"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Freitag, 30. August 2013

I hate it when he does that!

Ich habe über die Jahre wahrhaftig schon so manch grottigen Flick und manch grausige TV-Serie gesehen, aber es war doch noch einmal ein ganz eigenes Erlebnis, sich durch die zwei Filme zu quälen, die man 2005 aus den fünfundzwanzig Episoden der Animationsserie The Clone Wars zusammengekleistert hat. {Wie es die geschafft hat, auf IMDB eine Wertung von 7,4/10 zu bekommen, gehört für mich zu den unlösbaren Rätseln unseres Universums.}
Warum ich mich dem überhaupt ausgesetzt habe? Schließlich hatte ich mir geschworen, für immer die Finger von diesem wenig verführerischen Machwerk zu lassen. Wahrscheinlich befinden sich meine masochistischen Neigungen gerade mal wieder im Auftrieb. Ob es keine besseren Methoden gäbe, um selbige auszuleben, als vor dem Bildschirm? Hmm . Ja ... Äh ... Bleiben wir doch lieber bei den Clone Wars

Wie war das damals eigentlich genau? 2002 hatte George Lucas dem Kinopublikum Attack of the Clones serviert. Eine Mixtur aus sterilen Bluescreen-Szenarien, unterirdischen Dialogen, einem hingeschluderten Plot, breit ausgewalzten Actionsequenzen und der vielleicht bizarrsten, leidenschaftslosesten und gruseligsten "Romanze" der gesamten Filmgeschichte. In den nächsten zweieinhalb Jahren schleuderte er den Kindern desselben Publikums diesen mies gezeichneten, mies geschriebenen und zum Teil wie eine bewusste Verhöhnung von Star Wars wirkenden Bockmist ins Gesicht. Warum war 2005 überhaupt noch irgendwer bereit, Geld für eine Kinokarte für Revenge of the Sith zu löhnen?

Ich gebe zu, wenn's den bärtigen Mogul von der Skywalker Ranch nicht gäbe, mir würde wirklich etwas fehlen. Und das nicht nur wegen der alten Star Wars - Filme und Indiana Jones {bei letzterem bin ich mir gar nicht einmal so sicher, wie ich den heute einschätzen würde ... da ist wohl mal ein Rewatch angesagt}. George Lucas ist und bleibt für mich ein ewiges Mysterium des amerikanischen Kinos, und das macht ihn ungemein faszinierend. Der Rebell, der zum Schöpfer des Blockbusters wurde. Der gefeierte Filmemacher, der jahrzehntelang keine Filme drehte. Der Gott eines Fankults, der zur Hassfigur seiner eigenen Fans wurde.

Manchmal denke ich, dass Lucas eines der besten Beispiele dafür ist, dass Erfolg ein echter Fluch sein kann.

Selbst zu seinen besten Zeiten war er keiner der ganz Großen. Man braucht sich nur noch einmal zu vergegenwärtigen, dass sein kometenhafter Aufstieg parallel zu dem seines Freundes Steven Spielberg verlief. Und neben dem äußerst talentierten Spielberg musste sich Lucas eigentlich immer schon wie eine eher mittelmäßige Figur ausnehmen. Einiges spricht dafür, dass er sich seiner Schwächen sehr wohl bewusst ist. So hat Lucas mehrfach erklärt, er wisse, dass er kein besonders guter Drehbuchschreiber ist. Seine große Bewunderung für Akira Kurosawa, dessen Verborgene Festung (1958) eines der wichtigsten Vorbilder für Star Wars war und dessen Kagemusha (1980) ohne Lucas' Eingreifen vielleicht nie fertiggestellt worden wäre, ist nicht nur ein Beleg dafür, dass der Mann einen guten Geschmack hat.  Es zeigt vor allem, welche Art Filmemacher Lucas gerne wäre. Aber auch wenn er sich inzwischen vielleicht eingeredet hat, mit den Star Wars - Prequels etwas ähnlich "Episches" geschaffen zu haben wie Kagemusha oder Ran, glaube ich, dass er tief im Inneren weiß, dass er dazu gar nicht fähig ist.
In den 80ern und 90ern soll Lucas Bekannten und Freunden immer wieder von den zahllosen Projekten erzählt haben, die er gerne anpacken würde, wenn ihn seine Geschäftsverpflichtungen und das Erbe der Star Wars - Trilogie nicht daran hindern würden. Keine dieser angeblichen Herzensangelegenheiten ist je auch nur in die Nähe ihrer Verwirklichung gelangt. Um genau zu sein, wissen wir nicht einmal, wie ihr Inhalt ausgesehen hätte. Sie bleiben die geheimnisvollen "nichtgemachten Filme".
George Lucas entwickelte schon früh in seiner Karriere die Neigung, Mythen um seine eigene Person zu spinnen. Man ist deshalb versucht, sich zu fragen, ob diese ominösen "Projekte" je wirklich existiert haben. Doch selbst wenn es sie nicht gegeben haben sollte, symbolisieren sie doch Lucas' Wunsch, etwas "ganz anderes" zu schaffen, als die Filme, denen er seinen Ruhm und Reichtum verdankt. Es steckt etwas tief tragisches in dieser ganzen Geschichte.

Viele Regisseure fangen irgendwann an, Mythen über sich selbst zu kreieren. So erzählt Filmhistoriker Joseph McBride z.B. von Frank Capra und Steven Spielberg:
[W]hen you deal with these kinds of legendary figures, they’ve often created a mythical persona that you then have to sort out. Some of these myths really die hard. Directors are prone to this, because that’s their job, after all, creating imaginative stories. Most directors have a creation myth about their origins as filmmakers.
Frank Capra, for example, claimed that he was offered a job making a film in San Francisco in 1921 by an entrepreneur, and that he had never made a film and knew nothing about filmmaking. He was such a genius, the story goes, that he was able to master the craft without any training, which is complete poppycock. I found out, in fact, that he had been working in films for about six years by then, in all different capacities.
In Steven Spielberg’s case, the story is that he walked into an empty office at Universal Studios, set up an office for himself, and crashed the gate every day. [...]
In reality, Spielberg’s father knew the guy in charge of computers at Universal and asked him to help Steven get some kind of entrée there. This individual put Steven’s father in touch with Chuck Silvers, the head of the film library―a wonderful man, he became Steven’s true mentor―who was smart enough to recognize immediately that this was a talented young kid with a great passion for film.
Spielberg, contrary to myth, didn’t have his own office, he had a chair in Silvers’s office, working with a lady named Julie Raymond, for whom Steven worked as an assistant.
Was Lucas sehr deutlich von Leuten wie Capra oder Spielberg unterscheidet, ist, dass seine selbstgesponnenen Mythen sich größtenteils nicht um seinen Weg ins Filmgeschäft drehen. In ihrem Zentrum steht vielmehr Star Wars.
Ich habe keine Ahnung, wann genau George Lucas zum ersten Mal die Mär in Umlauf gebracht hat, dass er schon vor Drehbeginn des ersten Star Wars - Films die gesamte Saga in ihren Grundzügen ausgearbeitet gehabt hätte. Irgendwann jedoch wurde sie zu einem der Kernstücke des Lucas-Mythos. Auch wenn ich es ehrlich gesagt seltsam finde, dass sie ihm je abgekauft wurde. Es braucht wahrlich keinen magischen Jedi-Blick, um zu erkennen, dass der ursprünglichen Trilogie kein im Voraus vorhandenes Story-Konzept zugrundelag.* Die tatsächliche Entwicklung der Saga in Form von Skizzen, Scripts und Drehbüchern ist äußerst komplex,** und Onkel Georges Lügengeschichten machen sie nur noch verwirrender. Doch ist das für mich nicht das wirkliche Interessante an der Sache. Vielmehr frage ich mich, warum Lucas überhaupt je begonnen hat, in diesem Zusammenhang den Baron Münchhausen zu spielen.

In mehr als einer Hinsicht hat Star Wars Lucas zu dem gemacht, was er heute ist. Und damit meine ich nicht nur die Tatsache, dass ein Gutteil seines Reichtums auf der cleveren {manche würden sagen perfiden} Ausbeutung des Erfolgs der ersten Trilogie beruht. Star Wars katapultierte den leicht rebellischen und semiunabhängigen Filmemacher quasi über Nacht ins Establishment von Hollywood. Dabei zeigte sich sehr schnell, dass sein verschwommener "Nonkonformismus" keine substanzielle Basis besaß. Was ihm am "alten Hollywood" gestunken hatte, war in erster Linie gewesen, dass er – George Lucas – sich anderen Leuten in der Studio-Hierarchie hatte unterordnen müssen. Viel weiter war seine "Revolte" nie gegangen.
Interessanterweise findet sich eine Widerspiegelung dessen in der Star Wars - Saga selbst. Ursprünglich sollte das Imperium von einer Allianz aus monopolistischen Wirtschaftsverbänden und der staatlichen Bürokratie geschaffen worden sein.*** Spuren davon finden sich noch in der Seperatistenbewegung der Prequel-Filme. Natürlich schwang da auch der allgemeine Zeitgeist der Sixties mit, aber letztlich ist es nicht schwer, in dieser "Koalition des Bösen" Lucas' persönlichen Buhmann zu erkennen: Die großen Studios. Denn was auf den ersten Blick demokratisch, vielleicht sogar irgendwie "antikapitalistisch" erscheinen könnte, wird auf der anderen Seite durch die extrem elitäre Idee der Jedi ergänzt. Wenn man all die offensichtlichen Samurai- und Zen-Bezüge einmal beiseite lässt, repräsentieren diese ganz einfach "außergewöhnliche Individuen", die von Natur aus den "Normalos" weit überlegen sind. Und so lässt sich der zentrale Konflikt von Star Wars als eine Allegorie auf Lucas eigenen Konflikt mit den Studios lesen. Hier die anonyme, bürokratische Machtmaschine, dort das "begnadete" Individuum.
Okay, das ist nun wirklich sehr spekulativ, und ich will auch gar nicht behaupten, dies sei der Hauptgrund dafür, dass Star Wars im Zentrum von Lucas' persönlicher Mythenspinnerei steht. Ebensowenig denke ich, dass es notwendig ist, zur Erklärung  Lucas' quasireligiöse, dem ollen Campbell entlehnte Überzeugungen heranzuziehen,.auch wenn sich diese zweifelsohne in der Saga ausgedrückt finden. Alles entscheidend in meinen Augen ist vielmehr, dass Lucas' öffentliche Persönlichkeit sehr schnell mit "der Schöpfer von Star Wars" gleichgesetzt wurde. Sein Ruhm, sein Ansehen, seine privilegierte Stellung in Hollywood – alles basierte so gut wie ausschließlich auf dem Jedi-Epos. Natürlich gab es daneben noch Indiana Jones, aber zum einen war das eine Koproduktion mit Steven Spielberg gewesen, zum anderen erreichten Indys Abenteuer nie einen vergleichbaren Kultstatus. {Man braucht ja bloß an die letztjährige Übernahme von Lucasfilm durch Disney zurückzudenken, bei der sehr viel vom Star Wars - Franchise, aber kein einziges Mal von dem peitscheschwingenden Grabräuber [sorry, "Archäologen"] die Rede war.} George Lucas ist Star Wars. Und mit seiner meisterlichen finanziellen Ausbeutung des Kultes hat er selbst massiv dazu beigetragen, dieses Bild zu verfestigen.
Die traurige Ironie besteht darin, dass spätestens nach Return of the Jedi Lucas selbst im Grunde die Nase voll von Star Wars hatte. In den Worten von Michael Kaminski, dem Autor von The Secret History of Star Wars:
While Lucas continued to talk about Star Wars sequels and prequels throughout the 1980s, in reality he was burned out from the series. While he had remarked on occasion to being done with the series for good – for example to Dale Pollock –  he never did publically follow through with this (he added to Pollock that it would be very hard to actually leave the series, for example), and instead remedied the situation by settling down and taking a breather. He concentrated on his business and raising his family, while occasionally producing movies and continuing to state that more Star Wars films would one day be made. Lucas had gone through a costly divorce in 1983 not long after Jedi was released, and for this reason alone did not have the resources to make more films, which may have also been a contributing factor to the quiet period in the mid and late 1980s.
Star Wars wurde mehr und mehr zu einem Gefängnis für Lucas. Prinzipiell wäre es natürlich möglich gewesen, aus diesem auszubrechen, doch standen dem vor allem zwei Dinge im Weg. Zuerst einmal kann kein Zweifel daran bestehen, dass Lucas sich ganz ausgezeichnet in die Welt des Blockbuster-Hollywoods der 80er Jahre eingefügt hatte. Sein Talent als Geschäftsmann war ohne Frage größer als sein Talent als Filmemacher. Star Wars den Rücken zu kehren, hätte bedeutet, sein profitabelstes Franchise aufzugeben, und Lucas ist nicht der Mann, der aus künstlerischen Beweggründen den dukatenscheißenden Esel schlachten würde. Was jedoch noch sehr viel wichtiger ist: Er hätte vermutlich überhaupt nicht gewusst, in welche Richtung er hätte ausbrechen sollen. Nichts spricht dafür, dass er je in der Lage gewesen wäre, etwas substanzielleres als seine Blockbuster zu schaffen. Dazu mangelt es ihm nicht nur an Talent, sondern auch an Ideen. An dem Willen oder der Fähigkeit, sich ernsthaft mit der Welt auseinanderzusetzen. Der beste Beweis dafür ist Red Tails (2012). Wenn es einen Film gibt, der einen ungefähren Eindruck davon vermittelt, wie Lucas' "andere" Filme wohl ausgesehen hätten, so ist es dieser. Und es ist kein erfreulicher Anblick.****
George Lucas blieb also Gefangener von Star Wars. Aber sein Traum, ein "großer Künstler" zu sein, starb deswegen noch lange nicht. Und so musste über die Jahre die Sternensaga allmählich den Platz einnehmen, der ursprünglich den "anderen", nie gedrehten Filmen zugedacht war. Lucas' Selbstverständnis verschmolz mit seiner "öffentlichen Persönlichkeit". Star Wars wurde zu seinem "Lebenswerk". Eine Entwicklung, die schließlich in der Prequel-Katastrophe kulminierte.

Zu Beginn der 90er Jahre erlebte das Star Wars - Franchise durch die von Dark Horse produzierten Comics und Timothy Zahns Thrawn - Trilogie einen erneuten Aufschwung. Parallel dazu begann 1993 mit Jurassic Park die Ära der CGIs. Beides zusammen überzeugte Lucas davon, dass nunmehr die Zeit gekommen sei, um die Saga auch filmisch fortzusetzen. Ende 1994 begann er mit der Arbeit an dem Drehbuch für "Episode I". Daneben wurden die ersten drei Filme digital überarbeitet und 1997 als Special Edition herausgegeben. Auf diese Weise konnte man nicht nur die neue Technik austesten, sondern auch ein Gutteil des Geldes aufbringen, das man für die Produktion von The Phantom Menace benötigte. Was folgte war ein Trauerspiel, das schon bald die Züge einer bizarren Groteske annehmen sollte.

Wenn das, was ich oben über Lucas' inneren Werdegang geschrieben habe, zumindest teilweise der Wahrheit entspricht, dann erscheint manches, was sich im Zusammenhang mit den Prequels abgespielt hat, vielleicht etwas verständlicher.
In Episode 17 von Half in the Bag diskutieren Mike Stoklasa & Jay Bauman mit Alexandre O. Philippe, dem Regisseur von The People vs. George Lucas, u.a. die Frage, warum Lucas unbedingt bei allen drei Prequels die Drehbücher schreiben und die Regie führen wollte*****, obwohl er in der Vergangenheit doch mehrfach zugegeben hatte, nicht der brillanteste Autor zu sein. Mir erscheint das nicht so geheimnisvoll. Bei den alten Filmen war Lucas ohne weiteres bereit gewesen, die Regie an Irvin Kershner bzw. Richard Marquand abzugeben, und hätte möglicherweise sogar Leigh Bracketts Drehbuch für The Empire Strikes Back ohne größere Veränderungen zur Verfilmung freigegeben, wenn die großartige Autorin nicht vor Abschluss ihrer Arbeit gestorben wäre. Doch zu dieser Zeit hatte Star Wars auch noch einen gänzlich anderen Platz im Selbstverständnis des Filmemachers innegehabt. Die Trilogie hatte den Startpunkt seiner Karriere bilden sollen. Aber selbige hatte sich nicht auf die von ihm erträumte Weise entwickelt, und Mitte der 90er Jahre war aus dem "Startpunkt" der verfrühte Höhepunkt seiner künstlerischen Laufbahn geworden. Die Prequels waren sozusagen die letzte Chance, um sich selbst und der Welt zu beweisen, dass er ein bedeutender Künstler ist. Aus verständlichen Gründen, hätte er um nichts in der Welt bei diesem Projekt die Zügel aus der Hand gegeben! George Lucas wird oft vorgeworfen, ein leidenschaftsloser und manipulativer Geschäftemacher zu sein, dem es nur darum gehe, eine Shitzillionen Dollars mit seinen Filmen und dem dazugehörigen Merchandising zu verdienen. Das ist ohne Zweifel ein Aspekt seiner Persönlichkeit, aber wenn da nicht noch mehr wäre, dann bliebe es in der Tat völlig unverständlich, warum er die Leitung der Prequels nicht an irgendwelche verdienten Blockbuster-Schöpfer delegierte.
Jetzt wird vielleicht auch etwas verständlicher, warum den Prequels jene verspielte Leichtigkeit abgeht, die einen Gutteil des Charmes der alten Trilogie ausmacht. Lucas wollte nicht als Schöpfer eines neckischen Rückgriffs auf die Sci-Fi-Serials der 40er Jahre in die Filmgeschichte eingehen, sondern als "echter Künstler". Und "echte Kunst" – so scheint er zu glauben – ist "ernste" Kunst. Und so mussten die Prequels die "Tragödie von Anakin Skywalker" erzählen, statt wie einst beabsichtigt die "Abenteuer von Obi-Wan Kenobi" {was sicher sehr viel interessanter gewesen wäre, zumal Lucas keine Ahnung hatte, wie er einen "tragischen" Handlungsbogen kreieren sollte.}
Tatsächlich zeigte die neue Trilogie nur, dass George Lucas weder ein großer "Künstler" noch auch nur ein kompetenter Geschichtenerzähler ist. Aber unter den gegebenen Umständen wäre es völlig undenkbar gewesen, hätte er sich das eingestanden. Und dies nicht nur, weil sein Ego eine solche Verletzung nicht ertragen hätte. Was über die Produktion der Prequels bekannt ist, macht sehr deutlich, dass Lucas von Menschen umgeben ist, die ihm nicht zu widersprechen wagen. Wie Gary Kurtz, der Produzent von A New Hope und Empire Strikes Back, der vor Jedi das Star Wars - Schiff verließ, um Jim Hensons Dark Crystal zu produzieren {kluger Mann}, in einem Interview aus dem Jahr 2000 gesagt hat: "I think one of the problems that Lucas has now, in the Lucas Film empire, is the fact that he doesn’t have more people around him who really challenge him." Seine Lage gleicht schon seit längerem der eines Königs, umgeben von einer Gesellschaft aus Höflingen. Kein Milieu, das der Entwicklung einer selbstkritischen Einstellung förderlich wäre.
Vor diesem Hintergrund wirkt auch Lucas' gestörtes Verhältnis zu seinen Fans etwas weniger unverständlich.
Grob gesprochen gibt es drei Arten, wie man auf Kritik reagieren kann: Man kann sich ernsthaft mit ihr auseinandersetzen und dabei das eigene Werk einer erneuten kritischen Prüfung unterziehen. Man kann sie ignorieren. Oder man kann sie als persönlichen Angriff auffassen und zurückbeißen.
Nun ist es nicht so, als wäre man bei Lucasfilm überhaupt nicht auf die Kritik eingegangen. Bei Attack of the Clones versuchte man vielmehr ganz bewusst, alles zu vermeiden, was zu der vernichtenden Reaktion auf The Phantom Menace geführt hatte. Da agierte Onkel George als gewiefter Geschäftsmann. Doch seine ganz persönliche Reaktion war offenbar eine völlig andere. Wie nie zuvor in seiner Karriere hatte er bei den Prequels die uneingeschränkte Kontrolle über die Produktion besessen. Diese Filme waren seine ureigensten Schöpfungen. Und daneben sah er in ihnen wahrscheinlich so etwas wie sein künstlerisches Vermächtnis. Ich finde es nicht so schwer, mir auszumalen, wie er sich gefühlt haben muss, als ihm eine derartig massive Welle an Ablehnung und offenem Hass entgegenschlug. Vergessen wir nicht: Das Tohuwabohu um The Pantom Menace war das erste großflächige Beispiel für ein heute beinah alltäglich gewordenes Phänomen: Nerd Rage. Für eine abgeklärte Reaktion mangelte es Lucas wahrscheinlich an der nötigen Selbstsicherheit. So zumindest meine Theorie. Offene Aggressionsausbrüche freilich sind auch nicht seine Art. Stattdessen verkrampfte er sich erst recht in der Haltung des "künstlerischen Genies", das in der Verfolgung seiner Vision nicht auf das Gemaule des Pöbels achtet. Und so ist es in den letzten zehn Jahren zu zunehmend exzentrisch anmutenden Aktionen gekommen. Jede weitere Überarbeitung der alten Filme enthält neue, immer sinnlosere Abänderungen, deren einziger Zweck es inzwischen zu sein scheint, die Fans zu provozieren, derweil Onkel George in aller Öffentlichkeit mit einem "Han Shot First" - T-Shirt durch die Gegend läuft.
Lucas wird oft als einer der Erfinder des Blockbusterschemas dämonisiert, und natürlich ist etwas wahres an diesem Vorwurf. Doch daneben scheint er mir mindestens ebensosehr das Opfer des Star Wars - Kultes zu sein. Ein mittelmäßiger Filmemacher, der gerne mehr gewesen wäre, findet sich plötzlich in der Position eines cineastischen Gottes wieder, nur um zwanzig Jahre später erleben zu müssen, wie die, die ihn gestern noch anbeteten, heute am liebsten mit einem Schlachtermesser über ihn herfallen würden.

Huiii, da bin ich wohl etwas ins Schwafeln gekommen. Besser, ich beende jetzt meine spekulative Schwätzerei über den guten Onkel George, und versuche, mir abschließend noch ein paar kurze Bemerkungen über The Clone Wars aus den Fingern zu saugen.
Besonders viel will mir da freilich nicht einfallen. Vielleicht zuerst einmal ein kleiner Trailer:


All jene, die das Glück hatten, dieser Monstrosität bisher noch nicht begegnet zu sein, und mich jetzt dafür verfluchen, ihnen diesen Clip vorgesetzt zu haben, möchte ich antworten: Ich habe mich durch mehr als zwei Stunden von diesem Müll gequält, da werdet ihr wohl zweieinhalb Minuten aushalten. Außerdem solltet ihr mir dankbar dafür sein, dass ich den Trailer für Volume 2 genommen habe. Der erste Teil der Clone Wars ist nämlich noch um ein vielfaches schlimmer. Nicht nur, dass er zeichnerisch noch mieser daherkommt {ich weiß, schwer vorstellbar}, inhaltlich besteht er fast nur aus einer völlig willkürlich anmutenden Aneinanderreihung ebenso absurder wie stinklangweiliger Kampfsequenzen, denen mit der nicht wirklich packenderen Geschichte von Anakins Konfrontation mit Asajj Ventress nur mühsam eine Art Rahmen verpasst wurde. Teil 2 verfügt wenigstens in der zweiten Hälfte über eine einigermaßen kohärente Handlung, wenn der Film sich daran macht, die unmittelbare Vorgeschichte zu Revenge of the Sith (Grievous' Überfall auf Coruscant und die Entführung Palpatines) zu erzählen.
Das einzig interessante an diesen erbärmlichen Kreationen ist, dass sich in ihnen beinahe alles wiederfindet, was Attack of the Clones und Revenge of the Sith so unerträglich macht. Was deshalb erstaunlich ist, weil der Ton der Filme doch sehr anders ist. {Die Animationsserie wurde eben tatsächlich für Kinder gemacht.} Auf ironische Weise verdeutlicht The Clone Wars damit noch einmal, wie Lucas' "künstlerische Handschrift" aussieht.
Da wären zuerst einmal die unzähligen Kampfszenen, denen alle Dramatik und Spannung abgeht, wofür es vor allem zwei Gründe gibt. Zum einen besitzen wir zu keinem der Beteiligten – Obi-Wan & Anakin vielleicht ausgenommen – eine emotionale Beziehung. Ob er oder sie triumphiert oder unterliegt, überlebt oder stirbt, vermag uns deshalb nicht wirklich zu berühren. Zum anderen sind die Gegner in den allermeisten Fällen einfach gnadenlos unfähig. Wir wissen von vornherein, dass keiner der Jedi auch nur einen Kratzer abbekommen wird, ganz gleich, wieviele Kampfdroiden gegen ihn antreten. Und was bereits in den Prequels öde und lächerlich wirkt, nimmt in den Clone Wars endgültig offen groteske Formen an, so etwa wenn in Vol. 1 Mace Windu im Alleingang eine ganze Armee der Blechkameraden zerlegt. Der einzige Gegner, von dem uns der Eindruck vermittelt werden soll, er sei den Jedi gewachsen, ist General Grievous. Doch leider wirkt dieser ganz wie in Revenge of the Sith auch hier eher lächerlich denn bedrohlich. Ich frage mich bis heute, mit welcher Zielsetzung genau sein Erscheinungsbild eigentlich kreiert worden ist.
Die Kämpfe füllen zwar einen Großteil der beiden Filme aus, aber es sind vor allem andere Details, die immer wieder an die Prequels denken lassen. Da wären z.B. die nicht nur völlig unlustigen, sondern auch gänzlich fehlplazierten Versuche in Humor, für die in erster Linie C-3PO verwendet wird. Oder jene bizarren Szenen, bei denen es völlig unklar bleibt, welche Art von Reaktion sie beim Publikum hervorrufen sollen. Wenn wir Anakin Käfer und Würmer verspeisen sehen, sollen wir darüber lachen oder uns ekeln? Die Romanze zwischen Padmé und Anakin spielt dankenswerterweise so gut wie keine Rolle, aber die einzige richtige "Liebesszene" besitzt exakt den gleichen "creepy vibe" wie Attack of the Clones. Die deutlichste Parallele aber besteht im sinnlosen Anzitieren der ursprünglichen Filme. Nicht nur bekommen wir mehr als einmal "I have a bad feeling about this" zu hören, in einer Szene wiederholt Obi-Wan auch noch Han Solos Spruch "What an incredible smell you've discovered" aus der Müllschluckerszene in A New Hope! Und eine {mir zumindest} völlig unverständliche Flashback-Sequenz mit Qui-Gon Jinn kopiert außerdem die berühmte Höhlenszene aus Lukes Training auf Dagobah in The Empire Strikes Back!
Wenn all dies etwas beweist, so, dass The Clone Wars echte Lucas-Filme sind, was inzwischen ja leider nicht mehr als Empfehlung gelten kann.


* Am deutlichsten ist dies meiner Ansicht nach an der Figur Darth Vader zu erkennen. Als der erste Film gedreht wurde, war der Typ im schwarzen Robot-Anzug nicht mehr als einer der Bösewichte, der als Chefhandlanger von Grand Moff Tarkin nicht einmal zum imperialen Führungszirkel gehörte. Die Idee, dass es sich bei ihm um Lukes Vater handelt, existierte zu dieser Zeit noch nicht. All dies verändert sich auf dramatische Weise in The Empire Strikes Back. Vader wird auf einmal eine allseits gefürchtete Person, die in schöner Regelmäßigkeit imperiale Führungsoffiziere ermordet. Die Szene aus dem ersten Film, in der einer der Generäle sich über seinen Mystizismus lustig macht, erscheint im Rückblick nun völlig absurd. Mit der Verwandlung des Imperators in einen echten Dark Lord ist Vader nicht länger ein Relikt aus einer vergangenen Ära, der letzte Anhänger einer von den meisten bloß noch belächelten Religion, sondern der Meisterschüler und die rechte Hand des dämonischen Diktators. Damit rückt die Beziehung Luke-Vader mehr und mehr ins Zentrum der Geschichte, noch bevor der berüchtigte Satz "I am your father" fällt. Was jedoch noch lange nicht bedeutet, dass Vaders erneute Bekehrung zum Guten am Ende des dritten Filmes bereits geplant gewesen wäre. Nichts in Empire bereitet diese finale Wende vor, was entscheidend dazu beiträgt, dass sie in Return of the Jedi ehrlich gesagt ziemlich unrealistisch {weil aus heitrem Himmel kommend} wirkt.
** Ich habe mich nie eingehender mit ihr beschäftigt, aber auf der Website von Michael Kaminski finden sich dazu einige recht interessante Artikel, und bei Starkiller kann man sich eine ganze Reihe der frühen Script-Entwürfe runterladen.
*** Im zweiten und dritten Drehbuchentwurf für Star Wars beginnt der einleitende Text mit dem Satz: "Ruthless trader barons, driven by greed and the lust for power, have replaced enlightenment with oppression, and 'rule by the people' with the FIRST GALACTIC EMPIRE." Im zweiten Entwurf bekommen wir über den Untergang der Republik folgendes zu hören: "As the Republic spread throughout the galaxy, encompassing over a million worlds, the GREAT SENATE grew to such overwhelming proportions that it no longer responded to the needs of its citizens. After a series of assassinations and elaborately rigged elections, the Great Senate became secretly controlled by the Power and Transport guilds. When the Jedi discovered the conspiracy and attempted to purge the Senate, they were denounced as traitors. Several Jedi allowed themselves to be tried and executed, but most of them fled into the Outland systems and tried to tell people of the conspiracy. But the elders chose to remain behind, and the Great Senate diverted them by creating civil disorder. The Senate secretly instigated race wars, and aided anti-government terrorists. They slowed down the system of justice, which caused the crime rate to rise to the point where a totally controlled and oppressive police state was welcomed by the systems. The Empire was born. The systems were exploited by a new economic policy which raised the cost of power and transport to unbelievable heights." Noch etwas ausführlichere Angaben finden sich in einem Interview mit Lucas aus dem Jahr 1979. 
**** Wer ein Gefühl dafür bekommen will, um was für ein grausiges Debakel  es sich dabei handelt – die Jungs von RedLetterMedia haben alles nötige dazu in Episode 24 von Half in the Bag gesagt. Das Erfreulichste an Red Tails ist, dass der Flick Leuten wie Spike Lee die Möglichkeit gegeben hat, sich einmal so richtig schön lächerlich zu machen.
***** Was genaugenommen nicht ganz stimmt. Das Drehbuch zu Attack of the Clones wurde am Ende noch einmal von Jonathan Hales überarbeitet, mit dem Lucas zuvor bereits bei den Young Indiana Jones Chronicles zusammengearbeitet hatte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen