"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Dienstag, 18. September 2012

Zehnter Jahrestag eines Verbrechens

Das Einhalten irgendwelcher Jubiläen gehört ganz offenbar nicht zu meinen Stärken. Erst als ich nach einer etwas längeren Pause vorgestern einmal wieder auf Caitlin R. Kiernans Livejournal vorbeischaute, wurde mir bewusst, dass sich kürzlich zum zehnten Mal das unrühmliche Ende der verdammt besten SciFi-Serie aller Zeiten gejährt hat: FARSCAPE.



Ich würde zu gerne einmal etwas ausführlicher über Farscape schreiben, aber das muss vorerst noch warten. Einige der Gründe, warum ich die Serie so sehr liebe, möchte ich aber dennoch rasch anführen.
Sie ist originell, witzig, menschlich, intelligent, eigenwillig und herrlich verrückt. Vor allem aber ist sie erfüllt von einem erfrischend anarchischen und nonkonformistischen Geist. Meines Wissens nach ist sie die einzige Space Opera - Serie, in der es keine hierarchischen, quasimilitärischen Kommandostrukturen gibt. Moya besitzt keinen Kommandanten, auf ihr herrscht vielmehr Anarchie. {Okay, in der 4. Staffel wird D'Argo zum "Captain" gewählt, aber de facto ändert sich dadurch nichts}. Anarchie nicht im Sinne irgendeines utopischen Ideals, sondern als ein Miteinander von Individuen, die sich erst ganz allmählich und unter zahlreichen Auseinander-setzungen zu einer Gruppe zusammenfinden. Persönliche Freiheit und darauf aufbauend Freundschaft und Solidarität sind die zentralen Werte von Farscape. Schließlich sind von Crichton und Aeryn einmal abgesehen zumindest in den ersten beiden Staffeln sämtliche Mitglieder von Moyas Crew ehemalige Sträflinge. Zhaan bezeichnet sich selbst als "Erzanarchistin"; D’Argo betont immer wieder, dass er sich nie wieder gefangen nehmen oder in Ketten legen lassen werde; Rygel wird von der Erinnerungen an seine jahrelangen Folterungen verfolgt; der sonst so ruhige Pilot reagiert mit extremer Panik und Wut, als man ihm erneut das Kontrollhalsband anzulegen versucht; Chiana fürchtet nichts so sehr, wie den Autoritäten ihrer Heimat (dem "Establishment") in die Hände zu fallen, die sie einer Gehirnwäsche unterziehen würden, um ihr unangepasstes, rebellisches Wesen auszulöschen; und selbst Aeryn war als Peacekeeperin in gewissem Sinne eine 'Gefangene' – die Gefangene eines unmenschlichen, militaristisch-rassistischen Systems.
Das Militär erscheint durchgehend als bösartig und unterdrückerisch. Das gilt nicht nur für die faschistoiden Peacekeeper, sondern für jedes Militär, einschließlich des irdischen. Crichton ist zwar Amerikaner, aber im Unterschied zu SciFi-Serien wie Stargate ist Farscape völlig frei von nationalem Chauvinismus. Die Moya-Crew selbst ist eine aus allen möglichen Völkern zusammengewürfelte Truppe. Und während der grausliche Vorspann von Enterprise den Eindruck zu erwecken versucht, die USA hätten quasi im Alleingang Luft- und Weltraum erobert, erhält Crichton in der allerersten Folge von seinem Astronautenvater als Glücksbringer einen Ring, den dieser von Juri Gagarin geschenkt bekommen hatte. Beeindruckend auch, wie die Serie auf die Ereignisse vom 11. September 2001 reagierte. Statt der vielerortens üblichen Appelle an nationale Einheit und militärische Stärke, richtete sich Farscape in einer seiner ganz seltenen politischen Kommentare ganz klar gegen die von den westlichen Regierungen geschürte Atmosphäre aus allgemeinem Misstrauen und Xenophobie. 
Abgesehen davon versuchte die Serie eigentlich nie wie etwa Star Trek oder Babylon 5 –, irgendwelche "gesellschaftlich relevanten" Themen zu behandeln, was in meinen Augen aber bloß von Vorteil ist. Bei ersterem nahm das gar zu oft die Form simplifizierender Allegorien an, bei letzterem mündete es schlussendlich in ziemlich fragwürdigen Aussagen. Farscape hingegen erzählt ganz einfach von interessanten und vielschichtigen Charakteren, die spannende Abenteuer erleben. Und das ist es, was ich zuallererst von einen guten Space Opera - Serie erwarte, nicht politische Kommentare. Es ist die Art des Umgangs mit altbekannten Motiven sowie der Geist, in dem die Geschichten erzählt werden, der die Serie zu etwas besonderem macht.
Mit Ben Browder, Claudia Black, Anthony Simcoe, Virginia Hey und Gigi Edgley, nicht zu vergessen dem im Juli dieses Jahres verstorbenen Jonathan Hardy und Lani Tupu als den Stimmen von Rygel und Pilot, verfügte Farscape über eine exzellente Kerntruppe von Schauspielern und Schauspielerinnen, denen durchgehend interessantes Material zur Verfügung stand, mit dem sie arbeiten konnten. Von vereinzelten Ausnahmen abgesehen war die Serie mit wirklich guten Drehbüchern gesegnet, die die Klischees und Versatzstücke des Genres auf eigenwillige Weise anpackten und verwendeten. Alle Charaktere sind ambivalent, ohne dass diese Ambivalenz wie inzwischen so häufig der Fall zu einer Entschuldigung für billigen Zynismus oder die Verherrlichung antisozialen Verhaltens wird. Mit dem von Wayne Pygram grandios gespielten Scorpius besitzt Farscape darüber hinaus einen faszinierenden Bösewicht, der nicht nur grausam, rücksichtslos und intelligent ist, sondern dessen Beweggründe man durchaus nachvollziehen kann. Und dann sind da natürlich auch noch die fantastischen Kreationen aus Jim Hensons Creature Shop, dessen Sohn Brian einer der Koproduzenten der Serie war. Sie verleihen Charakteren wie Pilot und Rygel eine Präsenz und Körperlichkeit, wie es CGIs bisher nur sehr selten vermögen.



Im September 2002, unmittelbar vor dem Ausstrahlungsbeginn der 4. Staffel, verkündeten die Bosse des Sci Fi - Channel das Todesurteil über Farscape, indem sie abrupt den Geldhahn zudrehten. Sie zerstörten damit eine der innovativsten, geistreichsten und sympathischsten Beispiele für Science Fiction im Fernsehen der letzten Jahrzehnte. Die zwei Jahre später unter Brian Hensons Regie gedrehte Miniserie The Peacekeeper Wars wird dem Original leider in keiner Weise gerecht. Um ehrlich zu sein, ich wünschte mir, ich hätte sie nie gesehen. Für mich endet Farscape deshalb nach wie vor mit dem Cliffhanger in Bad Timing, der 22. Folge der 4. Staffel. Auf diese Weise werde ich außerdem stets aufs neue daran erinnert, was für ein Verbrechen vor zehn Jahren an der Phantastik begangen wurde.

6 Kommentare:

  1. Ja! Farscape! Wird für mich endlich Zeit sich die Serie komplett anzusehen, nachdem uns das deutsche Free-TV Staffel 3 und 4 vorenthalten hat. Grrr....

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    1. Yep, das war auch so ein Verbrechen. Welcher Sender war das damals noch mal?
      Ansonsten: Schau dich mal ein bisschen auf Youtube um. Vor ca. einem Jahr konnte man sich da die ganze Serie angucken. Keine Ahnung wie gründlich die Copyright-Polizei inzwischen aufgeräumt hat ...

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    2. Das war Sat1. Damals den Piloten groß angekündigt und nach der Premiere von "Men in Black" gezeigt, danach die Serie extrem stiefmütterlich behandelt. Ausser dem Mehrteiler einige Jahre später auf einem anderen Sender, gab es meines Wissens keine weitere Ausstrahlungen mehr.
      Werd mal sehen was Youtube so hergibt, danke Hinweis.

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    3. Fündig geworden? Wenn nicht, dann schau mal bei ValaScifi vorbei. Nicht alle Folgen, aber immerhin ...

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  2. Jep! Nun noch die Lebensgefährtin überzeugen, dann kann es von Folge 1 an los gehen :)

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  3. Dann bleibt mir wohl nichts weiter zu tun, als euch beiden viel Spaß zu wünschen.

    "Look upward and share the wonders I have seen!"
    (http://www.youtube.com/watch?v=1sdZVqapWa0)

    Ich derweil werde mich jetzt (hoffentlich ... endlich) an "They Live" machen.

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