blackdogpodcast.com/the-block-island-sound">The Block Island Sound</a></i> </li><li>Lovecraft eZine Videocast: <a href="https://www.youtube.com/watch?v=yom1iuFLC-o&t=4208s" target="_blank">The History of Internet Horror: NoSleep, CreepyPasta, and more</a></li><li>Lovecraft eZine Videocast:<a href="https://www.youtube.com/watch?v=iqADD4schFE&t=5312s" target="_blank"> Interview with Ian Rogers</a> </li><li>Appendix N Book Club: <a href="https://appendixnbookclub.com/2022/10/31/episode-128-neil-gaimans-neverwhere-with-special-guest-jim-hall/" rel="bookmark">Neil Gaiman’s <i>Neverwhere</i> with special guest Jim Hall</a></li><li>Where Eagles Dare: <a href="https://sofageddon.wordpress.com/2022/10/31/scream-and-scream-again-1985-holiday-special/" rel="bookmark">Scream and Scream Again – 1985 Holiday Special</a></li><li>Squaring the Strange: <a class="read_more" data-iframe-id="embed_24616590" href="https://squaringthestrange.libsyn.com/episode-185-dr-stan-stepanic-on-vampires">Dr. Stan Stepanic on Vampires</a></li><li>From the Great Library of Dreams:<i> </i><a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/10/from-great-library-of-dreams-064.html"><i>Notebook Found in a Deserted House</i> by Robert Bloch</a></li><li>From the Great Library of Dreams: <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/10/from-great-library-of-dreams-063-floor.html"><i>The Floor Above</i> by M Humphreys</a></li><li>NUTS4R2 bespricht<i><a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/10/scarred-for-life-volume-one-1970s.html"> Scarred For Life Volume One - The 1970s</a> *<a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/10/emily-criminal.html"> Emily The Criminal</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/10/you-wont-be-alone.html">You Won't Be Alone</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/10/ms-marvel.html">Ms. Marvel</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/10/100-monsters.html">100 Monsters</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/10/mausoleum.html">Mausoleum</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/10/doctor-who-power-of-doctor.html">Doctor Who - The Power Of The Doctor</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/10/spook-warfare.html">Spook Warfare</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/10/halloween-frightfest-2022.html">Halloween Frightfest 2022</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/10/the-girl-with-all-gifts.html">The Girl With All The Gifts</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/11/along-with-ghosts.html">Along With Ghosts</a> </i></li><li>Movies Silently: <a href="https://moviessilently.com/2022/10/29/theme-month-october-2022-stop-motion-animation/" rel="bookmark">Theme Month! October 2022: Stop-Motion Animation</a></li><li>Movies Silently: <a href="https://moviessilently.com/2022/10/10/the-haunted-hotel-1907-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>The Haunted Hotel </i>(1907) - A Silent Film Review</a> von Fritzi Kramer<br /></li><li>Movies Silently: <a href="https://moviessilently.com/2022/10/17/r-f-d-ten-thousand-b-c-1917-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>R.F.D. Ten Thousand B.C.</i> (1917) - A Silent Film Review</a></li><li>Movies Silently: <a href="https://moviessilently.com/2022/10/24/scullions-dream-1908-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>Scullion’s Dream</i> (1908) - A Silent Film Review</a></li><li>Movies Silently:<i> </i><a href="https://moviessilently.com/2022/10/31/her-first-kiss-1919-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>Her First Kiss </i>(1919) - A Silent Film Review</a> </li><li>Ghouls Ghouls Ghouls: <a href="https://www.ghoulsmagazine.com/articles/toxic-relationships-sexism-ageism-the-leech-woman-1960" target="_blank">Exploring sexism, ageism, and toxic relationships with <i>The Leech Woman </i>(1960) </a>von Candy Allison</li><li>Ghouls Ghouls Ghouls:<a href="https://www.ghoulsmagazine.com/articles/sapphic-lens-a-nightmare-on-elm-street" target="_blank"> “I’m Your Boyfriend Now, Nancy!” A Sapphic Lens for </a><i><a href="https://www.ghoulsmagazine.com/articles/sapphic-lens-a-nightmare-on-elm-street" target="_blank">A Nightmare on Elm Streeton</a> </i>von<i> </i>Melinda Catherine Gross</li><li>Ghouls Ghouls Ghouls: <a href="https://www.ghoulsmagazine.com/articles/sapphics-bite-back-top-10-alternatives-to-netflixs-first-kill" target="_blank">Sapphics Bite Back: Top 10 Alternatives to Netflix’s “First Kill”</a> von Lucy Derry-Holmes </li><li>Cinematic Catharsis: <i><a href="http://cinematiccatharsis.blogspot.com/2022/10/the-legend-of-hell-house.html">The Legend of Hell House</a> </i>* <i><a href="http://cinematiccatharsis.blogspot.com/2022/10/the-devil-bat.html">The Devil Bat</a> *</i> <i><a href="http://cinematiccatharsis.blogspot.com/2022/10/circus-of-horrors.html">Circus of Horrors</a></i> * <i></i><a href="http://cinematiccatharsis.blogspot.com/2022/10/horror-month-quick-picks-and-pans.html">Horror Month Quick Picks and Pans</a></li><li>Cinematic Catharsis: <a href="http://cinematiccatharsis.blogspot.com/2022/10/the-devilishly-delightful-donald.html">The Devilishly Delightful Donald Pleasence Blogathon Is Here – Day 1 Recap</a> * <a href="http://cinematiccatharsis.blogspot.com/2022/10/the-devilishly-delightful-donald_29.html">Day 2 Recap</a><i> *</i> <a href="http://cinematiccatharsis.blogspot.com/2022/10/the-devilishly-delightful-donald_30.html">Day 3 Recap</a> * <a href="http://cinematiccatharsis.blogspot.com/2022/10/the-devilishly-delightful-donald_31.html">Final Recap</a> </li><li>Diabolique Magazine: <a href="https://diaboliquemagazine.com/dagon/" target="_blank">A Tale of Tentacles and Fishmen: Stuart Gordon’s <i>Dagon</i></a> von Keith Allison<br /></li><li>Diabolique Magazine: <a href="https://diaboliquemagazine.com/beyond-reanimator/" target="_blank">Un-death Row: Brian Yuzna’s <i>Beyond Re-Animator</i></a></li><li>Diabolique Magazine: <a href="https://diaboliquemagazine.com/zombies-the-beginning/" target="_blank"><i>Zombies, The Beginning</i>: Being the Last Will and Testament of Bruno Mattei</a></li><li>Diabolique Magazine: <a href="https://diaboliquemagazine.com/necronomicon/" target="_blank">Flipping through the Book of the Damned:<i>Necronomicon</i></a> <br /></li><li>The Reprobate: <a href="https://reprobatepress.com/2022/10/25/ghosts-paranoia-and-folk-horror-the-creepy-world-of-british-1970s-childrens-tv/" rel="bookmark">Ghosts, Paranoia And Folk Horror: The Creepy World Of British 1970s Children’s TV</a> von David Flint <br /></li><li>The Reprobate: <a href="https://reprobatepress.com/2022/10/23/the-horrors-of-old-age-george-romeros-the-amusement-park/" rel="bookmark">The Horrors Of Old Age: George Romero’s <i>The Amusement Park</i></a></li><li>The Last Drive In: <a href="https://thelastdrivein.com/2022/10/14/brides-of-horror-scream-queens-of-the-1960s-%f0%9f%8e%83-part-1/" rel="bookmark">Brides of Horror – Scream Queens of the 1960s! Part 1</a> * <a href="https://thelastdrivein.com/2022/10/20/brides-of-horror-scream-queens-of-the-1960s-%f0%9f%8e%83-part-2/" rel="bookmark">Part 2</a> * <a href="https://thelastdrivein.com/2022/10/25/brides-of-horror-scream-queens-of-the-1960s-%f0%9f%8e%83-part-3/" rel="bookmark">Part 3</a> </li><li>Pulp Curry: <a href="https://www.pulpcurry.com/2022/10/book-review-we-are-the-mutants-the-battle-for-hollywood-from-rosemarys-baby-to-lethal-weapon/" rel="bookmark" title="Permalink to Book Review: We Are the Mutants – The Battle for Hollywood from Rosemary’s Baby to Lethal Weapon">Book Review: <i>We Are the Mutants – The Battle for Hollywood from Rosemary’s Baby to Lethal Weapon</i></a> </li><li>Scifist 2.0: <a href="https://scifist.net/2022/10/17/earth-vs-the-flying-saucers/" rel="bookmark"><i>Earth vs. the Flying Saucers </i> </a></li><li>Ellsworth's Cinema of Swords: <a href="https://www.blackgate.com/2022/10/26/ellsworths-cinema-of-swords-valiant-avenging-chivalry/" rel="bookmark">Valiant Avenging Chivalry</a> </li><li>CrimeReads: <a href="https://crimereads.com/dracula-vs-the-fbi/" target="_blank">Dracula vs. the FBI</a> von W. Scott Poole </li><li>Film International: <a href="http://filmint.nu/ying-zhu-hollywood-in-china-dina-iordanova/" target="_blank">A Growing Influence – <i>Hollywood in China: Behind the Scenes of the World’s Largest Movie Market </i></a>von Dina Iordanova</li><li>FragmentAnsichten: <a href="https://fragmentansichten.com/2022/10/17/hopepunk-2022-planet-democracy/" rel="bookmark">Hopepunk 2022 / Planet Democracy</a> * <a href="https://fragmentansichten.com/2022/11/01/herbstansichten-2022/" rel="bookmark">Herbstansichten 2022</a> von Alessandra Reß
</li><li>Non-Fiction Spotlight:<i> </i><a href="http://corabuhlert.com/2022/10/25/non-fiction-spotlight-rediscovery-science-fiction-by-women-volume-2-1953-to-1957-edited-by-gideon-marcus/" rel="bookmark"><i>Rediscovery: Science Fiction by Women Volume 2 (1953 to 1957)</i>, edited by Gideon Marcus</a> * <a href="http://corabuhlert.com/2022/11/01/non-fiction-spotlight-the-aliens-are-here-extraterrestrial-visitors-in-american-cinema-and-television-by-fraser-a-sherman/" rel="bookmark"><i>The Aliens Are Here – Extraterrestrial Visitors in American Cinema and Television</i> by Fraser A. Sherman</a> von Cora Buhlert </li><li>Deep Cuts in a Lovecraftian Vein: <a href="https://deepcuts.blog/2022/10/29/her-letters-to-robert-e-howard-hester-jane-ervin-howard/" rel="bookmark">Her Letters To Robert E. Howard: Hester Jane Ervin Howard</a> von Bobby Derie <br /></li><li>Deep Cuts in a Lovecraftian Vein: <a href="https://deepcuts.blog/2022/10/15/howard-mon-amour-2018-by-martine-chifflot/" rel="bookmark"><i>Howard, Mon Amour</i> (2018) by Martine Chifflot</a> *<i> </i><a href="https://deepcuts.blog/2022/10/22/devils-due-a-transgender-tale-2021-by-diane-woods/" rel="bookmark"><i>Devil’s Due: A Transgender Tale</i> (2021) by Diane Woods</a> * <a href="https://deepcuts.blog/2022/11/02/unbury-your-gays-a-queering-of-herbert-west-reanimator-by-h-p-lovecraft-by-clinton-w-waters/" rel="bookmark"><i>(UN)Bury Your Gays: A Queering of Herbert West – Reanimator by H.P. Lovecraft </i>by Clinton W. Waters</a> </li><li>The Fantasy Magazine: <a href="https://www.fantasy-magazine.com/fm/non-fiction/reclaiming-a-traditional-african-genre-the-afrosurrealism-of-ngano/">Reclaiming a Traditional African Genre: The AfroSurrealism of Ngano</a> von Yvette Lisa Ndlovu </li><li>CrimeReads: <a href="https://crimereads.com/jekyll-hyde-robert-louis-stevenson/" target="_blank">The Birth of an Immortal Literary Character: Dr. Jekyll and Mr. Hyde</a> von Leslie S. Klinger</li><li>The Nightmare Magazine: <a href="https://www.nightmare-magazine.com/nonfiction/the-h-word-embracing-the-wolf-within/">The H Word: Embracing the Wolf Within</a> von <em></em>
Raja Abu Kasm </li><li>Dark Worlds:<i> </i><a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/fantasy-on-the-march-fritz-leibers-rallying-call/" rel="bookmark"><i>Fantasy on the March</i> – Fritz Leiber’s Rallying Call</a> von G.W. Thomas <br /></li><li>Dark Worlds: <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/the-fantastic-in-the-argosy-1930/" rel="bookmark">The Fantastic in <i>The Argosy</i>: 1930</a> * <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/the-fantastic-in-the-argosy-1931/" rel="bookmark">1931</a></li><li>Dark Worlds: <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/the-beast-plants-monstrous-adventures/" rel="bookmark">The Beast Plants: Monstrous Adventures </a></li><li>Black Gate: <a href="https://www.blackgate.com/2022/10/09/vintage-treasures/" rel="bookmark">Vintage Treasures: The <em>Lord Darcy</em> Adventures by Randall Garrett</a> </li><li>Black Gate: <a href="https://www.blackgate.com/2022/09/09/emnew-edge-sword-sorcery-magazineem-editor-oliver-brackenbury-interviewed-by-michael-harrington/" rel="bookmark"><em>New Edge Sword & Sorcery Magazine</em> Editor Oliver Brackenbury Interviewed by Michael Harrington</a></li><li>Clarkesworld Magazine:<a href="https://clarkesworldmagazine.com/shawl_interview"> The Poetry of Prose: A Conversation with Nisi Shawl</a> </li><li>Clarkesworld Magazine: <a href="https://clarkesworldmagazine.com/nayler_interview">Refusing Categorization: A Conversation with Ray Nayler</a> </li><li>Apex Magazine: <a href="https://apex-magazine.com/interviews-2/interview-with-author-derrick-boden/">Interview with Author Derrick Boden </a></li><li>Apex Magazine: <a href="https://apex-magazine.com/interviews-2/interview-with-artists-angelica-alzona-alyssa-winans-and-pamela-zhang%ef%bf%bc/">Interview with Artists Angelica Alzona, Alyssa Winans, and Pamela Zhang </a> </li><li>Black Gate: <a href="https://www.blackgate.com/2022/10/16/the-art-of-things-to-come-part-4-1964-1966/" rel="bookmark">The Art of <em>Things To Come</em>, PART 4: 1964-1966</a></li><li>Dark Worlds: <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/golden-age-islands-of-terror/" rel="bookmark">Golden Age Islands of Terror! </a> <br /></li><li>DMR Books: <a href="https://dmrbooks.com/test-blog/2022/10/7/barry-windsor-smiths-excalibur-portfolio-1978" id="yui_3_17_2_1_1667382856167_563">Barry Windsor-Smith's "Excalibur" Portfolio (1978)</a></li><li>54Books: <a href="https://www.54books.de/kassiber-in-der-kinderzimmerrevolution/" target="_blank">Kassiber in der Kinderzimmerrevolution (<i>Fighting Fantasy</i>)</a> von Jasper Nicolaisen </li></ul>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-35612765919605939922022-11-01T11:51:00.003-07:002022-11-03T15:55:14.326-07:00Erste Begegnungen mit einer Meisterdiebin<div style="text-align: justify;">Wenn man sich mit der Geschichte der Sword & Sorcery in ihrer ganzen Vielgestaltigkeit beschäftigen will, sieht man sich früher oder später mit dem Problem der mangelnden Zugänglichkeit konfrontiert. Die Beziehung des Genres zu kürzeren Erzählformen wie Short Story und Novelle wird meiner Meinung nach zwar manchmal etwas überbetont -- es gibt durchaus nicht wenige S&S-Romane --, aber traditionell ist sie doch tatsächlich recht eng. Und das wirft gewisse Probleme auf. Was die Anfangszeit in den Pulps angeht, kann man im Zweifelsfall ja immer noch auf das <i><a href="https://archive.org/details/pulpmagazinearchive" target="_blank">Internet Archive</a> </i>zurückgreifen, wo sämtliche Ausgaben von <i>Weird Tales </i>und anderen relevanten Magazinen (noch?) zu finden sind. Doch für die Ära der 60er - 80er Jahre sieht das deutlich anders aus. Viele der spannendsten Entwicklungen dieser Zeit spielten sich auf den Seiten von Fanzines oder Semi-Prozines ab. Wenn man Glück hat, wurden die Stories später noch einmal in Sammelbänden herausgegeben wie Darrell Schweitzers <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2017/03/sir-julian-der-abtrunnige.html" target="_blank"><i>We Are All Legends</i></a>, Richard Tierneys<a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2022/07/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank"> <i>Sorcery Against Caesar</i></a>, Ramsey Campbells <i>Far Away & Never</i> oder Janrae Franks <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2020/09/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank"><i>In the Darkness, Hunting</i></a>. Oder es gibt zeitgenössische Anthologien wie Jessica Amanda Salmonsons <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2020/08/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank"><i>Amazons! </i></a>und <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2021/04/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank"><i>Amazons II</i></a>, die einem einen Einblick gewähren. Aber auch an die ist es nicht immer leicht heranzukommen. So wurden z.B. <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2021/12/let-me-tell-you-of-days-of-high.html" target="_blank">Charles R. Saunders'</a> Geschichten um die Kriegerin<a href="http://www.reindeermotel.com/CHARLES/charles_dossouye.html#" target="_blank"> Dossouye</a> zwar 2008 bei <i>Sword & Soul Media </i>zu einem Episodenroman verwoben neu herausgegeben, erwerben kann man den Band aber schon seit einiger Zeit nicht mehr. Selbst bei einem lebenden und nicht ganz unbekannten Autor wie Charles de Lint sieht die Sache nicht viel besser aus. Die meisten dürften ihn vor allem mit seinem Beitrag zur Urban Fantasy assoziieren, aber in den 70ern und 80ern schrieb er auch eine Reihe von S&S - Geschichten. Die wurden 2003 zwar in dem Sammelband <i>A Handful of Coppers </i>noch einmal neu aufgelegt, doch für den muss man Second Hand inzwischen mindestens $50 hinblättern. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Daneben gibt es außerdem genug Autor*innen, deren Geschichten überhaupt nie gesammelt wurden, sondern nur einmal in den Magazinen oder Anthologien der Zeit abgedruckt worden sind. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">In einem <a href="http://www.reindeermotel.com/CHARLES/charles_blog61_cimmerian4.html" target="_blank">Interview</a> mit Steven Tompkins erzählte Charles Saunders 2007 über David Madison, der tragischerweise 1979 den Freitod gewählt hatte:</div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>Even after all these years, I feel bad about David. He was one of the best of the generation of fantasy and S&S writers which came up through the fanzines and semi-prozines of the 1970s. His work could best be described as "punk S&S."</blockquote></i></div><div style="text-align: justify;">Klingt spannend, nicht wahr? Doch leider wird man seine <i>Marcus & Diana </i>- Geschichten nur lesen können, wenn man Zugang zu alten Ausgaben von <i>Wyrd</i>, <i>Space & Time</i>, <i>The Diversifier </i>und <i>Dragonfields </i>hat. Bloß <i>Tower of Darkness </i>wurde darüberhinaus auch im dritten Band von Andrew Offutts <i>Swords against Darkness </i>und Peter Bebergals <i>Appendix N </i>(2020) abgedruckt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Noch etwas schlechter steht es um die <i>Jaquerel </i>- Geschichten von Janet Fox. Ich bin der Autorin erstmals in Band 1 von Marion Zimmer Bradleys <i>Sword & Sorceress </i>- Anthologien (bzw. in dessen deutscher Übersetzung <i>Schwertschwester</i>) begegnet, der ihre Story <i>Gate of the Damned </i>(<i>Das Tor der Verdammten</i>) enthält. Später habe ich sie dann in Salmonsons <i>Amazons! </i>mit <i>Morien's Bitch </i>(<i>Moriens Hexe</i>) wiedergetroffen. Und schließlich enthält auch der fünfte Band von Lin Carters <i>Year's Best Fantasy Stories </i>mit <i>Demon and Demoiselle </i>(<i>Das Fräulein und der Dämon</i>) einen Beitrag von ihr. Mit Jaquerel hat keine von den dreien etwas zu tun. Aber da mir vor allem die ersten beiden ziemlich gut gefallen hatten, wurde ich naturgemäß hellhörig, als ich in Charles Saunders' <a href="http://www.reindeermotel.com/CHARLES/charles_blog29_janetfox.html" target="_blank">Nachruf </a>auf seine 2010 verstorbene Kollegin und Freundin zu lesen bekam: "<i>She also wrote several stories about a woman-warrior named Jacquerel</i>". Ein kurzer Blick in ISFDB zeigte. dass es insgesamt <a href="https://www.isfdb.org/cgi-bin/pe.cgi?25916" target="_blank">sechs Geschichten</a> über die Abenteuer der Diebin und Glücksritterin gibt. Doch ganz wie bei Madison hat sich auch bei Janet Fox bis heute niemand gefunden, die/der diesen kleinen Zyklus in gesammelter Form neu herausgegeben hätte. Was eine Schande ist! Dass in diesem Fall das Geschlecht der Autorin "erschwerend" hinzugekommen sein könnte, lässt sich zwar nicht konkret beweisen, unwahrscheinlich ist es aber sicher nicht. Schließlich gibt es genug andere Autorinnen (nicht nur) aus der Phantastik, denen es ähnlich ergangen ist, und deren geballtes Beispiel eine solche Vermutung zumindest nahelegt. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Dank der wunderbaren <i><a href="http://www.luminist.org/archives/FZ/" target="_blank">Luminist Archives</a> </i>bin ich vor einiger Zeit wenigstens an Nr. 16 von <i>Weirdbook </i>(1982) sowie die <i>Fantasy Tales </i>vom Frühjahr 1991 herangekommen -- und damit an <i>How Jaquerel Was Slain By the God Brann </i>sowie <i>How Jaquerel Made War in Bel Azhurra</i>. <i> </i> <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Es wäre interessant zu wissen, ob das Debut der Heldin <i>How Jaquerel Fell Prey to Ankarrah </i>eine Art Origin Story war, die ihren Hintergrund etwas genauer beleuchtete. Denn beide Stories vermitteln den Eindruck, dass es da einiges gibt, worauf nur im Vorbeigehen angespielt wird. Jaquerel (kurz Jaq) ist eine professionelle Diebin (und gewandte Schwertkämpferin), der anscheinend ein beachtlicher Ruf vorausgeht. In der ersten Story ist sie auf eigene Faust unterwegs, in der zweiten wurden ihre Dienste von der Diebesgilde an einen Provinzaristokraten vermittelt. Anders als viele andere Sword & Sorcery - Held*innen führt sie kein unstetes Wanderleben, sondern besitzt ein Heim und Hauptquartier in der "<i>Street of Nine Tigers</i>". Doch ihr "Beruf" führt sie immer wieder in abgelegenere Regionen wie das "<i>Kingdom Between Two Rivers</i>" oder das "<i>benighted</i>" Reich von Bel Azhurra. Sie bezeichnet sich selbst stolz als "<i>a thief of high standing in the Guild of Honor</i>". Diese Gilde agiert allem Anschein nach sehr professionell. So trägt Jaq einen mit offiziellem Siegel versehenen Vertrag mit sich, als sie in Bel Azhurra eintrifft. Zugleich scheint sie ein äußerst traditionsbewusster Verein zu sein und sogar eine Art "Bibel" zu besitzen, das "<i>Book of Honor</i>": "<i>The Thieves' Guild still quotes from it on pompous occasions</i>".* <br /></div><div style="text-align: justify;">Letzteres dürfte auch etwas mit den besonderen Eigenheiten der Welt zu tun haben, in der die Geschichten spielen. Vor allem mit der Natur ihrer Götter und Dämonen. Einerseits scheint deren Macht, vielleicht sogar ihr bloßes Dasein, stark von der Anzahl ihrer Anhänger*innen abhängig zu sein. So heißt es an einer Stelle von den Wäldern an der Grenze von Bel Azhurra:</div><div style="text-align: justify;"><i><blockquote>She imagined she heard the thin ululation of a nightdemon beyond a fold in the hills, but surely that was her own imagination, for this area was so sparsely settled there could not be enough primitive minds gathered to bring even one of their crude demons into being. </blockquote></i> Und im weiteren Verlauf der Geschichte begegnen wir auch den alten Kriegsgöttern des Landes, die aufgrund einer langen Friedensperiode ziemlich hinfällig geworden sind.**</div><div style="text-align: justify;">Doch auch wenn die Götter damit ziemlich abhängig von den Menschen erscheinen, wäre andererseits niemand so dumm, ihre Existenz zu leugnen oder das Wagnis einzugehen, ihren Zorn zu wecken. Denn sie haben die Angewohnheit, unverhüllt und sehr direkt in die Welt einzugreifen. Was auch erklärt, warum das Schwören von Eiden eine so zentrale Rolle bei allen Übereinkünften und Verträgen zu spielen scheint. Denn etwaige Eidbrecher können davon ausgehen, dass sie eine sehr schnelle und höchst unangenehme Strafe ereilt.</div><div style="text-align: justify;">Jaquerel hat offenbar eine etwas eigene Beziehung zu den Göttern. Als sie zusammen mit ihrem Diebskollegen Khem einen Eid gegenseitiger Loyalität ablegt, wird jedenfalls erwähnt, dass sie keinen "eigenen Gott" hat. Eine Information, die sie jedoch lieber für sich behält. Insgesamt legt sie ein ziemlich zynisch-berechnendes Denken und Verhalten an den Tag, wenn es um die himmlischen Mächte geht. Was aber nicht ganz unverständlich ist, wenn man sich anschaut, welche Erfahrungen sie im Zuge ihrer Abenteuer mit den Burschen macht.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">In beiden Geschichten geht es um den Diebstahl eines magischen Juwels. Und in beiden Fällen hinterlassen die jeweiligen Götter, die aufgrund des unvermeidlichen Eides in die Geschehnisse verstrickt werden, keinen sonderlich positiven Eindruck. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">In <i>How Jaquerel Was Slain By the God Brann </i>tut sich unsere Heldin mit dem ebenso findigen Khem zusammen, um den magischen Edelstein "Waterclear" zu klauen, der sich im Besitz eines mächtigen Zauberers namens Hshmir-the-knowing befindet. Da derselbe stets nach Schaustellern sucht, um für Unterhaltung an seinem Hof zu sorgen, beschließen die beiden, sich mit einer Tanzbärennummer in den Palast einzuschleichen. Doch unglücklicherweise trifft Jaq auf einem ihrer Erkundungsgänge vorzeitig auf den guten Hshmir. Der lässt sie einen Blick in den "Waterclear" werfen. Was sie dort sieht, sei die Zukunft. Und die schaut leider gar nicht rosig aus. Jaq erblickt vielmehr ihren eigenen Tod von der Hand der Palastwache. Stellt sich die Frage, ob man vor seinem Schicksal davonlaufen kann? Die Antwortet lautet "nein". Jedenfalls nicht so leicht. Zwar gelingt es unserer Heldin im entscheidenden Moment den Ereignisverlauf zu ändern (was zu einem kurzen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum führt). Aber dazu muss sie den Eid brechen, den sie zusammen mit Khem geschworen hat. Was unmittelbar zum Auftritt eines sehr wütenden, axtschwingenden Gottes führt. Nur durch einen makabren Zufall gerät der arme Tanzbär dazwischen und bekommt den Hieb ab, der eigentlich die eidbrüchige Diebin erwischen sollte. Das vermeintliche "Opfer" stillt die Blutdurst der Gottheit. Was Jaq zwar das Leben rettet, aber kaum geeignet ist, ihre Meinung über die Himmlischen zu verbessern: </div><div style="text-align: justify;"><i></i></div><blockquote><div style="text-align: justify;"><i>"Your Brann is a barbaric god. Overly sentimental. It was no sacrifice."</i></div><div style="text-align: justify;"><i>"But we're alive."</i></div><div style="text-align: justify;"><i>"We can leave it at that."</i></div></blockquote><div style="text-align: justify;"><i>How Jaquerel Made War in Bel Azhurra </i>ist etwas länger und komplexer. Im Auftrag von Pyr, Bastardbruder des neuen "Wartords" von Bel Azhurra, soll Jaq ein magisches Geschmeide, den "Burningbright", stehlen. Der zum Vertragsabschluss notwendige Eid wird auf die Narnotha, die alten Kriegsgötter des Landes, abgelegt. Doch Pyr ist ein reichlich unsympathischer, brutaler und wenig vertrauenserweckender Geselle, weshalb die Diebin besondere Vorsicht walten lässt. Völlig zurecht, wie sich nach dem erfolgreich durchgeführten Diebstahl sehr schnell herausstellt. Als Pyr sich nicht an ihre Übereinkunft halten will und mit Gewalt droht, flüchtet sich Jaq in den Tempel der Narnotha. Wo, wenn nicht hier, würden die Götter einen so schändlichen Eidbruch bestrafen? Aber nach einer gar zu langen Friedenszeit sind diese nicht nur schwach und senil geworden. Einer von ihnen, Klemith, ist sogar bereit, über Pyrs eigentlich unverzeihliche Tat hinwegzusehen, da dieser vorhat, seinen Bruder Canthus zu stürzen, einen für den Titel "Warlord" unangemessen friedliebenden Bücherliebhaber. Und natürlich wünschen die Narnotha sich nichts mehr als eine Rückkehr zu den alten Fehden und Eroberungsfeldzügen. Und so verdankt Jaq ihr Überleben nicht der Gerechtigkeit der Götter, sondern einer wütenden Volksmenge, die ihre eigenen Gründe hat, um Pyr zu hassen, und den magischen Qualitäten des "Burningbright". Das Geschmeide verleiht seiner Trägerin nämlich übermenschliche Kräfte, weckt dummerweise aber zugleich eine immer stärkere Kampfeslust in ihr. Und so landet Jaquerel nach anfänglichem Zögern schließlich zusammen mit dem rebellischen Haudegen Falklin an der Spitze eines Heerhaufens Aufständischer. Derweil Pyr sich mit seinem unzuverlässigen göttlichen Patron herumärgert und der arme Canthus nicht so recht versteht, warum sein friedliches Reich plötzlich in blutige Wirren versinkt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Eine unbeschreibliche Offenbarung war für mich keine der beiden Erzählungen. Und die manchmal etwas abrupten Handlungssprünge haben mich anfangs sogar leicht irritiert. Aber alles in allem hatte ich doch viel Spaß mit ihnen. Saunders schreibt über Janet Fox: "<i>She crafted her prose with exquisite care, never wasting a word and evoking vivid images and deep emotions.</i>" Was mir bei meinem -- leider halt sehr beschränkten -- Blick in ihr Werk besonders positiv aufgefallen ist, sind eine erfrischende Respektlosigkeit und ein feiner Sinn für Ironie, die aber nie den abenteuerlichen Gehalt der Stories untergraben oder sie ins Parodistische wenden (mit der möglichen Ausnahme von <i>Demon and Demoiselle</i>). Dazu gehört auch ein waches Verständnis für den mehr oder minder unterschwelligen Sexismus traditioneller Fantasywelten. Was jedoch nie im Zentrum der Geschichten steht oder offensiv angeprangert werden würde. Janet Fox beschränkt sich dabei auf eher beiläufige Kommentare. Wenn Jaquerel das Gewand zu sehen bekommt, das sie als Schaustellerin tragen soll, bemerkt sie z.B. trocken: "<i>I'll have less dignity than the bear</i>". Und in Bezug auf den lüsternen, alten Regenten von Bel Azhurra heißt es an einer Stelle: "<i>She </i>(Jaq) <i>would have liked to send him sprawling to the pavement, but this didn't seem quite the time for it.</i>" Das Aufbegehren gegen den Sexismus ist nicht Thema der Geschichten, sondern verkörpert sich in Janet Fox' findigen und selbstbewussten Heldinnen. Das gilt nicht nur für Jaquerel, sondern ebenso für Scorpia in <i>Gate of the Damned </i>und Riska in <i>Morrien's Bitch</i>. Hinzu kommt außerdem immer mal wieder ein hübscher Hauch des Makabren.<br /></div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich fürchte, es wird vermutlich nie zur Veröffentlichung eines eigenen <i>Jaquerel </i>- Sammelbandes kommem. Aber vielleicht findet sich ja zumindest irgendwann mal ein Verlag, der eine Anthologie mit Geschichten von Sword & Sorcery - Autorinnen der 70er & 80er Jahre herausgibt. Das wäre denk ich ein lohnendes Unterfangen. Und in einer solchen sollte sich auf jedenfall Platz für eines der Abenteuer der Diebin aus der "<i>Street of Nine Tigers</i>" finden. </div><p style="text-align: justify;"> </p><div style="text-align: justify;">* Die Lektüre der Geschichten hat bei mir auch wieder einmal die Frage aufgeworfen, ob der heute so geläufige Fantasy-Topos der Diebesgilde auf Fritz Leibers Fafhrd & The Grey Mouser zurückgeht oder ob es da noch ältere literarische Vorläufer gibt. Einige hilfreiche Stimmen auf Twitter haben mir ein paar Hinweise geliefert, denen ich irgendwann mal näher nachzugehen gedenke.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">** Auch hier könnte leiber'scher Einfluss vorliegen. Man denke an Odin und Loki in <i>Rime Isle</i>. Ganz allgemein wäre es interessant, sich einmal mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit sich die Darstellung von Göttern in der Sword & Sorcery von der in der High Fantasy unterscheidet. Ein Gedanke, der mir auch deshalb gekommen ist, weil ich gerade (aus Gründen) einige alte <i>Dragonlance </i>- Romane lese, in denen die Himmlischen ja schon eine merklich andere Rolle spielen. (FORESHADOWING) <br /></div>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-73250626695765134782022-10-16T09:57:00.008-07:002022-10-27T15:55:42.348-07:00Expeditionen ins Reich der Eighties-Barbaren (XX): "Ator l'invincibile"<div style="text-align: justify;">Kim Newman schreibt in seinem Klassiker <i>Nightmare Movies</i>:</div><div style="text-align: justify;"><blockquote><i>Historically, the pattern of Italian commercial cinema has been an overlapping succession of genre cycles. Usually, but not invariably, triggered by the domestic popularity either of a specific American film or of a traditional Hollywood genre, these cycles come and go in a few years. During the short lifespan of any individual cycle, an incredible number of similar films are rushed through production and into distribution before the format wears thin and the popularity fades.</i>* </blockquote>Einige dieser Zyklen spiegelten darüberhinaus auch etwas von den gesellschaftlichen Entwicklungen der Zeit wider. So hinterließen die rebellischen Strömungen der 60er, der gewaltige Ausbruch des Klassenkampfes im "Heißen Herbst" und die darauf folgenden "Bleiernen Jahre" ihre Spuren in so unterschiedlichen Genres wie Italo-Western, <span> Poliziotteschi</span> und (auf unterschwelligere Weise) Giallo und Horror </div><div style="text-align: justify;">Von dem kurzlebigen Sword & Sorcery - Boom der frühen 80er kann man das freilich eher nicht behaupten. Zwar konnten die Filmemacher dabei an die alten Peplum (Sandalenfilm) - Traditionen anknüpfen, aber ohne John Milius' <i>Conan the Barbarian </i>hätte es ihn vermutlich nicht gegeben. Der erreichte Italien <a href="https://www.imdb.com/title/tt0082198/releaseinfo?ref_=tt_dt_rdat" target="_blank">offenbar</a> überraschend früh bereits am 31. März 1982 -- und damit anderthalb Monate vor seiner offiziellen US-Premiere.** Über den Sommer machten sich die Knock-off - Spezialisten daran, allsogleich für wenig Geld die Abenteurer anderer Barbaren auf die Leinwand zu bannen. Die Nase vorn hatte dabei Franco Prosperi (den man nicht mit dem <i>Mondo</i>-Macher gleichen Namens verwechseln darf), dessen<i> <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2015/08/expeditionen-ins-reich-der-eighties_14.html" target="_blank">Gunan Il Guerriero</a> </i>am 9. September debütierte. Ihm folgte einen knappen Monat später <i>Ator l'Invincibile</i>.</div><div style="text-align: justify;"><i> </i></div><div style="text-align: justify;">Aristide Massaccesi alias Joe D'Amato ist vielleicht kein Regisseur, den man kennen <b>muss</b>, aber dafür einer, den man als Liebhaber des Euro-Exploitationfilms beinah zwangsläufig kennen <b>wird</b>. Mit einem gut 200 Filme umfassenden Oeuvre hat der gute Mann Beiträge zu fast allen Genres des italienischen B-Movies geschaffen. Horrorfans dürfte er vermutlich vor allem für <i>Anthropophagus </i>(1980) bekannt sein, der es in den 80ern auf die Schwarze Liste der britischen Video Nasties schaffte. Oder für so bizarre Horror-Erotika-Mixturen wie<i> Le notti erotiche dei morti viventi</i> / <i>Erotic Nights of the Living Dead</i> (1980) und <i>Porno Holocaust </i>(1981). Als Produzent zeichnete er u.a. mitverantwortlich für Claudio Fragassos legendär miesen <i>Troll 2 </i>(1990) und Claudio Lattanzis <i>Killing Birds </i>(1988), aber auch für Michele Soavis Debütfilm <i>Deliria </i>/ <i>Stagefright </i>(1987). In den 70ern hatte er einen recht ordentlichen kommerziellen Erfolg mit den <i>Black Emanuelle </i>- Streifen feiern können, wobei er vor allem in den späteren Beiträgen zu der Serie immer mal wieder die von der Zensur gesetzten Grenzen ausgetestet hatte. Der Star der Serie Laura Gemser hat auch in <i>Ator </i>einen kurzen Auftritt. D'Amato hatte nie große künstlerische Ambitionen. Wie er von sich selbst einmal<a href="https://houseoffreudstein.wordpress.com/2017/04/03/hampstead-smiles-on-a-murderer-my-breakfast-with-joe-damato/" target="_blank"> gesagt</a> hat: "<i>I have absolutely no interest in being an artist.</i>" Und tatsächlich käme wohl niemand auf die Idee, ihn auf eine Stufe mit solchen Großmeistern des italienischen Genre-Films zu stellen wie Mario Bava, Dario Argento, Lucio Fulci oder Sergio Martino. Aber auf seine bescheidene Art ist mir dieser ehrliche "Handwerker", dessen Liebe zum Film unbestreitbar war und der doch nie verleugnete, in erster Linie das zu drehen, was sich verkaufen ließ, irgendwie sympathisch. Und es ist auch nicht so, als habe er keinerlei Talent besessen. In vielen seiner Filme finden sich durchaus einige interessant in Szene gesetzte Passagen. Doch nur selten wirken sie wie aus einem Guss. Und das gilt auch für seinen ersten Ausflug in die Gefilde der Sword & Sorcery.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Der erste Script-Entwurf für <i>Ator </i>stammte aus der Feder von Marco Modugno und Michele Soavi, der zu diesem Zeitpunkt noch ganz am Anfang seiner Karrire stand. Überarbeitet wurde das Ganze danach noch einmal von Jose Maria Sanchez und Joe D'Amato selbst. Vier Autoren? Das erklärt vielleicht, warum die Story in vielen Punkten zusammenhangslos und unlogisch wirkt. Nichtsdestoweniger hatte ich <i>Ator </i>stets als einen der sympathischeren El-Cheapo - S&S - Flicks der 80er in Erinnerung, Und ein kürzlich absolvierter Rewatch hat das noch einmal bestätigt. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Schon der Vorspann lässt keinen Zweifel daran, dass wir es mit einem bewusst gemachten <i>Conan </i>- Knock-off zu tun haben, wenn in der Schwärze der Leinwand Flammen auflodern und eine bedeutungsschwangere Stimme aus dem Off einen Monolog zum Besten gibt. Freilich besitzt selbiger nichts von dem poetischen Pathos, der dem Original dank des Rückgriffs auf Robert E. Howards <i>Phoenix on the Sword </i>eigen it. Immerhin erfahren wir, wer die Bösen sind: Das "Spiderkingdom". Und natürlich gibt es eine Prophezeiung über den Helden, der kommen und die Herrschaft des finsteren "Ancient One" beenden wird. Unnötig verkompliziert durch einen Anhang über dessen Vater, der gleichfalls (wenn auich erfolglos) den Kampf gegen die dunklen Mächte aufgenommen hatte.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Es folgt eine Eröffnungssequenz um Ators Geburt: Wir sehen, wie das auserwählte Kind zur Welt kommt; allerlei Omen den bösen Hohepriester und Spinnenfetischisten (Dakar) alarmieren; dieser seine Handlanger losschickt, um das Problem aus der Welt zu schaffen; und der mysteriöse Schnauzbart- und Perückenträger Griba (Edumd Purdom) das Baby vor dem Massaker rettet. </div><div style="text-align: justify;">Ich muss sagen, diese ersten zehn Minuten schauen wirklich ziemlich hübsch aus. Insbesondere die beinah schon etwas bavaesk anmutende Farbgebung verleiht dem Ganzen eine sehr stimmungsvolle Atrmosphäre. Und dass D'Amato den "Tempel der Spinne" vom Halbrund eines alten römischen Theaters repräsentieren lässt, ist eine zwar sicher kostengünstige, aber gar nicht einmal so ungeschickte Lösung. </div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhOcLqE5AC0BWFTFU00Myblv5QJke7Z-5-aJXqdk3EVN7QuB1JiPQoR8nhx_dOYDPTl-JXK63IRTOtCh_y9Q3xUHmhcbTwSsScoTrbGkzxACk1VClntRHWTtNWhPfTHXpA-BJbH2B6tebdgo2dINCG2wHG1ls3hwT161RhGvuRgWJnc_43rd9R3Blve/s855/Screenshot%202022-10-14%20at%2018-18-35%20Ator%20The%20Fighting%20Eagle%20(1982)%20Full%20Movie%20Laura%20Gemser%20Miles%20O'Keeffe%20Edmund%20Purdom.png" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="479" data-original-width="855" height="224" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhOcLqE5AC0BWFTFU00Myblv5QJke7Z-5-aJXqdk3EVN7QuB1JiPQoR8nhx_dOYDPTl-JXK63IRTOtCh_y9Q3xUHmhcbTwSsScoTrbGkzxACk1VClntRHWTtNWhPfTHXpA-BJbH2B6tebdgo2dINCG2wHG1ls3hwT161RhGvuRgWJnc_43rd9R3Blve/w400-h224/Screenshot%202022-10-14%20at%2018-18-35%20Ator%20The%20Fighting%20Eagle%20(1982)%20Full%20Movie%20Laura%20Gemser%20Miles%20O'Keeffe%20Edmund%20Purdom.png" width="400" /></a></div> </div><div style="text-align: justify;">Sobald die schicksalshafte Nacht vorbei ist nimmt der Film dann allerdings das eher banale Aussehen an, das er für den Großteil seiner Laufzeit beibehalten wird.</div><div style="text-align: justify;">Griba übergibt den kleinen Ator einem armen Bauernpaar, in dessen Obhut er zu einem stattlichen jungen Mann mit einer wahren Löwenmähne von Haar (Miles O'Keefe) heranwächst. Dass er sich dabei zugleich in seine vermeintliche Schwester Sunya (Ritza Brown) verliebt, war sicher nicht geplant, gibt dafür aber Anlass zu folgenden unsterblichen Dialogzeilen:</div><div style="text-align: justify;"><span class="css-901oao css-16my406 r-poiln3 r-bcqeeo r-qvutc0"></span></div><blockquote><div style="text-align: justify;"><span class="css-901oao css-16my406 r-poiln3 r-bcqeeo r-qvutc0"> - <i>Why can't we marry? </i></span></div><div style="text-align: justify;"><span class="css-901oao css-16my406 r-poiln3 r-bcqeeo r-qvutc0">- <i>Ator, we are brother and sister. </i></span></div><div style="text-align: justify;"><span class="css-901oao css-16my406 r-poiln3 r-bcqeeo r-qvutc0">- <i>I'll talk with our father.</i></span></div></blockquote><div style="text-align: justify;"><span class="css-901oao css-16my406 r-poiln3 r-bcqeeo r-qvutc0"></span></div><div style="text-align: justify;">Wer von den vier Autoren sich wohl gedacht hat, dass das eine gute Zutat für diesen Film wäre? </div><div style="text-align: justify;">Das anschließende Vater-Sohn-Gespräch beginnt erwartungsgemäß awkward, führt aber rasch zur Enthüllung der tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnisse. Und so steht einer fröhlichen Hochzeitsfeier eigentlich nichts mehr im Weg. Doch unglücklicherweise hat einer der "Schwarzen Ritter" bei einem Spazierritt in der Nähe des Dorfes Griba erspäht, bei dem es sich offensichtlich um einen verbannten Adepten der Spinne handelt. Warum der Hohepriester deshalb beschließt, gleich die ganze Gemeinde abschlachten zu lassen, ist zwar nicht ganz nachvollziehbar, führt aber zum genretypischen Startmassaker, an dessen Ende der Held alleine in der Welt und erfüllt vom Verlangen nach Rache dasteht. Dass die Bösewichter dabei gleich noch die holde Sunya verschleppt haben, kommt als zusätzliche Motivation hinzu.</div><div style="text-align: justify;">Doch bevor Ator sich auf seine Queste machen kann, muss er erstmal ein solides Kampftraining unter Gribas Anleitung durchlaufen. Schließlich will dieser den Auserwählten benutzen, um sich an dem Hohepriester für sein Exil zu rächen. Was er demselben natürlich nicht auf die Nase bindet. Vorerst verheimlicht er ihm sogar seine wahre Herkunft. Dennoch erhält Ator am Ende seiner Ausbildung das Schwert seines Vaters Terrant, was zwar als entscheidener Wendepunkt seiner Laufbahn in Szene gesetzt ist, im weiteren Verlauf der Handlung aber nicht noch einmal angesprochen wird.</div><div style="text-align: justify;">Wirklich wichtiger ist seine erste Begegnung mit der schwertschwingenden Roon (Sabrina Siani). Da <i>Ator </i>kaum ein Klischee ungenutzt links liegen lässt, besteht diese selbstverständlich darin, dass er der Kriegerin hilfreich zur Seite springt, als sie in einen Kampf mit drei Kontrahenten verwickelt wird. Allerdings wird seine "Rettertat" keineswegs mit Dankbarkeit gewürdigt. Und als er Roon fragt, ob die Kerle Räuber gewesen seien, die sie überfallen hätten, antwortet sie ganz gelassen: "<i>I was the one who robbed them.</i>" Sprichts, besteigt ihr Pferd und reitet ohne einen weiteren Kommentar mit den erbeuteten Gäulen der Erschlagen von dannen. Ein gelungener Einstand!</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Wenig später macht sich Ator dann endlich auf seine Heldenreise zum Tempel der Spinne.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Doch bevor wir uns den Abenteuern zuwenden, die ihn dabei erwarten, muss unbedingt noch das dritte Mitglied unseres Trios erwähnt werden: Ein kleiner Bär, den Ator irgendwo im Wald aufgelesen hat, und der seitdem treu hinter ihm her hoppelt. Ab und an greift er sogar hilfreich in die Handlung ein, was leichte Reminszenzen an <i>Beastmaster </i>wachruft. Ob Don Coscarellis zweieinhalb Monate vor <i>Ator </i>in den USA angelaufener S&S-Flick tatsächlich ein Einfluss war, weiß ich allerdings nicht. Es soll Leute geben, die den Bären für den talentiertesten Darsteller des Streifens halten. Ganz so weit würde ich vielleicht nicht gehen, aber ganz sicher habe ich jeden seiner Auftritte mit einem lauten "Ooooo" quittiert. Übrigens verschwindet Freund Petz auf unerklärliche Weise jedesmal aus der Handlung, wenn man sich nicht länger im Freien tummelt, nur um später dann auf ebenso mysteriöse Weise wieder aufzutauchen. Aber das passt im Grunde sehr gut zum Gesamteindruck, den der Plot hinterlässt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgcJh_BELszEsLL1ow5F2XL9DyXSkhHg73aL5pqyMGo-rp8Id3tC9rC0KwNe6ChyGa_RhvI-zYf7MExppyVTqF1sNvew9fki-qUBnkpY5oK_YtK__tTbT_yHxBnDcVUHA3UqMkRee_MgRYxhkO0Cr7TcPzXc9yYRE8MbOhJp055YAqc-Yr4OA2DhMhr/s855/Screenshot%202022-10-14%20at%2018-20-12%20Ator%20The%20Fighting%20Eagle%20(1982)%20Full%20Movie%20Laura%20Gemser%20Miles%20O'Keeffe%20Edmund%20Purdom.png" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="476" data-original-width="855" height="223" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgcJh_BELszEsLL1ow5F2XL9DyXSkhHg73aL5pqyMGo-rp8Id3tC9rC0KwNe6ChyGa_RhvI-zYf7MExppyVTqF1sNvew9fki-qUBnkpY5oK_YtK__tTbT_yHxBnDcVUHA3UqMkRee_MgRYxhkO0Cr7TcPzXc9yYRE8MbOhJp055YAqc-Yr4OA2DhMhr/w400-h223/Screenshot%202022-10-14%20at%2018-20-12%20Ator%20The%20Fighting%20Eagle%20(1982)%20Full%20Movie%20Laura%20Gemser%20Miles%20O'Keeffe%20Edmund%20Purdom.png" width="400" /></a></div> </div><div style="text-align: justify;">Ators Queste besteht aus fünf Episoden, von denen nur die allerletzte in irgendeinem Zusammenhang mit dem Ziel seiner Reise steht. Auf manch Betrachter*innen hat das wohl ziemlich anödend gewirkt. Schließlich existieren sie ganz offensichtlich nur, um die Laufzeit des Filmes voll zu kriegen. Aber da fast jede von ihnen irgendein Element enthält, das meine Aufmerksamkeit wachgehalten hat, und sie alle verhältnismäßig kurz sind, habe ich eigentlich keinen Grund, den zusammengestoppelten Charakter des Plots groß zu beklagen.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Kaum hat sich unser Held von Griba getrennt (ohne ein Wort des Abschieds übrigens!), da fällt er auch schon einem Stamm von Amazonen in die Hände. Zu denen gehört auch die ihm bereits bekannte Roon, die ihn in einem Wettkampf auch gleich als eine Art menschlichen "Zuchthengst" gewinnt. Doch als sie erfährt, dass er auf dem Weg zum Tempel der Spinne ist, verschiebt sie den Mutterschaftsurlaub vom Kriegrinnendasein lieber noch mal und beschließt stattdessen, ihm zur Flucht zu verhelfen. Ihre Beweggründe sind freilich alles andere als altruistisch. Vielmehr wird sie von der Aussicht auf die legendären Tempelschätze des "Ancient One" angetrieben. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj27DqF32URQycGgpL60-RqvCvTOfJ8Eq74WSt7HkbGen3GHe6cirrZIyELyBEtmO-sUtC1Iffxb-K2PNiDsNfFaFBhCsLKrA0MSKKp0TwKzMLflKcTMlernGyMyuEswd0QFRU8-kFvXHQAXI5kIoUzuCFD3Rl9l_YS6br7-Q_PatlOGKWcVY7N6sp9/s855/Screenshot%202022-10-14%20at%2018-42-42%20Ator%20The%20Fighting%20Eagle%20(1982)%20Full%20Movie%20Laura%20Gemser%20Miles%20O'Keeffe%20Edmund%20Purdom.png" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="470" data-original-width="855" height="220" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj27DqF32URQycGgpL60-RqvCvTOfJ8Eq74WSt7HkbGen3GHe6cirrZIyELyBEtmO-sUtC1Iffxb-K2PNiDsNfFaFBhCsLKrA0MSKKp0TwKzMLflKcTMlernGyMyuEswd0QFRU8-kFvXHQAXI5kIoUzuCFD3Rl9l_YS6br7-Q_PatlOGKWcVY7N6sp9/w400-h220/Screenshot%202022-10-14%20at%2018-42-42%20Ator%20The%20Fighting%20Eagle%20(1982)%20Full%20Movie%20Laura%20Gemser%20Miles%20O'Keeffe%20Edmund%20Purdom.png" width="400" /></a></div></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh2PhOsfWErTwzPejlBXYpCJxADaOcQ1R_HcqOksmfSF_U9OxFeaWbhVwky2Vr5zEoscshu9HXthVh8IXh6OiLZbYJtXta059F-4nWxReL9jor4Y57rNvwXm4RE87fZww7YMkWraif2mYqA3AOaTifD1hmm5gynh9YO0wAU1zxufIC-8LrNcppJKP3h/s852/Screenshot%202022-10-14%20at%2018-43-44%20Ator%20The%20Fighting%20Eagle%20(1982)%20Full%20Movie%20Laura%20Gemser%20Miles%20O'Keeffe%20Edmund%20Purdom.png" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="478" data-original-width="852" height="225" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh2PhOsfWErTwzPejlBXYpCJxADaOcQ1R_HcqOksmfSF_U9OxFeaWbhVwky2Vr5zEoscshu9HXthVh8IXh6OiLZbYJtXta059F-4nWxReL9jor4Y57rNvwXm4RE87fZww7YMkWraif2mYqA3AOaTifD1hmm5gynh9YO0wAU1zxufIC-8LrNcppJKP3h/w400-h225/Screenshot%202022-10-14%20at%2018-43-44%20Ator%20The%20Fighting%20Eagle%20(1982)%20Full%20Movie%20Laura%20Gemser%20Miles%20O'Keeffe%20Edmund%20Purdom.png" width="400" /></a></div><br /><div style="text-align: justify;"><div style="text-align: justify;">Interessanterweise taucht auch in <i>Gunan Il Guerriero </i>ein
Amazonenvolk auf. Die Beliebtheit dieses Motivs im italienischen
Genrefilm erklärt sich selbstredend nicht aus irgendwelchen Sympathien
für weibliche Emanzipation. Eher schon aus einer Vorliebe für attraktive
Frauen in Leder-Bikinis. Aber verglichen mit manch anderen
Darstellungen nimmt sich <i>Ator </i>in dieser Hinsicht noch relativ
sympathisch aus. So hatte es z.B. in der ersten Hälfte der 70er Jahre
eine Handvoll "Amazonen" - Filme gegeben (<i>Le Amazzoni - Donne d'amore e di guerra / Battle of the Amazons </i>[1973], <i>Le guerriere dal seno nudo / War Goddess </i>[1973], <i>Superuomini, superdonne, superbotte / Super Stooges vs the Wonder Women </i>[1975]),
deren Inhalt allem Anschein nach stets darauf hinauslief, dass die
Kriegerinnen von irgendwelchen Typen bezwungen oder "gezähmt" werden.
Von dem extrem abstoßenden <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2017/05/expeditionen-ins-reich-der-eighties.html" target="_blank">Thor Il Conquistatore</a> </i>(1983)
ganz zu schweigen. Mit Abstand der widerlichste Streifen, von dem ich
das Pech hatte, ihm auf meinen barbarischen Expeditionen zu begegnen.
Nichts dergleichen bei <i>Ator</i>. Selbst die kurze "Catfight"-Szene bleibt äußerst zahm. Bei einem Roger Corman - Flick hätte das anders ausgesehen (vgl. etwa <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2015/02/expeditionen-ins-reich-der-eighties.html" target="_blank">Barbarian Queen II</a> </i>[1990]).
Zwar schließt sich an die gemeinsame Flucht alsbald die obligatorische
"Badeszene im Wald" an, aber zumindest in der Version, die mir zur
Verfügung stand, bekommt man dabei bloß die leicht verschwommene Gestalt
von Sabrina Siani im Hintergrund der Einstellung zu sehen. Wobei ich
mich allerdings frage, ob hier nicht etwas herausgekürzt worden ist. Denn
traditionell existieren solche Szenen doch ausschließlich als
Entschuldigung, die badende Heldin halbnackt ablichten zu dürfen. Und dass Sianis Karriere im italienischen S&S - Film -- neben <i>Ator </i>war sie auch bei <i>Gunan</i>, <a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2015/03/expeditionen-ins-reich-der-eighties.html" target="_blank"><i>Sangraal</i></a> (1983), <i><a href="https://katzenklaue.blogspot.com/2015/02/expeditionen-ins-reich-der-eighties_18.html" target="_blank">Il Trono di fuoco</a> </i>(1983) und Lucio Fulcis <i>Conquest </i>(1983) dabei -- wohl eher nicht auf ihr schauspielerisches Talent zurückgeführt werden kann, ist leider kaum zu bestreiten. <br /></div>Wie
dem auch sei, wir dürfen jedenfalls heilfroh sein, dass wir das
Amazonen-Intermezzo ohne größere Ärgernisse oder Peinlichkeiten hinter
uns lassen können. Bloß am Rande sei erwähnt, dass Roons Zugehörigkeit
zu dem Stamm eigentlich kaum Sinn macht. Ist sie doch ein
unverkennbares Valeria - Stand-in. Mehr Diebin und Glücksritterin als
stolze Kriegerin. Aber wer an diesem Punkt noch nach Stimmigkeit der
Charakterzeichnung oder innerer Logik fragt, hat eh verloren.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Es folgt Laura Gemsers Gastauftritt als verführerische Zauberin -- halb Circe, halb Lamia. Wie zu erwarten der "erotischste" Part des Filmes, dabei aber auch recht harmlos. Erwähnenswert ist eigentlich nur der bizarre Kopfschmuck, den Gemser trägt, sowie die Tatsache, dass unser Held sein Überleben den gemeinsamen Anstrengungen von Juniorbär und Roon verdankt. Warum die Hexe es auf ihn abgesehen hatte, bleibt selbstverständlich völlig schleierhaft. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi6TprZAv0lP6aJ1TqXgQTaxKsoZa-NzQRFASC6De7kOe5d0HD_QjG6zQJJuj4_0a__3up5ug_cVpjNHbTno8IPutN8MF_EHpEk0b7hq_GAPkB_VFzY06LqsovJKZNMecEpZAN6lvpb25OEHvn5gIXscSJggILH3P6LyzUIohsCyjba7yDMUWh-SrXO/s856/Screenshot%202022-10-14%20at%2018-22-47%20Ator%20The%20Fighting%20Eagle%20(1982)%20Full%20Movie%20Laura%20Gemser%20Miles%20O'Keeffe%20Edmund%20Purdom.png" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="468" data-original-width="856" height="219" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi6TprZAv0lP6aJ1TqXgQTaxKsoZa-NzQRFASC6De7kOe5d0HD_QjG6zQJJuj4_0a__3up5ug_cVpjNHbTno8IPutN8MF_EHpEk0b7hq_GAPkB_VFzY06LqsovJKZNMecEpZAN6lvpb25OEHvn5gIXscSJggILH3P6LyzUIohsCyjba7yDMUWh-SrXO/w400-h219/Screenshot%202022-10-14%20at%2018-22-47%20Ator%20The%20Fighting%20Eagle%20(1982)%20Full%20Movie%20Laura%20Gemser%20Miles%20O'Keeffe%20Edmund%20Purdom.png" width="400" /></a></div><br />In der Folge von George Romeros <i>Dawn of the Dead </i>aka <i>Zombi </i>(1978) und Lucio Fulcis <i>Zombi 2 </i>(1979) waren die Lebenden Toten Anfang der 80er Jahre im italienischen Genrefilm sehr angesagt. Kein Wunder also, dass ein paar von ihnen auch in <i>Ator </i>kurz durch die Landschaft schlurfen dürfen. Inhaltlich ist diese Episode wenig dramatisch -- es kommt nicht einmal zu einem Schlagabtausch mit Held & Heldin --, aber dafür gehört sie zu den filmerisch eindrucksvolleren. Mit viel Trockeneis und blendendem Gegenlicht verwandelt D'Amato die herumwankenden Statisten in ominöse Silhouetten. <br /></div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgQIxwUgD00aHAZ8dMxEbn3O3WTqR8YNYbkqY15ivizA432oWgnqZGDECY6Q_tzIV5zDanbiyqfzF9Tb04Acgq-43GHcAyRYlMeJPry3KXWZxJHMsD7W_CkuFR13wuNHT5_15moQ13spN1AwOklcpBHqbo11y_3GJ3S2y_8QhqVg6VU6QOfHtHteiWe/s838/Screenshot%202022-10-14%20at%2018-25-20%20Ator%20The%20Fighting%20Eagle%20(1982)%20Full%20Movie%20Laura%20Gemser%20Miles%20O'Keeffe%20Edmund%20Purdom.png" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="476" data-original-width="838" height="228" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgQIxwUgD00aHAZ8dMxEbn3O3WTqR8YNYbkqY15ivizA432oWgnqZGDECY6Q_tzIV5zDanbiyqfzF9Tb04Acgq-43GHcAyRYlMeJPry3KXWZxJHMsD7W_CkuFR13wuNHT5_15moQ13spN1AwOklcpBHqbo11y_3GJ3S2y_8QhqVg6VU6QOfHtHteiWe/w400-h228/Screenshot%202022-10-14%20at%2018-25-20%20Ator%20The%20Fighting%20Eagle%20(1982)%20Full%20Movie%20Laura%20Gemser%20Miles%20O'Keeffe%20Edmund%20Purdom.png" width="400" /></a></div> </div><div style="text-align: justify;">Den Lebenden Leichen glücklich entronnen beschließt man, dass es an der Zeit ist, endlich mal eine zünftige Fantasytaverne aufzusuchen. Roon ist außerdem der Ansicht, dass man sich ein paar Pferde organisieren sollte. Wobei sie bereits begehrliche Blicke auf den Geldbeutel der örtlichen Puffmutter wirft. Leider ist ihr Plan, wie sie diesen in die Hände bekommen könnte, reichlich tumb. Was der Sequenz viel von ihrem potenziellen Charme raubt.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Aber wir nähern uns eh dem Ende der Geschichte und so taucht plötzlich wie aus dem Nichts heraus erneut der gute Griba auf, um Ator nun endlich seine wahre Bestimmung zu enthüllen. Doch bevor unser Held dem bösen Spinnenpriester gegenübertreten und seine geliebte Sunya befreien kann, muss er noch rasch den magischen Schild von Mordor (!!) in seinen Besitz bringen. Also unternehmen Ator und Roon einen kurzen Abstecher in einige unter einem Vulkan gelegene Kavernen, wo ein (anscheinend ziemlich unfreundliches) Volk blinder Schmiede haust und emsig (magische?) Waffen produziert. Cooler als das eigentliche Finale ist der recht geschickt in Szene gesetzte Kampf, den Ator dort gegen seinen eigenen Schatten ausfechten muss. Und natürlich ist es erneut Roon, die ihm dabei seine Haut rettet. Was ihn allerdings nicht davon abhält, ihre ach so materialistische Goldgier weiterhin mit herablassenden Kommentaren und moralisch überlegenem Naserümpfen zu bedenken.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Der Endkampf im Tempel wirkt im Vergleich dazu leider etwas antiklimaktisch. Daran kann weder Gribas "dramatischer" Verrat (der Kerl hatte es die ganze Zeit bloß darauf abgesehen, selbst den Thron des Hohepriesters zu besteigen), noch der Auftritt einer wunderbar plumpen animatronischen Monsterspinne etwas ändern. Dass Roon bei dem Gefecht zu Tode kommt, ist zwar ärgerlich, aber in gewisser Weise auch folgerichtig. Damit die Storyline um die Rettung der "Damsel in Distress" zu einem ungetrübt "glücklichen Ende" gelangen kann, muss die eigenständigere Frauenfigur (und potenzielle Rivalin) beseitigt werden. Denn selbstverständlich hatte sich im Laufe der Geschichte eine "erotische Spannung" zwischen Held und Heldin aufgebaut. Dass die beiden auch einfach Freunde hätten sein können, wäre in Filmen dieser Zeit und dieses Genres undenkbar gewesen.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;">Warum D'Amato es offenbar für eine gute Idee hielt, seinen Fantasyflick mit einem fürchterlich schmalzigen Popsong zu beenden, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Vielleicht dachte er sich, er könne seinem Publikum zum Abschluss nicht noch einmal das immer gleiche musikalische Motiv vorsetzen, und das für den Soundtrack vorgesehene Budget war leider bereits aufgebraucht.</div><div style="text-align: justify;"> </div><div style="text-align: justify;"><i>Ator l'Invicible </i>ist astreiner Schlock. Die Sets billig. Die Darsteller*innen hölzern. Der Plot größtenteils wirr und zusammenhangslos. Dennoch finde ich, dass der Streifen besser ist als sein Ruf. Wer dieses Sammelsurium aus zum Teil völlig absurden Szenen "öde" findet, hat wohl noch nie <i>Gunan </i>oder <i>Trono di fuoco </i>gesehen. Im Vergleich zu diesen traurigen Vertretern der italienischen Sword & Sorcery ist Joe D'Amatos erster <i>Ator </i>- Flick ein wahres Feuerwerk an trashiger Unterhaltsamkeit.<br /></div><p><br /></p><p><br /></p><p>* Kim Newman: <i>Nightmare Movies. A Critical History of the Horror Film, 1968-88</i>. S. 187.</p><p style="text-align: justify;">** In einigen früheren Beiträgen zu dieser Reihe bin ich von einem merklich späteren Datum ausgegangen (man sollte sich halt nie 100%ig auf IMDB verlassen), was zu einigen kuriosen Fehleinschätzungen geführt hat, die ich aber zu faul bin, noch einmal zu korrigieren.<br /></p>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7623898635863173913.post-82100705283849578602022-10-09T08:27:00.000-07:002022-10-09T08:27:27.139-07:00 Strandgut<ul style="text-align: left;"><li>Hypnogoria: <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/10/hypnogoria-223-origins-of-halloween.html">The Origins of Halloween Part X</a></li><li>Hypnogoria: <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/09/hypnogoria-222-remembering-peter-straub.html">Remembering Peter Straub</a></li><li>Microgoria:<i> <a href="https://hypnogoria.blogspot.com/2022/09/microgoria-112-i-came-by.html">I Came By</a></i></li><li>A Podcast to the Curious: <a href="https://www.mrjamespodcast.com/2022/09/episode-90-right-through-my-hair-by-noel-boston/" title="Episode 90 – Right Through My Hair by Noel Boston"><i>Right Through My Hair </i>by Noel Boston</a><i> </i></li><li>The Great Derelict: <i></i><a class="read_more" data-iframe-id="embed_24391203" href="https://greatderelict.libsyn.com/a-decade-of-dredd">A Decade of Dredd</a></li><li>The Great Derelict: <a class="read_more" data-iframe-id="embed_24537201" href="https://greatderelict.libsyn.com/families-ii-the-wrath-of-topa">Families II : The Wrath of Topa</a> </li><li>The Great Derelict: <a class="read_more" data-iframe-id="embed_24612714" href="https://greatderelict.libsyn.com/space-sims-your-own-starship-in-a-box">Space Sims, Your own Starship in a box!</a></li><li>Lovecraft eZine Videocast:<a href="https://www.youtube.com/watch?v=MlHQ1Wzbm1I" target="_blank"> Cosmic Horror in the 100-Acre Wood: <i>The Call of Poohthulhu</i></a> </li><li>Lovecraft eZine Videocast: <a href="https://www.youtube.com/watch?v=MlHQ1Wzbm1I" target="_blank">John Linwood Grant & David Busboom </a></li><li>The Black Dog Podcast: <i><a class="read_more" data-iframe-id="embed_24380805" href="https://blackdogpodcast.com/i-came-by">I Came By</a></i> * <i><a class="read_more" data-iframe-id="embed_24440442" href="https://blackdogpodcast.com/black-dog-v2-episode-104-nope">Nope</a></i> * <i><a class="read_more" data-iframe-id="embed_24510540" href="https://blackdogpodcast.com/tumbbad">Tumbbad</a> </i>* <i><a class="read_more" data-iframe-id="embed_24587736" href="https://blackdogpodcast.com/hush">Hush</a> </i> </li><li>Appendix N Book Club: <a href="https://appendixnbookclub.com/2022/09/19/episode-127-robert-e-howards-conan-the-conqueror-with-special-guest-eric-johnson/" rel="bookmark">Robert E. Howard’s <i>Conan the Conqueror</i> with special guest Eric Johnson</a></li><li><span>Mega City Book Club: </span><a href="https://megacitybookclub.blogspot.com/2022/10/203-aliens-incubus.html">Judge Dredd Vs Aliens: Incubus</a><span> </span></li><li><span>The Folklore Podcast: <a href="http://www.thefolklorepodcast.com/episode-115.html" target="_blank">Selkies </a>& <a href="http://www.thefolklorepodcast.com/episode-116.html" target="_blank">Archaeological Storytelling </a><br /></span></li><li><span>The Rotten Horror Picture Show: </span><i><a class="wp-block-latest-posts__post-title" href="https://thepenskyfile.com/66-martin/">Martin</a></i> & <a class="wp-block-latest-posts__post-title" href="https://thepenskyfile.com/peeping-tom/"><i>Peeping Tom</i></a></li><li><span>NUTS4R2 bespricht </span><i><a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/09/wild-cards-30-full-house.html">Wild Cards 30 - Full House</a><span> * </span><a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/09/crimes-of-future-2022.html">Crimes Of The Future 2022</a><span> * </span><a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/09/clerks-iii.html">Clerks III</a><span> *</span><a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/09/the-final-girl-support-group.html"> The Final Girl Support Group</a><span> * </span><a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/09/the-falcons-alibi.html">The Falcon's Alibi</a><span> * </span><a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/09/three-thousand-years-of-longing.html">Three Thousand Years Of Longing</a><span> * </span><a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/09/rivers-of-london.html">Rivers Of London</a><span> * </span><a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/09/smile.html">Smile</a> *<a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/10/whiskey-mountain.html"> Whiskey Mountain</a> *<a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/10/station-eleven.html"> Station Eleven</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/10/the-tunnel.html">The Tunnel</a> * <a href="https://nuts4r2.blogspot.com/2022/10/the-falcons-adventure.html">The Falcon's Adventure</a></i> </li><li><span>Movies Silently:</span> <a href="https://moviessilently.com/2022/09/12/the-lie-1909-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>The Lie</i> (1909) - A Silent Film Review</a> von Fritzi Kramer <br /></li><li><span>Movies Silently:</span> <a href="https://moviessilently.com/2022/09/18/diamond-cut-diamond-1912-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>Diamond Cut Diamond </i>(1912) - A Silent Film Review</a></li><li><span>Movies Silently:</span> <a href="https://moviessilently.com/2022/09/26/the-other-woman-1906-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>The Other Woman </i>(1906) - A Silent Film Review</a></li><li>Movies Silently:<i> </i><a href="https://moviessilently.com/2022/10/03/the-teddy-bears-1907-a-silent-film-review/" rel="bookmark"><i>The Teddy Bears</i> (1907) - A Silent Film Review</a> </li><li><a class="black _hover-black-70 _bg-white no-underline underline-hover" href="https://www.wsws.org/en/articles/2022/10/06/xbqg-o06.html" style="transition: color 0.5s ease 0s;"><span>The art and politics of filmmaker Jean-Luc Godard (1930-2022)</span></a><span> von David Walsh <br /></span></li><li>The Reprobate: <a href="https://reprobatepress.com/2022/10/07/the-hallucinogenic-and-witchy-pleasures-of-after-blue/" rel="bookmark">The Hallucinogenic And Witchy Pleasures Of <i>After Blue</i></a><i> </i>von David Flint<i> <br /></i></li><li>The Reprobate: <a href="https://reprobatepress.com/2022/10/02/kateno-shindos-naked-island/" rel="bookmark">Kateno Shindo’s <i>Naked Island</i></a></li><li>The Reprobate: <a href="https://reprobatepress.com/2022/09/30/the-orrible-world-of-8mm-horror/" rel="bookmark">The ‘Orrible World Of 8mm Horror</a> </li><li>The Reprobate: <a href="https://reprobatepress.com/2022/09/21/the-horrific-history-of-the-h-certificate/" rel="bookmark">The Horrific History Of The ‘H’ Certificate</a></li><li>Cinematic Catharsis: <i><a href="http://cinematiccatharsis.blogspot.com/2022/09/the-day-of-locust.html">The Day of the Locust</a></i></li><li>Diabolique Magazine: <a href="https://diaboliquemagazine.com/atom-egoyan-and-david-cronenberg-go-antiquing-on-friday-the-13th%ef%bf%bc/" target="_blank">Atom Egoyan and David Cronenberg Go Antiquing on</a><i><a href="https://diaboliquemagazine.com/atom-egoyan-and-david-cronenberg-go-antiquing-on-friday-the-13th%ef%bf%bc/" target="_blank"> Friday the 13th</a> </i>von Tom Clark </li><li>At the Mansion of Madness:<i> </i><a href="http://atthemansionofmadness.blogspot.com/2022/09/marquis-1989.html"><i>Marquis</i> (1989)</a> </li><li>Cinephilia & Beyond: <a href="https://cinephiliabeyond.org/lolita/" target="_blank">Filming the Unfilmable and
Achieving the Unimaginable: How Kubrick’s <i>Lolita</i> Eventually Won
Critics Over and Established Itself as an Acclaimed Sardonic Black
Comedy</a> von Koraljka Suton</li><li>CrimeReads: <a href="https://crimereads.com/the-complicated-life-of-leo-marks/" target="_blank">The Complicated Life of Leo Marks </a>von Scott Adlerberg<br /></li><li>Fangoria: <a href="https://www.fangoria.com/original/theres-no-disgrace-like-home-the-x-files-episode-too-horrifying-for-television/" target="_blank">There's No Disgrace Like "Home": The<i> X-Files</i> Episode Too Horrifying for Television</a> von Diana Prince</li><li>Scifist 2.0: <i><a href="https://scifist.net/2022/09/17/satellite-in-the-sky/" rel="bookmark">Satellite in the Sky</a> </i>* <a href="https://scifist.net/2022/09/20/fire-maidens-from-outer-space/" rel="bookmark"><i>Fire Maidens from Outer Space</i> </a> <i> </i> </li><li>Ellsworth's Cinema of Swords: <a href="https://www.blackgate.com/2022/09/21/ellsworths-cinema-of-swords-swashbucklin-talkies/" rel="bookmark">Swashbucklin’ Talkies</a> * <a href="https://www.blackgate.com/2022/10/05/ellsworths-cinema-of-swords-barbarian-boom-pt-6/" rel="bookmark">Barbarian Boom Part 6</a> </li><li>FragmentAnsichten: <a href="https://fragmentansichten.com/2022/09/14/sonnenseiten-und-solarpunk-mythen/" rel="bookmark">„Sonnenseiten“ und Solarpunk-Mythen</a> & <a href="https://fragmentansichten.com/2022/10/03/zeitreisende-briefe-romane-als-zeitreisen/" rel="bookmark">Zeitreisende Briefe, Romane als Zeitreisen</a> von Alessandra Reß</li><li>Deep Cuts in a Lovecraftian Vein: <a href="https://deepcuts.blog/2022/09/24/her-letters-to-clark-ashton-smith-c-l-moore/" rel="bookmark">Her Letters To Clark Ashton Smith: C. L. Moore</a> von Bobby Derie </li><li>Deep Cuts in a Lovecraftian Vein: <a href="https://deepcuts.blog/2022/10/05/deeper-cut-lovecraft-in-chinatown/" rel="bookmark">Deeper Cut: Lovecraft in Chinatown</a> </li><li>Deep Cuts in a Lovecraftian Vein: <a href="https://deepcuts.blog/2022/09/17/up-from-slavery-2019-by-victor-lavalle/" rel="bookmark"><i>Up from Slavery</i> (2019) by Victor LaValle</a> * <a href="https://deepcuts.blog/2022/10/08/lavinia-rising-2022-by-farah-rose-smith/" rel="bookmark"><i>Lavinia Rising </i>(2022) by Farah Rose Smith</a> </li><li>Non-Fiction Spotlight: <a href="http://corabuhlert.com/2022/10/06/non-fiction-spotlight-rising-sun-reruns-memories-of-japanese-tv-shows-from-todays-grown-up-kids-edited-by-jim-beard/" rel="bookmark"><i>Rising Sun Reruns: Memories of Japanese TV Shows from Today’s Grown-up Kids</i>, edited by Jim Beard</a> & <a href="http://corabuhlert.com/2022/10/08/non-fiction-spotlight-cents-of-wonder-science-fictions-first-award-winners-edited-by-steve-davidson-and-kermit-woodall/" rel="bookmark"><i>Cents of Wonder: Science Fiction’s First Award Winners</i>, edited by Steve Davidson and Kermit Woodall</a> von Cora Buhlert <br /></li><li>Myth & Moor: <span class="entry-title"><a href="https://www.terriwindling.com/blog/2022/05/writing-magic.html">Patricia McKillip on writing magic</a></span></li><li>Pulp Curry: <a href="https://www.pulpcurry.com/2022/09/book-review-australian-crime-anthology-and-first-nations-science-fiction/" rel="bookmark" title="Permalink to Book Review: Australian crime anthology and First Nations science fiction">Book Review: Australian crime anthology and First Nations science fiction</a> von Andrew Nette</li><li>Nightmare Magazine: <a href="https://www.nightmare-magazine.com/nonfiction/the-h-word-hand-me-down-horror/">The H Word: Hand-Me-Down Horror</a> von Brian McCauley <br /></li><li>Black Gate: <a href="https://www.blackgate.com/2022/10/04/some-tales-from-nights-plutonian-shore-emmy-favorite-tales-of-edgar-allan-poeem/" rel="bookmark">Some Tales from Night’s Plutonian Shore: <em>My Favorite Edgar Allan Poe Stories</em></a><em> </em>von Fletcher Vredenburgh<em> <br /></em></li><li>The Public Domain Review: <a href="https://publicdomainreview.org/essay/colonizing-the-cosmos" target="_blank"><span class="title">Colonizing the Cosmos
</span></a><span class="subtitle"><a href="https://publicdomainreview.org/essay/colonizing-the-cosmos" target="_blank"> Astor’s Electrical Future</a> von </span>Iwan Rhys Morus</li><li>The Public Domain Review:<a href="https://publicdomainreview.org/essay/hypnerotomachia-poliphili-and-the-architecture-of-dreams" target="_blank"> </a><span class="title"><a href="https://publicdomainreview.org/essay/hypnerotomachia-poliphili-and-the-architecture-of-dreams" target="_blank"><em>Hypnerotomachia Poliphili</em> and the Architecture of Dreams</a> von</span> Demetra Vogiatzaki<span class="title"> </span> </li><li>Apex Magazine: <a href="https://apex-magazine.com/interviews-2/interview-with-author-sergey-gerasimov/">Interview with Author Sergey Gerasimov </a> </li><li>Apex Magazine: <a href="https://apex-magazine.com/interviews-2/interview-with-author-derrick-boden/">Interview with Author Derrick Boden </a> </li><li>Clarkesworld Magazine: <a href="https://clarkesworldmagazine.com/vibbert_interview">Switching Perspectives: A Conversation with Marie Vibbert</a> </li><li>Clarkesworld Magazine: <a href="https://clarkesworldmagazine.com/khoreo_interview">Art and Kindness: A Conversation with Aleksandra (Ola) Hill, Kanika Agrawal, and Rowan Morrison</a></li><li>Dark Worlds: <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/some-odd-bronze-age-sword-sorcery-comics-ii/" rel="bookmark">Some Odd Bronze Age Sword & Sorcery Comics II </a> </li><li>Dark Worlds: <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/still-more-bronze-age-plant-monsters-i/" rel="bookmark">Still More Bronze Age Plant Monsters I</a> * <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/still-more-bronze-age-plant-monsters-ii/" rel="bookmark">II </a>* <a href="https://darkworldsquarterly.gwthomas.org/still-more-bronze-age-plant-monsters-iii/" rel="bookmark">III </a> </li><li>Attack of the 50 Year Old Comic Books:<i> </i><a href="https://50yearoldcomics.com/2022/08/17/conan-the-barbarian-20-november-1972/" rel="bookmark"><i>Conan the Barbarian</i> #20 (November, 1972)</a> </li><li>Attack of the 50 Year Old Comic Books: <a href="https://50yearoldcomics.com/2022/09/17/conan-the-barbarian-21-december-1972/" rel="bookmark"><i>Conan the Barbarian</i> #21 (December, 1972)</a> </li><li>Attack of the 50 Year Old Comic Books: <a href="https://50yearoldcomics.com/2022/10/08/vampirella-21-december-1972/" rel="bookmark"><i>Vampirella </i>#21 (December, 1972)</a> </li><li>The Reprobate: <a href="https://reprobatepress.com/2022/09/10/the-double-life-of-oliver-frey/" rel="bookmark">The Double Life Of Oliver Frey</a> </li></ul>Raskolnikhttp://www.blogger.com/profile/14301482289154973114noreply@blogger.com0